S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 13.11.2025 um 10.30 UTC

Mittelfristig kälter und auch unbeständig, aber noch nicht der „große
Wintereinbruch“

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 20.11.2025

Man braucht gar nicht lange in den diversen Wetter- und Modelldaten unserer
hochtechnisierten Arbeitsplatzcomputer herumfuhrwerken. Es genügt ein flüchtiger
Blick auf das gute alte 16er-Blatt in klassischer Papierform um zu erkennen,
dass die Mittelfrist eine nicht unerhebliche Brisanz birgt. Und damit einen
schönen guten Tag vom Mittelfristarbeitsplatz der Vorhersage- und
Beratungszentrale VBZ in Offenbach. Vor allem wenn man nach hinten schaut, Blatt
3 und 4 ab Mitte nächster Woche, gestaltet sich die (vermeintliche?) Entwicklung
durchaus interessant und spannend. Nix mehr mit drögem Nebel- und
Hochnebelgedöns, nein, ein dicker fetter Potenzialtrog, prallgefüllt mit
höhenkalter maritimer Polarluft kündigt sein Kommen an. Insbesondere für das
Bergland könnte es interessant werden – Stichwort Schneefall – auch wenn
aufgrund des weiten Prognosehorizonts natürlich noch nicht alle Messen gelesen
sind. Auf alle Fälle hat die Lage mehr Potenzial als der erste Push maritimer
Polarluft, der uns zu Wochenbeginn von Nord nach Süd beehren wird.

Steigen wir ein am kommenden Sonntag, dem offiziellen Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums, an dem noch immer das bereits in der Kurzfrist gebührend
diskutierte Vierdruckfeld auf der Wetterkarte erkennbar ist. Die
Luftmassengrenze (LMG), die sich bereits vor dem Wochenende infolge markanter
Frontogenese über Norddeutschland festgesetzt hat, tut sich zunächst weiterhin
schwer, Boden nach Süden hin gutzumachen. Das ändert sich aber im Tagesverlauf,
wenn nämlich eine über der Norwegischen See und Skandinavien ansetzende
Austrogung süd-südostwärts ausgreift und die zuvor zonal konturierte
Höhenströmung in einen Nordwestwind umwandelt. Außerdem wird die in der Warmluft
positionierte blockierende Tiefdruckrinne (Mitte, Süden) mehr und mehr
weggebügelt, so dass sich auch bodennah bis zum Montag zunehmend eine
ageostrophische Nordwest- bis Westströmung einstellt (hoher Luftdruck naher
Ostatlantik, tiefer Luftdruck Nord- und östliches Mitteleuropa). Kurzum, die
Progressionsmaschinerie kommt in Gang und drückt die LMG nicht superschnell,
aber kontinuierlich nach Süden. Etwa in den Abendstunden des Montags dürften
Stand heute die Alpen erreicht werden, so dass dann ganz Deutschland mit einer
zwar polaren, aufgrund der Jahreszeit aber deutlich erwärmten Meereskaltluft
geflutet ist (T850 -1 bis -7°C mit den niedrigsten Werten im Nordosten). Die
Höhenkaltluft trifft uns übrigens bestenfalls peripher, da die Stoßrichtung des
Troges gen östliches Mitteleuropa gerichtet ist.

Während nun also klar ist, dass die Temperaturen, vor allem die
Tagestemperaturen einen deutlichen Satz nach unten machen (am Montag kaum noch
10°C, danach noch frischer), bleibt noch die Frage nach dem Niederschlag. Die
Antwort fällt ernüchternd aus für alle, die sich auf Schnee freuen, ein
Naturgut, das selbst im Winter – aktuell befinden wir uns ja noch im Herbst – zu
einer Rarität verkommen ist. Zum einen fällt der Niederschlag überwiegend in der
wärmeren Luftmasse und mithin in flüssiger Phase. Zudem hört der Niederschlag
weitgehend auf, wenn die ohnehin nicht bannig kalte Polarluft ankommt. Selbst an
den Alpen, wo die Niederschlagsphase am Montag etwas länger andauert, dürfte die
Schneephase zu kurz ausfallen, um nennenswerte Akzente zu setzen.

Interessanter wird es dann wie bereits angedeutet ab Wochenmitte, wenn ein
neuerlicher Trog seine Fühler, genau genommen sogar seinen ganzen Corpus in
Richtung Mitteleuropa ausstreckt. Der Ansatz erfolgt nun deutlich weiter
westlich als beim Vorgängermodell (das zudem noch flacher konfiguriert war), so
dass wir zumindest nach Lesart des HRES vom IFS voll ins Innenleben dieses
Potenzialminimums inkl. höhenkalter Luftmassen eintauchen. Für Feinheiten und
Details reicht es freilich heute noch nicht. So ist z.B. noch nicht klar, wie
stark und räumlich verteilt die Milderung auf der Vorderseite des anrückenden
Troges ausfällt. Und natürlich ist auch das gesamte Niederschlagsgeschehen noch
mit mehreren Fragezeichen versehen, sei es was die Phasen, sei es was Raum, Zeit
und Intensität angeht. Die Chancen zumindest auf Bergwinter stehen nicht so
schlecht. Zumal sich südlich der Alpen noch eine kräftige Zyklogenese andeutet,
die für Teile der Alpen zum Schneebringer werden könnte, Betonung auf „könnte“,
genannt Konjunktiv!

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich dann ein Abtropfen des Troges an mit
nachfolgendem Druck- und Potenzialanstieg von Westen her.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz von IFS (ECMF) hat sich für den ersten Teil der Mittelfrist bis
etwa kommenden Dienstag von Tag zu Tag verbessert. Somit ist inzwischen
unstrittig, dass uns am Sonntag beginnend und am Montag endend von Nord nach Süd
eine ordentliche Portion maritimer Polarluft beehrt, die den aktuell milden bis
sehr milden Witterungsabschnitt beendet. Von einem frühen Wintereinbruch zu
sprechen, wäre aber weit übertreiben: Zum einen fällt wahrscheinlich nur wenig
Schnee und das auch nur in den Bergen. Zum anderen ist die Kaltluft stark
maritim geprägt, heißt, durch die vorgelagerten, noch relativ milden
Meeresflächen modifiziert und damit nicht unerheblich erwärmt.

Ab Mittwoch nimmt die Modellkonsistenz ab, die Prognoseunsicherheit entsprechend
zu. Es deutet sich aber modellübergreifend und auch auf Ensemblebasis ein
unbeständiger und nasskalter Wetterabschnitt an, bei dem es zu zeitweiligen
Niederschlägen kommt, teils als Schnee (vor allem im Bergland), teils als Regen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die für gewöhnlich an dieser Stelle unter die Lupe genommenen Globalmodelle
ICON, GFS, GEM und UK10 folgen im Großen und Ganzen der IFS-Linie. Daran ändert
auch die Tatsache nichts, dass die Nordamerikaner (GFS und GEM) die LMG am
Montag etwas eher an den Alpen ankommen lassen (was dort vielleicht etwas mehr
Schneefall bedeuten würde). Grund der leicht beschleunigten Passage ist ein
etwas steilerer Höhentrog mit stärkerer Nordkomponente in der ansonsten
nordwestlichen Höhenströmung.
Zum Ende der Mittelfrist nehmen die Unschärfen zwar zu, gleichwohl lässt sich in
allen fünf Modellen die Annäherung eines neuen, wie auch immer gearteten
Höhentrogs konstatieren. Am defensivsten agiert dabei ICON, das statt eines
Troges ein hochreichendes Zentraltief über UK/Irland platziert, was bei uns
tendenziell etwas mildere und trockenere Verhältnisse zur Folge hätte. Hier
heißt die Devise wie eigentlich immer in der Mittelfrist: Abwarten!

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen über weite
Strecken einen gutmütigen, sprich, vergleichsweise enggebündelten Verlauf, der
die beschriebene Entwicklung auf Basis des HRES sehr gut wiederspiegelt. Mit
Ausnahme Süddeutschlands reicht die Bündelung bei der 850-hPa-Temperatur sogar
bis Mittwoch, während die Kurven beim Geopotenzial 500 hPa schon etwas früher
auseinanderfächern. Man muss aber festhalten, dass das ganz große Gewusel in
Form sehr großer Spreizungen ausbleibt und die Temperatur mehrheitlich unten im
Bereich um -5°C (850 hPa, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen)
verbleibt. Erkennbar ist auch, dass die Niederschlagssignale im Wochenverlauf
wieder leicht zunehmen. Alles Indizien für einen unbeständigen und nasskalten
Witterungsabschnitt.

Bei der Clusterung überrascht zunächst ein wenig, dass der Zeitraum T+72…96h
(Sonntag/Montag) nur mit zwei Clustern belegt ist, die sich zudem kaum
unterscheiden. Häufig werden für dieses erste Zeitfenster aus zumindest für den
Verfasser nicht ersichtlichen Gründen ja volle sechs Fenster geöffnet, heute
nicht. Mehr werden es erst ab Dienstag (T+120…168h), genau genommen steigt die
Zahl der Cluster auf vier. Dreimal ist das Regime NAO-, einmal der Atlantische
Rücken vertreten. Allen gemein ist das Übergreifen eines neuen Troges von Westen
her. Die Unterschiede liegen vor allem im Timing (z.B. der Eintreffzeitpunkt)
und in der Geometrie (z.B. Breite und Amplitude) des Troges. Hier auf die
Einzelheiten einzugehen ist müßig, käme nur wenig belastbarer Spökenkiekerei
gleich.
Der Chronistenpflicht halber noch Anzahl und Wesen der Cluster nach Donnerstag
(T+192…240h). Drei Fenster werden angeboten, von denen CL 1 (23 Fälle + HRES)
durch das Abtropfen des Troges ins Regime „Blockierung“ rutscht. CL 2 (14 Fälle)
wechselt von Atlantischem Rücken zu NAO+, weil der Trog durchschwenkt und die
Strömung danach auf zonal wechselt. Gleich besetzt mit 14 Vertretern ist CL 3,
bei dem der Trog mittemang über Mitteleuropa respektive Deutschland
liegenbleibt. Mit anderen Worten, gerade was die erweiterte Mittelfrist angeht,
sind doch verschiedene Großwetterlagenszenarien möglich.

FAZIT:
Hinsichtlich der Passage der bereits in der Kurzfrist über Norddeutschland
installierten LMG haben sich die Modelle weiter angenähert (und werden dabei von
der Statistik unterstützt). Bis spätestens Montagabend ist der gesamte
Vorhersageraum mit polarer, aber eben auch erwärmter Meereskaltluft geflutet.
Den großen Wintereinbruch gibtŽs freilich nicht, weil die meisten Niederschläge
in flüssiger Form fallen (Motto „Kaltluft da, Niederschlag weg“), die
Vorgeschichte eine warme ist und natürlich auch die Polarluft noch nicht
wirklich was taugt.
Interessant in Sachen Berglandwinter könnt die zweite Wochenhälfte werden, wenn
ein weiterer kaltluftgefüllter Trog Deutschland ansteuert.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Trotz Umstellung der Wetterlage, thermisch durchaus mit Schlagzeilenpotenzial,
lässt sich auf dem Sektor markanter Wettererscheinungen nicht viel ernten. Mit
bzw. nach Passage der LMG fällt im Bergland vielleicht mal etwas Schnee, was
aber keinesfalls als markant zu bezeichnen ist. Selbst wenn es in den Alpen
etwas mehr werden sollte (wenn, dann wohl überhaupt nur in höheren Lagen), dann
ist der Schnee dort zu dieser Jahreszeit eher willkommen bis ersehnt als dass
gleich wieder irgendwelche „Alwarnglocken“ schrillen müssten. Auch dass in der
nächsten Woche mal irgendwo das Stichwort „Straßenglätte“ (am ehesten durch
gefrierende Nässe) in den Verkehrsnachrichten Erwähnung finden könnte, sollte
Mitte November nicht die ganz große Überraschung sein (obwohl, wenn man den
Klimawandel bedenkt, dann… – na ja, lassen wir das mal an dieser Stelle). Wie
genau sich dann der zweite Trog auswirkt, lässt sich heute noch nicht belastbar
beschreiben.

Bleibe nur noch etwas oder auch etwas mehr Wind, vornehmlich an der Nordsee, wo
der Nordwest am Montag vorübergehend stärker aufdreht und in Böen Stärke 8 bis 9
Bft erreicht. Ansonsten sind es nur einzelne exponierte Hochlagen, die mal etwas
deftiger, aber nicht wirklich fett anspringen.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS- und Modellmix mit IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann