SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.06.2025 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)

Heute und am Pfingstwochenende nix Blockierung, es grüßt der Atlantik – sehr
wechselhafter Wetterabschnitt mit allen möglichen Sperenzien.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… hat sich in weiten Teilen Europas eine West-Wetterlage eingestellt,
bei der Abwechslung Programm ist. Auch wenn Pfingsten vor der Tür steht und sich
Viele hier stabiles Hochdruckwetter wünschen dürften, lässt sich die Natur nicht
beirren und bleibt auf Kurs. Einer der Protagonisten auf der Wetterkarte ist das
hochreichende Tief TIM, das über dem Westteil der Norwegischen See auf Höhe
Island geparkt hat. Gemessen am vergangenen Mittwoch, wo das Tief bei uns
ungestüm für ordentlich Bambule mit Schwergewittern im Süden und Südosten
gesorgt hat, hat sich TIM mittlerweile zu einem gediegenen zentralsteuernden
Wirbel mit etwas unter 985 hPa im Kern gemausert, der es aber immer noch
faustdick hinter den Ohren hat. Einer seiner Hauptwerkzeuge ist ein sehr
solider, recht breit aufgestellter Potenzialtrog, der über dem nahen Atlantik
weit nach Süden bis zum Seegebiet westlich der Iberischen Halbinsel reicht. Auf
der einen Seite wird der Trog immer wieder durch rückseitig einlaufende KW-Tröge
regeneriert, auf der anderen Seite werden mit der südwestlichen Höhenströmung
ebenfalls meist flache KW-Tröge nordostwärts gesteuert, die u.a. auch bei uns
besagte Wechselhaftigkeit mitforcieren.

Hinzu kommen freilich noch ein paar andere Instrumente wie Tagesgang, Luftmasse
usw. Nimmt man den heutigen Freitag – und genau um den gehtŽs an dieser Stelle –
bekommt TIM Unterstützung von einer flachen und anfangs stabilen Welle (ULI),
die von der Nordsee via Jütland nach Südschweden zieht, wo sie sich zu einem
eigenständigen Randtief entwickelt. ULI verfügt über ein teilokkludiertes
Frontensystem, dessen Warmfront noch heute Morgen den Nordosten Richtung Ostsee
verlässt und dessen Kaltfront (im Folgenden KF abgekürzt) sich heute schleifend
in den Süden und Südosten des Vorhersageraums legt. Rückseitig gelangt ein
Schwall erwärmter und etwa bis rund 650 hPa leidlich labil geschichteter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs in weite Teile Deutschlands (mPs; T850 9 bis
4°C), in der sich nach Abzug des inzwischen schon sehr fragilen Warmfrontregens
(geprägt durch starke Höhenwinde) Schauer und einzelne kurze Gewitter
entwickeln. Zwar ist die Luftmasse trotz ihrer marinen Herkunft nicht besonders
feucht, dafür ist das Umfeld bei soliden Grundwinden gut
(geschwindigkeits)geschert. Heißt für den Fall der Fälle Böen 7-8 Bft (worst
case 9 Bft) und kleinkörniger Hagel. Auch sonst, also aus dem Gradienten heraus
nimmt der Südwestwind vor allem im Norden, teils aber auch bis in die Mitte
ausgreifend sowie in den Hochlagen Südwestdeutschlands tagsüber Fahrt auf mit
Böen 7 Bft, exponiert + nördliches SH 8 Bft, Nordseeküste (SH) sowie freie Kämme
und Kuppen bis 9 Bft und Brocken/Feldberg (der schwarzwälder) bis 10 Bft. Zum
Nachmittag hin nehmen die Höhenwinde deutlich ab, so dass auch der Wind (vor
allem die Böigkeit) Einbußen tolerieren muss, bevor er im Laufe des Abends mit
Ausnahme der Küste sowie einiger Hochlagen gänzlich die Grätsche macht.

Im Süden und Südosten funktioniert der Luftmassenaustausch nicht so reibungslos
wie weiter nördlich, weil die KF ja nicht bis zu den Alpen vorstößt (reicht am
Mittag etwa von Nordbaden bis zur Niederlausitz). Heißt, präfrontal halten sich
Reste feuchter und ebenfalls leidlich labil geschichteter Warmluft (T850 9 bis
13°C), in der mit Hilfe von etwas Einstrahlung ein paar hundert Joule pro
Kilogramm CAPE aufgebaut werden kann. Gute Scherung liegt auch vor, so dass sich
direkt an der KF und davor neben Schauern auch einzelne, durchaus organisierte
Gewitter entwickeln können, die markanten Kriterien genügen, insbesondere beim
Wind. Gut möglich, dass der mit Durchzug eines Low-Level-Maximums auch direkt
vor der KF und unabhängig von Konvektion kurzzeitig mal spürbar aufbrist (aus
Südwest bis West).

Ansonsten bliebe nur noch zu sagen, dass die Höchsttemperatur heute einen
wunderschönen NW-SO-Gradienten von ca. 10 Kelvin zu bieten hat: rund 17°C sindŽs
an der Nordsee, bis zu 26°C im östlichen Oberbayern.

In der Nacht zum Samstag rückt der Haupttrog etwas dichter an den Vorhersageraum
heran, der aber trotzdem zunächst noch unter dessen Vorderseite verbleibt. Die
KF verlagert sich noch etwas nach Süden, zum Almauftrieb in den Alpen reicht es
aber noch nicht. Die anfänglich an bzw. knapp vor der KF schauerartig und
vereinzelt gewittrig fallenden Niederschläge intensivieren sich mit Durchgang
eines flachen Sekundärtrogs in der zweiten Nachthälfte deutlich, was
gebietsweise (Favorit ist Oberschwaben/Allgäu) sogar 10 bis 20 l/m² innert 6
Stunden zu Tage fördern könnte. Die von ICON-D2 feilgebotenen und vom EPS mäßig
unterstützten 20 bis 35 l/m² (das wäre mehrstündiger Starkregen) stellen eine
Außenseiterlösung und somit nicht das wahrscheinlichste Szenario dar, aber man
kenntŽs: Nicht immer im Leben gewinnt der Favorit.

Im großen Rest des Landes beruhigt sich Szenerie nicht nur wind- bzw.
strömungstechnisch, weil sich zur „ungünstigen“ Tageszeit auch noch ein
Aufweichen des Gradienten hinzugesellt. Auch konvektionstechnisch stellt sich
eine Kunstpause respektive ein Aktionsminimum ein, bevor nach Mitternacht im
Westen neue Schauer oder schauerartige Regenfällen auftauchen, die ganz klar ein
Produkt eines PVA-Maximums unmittelbar auf der diffluenten Vorderseite der
Trogachse sind. Ob da auch schon erste Frühgewitter an den Start gehen, wie von
ICON-D2 angezeigt, ist allerdings fraglich. Ausgeschlossen ist es nicht Weniger
fraglich hingegen die Tiefsttemperatur, die sich landesweit zwischen 16 und 9°C
einstellt.

Samstag… passiert die Trogsachse samt PVA-Maximum den Vorhersageraum
nordostwärts. Da sich das gesamte Troggebilde aber weiter westlich neu
aufstellt, kommt dem vorlaufen Trog „nur“ eine Nebenrolle zu, während der
Haupttrog pünktlich zum Feste erst am Pfingstsonntag durchmarschiert. Na wenn
das mal keine gelungene himmlische Inszenierung ist. Nicht unerwähnt soll
bleiben, dass sich im Tagesverlauf ein zonal exponierter Jetstreak über den
Süden legt, was Teile des Ostens unter den linken Ausgang bringt (stärkste
Höhendivergenz). Im Bodendruckfeld zieht sich „Steuermann“ TIM mehr und mehr in
den Raum Jan Mayen zurück, wobei er langsam aber sicher an Gewicht zulegt
(Samstag 24 UTC nur noch etwas unter 995 hPa). Wichtiger als die
Gewichtsprobleme von TIM ist das, was sich weiter südlich abspielt. Bei uns wird
zunächst eine ganz flache Welle mit Bodentrog von SW nach NO durchgeschleust,
bevor in der Nacht zum Sonntag eine weitere, nicht ganz so flache Welle/Randtief
(VEIT) mit teilokkludierter Kaltfront erst die südwestliche Nordsee und dann die
Deutsche Bucht erreicht.

Zuvor steht ein sehr abwechslungsreicher und nicht unspannender Samstag auf der
Karte, an dem nach Passage der ersten Welle/Bodentrog die Kaltfront ganz
allmählich in Richtung Alpen schwenkt. Präfrontal ist die Luft sehr feucht und
gut geschert, aber nicht überbordend labil. Trotzdem dürfte das ausreichen, um
einzelne Gewitter zu generieren, die teilweise schon am Vormittag einsetzen,
sich dann aber zunehmend an den Alpenrand zurückziehen. Meist handelt es sich um
markante Gewitter, bei denen neben Starkregen um oder etwas über 15 l/m² innert
kurzer Zeit auch kleinkörniger Hagel und/oder Böen 7-8 Bft (SO-Bayern vielleicht
9 Bft) mit von der Partie sind. Wo es nicht für elektrische Entladungen reicht,
kommt es zu Schauern oder – im unmittelbaren Frontbereich – schauerartig
verstärkten Regenfällen, die lokal ebenfalls dem Starkregenkriterium genügen
können.

Unmittelbar hinter der Kaltfront schließt sich ein schmaler Korridor an, der
grob vom Saarland und er Pfalz (vielleicht auch noch das Kraichgau) bis in die
östliche Mitte reicht. Hier offerieren die meisten Modelle ein gewisses
Aktivitätsminimum – kompensatorisches Absinken, wenn man so will -, das durch
eine verminderte Anzahl an Schauern und Gewittern auffällt. Möglich, dass es in
diesem Streifen an der ein oder anderen Stelle sogar ganztägig trocken bleibt.

Das kann man vom großen, sich nördlich anschließenden Rest der Nation wahrlich
nicht behaupten. Hier kommt es in weiterhin einströmender subpolarer Meeresluft
zu einem sehr regen vertikalen Luftaustausch, sprich, zahlreichen Schauern und
Gewittern. Am besten funktioniert der Überlapp der konvektiven Zutatenmethode im
Osten, wo mit der leicht aufsteilenden Strömung ein bisschen was von den
feuchten süddeutschen Warmluftresten angezapft wird. Bis zum Nachmittag
generieren sich gebietsweise 500 bis 800 J/kg ungedeckeltes CAPE, die vom
beschriebenen Strömungssetup spielend und ohne langes Vorgeplänkel in konvektive
Umlagerungen umgesetzt werden können. Sehr gute Scherung (LLS bis 15 m/s, DLS
gebietsweise zwischen 25 und 35 m/s), darunter gute bodennahe Richtungsscherung,
Bodentrog, linker Ausgang, erhöhte Helizität und niedriges HKN – Nachtigall, ick
hör dir trapsen. Die Wahrscheinlichkeit für rotierende Zellen jedenfalls ist
deutlich erhöht und wenn am Ende ein oder zwei davon tornadisch auftreten,
sollte das keinen von uns wirklich wundern. Ansonsten kann sich zu den üblich
verdächtigen Begleiterscheinungen wie Starkregen und Böen 8-9 Bft auch
mittelgroßer Hagel mit Korngrößen um 2 cm gesellen, was formal Unwetterwarnungen
zur Folge hätte. Warten wir ab, ob die Atmosphäre in der Lage ist, das komplexe
aufgestellte Gleichungssystem mit den zwar notwenigen, aber nicht zwingend
hinreichenden Bedingungen so zu knacken, dass am Ende die schönen
konzeptionellen Überlegungen auch in natura auftreten.

Blieben abschließend noch Wind und Temperatur. Der südwestliche bis westliche
Wind frischt besonders in der Mitte mitunter stark böig auf (6-8, Brocken 9
Bft), wobei er seine Mobilität und Dynamik mehr aus der Konvektion als aus dem
Gradienten heraus rekrutiert. Ganz im Norden sowie im Südosten bleibt der Wind
etwas schwächer. 16°C an der Nordsee, bis zu 24°C im Südosten.

In der Nacht zum Sonntag beruhigt sich die Lage keineswegs. Zwar macht sich die
KF jetzt endlich in die Berge (ob sie auch drüber kommt, bleibt abzuwarten).
Trotzdem kommt es südlich der Donau zu weiteren schauerartig verstärkten und
anfangs vielleicht auch noch gewittrigen Regenfällen, weil die Front zunehmend
Anacharakter annimmt. Darüber hinaus konvergiert der Haupttrog unweigerlich gen
Mitteleuropa, was im Verbund mit der o.e. Welle VEIT von Westen her den
Nachschub weiterer Konvektion (Schauer und Gewitter) garantiert, aber auch den
auf Südwest bis Süd rückdrehenden Wind am Leben hält (Böen 7-8 Bft im
Wesentlichen aber nur in Hoch- und Leelagen). Tiefstwerte 16 bis 8°C.

Sonntag… beginnt das Pfingstwochenende, das in seinem ersten Teil
wettertechnisch eher lausig über die Bühne geht. Windig, wechselhaft und kühl
lautet die Kurzformel, die eher in den April als in den Juni passt, aber was ist
heutzutage schon normal beim Wetter. Wenn in der Höhe ein Trog durchgeht und am
Boden gleichzeitig noch eine Welle respektive ein Randtief dicht am deutschen
Küstensaum vorbeizieht, kann man nichts anderes erwarten. So kommt es bei rasch
wechselnder, häufig starker Bewölkung nicht nur zu wiederholten Schauern und
Gewittern der Marke rustikal (Starkregen, Hagel, Sturmböen 8-9 Bft; ganz im
Norden TypII-Tornado nicht ausgeschlossen), es brist auch ordentlich auf mit
Böen 7-8 Bft, exponierte Hochlagen 9-10 Bft um West. Dazu Temperaturen von z.T.
nur noch 14 oder 15°C von Borkum über Wangerooge (ab August habt ihr hoffentlich
wieder einen Bürgermeister) bis hoch nach Sylt sowie in den westlichen
Mittelgebirgen und bis zu 21/22°C im Osten.

Modellvergleich und -einschätzung

Die grundlegende Entwicklung ist unstrittig. Bei den Details gibt es wie
gewöhnlich bei vergleichbaren Lagen noch Unschärfen, vor allem am Sonntag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann