SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.05.2025 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal) mit Hang zu Ww (Winkelwest)

Rasche Abfolge von kurzen Wellen mit Zwischenhochphase => wechselhaft mit
Regenfällen und Gewittern. Vor allem am Mittwoch spannende Gemengelage.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC

Montag… hat sich bei uns seit langer Zeit mal wieder eine grundsolide
Westwetterlage eingestellt, die sehr abwechslungsreiche Abläufe garantiert und –
weit wichtiger – Regen gebracht hat und das auch in den nächsten Tagen noch tun
wird. Dass es dabei wie so oft beim Parameter Niederschlag nicht gerecht zugeht,
damit müssen wir leben. Seien wir froh, dass sich überhaupt mal was tut.

Zur Lage, die über dem Ostatlantik eine gut definierte, nur leicht flatternde
Frontalzone zeigt, unter deren diffluenten Ausgang sich Mitteleuropa befindet.
In loser Abfolge werden immer wieder kurzwellige Anteile von West nach Ost
gesteuert, die im Verbund mit Bodentiefs/-trögen/Wellentiefs nebst deren
Frontensysteme die Langeweile blockierender Hochdruckgebiete beendet haben.
Aktuell hat NORMAN den Hut auf, ein 980-hPa-Gerät mit zentralsteuerndem
Charakter, festgetackert knapp nördlich der Färöers am Südwestrand der
Norwegischen See. Als antizyklonaler Antipode fungiert das berühmte Azorenhoch,
das seinen Schwerpunkt mit etwas über 1030 hPa z.Zt. tatsächlich direkt über der
portugiesischen Inselgruppe aufweist und von dort einen langgestreckten Keil
(VANESSA) bis zu den Alpen aussendet. Zwischen den beiden Protagonisten ist
gestern ein Frontensystem über Deutschland hinweggezogen, abgeschlossen von
einer Kaltfront, auf deren Rückseite ein Schwall erwärmter Meeresluft subpolaren
Ursprungs eingeflossen ist (mPs; T850 2 bis 6°C).

Am heutigen Montag wird die frische Meeresluft sowohl durch den Tagesgang als
auch durch einen vornehmlich im Norden durchschwenkenden KW-Trog aktiviert,
wohingegen frontales Geschehen heute weitgehend eine Pause einlegt. Einzig ganz
im Süden (Alpenrand/südliches Vorland), befinden sich noch Reste der
zurückhängenden Kaltfront, die mit Unterstützung von Staueffekten schauerartige,
im Tagesverlauf vereinzelt sogar gewittrige Regenfälle generiert. Viel CAPE ist
nicht vorhanden, doch es dürfte reichen, ein paar elektrische Entladungen zu
erzeugen, begleitet von kleinem Hagel und/oder Böen bis 60 km/h. Wichtiger aber
scheint die Tatsache, dass über den Tag vielfach 5 bis 10, lokal sogar um oder
etwas über 15 l/m² in die Pötte fallen können.

Leicht labil und ausreichend feucht ist die Luftmasse zunächst auch im Norden,
wo heute Morgen aber noch weitgehend konvektive Flaute herrscht. Das wird sich
schon im Laufe des Vormittags ändern, wenn besagter KW-Trog auf den Nordwesten
übergreift, um danach ostwärts zu schwenken. Dann ist mit der Entwicklung
zahlreicher Schauer und einzelner Gewitter zu rechnen, deren Hauptaktivität sich
am Nachmittag Richtung Nordosten verlagert, bevor zum Abend hin eine deutliche
Abnahme erkennbar ist. LLS bis zu 10 m/s sind ein Hinweis darauf, dass die
Gewitter keine totalen Pflaumen sind, Böen 7 Bft und Graupel/kleiner Hagel
dürften garantiert sein, Böen 8 Bft keine totale Überraschung. Die Schauer und
Gewitter strahlen bis in die mittleren Landesteile, vor allem nach Osten hin
aus, auch wenn wohl nicht ganz so zahlreich wie weiter nördlich. Dagegen bleibt
es im Westen und Südwesten sowie der westlichen Mitte und Teilen Frankens
gänzlich oder zumindest weitgehend trocken.

Der westliche Wind lebt mitunter leicht böig auf, rekrutiert seine Hauptböigkeit
aber im Wesentlichen aus der Schauer- und Gewitteraktivität. Der Gradient ist
nur mäßig aufgestellt und dürfte für sich allein nicht reichen, warnwürdige Böen
zu erzeugen. Wenn eine kleine Windwarnung ausgegeben werden soll, dann am
ehesten an der Nordsee sowie in Teilen SHs.

Bei guter Durchmischung erreicht die Temperatur Höchstwerte zwischen 17 und
22°C, an den Küsten sowie in höheren Lagen etwas weniger.

In der Nacht zum Dienstag nähert sich von der Nordsee und Benelux der nächste
KW-Trog. Er korrespondiert mit einer offenen Bodenwelle (PETER), die von
Steuermann NORMAN via UK zur Nordsee gelenkt wird. Vorauseilende WLA sorgt im
Nordwesten und Westen für den Aufzug mehrschichtiger Bewölkung, aus der es in
den frühen Morgenstunden leicht anfängt zu regnen. Außerdem frischt der auf
Südwest bis Süd rückdrehende Wind über und an der Deutschen Bucht spürbar auf
mit Spitzen der Stärke 7-8 Bft.

In den übrigen Landesteilen weitet sich der Hochkeil nach Nordosten aus bzw.
verstärkt sich etwas, was leichten Zwischenhocheinfluss zur Folge hat bzw.
diesen noch etwas verlängert. Die Quellbewölkung vom Tage lockert oder löst sich
auf, anfängliche Schauer gehen in die Knie. Einzig am Alpenrand kann es bis in
die zweite Nachthälfte hinein immer noch mal tröpfeln.

Im Westen und Nordwesten bleibt es mit 13 bis 9°C vergleichsweise mild. Sonst
stehen nächtliche Tiefstwerte zwischen 10 und 5°C in den östlich und
südöstlichen Mittelgebirgen z.T. etwas darunter auf der Karte.

Dienstag… zieht das Wellentief in Richtung Südnorwegen, wo es spätestens am
Nachmittag onshore geht. Derweil schwenkt der o.e. KW-Trog rasch über den
Vorhersageraum hinweg ostwärts und überläuft damit das okkludierende
Frontensystem, das mit leichter Verzögerung auf den Norden und Westen
übergreift. Die Kaltfront dringt von der Nordsee kommend nicht besonders weit
landeinwärts ein, weil sie durch den westlichen Anschluss zu einer neuerlichen
Warmfront eines Randtiefs westlich von Irland (12 UTC, OLE) ausgebremst wird.
Trotz ungünstiger Interaktion zwischen Frontensystem und KW-Trog dürfen sich der
Norden und Westen auf Regen freuen, der zunächst leicht skalig (präfrontal,
schwache WLA) fällt, dann konvektiv wird (Kaltfront respektive Okklusion plus
Rückseite), um am Nachmittag wieder zunehmend skalig zu werden (neuerlicher
WLA-Schub vor nächster Warmfront). Liest sich komplex, ist es auch, spielt
letztlich aber nur eine untergeordnete Rolle. Am Ende sind es 1 bis 5 l/m², im
Westen stellenweise auch etwas mehr Regen, die bis zum Abend registriert werden.
Unsicher ist, ob im konvektiven Part auch ein Gewitter an den Start geht, wie
z.B. von ICON-D2 für den äußersten Nordwesten in der Wetterinterpretation
angezeigt. Ein Blick auf die Prognosesoundings lässt Zweifel aufkommen
angesichts einer bei 700 hPa eingezogenen Sperrschicht mit deutlicher
Abtrocknung darüber und Temperaturen an der Obergrenze der konvektiven Bewölkung
über -10°C. Weniger Zweifel gibt es hinsichtlich der Windentwicklung, die im
äußersten Norden sowie mit Abstrichen im Westen am spürbarsten erfolgt. Dort
frischt der Südwestwind mäßig bis frisch auf mit Böen der Stärke 6 bis 7 Bft, an
der nordfriesischen Küste 8 Bft, auf dem Brocken 9 Bft, Tendenz am Nachmittag
und Abend durch Stabilisierung von Westen nachlassend.

Die Südosthälfte des Landes hält sich am morgigen Dienstag weitgehend fern vom
frontalen Geschehen. Auch ist der durchschwenkende KW-Trog nach Süden schwächer
konturiert als im Norden. Am Boden bildet sich weiterhin der Azorenhochkeil ab,
so dass weiterhin von schwachem Zwischenhocheinfluss gesprochen werden kann.
Trotzdem können sich bei wechselnder bis starker Bewölkung ein paar Schauer
entwickeln, deren Ausbeute aber geringer ausfällt als beispielsweise in
Westdeutschland.

Thermisch bleiben wir auf ähnlichem Level wie heute: subpolare Meeresluft + gute
Durchmischung + etwas Sonne in der Südosthälfte = 16 bis 22°C.

In der Nacht zum Mittwoch wirdŽs richtig interessant, wenn unterhalb der leicht
zyklonal konturierten, diffluenten westlichen Höhenströmung von Westen her ein
offenes Wellentief nach Norddeutschland zieht (ein Vorläufer aus der
mehrteiligen OLE-Dynastie). Mit dabei ein weiteres Frontensystem mit
abschließender Kaltfront, die auf ihrem Weg nach Süden abermals ausgebremst wird
und stattdessen in die Warmfront der nächsten Wellenstörung übergeht. Dieses Mal
interagiert die Dynamik in der Höhe (teilweise Überlappung von PVA + WLA) besser
mit Fronten und Wellentief als tags zuvor, was sich eindrucksvoll in den
RR-Prognosen widerspiegelt. Mit Ausnahme der Gebiete südlich der Donau sowie
Teilen Ostbayerns und vielleicht auch noch der Lausitz kommt es zu sehr
vernünftigen Regenfällen, mehrheitlich stratiform bzw. skalig, später nach
Nordwesten hin aber auch konvektiv (Schauer). Akkumuliert über 12 Stunden werden
im Norden und Westen sowie Teilen der Mitte verbreitet 5 bis 10, gebietsweise 10
bis 15, örtlich um oder über 20 l/m² Regen apostrophiert, wobei die Modelle
hinsichtlich der genauen Schwerpunktsetzung noch gewisse
Meinungsverschiedenheiten haben. Vor dem Hintergrund weiterer Regenfälle am
Mittwoch kann in den westlichen Mittelgebirgen zumindest in Staulagen ein
Überschreiten der markanten Dauerregenschwelle nicht ausgeschlossen werden. Ob
das dann angesichts der trockenen Vorgeschichte auch gewarnt wird, ist fraglich,
schließlich ist Regen dieser Größenordnung weit mehr Segen als Fluch. Außerdem
deutet sich eine Überschreitung der unteren Schwelle auch nur sehr kleinräumig
an. Wir werden sehen…

Auf der Südflanke der Welle lebt der Südwestwind auf, was aber aufgrund der
stabilen Schichtung vornehmlich in freien Hochlagen sowie Leelagen der
Mittelgebirge zu spüren sein wird (Böen 7-8 Bft, Brocken 9 (10) Bft). Mit
Tiefstwerten zwischen 15 und 8°C bleibt die Nacht relativ mild.

Mittwoch… setzt sich das alles andere als langweilige Wetter fort. Im
Gegenteil, vielleicht wird sogar noch draufgesattelt. Warten wirŽs ab. Fakt ist,
dass sich ein gut ausgeprägter Jetstreak der atlantischen Frontalzone bis nach
Westdeutschland vorarbeitet, wobei die genaue Positionierung der Jetachse noch
mit Unschärfen versehen ist. Auf alle Fälle schafft es die o.e. Kaltfront nach
Abzug des Wellentiefs zur Ostsee trotz Bremswirkung der nächsten Warmfront,
weiter nach Süden vorzudringen, wo sie richtig schön ins Schleifen gerät. Ein
Teil des skaligen Regens zieht mit dem Tief nach Osten ab, der andere (frontale)
verlagert sich mehr und mehr in den Süden. Dabei sollen verbreitet 5 bis 10,
gebietsweise 10 bis 20 l/m², in West-Südweststaulagen lokal noch etwas mehr
Niederschlag fallen. Nimmt man die Nacht zum Donnerstag noch dazu, deuten sich
für den Alpenrand und den Schwarzwald zumindest stellenweise markante Mengen an.
Hinsichtlich möglicher Warnungen gelten aber dieselben Überlegungen wie für das
westliche Bergland. Außerdem mangelt es derzeit noch an Homogenität und
Konsistenz der Simulationen innerhalb des großen numerischen Pools.

Nördlich des frontalen Regens schließt sich eine von der Mitte bis nach
Norddeutschland reichende Zone mit erhöhter konvektiver Aktivität an. Zwar ist
die Labilität der frisch einfließenden Atlantikluft nicht von mordmäßigem
Ausmaß, es reicht aber, um mit Hilfe des sehr soliden Wasserdampfgehalts (PPW
meist zwischen 20 und 25 mm) einige hundert Joule pro Kilogramm CAPE zu
generieren. Rechnet man dann noch so attraktive Ingredienzien wie Scherung (vor
allem Mitte/Westen LLS bis zu 15 m/s!, DLS häufig zwischen 20 und 30 m/s), ein
niedriges HKN durch vorherige Regenfälle sowie im Westen den linken Jetausgang
dazu, bekommt man eine nicht uninteressante Gemengelage mit gewissem
Schlagzeilenpotenzial. Neben zahlreichen Schauern dürften auch einige Gewitter
in Form nicht besonders hochreichender und auch nicht besonders langlebiger,
aber durchaus rotierender Zellen an den Start gehen (Sturmböen, kleiner Hagel,
Starkregen um 15 l/m²). Vor allem im Westen ist die Überlappung Stand jetzt
nicht so schlecht, dass sogar ein leicht erhöhtes Tornadorisiko gegeben ist,
auch wenn die Richtungsscherung nicht 1a-Qualität aufweist und die Hodographen
relativ gerade verlaufen. Letzteres könnte aber durch orografisch gegliedertes
Gelände geregelt werden, könnte! Wollen den Teufel hier nicht an die Wand malen
und Cassandra spielen, aber die nächsten Modellläufe sollten wir uns schon sehr
genau ansehen, vor allem wenn die Kürzestfristmodelle ins Geschehen einsteigen.
Klassischer Fall von Low Probability/High Risk in einer energetisch limitierten,
aufgrund der Rahmenbedingungen irgendwie aber auch leicht perfiden Luftmasse.

Bliebe nur noch zu ergänzen, dass der westliche bis südwestliche Wind auch
außerhalb der Konvektion mitunter böig auffrischt mit Böen 6-7 Bft in tiefen
Lagen und Böen 8-9, Brocken 10 Bft ganz oben. Höchsttemperatur 15 bis 21°C.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Grunde ist alles gesagt. In der Basis simulieren die Modelle sehr ähnlich.
Die Unsicherheiten, die sich trotzdem ergeben, wurden im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann