SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 05.12.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Unbeständig mit häufigen Niederschlägen, in einigen Staulagen Dauerregen,
kommende Nacht im Südosten Glatteis möglich (Unwetter nicht ausgeschlossen). Im
Bergland teilweise Schnee, im höheren Bayerwald markante Neuschneemengen
möglich.
In den Kamm- und Gipfellagen zeitweise Sturm- bis Orkanböen, ausgangs der
kommenden Nacht und am Freitag im Westen und Süden auch in tiefen Lagen
stürmische Böen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Aktuell … hat sich eine klassische winkelförmige Westlage eingestellt: Einer
markant ausgeprägten Frontalzone über dem nahen Ostatlantik bzw. den Britischen
Inseln, die im Begriff ist, auch über Mitteleuropa Fuß zu fassen, steht ein
blockierendes Hochdruckgebiet über dem Westen Russlands gegenüber. Dabei wurde
heute im Tagesverlauf ein schmaler Höhenkeil über das Vorhersagegebiet nach
Osten abgedrängt, gefolgt von einem flachen Höhentrog, der rasch in den
vorgelagerten Keil hineinläuft und aktuell über dem Nordosten des Landes bereits
deutlich an Kontur verloren hat.
Mit diesem korrespondiert im Bodenfeld das okkludierte Frontensystem eines
Sturmtiefs („VIVIEN“) südöstlich von Island, das inzwischen auf den Westen des
Landes übergegriffen hat, relativ rasch nach Osten vorankommt, vom Trog aber
bereits überlaufen wurde und im Begriff ist, sich aufzulösen.
Als wesentlich wetterwirksamer erweist sich dagegen das nächste Frontensystem,
das im Laufe der Nacht auf dem Fuße folgt. Es gehört zum Tief „WILHELMINA“, das
sich aktuell noch als Frontalwelle über dem Norden Englands befindet, in den
kommenden Stunden aber zunehmend entwicklungsgünstig auf die Vorderseite eines
markanten Randtroges gerät und dank PVA geschuldeten dynamischen
Hebungsantriebes sich deutlich vertiefen kann. Der Randtrog tropft im Laufe der
Nacht über der Nordsee ab, das Bodentief kann sich auf unter 990 hPa vertiefen
und erreicht morgens den Nordteil der Deutschen Bucht, befindet sich dann aber
ziemlich genau achsensenkrecht unterhalb des Drehzentrum des Cut-Off-Tiefs,
womit dessen Entwicklung abgeschlossen ist.
Das Frontensystem greift bei rasch fortschreitendem Okklusionsprozess bereits im
Laufe der ersten Nachthälfte auf den Westen Deutschlands über und erreicht in
den Frühstunden – inzwischen fast vollständig okkludiert – in etwa die Elbe
sowie den äußersten Süden/Südosten Deutschlands. Somit wird der vorlaufenden
Okklusion bereits in der ersten Nachthälfte endgültig „der Stecker gezogen“, die
letzten Niederschläge erreichen noch den Osten und Südosten des Landes, werden
im Laufe der Nacht aber rasch eingeholt von den an das nächste System
gekoppelten Niederschlägen, so dass es bis Freitagfrüh wohl lediglich an Oder
und Neiße, vielleicht auch Richtung Berchtesgadener Land noch weitgehend trocken
bleibt.
Vor allem im Bereich der östlichen und ostbayerischen Mittelgebirge sowie in
deren Vorländer treffen die Niederschläge noch auf die teils bereits wieder
ausgekühlte Grundschicht mit negativen Belagstemperaturen. Während in höheren
Lagen teils auch Schnee fällt, kann es in den Niederungen bzw. Tälern dort
gebietsweise auch gefrierenden Regen mit Glatteis geben, dessen Andauer und
räumliche Verteilung aber noch einige Unbekannte enthält (nochmalige Auskühlung
vor Eintreffen der Wolken und Niederschläge, Tempo der Durchmischung, etc…).
Somit bietet sich im Vorfeld eine gröber gefasste markante Glatteiswarnung an
mit einer sicherlich erhöhten „false alarm rate“, in Situ kann dann kleinräumig
im Falle des Falles, falls notwendig, vielleicht sogar auf Unwetter hochgestuft
bzw. die markante Warnung bereits vorzeitig aufgehoben werden.
Ansonsten steigt die Schneefallgrenze bei guter Durchmischung und T850 hPa um 0
Grad (präfrontal darüber, postfrontal etwas darunter) auf über 1000 m. Die
Niederschläge fallen zudem auch recht ergiebig aus, vor allem in den Staulagen
einiger Mittelgebirge können bis Freitagmittag bzw. -nachmittag gebietsweise
mehr als 30 l/qm in 24 Stunden fallen, im Schwarzwald ist in einigen Staulagen
in der zweiten Nachthälfte auch Starkregen mit mehr als 20 l/qm in sechs Stunden
nicht ausgeschlossen.
Dazu ist auch der Wind von Warnrelevanz. Bereits im Vorfeld der vorlaufenden
Okklusion hat sich der Gradient verschärft, nach vorübergehender Auffächerung
setzt dann vor allem in der zweiten Nachthälfte mit Annäherung des nächsten
Tiefs an dessen Südflanke eine deutliche Gradientverschärfung ein. Präfrontal
verstärkt sich vor allem in den Kamm- und Gipfellagen, im Lee einiger
Mittelgebirge und an der Ostsee der Süd- bis Südostwind im Laufe der Nacht, in
Ostsachsen kann es mit Böhmischen Wind auch bis in tiefe Lagen stürmische Böen
geben, in den Gipfellagen Sturm- bzw. schwere Sturmböen, auf dem Brocken und dem
Feldberg im Schwarzwald orkanartige Böen.
Mit Frontpassage dreht der Wind dann im Westen und Süden auf West, an der
Nordsee auf Nordwest und frischt auch in den Niederungen deutlich auf mit
steifen bis stürmischen Böen. Der aktuelle ICON-EU-Lauf hat gegenüber dem
Vorlauf noch eine kleine Schippe draufgelegt, so dass am ehesten wohl im
Südwesten kurzzeitig auch Sturmböen nicht ganz ausgeschlossen sind. Das ein oder
andere Modell hat auch eine geringe Wahrscheinlichkeit für Gewitter im Programm,
die Prognosesoundings sprechen aber eher dagegen.
Unsicher gestaltet sich die Windentwicklung ausgangs der Nacht über der Nordsee.
ICON-EU lässt im aktuellen Lauf das Tiefdruckgebiet mit seinem Kern bis
Freitagvormittag in etwa nach Helgoland ziehen, so dass der Westteil der
Deutschen Bucht inklusive der Ostfriesischen Küste unter das Sturmfeld an dessen
Westflanke gerät. Vor allem zwischen 06 und 12 UTC werden dort Böen Bft 9 bis
10, ganz vereinzelt sogar BFT 11 simuliert. Nach Lesart der 12 UTC-Läufe des
ICON-D2 und des GFS befindet sich das Hauptsturmfeld dagegen etwa 50 bis 100 km
weiterwestlich und es treten maximal Böen Bft 6 bis 8 auf.
Frost gibt es lediglich noch im äußersten Südosten, sonst bleibt es mit Minima
zwischen 7 und 0 Grad frostfrei.

Freitag … stößt ein weiterer, in die Frontalzone eingebetteter Kurzwellentrog
Richtung Britische Inseln vor. Mit der kräftigen WLA auf dessen Vorderseite
wölbt sich im Tagesverlauf ein veritabler Höhenrücken auf, der abends bereits
die südliche bzw. östliche Nordsee erreicht.
Unser Cut-Off-Tief wird somit rasch nach Südosten abgedrängt und befindet sich
abends bereits in etwa über dem Riesengebirge (in 500 hPa). Das
korrespondierende Bodentief füllt sich somit ab den Vormittagsstunden rasch auf
und zieht bis zum Abend über den Hamburger Raum nach Vorpommern, wo es dann mit
einem Kerndruck von etwa 1005 hPa aufschlägt.
An dessen Südwestflanke bleibt aber noch ganztägig ein veritabler Gradient
aufrecht, zumal sich mit kräftigem Druckanstieg am Abend Bodenhochkeile sowohl
nach Südwestdeutschland als auch über Benelux bis zur Nordsee erstrecken. Somit
weitet sich das Starkwind- bzw. Sturmfeld noch bis in die mittleren Landesteile
aus mit Böen Bft 7 bis 8, mit Passage des Bodentroges am Vormittag im Nordwesten
auch abseits der Küste vielleicht auch kurzeitig mal Bft 9, auf den Bergen
generell Böen Bft 9 bis 11 aus West, im Nordwesten später Nordwest, während der
vorderseitig noch in Böen teils steife bis stürmische Südostwind im Osten und
Nordosten bis zum Nachmittag rasch nachlässt.
Erst am Nachmittag und Abend flaut der Wind dann auch im Westen von Westen und
Nordwesten her allmählich ab und das Starkwindfeld verlagert sich in die Mitte
bzw. in den Südosten.
Die Niederschläge erfassen mit Passage der Kaltfront nun den äußersten Südosten,
wo es anfangs noch örtlich Glatteis geben kann, auch an Oder und Neiße fällt
Niederschlag, im Nordosten bei bodennaher Kaltluftadvektion von Südosten her
eventuell bis in tiefe Lagen als Schneeregen oder Schnee, für eine nennenswerte
Schneedecke wird es aber wohl nicht reichen.
Ansonsten schwankt die Schneefallgrenze zunächst innerhalb der postfrontal
einströmenden maritim erwärmten Polarluft (-1 bis -3 in 850 hPa) zwischen etwa
600 und 1000 m.
Postfrontal klingen die Niederschläge zunächst kurzzeitig ab, ehe sie sich an
der Südwestflanke des Bodentroges von Nordwesten über die Mitte bis hin zu den
östlichen und ostbayerischen Mittelgebirgen (letztere erst am Abend und in der
Nacht zum Samstag) noch einmal schauerartig verstärken. Dabei kann es zum späten
Nachmittag und Abend hin bis in die Nacht zum Samstag vor allem vom
Westerzgebirge bis zu den ostbayerischen Mittelgebirgen oberhalb von zunächst
600 m, nachts dann teilweise bis in tiefere Lagen (oberhalb von 400 m) auch
kräftiger schneien, für den höheren Bayerischen Wald, aber auch für das
Westerzgebirge hat ICON-EU durchaus markante Neuschneemengen (5 bis 15 cm, im
Bayerwaldstau auch bis über 20 cm in 12 Stunden) auf der Agenda.
Im Westen und Südwesten kommen dagegen kaum mehr Niederschläge an, auch im
Norden und Nordosten bleibt es nachmittags bereits meist trocken. Die Sonne
zeigt sich am ehesten im Südwesten, später auch im Süden häufiger und die
Höchsttemperaturen erreichen innerhalb der gut durchmischten Luftmasse Werte
zwischen 3 Grad im Nordosten sowie im Bergland und 10 Grad örtlich im
Westen/Südwesten.

In der Nacht zum Samstag greift der Höhentrog auf die Britischen Inseln über.
Ihm folgt ein markanter und umfangreicher Höhenrücken, der sich über dem
mittleren Nordatlantik nordwärts bis nach Südostgrönland erstreckt, so dass die
Höhenströmung nun deutlich meridionalisiert. Entsprechend kommt erneut ein
Cut-Off-Prozess, dieses Mal über den Britischen Inseln, in Gang.
Das mit dem Trog korrespondierende Sturmtief „XAVERIA“ zieht bis Samstagfrüh vom
Norden Irlands über Nordengland zur westlichen Nordsee, wo es wohl mit knapp
unter 980 hPa den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht. Es weist anfangs
durchaus noch Eigenschaften einer Shapiro-Keyser-Zyklone auf (doppelte
Jetstruktur, warmer Kern), die aber im Zuge des Cut-Off-Prozesses ausgangs der
Nacht mehr und mehr verloren gehen.
Der vorgelagerte Rücken wird somit im Laufe der Nacht rasch über das
Vorhersagegebiet hinweg südostwärts abgedrängt, ebenso der Bodenhochkeil, der
zudem auch deutlich an Substanz verliert. Somit kann von Zwischenhocheinfluss
eigentlich kaum die Rede sein. Von der östlichen Mitte bis in den Südosten
fallen anfangs noch gebietsweise schauerartige Niederschläge, wobei die
Schneefallgrenze bei -2 bis -5 Grad in 850 hPa teilweise auf 400 m oder sogar
etwas darunter sinkt (inklusive der weiter oben erwähnten markanten
Neuschneemengen im höheren Bayerischen Wald). Dazu weht anfangs in der Mitte und
im Süden noch lebhafter West- bis Nordwestwind mit steifen bis stürmischen Böen,
im Bergland mit Sturmböen, der in der zweiten Nachthälfte mit Annäherung des
Keils aber rasch nachlässt.
Auf den Westen greift derweil schon die Warmfront von „XAVERIA“ über. Der Wind
dreht auf Süd bis Südost und frischt ausgangs der Nacht wieder deutlich auf mit
Sturm- und schweren Sturmböen in exponierten Gipfellagen und steifen bis
stürmischen Böen über der Nordsee bzw. im Lee der westlichen Mittelgebirge. Dazu
setzt im Laufe der zweiten nachthälfte im Westen Regen ein, während die
Niederschläge dann erst im Osten und Südosten deutlich nachlassen.
Vor allem im Osten und Süden können die Wolken ausgangs der Nacht auflockern; ob
es dann noch im Südosten für leichten Frost reicht, ist ungewiss.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag … und in der Nacht zum Sonntag gelten die Ausführungen in der
Frühübersicht. Die Zugbahn und Intensität von „XAVERIA“ werden jetzt nur noch
mit kleineren Differenzen simuliert, die nur noch wenig Auswirkungen auf das
voraussichtliche Warnmanagement haben.
Im Fokus steht dabei der Wind, aber – wie bereits in der Frühübersicht
beschrieben – mit gegenüber vorheriger Modelläufe deutlich gebremsten Schaum,
wobei wohl lediglich die Hochlagen (Bft 8 bis 9, Gipfellagen 10 aus Süd), die
Nordsee (Bft 7 bis 8, rasch abnehmend) und der Westen (Bft 7) betroffen sind.
Die Phase und Menge der Niederschläge der von West nach Ost durchschwenkenden
Okklusion sind ebenfalls unkritisch, die Schneefallgrenze schwankt meist
zwischen 800 und 1000 m und sinkt erst in der Nacht zum Sonntag bis in mittlere
Höhenlagen ab, wobei dann wohl lediglich im Südosten (Alpen) noch nennenswerte
Mengen zu verzeichnen sind.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle fahren inzwischen einen einheitlichen Kurs. Im Detail gibt es aber
durchaus noch „Baustellen“: Einerseits die Glatteislage im Südosten in der
kommenden Nacht betreffend (die aktuell recht großzügig mit markant abgewarnt
wurde), andererseits aber auch die Windentwicklung am Freitagvormittag im
Nordwesten. Diese wurden in der Übersicht beschrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff