#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 20.11.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 201800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.11.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Klassische Troglage mit maritimer Polarluft und Schauerstaffeln, oft bis in
tiefe Lagen als Schnee. Im Nordweststau einiger Mittelgebirge kommende Nacht
über 5 cm cm Neuschnee in kurzer Zeit (markant) möglich.
Ab Donnerstagnachmittag bis in die Nacht zum Freitag von Südbaden bis ins
Alpenvorland markante Neuschneemengen, aber auch große Unsicherheiten, auch
Unwetter nicht ausgeschlossen.
In Hochlagen einzelne Sturmböen.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines breit angelegten
Höhentroges (Drehzentrum in 500 hPa in etwa über dem Eingang zum Finnischen
Meerbusen) der sich vom Nordmeer bis in den westlichen Mittelmeerraum erstreckt
und dessen Achse unter weiterer Amplifizierung im Laufe der Nacht nur langsam
ostsüdostwärts vorankommt. Somit wurde inzwischen das ganze Land von
hochreichend labil geschichteter maritimer Polarluft geflutet. In 500 hPa ist
die Temperatur auf -35 bis -38 Grad gesunken, in 850 hPa auf -5 bis -7 Grad.
Entsprechend ist auch eine rege Schauertätigkeit in Gang gekommen, wobei je nach
Intensität teilweise bis in tiefe Lagen Schnee oder Graupel fällt.
Gekoppelt sind die Schauer überwiegend an kleinräumige Bodentröge, die wiederum
zumindest teilweise mit kurzwelligen Troganteilen interagieren. Innerhalb der an
Flüssigwasser armen Luftmasse (PWAT unter 10 mm) fallen die Niederschlagsmengen
überwiegend gering aus, dennoch können im Bereich von Schauerstraßen durchaus
auch mal in tiefen Lagen mehrere Zentimeter Nassschnee zusammenkommen und
entsprechend auch Glätte durch Schneematsch auftreten. An den Nordwesthängen der
westlichen und zentralen Mittelgebirge fallen durch Staueffekte örtlich auch
mehr als 5, vereinzelt um 10 cm in nur wenigen Stunden (markante Mengen; heute
Nachmittag z.B. im Bereich Bergisches Land, Sauer-/Siegerland). Innerhalb
kräftigerer Schauer reicht es auch für kurze Graupelgewitter.
In den kommenden Stunden überquert ein kurzwelliger Troganteil das
Vorhersagegebiet rasch südostwärts, zusammen mit mehreren kleinräumigen
Bodentrögen, so dass sich die Schauertätigkeit mehr und mehr in die Osthälfte
und in den Südosten des Landes verlagert. Bei Temperaturen nur noch knapp über
oder um 0 Grad kann es dabei örtlich auch in tiefen Lagen Glätte durch
Schneematsch geben. In den Mittelgebirgen und an den Alpen sowie im Alpenvorland
fallen im Laufe der Nacht etwa 1 bis 5 cm Neuschnee, in den ostbayerischen
Mittelgebirgen (dort ist – im Gegensatz zu den Alpen – durchaus eine
nennenswerte Staukomponente vorhanden) können es vor allem in der ersten
Nachthälfte auch mehr als 5 cm sein. Auch der Wind weht vor allem in der Mitte
und im Süden, an der Südflanke der durchschwenkenden Troganteile, zeitweise
lebhaft aus West bis Südwest mit steifen Böen in freien und höheren Lagen,
stürmischen Böen in einigen Kammlagen und Sturmböen auf exponierten Gipfeln.
Dem Kurzwellentrog folgt zwar ein in die durch schwache mitteltroposphärische
WLA deformierte Höhenströmung eingebetteter flacher Höhenkeil, der aber
lediglich im Nordosten und in der Mitte, später auch im Osten für eine
vorübergehende Wetterberuhigung sorgt. Auf den Nordwesten und Westen greift
dagegen bereits im Laufe der ersten Nachthälfte ein lediglich in der unteren
Troposphäre, vor allem im Bodendruckfeld gut ausgebildeter Trog über. So lebt
die Schauertätigkeit zunächst von der Eifel bis ins Bergische Land, später dann
auch vom Niederrhein bis nach Schleswig-Holstein sowie bis nach Nordbaden und
Unterfranken wieder auf. Nach wie vor kann es auch kurze Gewitter geben, am
ehesten an den Küsten.
Meist beschränken sich die Neuschneemengen aber auch in höheren Lagen auf etwa 1
bis 5 cm, lediglich in der Eifel deuten einige Modelle etwas höhere Mengen an.
Rückseitig des Troges schiebt sich ein flacher Hochkeil nach Südwestdeutschland,
so dass ein relativ veritabler Gradient aufrecht bleibt. Vor allem in den Kamm-
und Gipfellagen gibt es weiterhin stürmische Böen, auf exponierten Gipfeln
Sturmböen aus West bis Südwest. Wo es in tieferen Lagen für steife Böen reicht,
ist noch unklar. Am ehesten kommen das Alpenvorland sowie die Küsten,
insbesondere die ostfriesische Küste in Betracht. Für den Südteil der Deutschen
Bucht hat ICON-EU in den Frühstunden sogar stürmische Böen auf der Agenda.
Zwischen den Schauern lockern die Wolken auch mal stärker auf, so dass die
Temperaturen auch in den Niederungen vielerorts in den leichten Frostbereich
sinken. Dann kann Glätte durch Überfrieren auftreten.
Donnerstag … überqueren an der Südflanke des Höhentroges, dessen Drehzentrum
quasistationär in etwa über der mittleren Ostsee (500 hPa) bleibt, weitere
kurzwellige und sehr kleinräumige Troganteile vor allem den Norden und Nordosten
des Landes, wodurch die Detailprognosen, was die räumliche Verteilung und
Intensität der Schauerstraßen und auch den Wind angeht, erheblich erschwert.
Im Bodenfeld etabliert sich aus dem oben angesprochenen Trog, der morgens den
Nordwesten des Landes erreicht, in etwa über dem Nordteil der Deutschen Bucht
bzw. über Dänemark ein kleinräumiges Tiefdruckgebiet und zieht nach Lesart des
ICON-EU bis zum Abend zur südlichen Ostsee. An dessen Südflanke verschärft sich
der Gradient weiter, so dass es vor allem an den Küsten und im küstennahen
Binnenland gebietsweise steife bis stürmische Böen, zunächst aus Südwest,
rückseitig des Tiefs aus West bis Nordwest geben kann. Das Tief ist zudem Teil
einer Rinne, die sich entlang der südlichen Ostsee ostwärts zieht. Gestützt
durch das konvergente Windfeld fällt im Rinnenbereich und durch Lake Effekt kann
es vor allem entlang der vorpommerschen Ostseeküste im Tagesverlauf vermehrt zu
Schnee- und Graupelschauern (inklusive kurzer Gewitter, mit -6 Grad in 850 hPa
und -36 Grad in 500 hPa bleibt die Luftmasse hochreichend labil geschichtet). Ob
sich gebietsweise mehr als 5 cm Neuschnee in kurzer Zeit akkumulieren können,
ist aber noch absolut unklar, eventuell befindet sich die Rinne auch weiter
nördlich, dann können Teile von Schleswig-Holstein betroffen sein. Nach wie vor
geben die Modelle noch keine eindeutigen Hinweise auf ein solches Szenario.
Vermehrt Schauer gibt es auch an der Südwestflanke des Tiefs, vor allem von
Ostfriesland bis ins südliche Schleswig-Holstein. Bei dem lebhaften West- bis
Nordwestwind und somit guter Durchmischung ist aber fraglich, ob es dort für
mehr als ein paar Zentimeter Schneematsch reicht. Je weiter die Schauer
landeinwärts vorankommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür. Neben
den Schauern kann es auch nach wie vor kurze Graupelgewitter geben.
In der Mitte, im Osten und im Südosten klingen die Schauer dagegen weiter ab,
vielerorts bleibt es trocken, so dass dort auch im Bergland kaum mehr
nennenswerter Neuschnee zusammenkommt. Vor allem im Westen und in der Mitte kann
sich auch mal die Sonne durchsetzen.
Dann aber gilt es, den Blick gen Südwesten zu richten. Von der Keltischen See
aus macht sich ein markanter Kurzwellentrog auf den Weg Richtung Ostsüdost und
erreicht bereits abends den Norden Frankreichs. Auf dessen Vorderseite kann sich
bereits in der kommenden Nacht aus einer Frontalwelle ein abgeschlossenes
Tiefdruckgebiet („RENATE“) entwickeln. Auch dieser kleine „Giftzwerg“ erschwert
unsere Detailprognosen vor allem in Punkto zu erwartender Schneefälle im
Südwesten und Süden Deutschlands erheblich. Das Tief gerät am Vormittag
vorübergehend unter den linken Jetausgang und kann sich über der Bretagne auf
einen Kerndruck von unter 985 hPa vertiefen. Bis zum Abendzieht es rasch weiter
nach Ostfrankreich und beginnt sich dann bereits aufzufüllen.
Kräftige WLA an dessen Vorderseite lässt im Süden Deutschlands bereits ausgangs
der Nacht und am Vormittag rasch mehrschichtige Bewölkung aufziehen und am
frühen Nachmittag setzen von Südbaden bis nach Oberschwaben recht ergiebige
Niederschläge ein, die sich bis zum Abend ins schwäbische Alpenvorland und bis
zum Nordschwarzwald ausweiten. Vor allem vom Hochrhein bis zum Bodensee fallen
bis 18 UTC bereits um oder über 10 l/qm in teils weniger als 6 Stunden. Bei
meist schwachen, auf Südost drehenden Bodenwinden und -4 bis -7 Grad in 850 hPa
dürfte es zunächst bis in tiefe Lagen schneien und zumindest in Lagen oberhalb
von 300 bis 400 m kann in diesen Regionen von markanten Schneemengen über 5 cm,
vor allem im Südschwarzwald eventuell auch von unwetterartigen Mengen um 15 cm
in nur wenigen Stunden ausgegangen werden.
Je nach genauer Zugbahn des Tiefs kann es von der Schweiz her zum Abend hin vor
allem in Südbaden und Oberschwaben auch zu einem Einschub deutlich milderer
Luftmassen (im Warmsektor) kommen, GFS simuliert z.B. abends 0 Grad in 850 hPa
am Hochrhein. Somit ist in einigen Regionen alles möglich: Von quasi nichts bis
15 cm in nur wenigen Stunden.
Im Laufe des Abends und der Nacht zum Freitag zieht das Tief über die Westalpen
hinweg ostsüdostwärts und füllt sich rasch auf bzw. weicht einer von der
Po-Ebene bis nördlichen Balkan reichenden Rinne. Somit weiten sich die
Schneefälle über Baden-Württemberg noch etwas nach Norden, vor allem aber über
den Süden Bayerns rasch ostwärts aus und klingen erst im Laufe der zweiten
nachthälfte ab. Verbreitet werden 5 bis 15 l/qm simuliert, vom Allgäu bis zum
Werdenfelser Land 15 bis über 20 l/qm, die teilweise durchwegs als Schnee fallen
dürften. Je nach Warmlufteinschub und Lage sind somit auch außerhalb der alpinen
Regionen durchaus unwetterartige Neuschneemengen möglich.
Anzusprechen bleibt noch der Wind, wenngleich der zumindest hierzulande (im
Gegensatz zur Schweiz) nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vorderseitig des
Tiefs kann es auf einigen Alpengipfeln Sturmböen aus Südost geben, rückseitig im
Laufe der Nacht aus Nord bis Nordwest.
Weiter nördlich verläuft die Nacht dagegen deutlich ruhiger. Im Norden dauert
die Schauertätigkeit weiter an; wie weit die Schauer in die Norddeutsche
Tiefebene vorankommen, ist noch unklar, jedoch fallen diese dort überwiegend als
Schnee, so dass im Bereich von Schauerstraßen auch mal einige Zentimeter
Neuschnee zusammenkommen können. Dass an der Ostsee oder in Schleswig-Holstein
durch Lake Effekt vor allem in der ersten Nachthälfte gebietsweise deutlich mehr
als 5 cm Neuschnee zusammenkommen, ist zwar durchaus in Betracht zu ziehen, aber
noch unsicher, ob und vor allem wo das geschieht. Der Wind nimmt allmählich ab
und frischt erst Freitagfrüh mit Annäherung eines weiteren Kurzwellentrog
inklusive korrespondierenden Bodentiefs, das sich um 06 UTC knapp nördlich der
Deutschen Bucht befindet, im Nordseeumfeld wieder aus Südwest mit einzelnen Böen
Bft 6 bis 7 auf.
Im übrigen Land bleibt es trocken und die Wolken lockern auch mal auf.
Vielerorts gibt es leichten, im Mittelgebirgsraum örtlich auch mäßigen Frost,
lediglich an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind bleibt es verbreitet
frostfrei.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
Freitag … gelten nach wie vor die Ausführungen in der Frühübersicht.
Angesichts der Komplexität der Entwicklung am morgigen Donnerstag und in der
Nacht zum Freitag soll an dieser Stelle auch nicht weiter darauf eingegangen
werden.
Modellvergleich und -einschätzung
Besonders mit den im Text beschriebenen beiden „Baustellen“ ganz im Norden sowie
im Südwesten/Süden haben die Modelle so ihre Schwierigkeiten, Detailprognosen,
die vor allem im Süden durchaus auch markante Warnungen, wenn nicht gar
Unwetterwarnungen nach sich ziehen können, sind aktuell leider nicht möglich.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff