#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 09.10.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 091800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 09.10.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
„Ex-KIRK“: Bis Donnerstagvormittag noch laufende Unwetterlage Dauerregen, ab der
zweiten Nachthälfte bis Donnerstagnachmittag vom Südwesten über die Mitte bis in
die Osthälfte Böen Bft 8 bis 9, vor allem in BaWü Bft 10, auf den
Schwarzwaldgipfeln Bft 11 bis 12.
Danach lediglich an den Küsten noch stürmische Böen, sonst keine markanten
Ereignisse mehr.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Aktuell … hat der Ex-Hurrikan „KIRK“ als außertropisches Tiefdruckgebiet mit
einem Kerndruck von knapp unter 980 hPa das europäische Festland erreicht. Der
„Landgang“ erfolgte gegen 17 Uhr MESZ knapp nördlich von La Rochelle an der
französischen Biskayaküste. Seinen ehemaligen tropischen Eigenschaften
entsprechend weist er noch immer einen hochreichend warmen Kern auf (die
Modellsoundings zeigen eine bis mindestens 500 hPa feuchtgesättigte Luftmasse
bei lediglich -10 Grad in der Höhenlage und PPWs um 40 mm), und entsprechend
kann auf dessen Vorderseite markante WLA wirksam werden, die inzwischen auch
weite Teile des Vorhersagegebietes beeinflusst.
Dabei ist „Ex-Kirk“ nun schon seit einiger Zeit in das Zirkulationssystem um
einen umfangreichen Langwellentrog, der vom Nordmeer über Westeuropa bzw. die
Nordsee bis zur Iberischen Halbinsel reicht, eingebunden und interagiert mit
einem markanten Kurzwellentrog, der im Laufe der kommenden Nacht Frankreich
ostwärts überquert und in den Frühstunden Westdeutschland erreicht. Auf dessen
Vorderseite bietet kräftige PVA zusätzlichen dynamischen Hebungsantrieb, so dass
sich das Tief im Laufe der kommenden Nacht trotz Landgang so gut wie gar nicht
abschwächt. Es zieht knapp südöstlich an Paris vorbei nordostwärts, erreicht
eingangs der zweiten Nachthälfte bereits Westdeutschland und schlägt morgen um
06 UTC mit einem Kerndruck von etwa 982 hPa (I-D2 bzw. ICON-EU), eventuell auch
sogar knapp unter 980 hPa (GFS, IFS) in etwa über Westmecklenburg auf. Mit der
kräftigen WLA haben sich bereits weit im Vorfeld des Tiefs von Frankreich her
teils länger anhaltende Regenfälle auf den Westen und die Mitte Deutschlands
ausgeweitet, die an eine Warmfront gekoppelt sind, die sich nach Osten
ausweitet, dabei aber nur langsam nordwärts vorankommt. Vor allem im Laufe der
ersten Nachthälfte dürften sich die Niederschläge mit sich verstärkender WLA
weiter intensivieren und weiten sich zunächst nur zögernd nordostwärts aus, ehe
sie im Laufe der zweiten Nachthälfte an Fahrt aufnehmen, sich dabei aber
beginnen abzuschwächen, ehe sie morgens bzw. am frühen Vormittag über
Mecklenburg-Vorpommern bzw. Ostholstein hinweg nordostwärts abziehen.
Somit finden die intensivsten Niederschläge etwa im Zeitraum zwischen 18 und 00
UTC unmittelbar an der Nordflanke von „Ex-KIRK“ über dem Nordwesten von
Rheinland-Pfalz und Teilen von NRW statt mit Mengen zwischen 20 und 40 l/qm in
etwa sechs Stunden. Mit dem, was bereits vorher gefallen ist und was noch
nachkommt ergeben sich dabei von Rheinland-Pfalz und NHRW über West- und
Nordhessen bis ins südliche und eventuell östliche Niedersachsen im Zeitraum von
heute bis Donnerstagvormittag Mengen zwischen 30 und 50 l/qm, vor allem von der
Eifel bis zum Hunsrück sowie vom Bergischen Land und Westerwald bis ins
Sauerland sogar bis 70 l/qm (Unwetter), die seit der vergangenen Nacht bereits
entsprechend bewarnt sind.
Dem aktuellen I-D2-Lauf (12 UTC) geschuldet, wurde die markante
Dauerregenwarnung noch etwas Richtung Norden (Niederrhein,
Münsterland/Osnabrück) erweitert, vor allem GFS hat im 06 UTC-Lauf sogar noch
eine etwas nördlichere Zugbahn des Tiefs auf der Agenda mit Unwettermengen bis
an den Niederrhein, dem wurde aber vorerst noch keine Rechnung getragen.
Die zweite Baustelle gilt es dagegen an der Südwestflanke des Tiefs zu beackern.
Seinem tropischen Ursprung geschuldet hat „Ex-KIRK“ vorübergehend
Shapiro-Keyser-Eigenschaften angenommen; übrig geblieben ist ein recht markanter
Cold Jet, der im Laufe der zweiten Nachthälfte zunächst den Südwesten
Deutschlands erfasst, bis Donnerstagfrüh dann auch die südliche und östliche
Mitte mit 55 bis (anfangs im Südwesten) knapp über 65 kn in 850 hPa.
Entsprechend hat sich auch im Bodenfeld ein scharfer Trog etabliert, der sich
rasch über das südliche Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Südhessen bis in
die frühen Vormittagsstunden nach Oberfranken und Thüringen verlagert.
Bereits im Vorfeld reicht der Höhenwind in den Kamm- und Gipfellagen der
süddeutschen und einiger zentraler Mittelgebirge für stürmische Böen bzw.
Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Süd bis Südwest, auf dem Brocken gibt es einzelnen
schwere Sturmböen (Bft 10). An den Alpen hat sich eine markante Föhnlage
eingestellt (Druckdifferenz Bozen-Innsbruck voraussichtlich 8 bis 9 hPa), die
aktuell bis etwa Mitternacht ihren Höhepunkt erreicht mit Böen Bft 7 bis 9 in
föhnanfälligen Tälern (Lindau aktuell sogar über 90 km/h, also Bft 10!) und Bft
9 bis 10 auf den Gipfeln, am östlichen Bergland weht der Böhmische Wind mit Böen
Bft 7 bis 8 aus Südost.
Mit Passage des Bodentroges legt der Wind nun auch in tiefen Lagen deutlich zu,
vor allem in Baden-Württemberg muss neben verbreiteten Sturmböen auch mit
einzelnen schweren Sturmböen gerechnet werden, auf den Gipfeln des Schwarzwaldes
mit orkanartigen Böen, auf dem Feldberg vorübergehend mit Orkanböen an die 130
km/h. Nach Nordosten zu, Richtung Franken, Südhessen und Thüringen, reicht es
meist nur noch für stürmische Böen bzw. Sturmböen.
Während die Warmfrontniederschläge bis Donnerstagfrüh auch noch den Nordosten
Deutschlands erfassen (lediglich im Nordwesten bleibt es vielerorts trocken bzw.
gibt es mit Annäherung der Trogachse einzelne kurze Schauer), bringt die in den
Bodentrog eingebettete Kaltfront, die Donnerstagfrüh und am Vormittag auch den
Südosten Bayerns überquert, nur einzelne Schauer. Zudem findet die Frontpassage
dort bei etwas aufgefächertem Gradienten statt als weiter nördlich, so dass es
dort meist nur für Böen Bft 7 bis 8 reicht. Der Föhn bricht bis Donnerstagfrüh
komplett zusammen.
Im Nordwesten dreht der Wind an der Westflanke des Tiefs in den Frühstunden auf
Nord bis Nordwest und frischt über der Deutschen Bucht bei deutlich zunehmendem
Gradienten auf. Das geschieht vor allem mit Passage einer weiteren Kaltfront,
die zum ehemaligen Tief „GERDA“ gehört, das sich über die Nordsee nach
Südnorwegen verlagert und weitgehend aufgefüllt hat, somit lediglich als
Bodentrog auszumachen ist. Diese erreicht morgens die deutsche Nordseeküste, im
Laufe des Vormittags dürfte es dann vor allem im Bereich der Ostfriesischen
Inseln und in Nordfriesland erste Böen Bft 7, vereinzelt 8 geben.
Insgesamt verläuft die Nacht mit Tiefstwerten zwischen 14 und 8 Grad (in der
Lausitz teils auch über 15 Grad) nochmals recht mild.
Donnerstag … verliert der Kurzwellentrog deutlich an Kontur und schwenkt im
Tagesverlauf allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts. Ein weiterer
Trog, der zunehmend die Hauptachse des gesamten Langwellentrogkomplexes
markiert, erreicht abends die Deutsche Bucht bzw. Niederlande und Belgien.
„Ex-KIRK“ zieht rasch weiter nordnordostwärts und erreicht um 18 UTC bereits
Mittelschweden, wobei sich das Tief nur langsam auffüllt und selbst am Abend
noch einen Kerndruck von unter 985 hPa aufweist. Das Sturmfeld an dessen
Südwestflanke überquert bis zum Mittag bzw. frühen Nachmittag noch Teile der
Osthälfte (Sachsen, Südbrandenburg), von Südwesten her nimmt der Wind aber
bereits ausgangs der Nacht in Baden-Württemberg, am Vormittag und Mittag dann im
gesamten Süden und Südosten rasch wieder ab.
Die Kaltfront über der Nordseeküste kommt mit Trogpassage südostwärts voran und
überquert bis zum Abend bereits die gesamte Nordwesthälfte sowie Teile der
Mitte. Sie ist ebenfalls an einen allerdings relativ flachen Bodentrog
gekoppelt, zudem verstärkt sich vor allem niedertroposphärisch die KLA und sorgt
für eine gute turbulente Durchmischung, so dass es im Nordwesten und Norden,
teilweise auch noch in den mittleren Landesteilen und später im Nordosten mit
Frontpassage und postfrontal bis weit ins Binnenland für steife Böen aus
Nordwest bis West reicht, im Nordseeumfeld, ab dem späten Nachmittag auch an der
vorpommerschen Ostseeküste in exponierten Lagen auch für stürmische Böen.
Vor allem präfrontal, zunächst also im Westen und Norden, am Nachmittag und
Abend dann im Süden, gibt es zudem einzelne Schauer, eventuell auch kurze
Gewitter, letztere am ehesten wohl vormittags im Nordseeumfeld bzw. nachmittags
und abends im Süden. Als Begleiterscheinungen kommen Böen Bft 7 (nur vereinzelt
Bft 8) und Graupel in Frage.
Während nach Passage von „Ex-KIRK“ noch maritim erwärmte Subpolarluft ins
Vorhersagegebiet gelangt (T850 hPa zwischen 3 und 6 Grad), macht sich hinter der
Kaltfront ein Schwall maritimer Polarluft mit Werten um, im Nordwesten bereits
etwas unter 0 Grad in 850 hPa auf den Weg nach Mitteleuropa. Dabei wird
postfrontal markantes Absinken wirksam (Absinkinversion in 700 hPa), die die
Schauertätigkeit deutlich hemmt, allerdings kann sich an der Inversion
klassischer Stratocumulus cumulogenitus ausbreiten, der die Sonneneinstrahlung
um einiges hemmen dürfte. Für kurze leichte Schauer reicht es dann lediglich
noch im Nordseeumfeld. Ab und zu kann sich dann aber doch mal kurz die Sonne
durchsetzen, ähnliches gilt für den Südwesten. Die Höchsttemperaturen erreichen
allgemein Werte zwischen 13 und 18 Grad, in der Lausitz vielleicht noch nahe 20
Grad.
In der Nacht zum Freitag überquert die Hauptachse des Langwellentroges langsam
das Vorhersagegebiet ostwärts, nimmt dabei allerdings eine zunehmend positive
Neigung an, hängt also über Süddeutschland noch etwas nach Westen zurück.
Entsprechend kommt die Kaltfront dort kaum mehr südostwärts voran und zeigt mit
Vorstoß einen Bodenhochkeils von Frankreich nach Südwest- und Westdeutschland
sogar eher Auflösungstendenzen.
Allerdings kann vorderseitig des sich annähernden Troges aufgrund von PVA
vorübergehend verstärkter dynamischer Hebungsantrieb wirksam werden, so dass die
Schauertätigkeit etwa südlich des Mains nicht abklingt, sondern sich sogar noch
etwas verstärkt bzw. gebietsweise auch in schauerartigen Regen übergeht. Kurze
Gewitter sind bei sogar noch etwas zunehmender Labilität (T500 hPa sinkt auf -25
Grad, T850 hPa verharrt bei etwa +2 Grad) nicht ganz ausgeschlossen, dürften
aber mangels Cape eher die Ausnahme darstellen. ICON-EU und I-D2 simulieren vor
allem in der zweiten Nachthälfte von der Alb bis nach Mittelfranken gebietsweise
mehr als 10 l/qm in wenigen Stunden. An den Alpen stellt sich eine leichte
Stausituation ein, die 850 hPa-Temperatur kann dort dadurch auf nahe 0 Grad und
die Schneefallgrenze auf nahe 1300 m sinken.
Auch im Nordwesten sorgt der Trog für eine gewisse Labilisierung, die
Absinkinversion steigt auf nahe 600 hPa. Vor allem im Nordseeumfeld und in
Schleswig-Holstein könnte das für einzelne Schauer, eventuell auch ein kurzes
Gewitter reichen. Zudem bleibt an den Küsten noch ein recht veritabler Gradient
aufrecht, der für Böen Bft 7, anfangs auch vereinzelt Bft 8 aus West bis
Nordwest sorgt.
Im Rest des Landes bleibt es aber weitgehend trocken und vor allem vom Westen
bis in die mittleren Landesteile lockern die Wolken deutlich auf. In der
eingeflossenen maritimen Polarluft (bis -2 Grad in 850 hPa) kann es dabei bei
dort windschwachen Verhältnissen deutlich abkühlen auf 6 bis 2 Grad mit
Bodenfrostgefahr in einigen Senken bzw. Mittelgebirgstälern. Auch sonst fällt
die Nacht mit 9 bis 5 Grad recht frisch aus, lediglich an den Küsten bleibt es
etwas milder.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
Freitag … ist den Ausführungen in der Frühübersicht kaum Substanzielles
hinzuzufügen. Auch die aktuellen Modellläufe haben die Wetterberuhigung auf der
Agenda, warnrelevant sind wohl einzig noch die Böen an den Küsten (Bft 7) und
leichte Schneefälle an den Alpen oberhalb von etwa 1500 m.
Im Zustrom der maritimen Polarluft bleibt es kühler als an den Vortagen und in
der in einigen Regionen gering bewölkten bis klaren Nacht zum Samstag gibt es
vielerorts Frost in Bodennähe. In ungünstigen Lagen, vor allem im Westen und in
den mittleren Landesteilen, dürfte es auch den ersten Frost der Saison in 2
Meter Höhe geben.
Modellvergleich und -einschätzung
Bzgl. Ex-KIRK haben sich die Modelle angeglichen, wenngleich es noch kleinere
Differenzen, vor allem, was die räumliche Verteilung des Niederschlages angeht,
gibt, denen mit einer Anpassung der markanten Dauerregenwarnung aber bereits
Rechnung getragen wurde.
Ansonsten fahren die Modelle alle einen recht einheitlichen Kurs.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff