S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.10.2024 um 10.30 UTC

Unbeständig und zunächst ziemlich mild. Im Laufe der nächsten Woche zunehmende
Prognoseunsicherheit durch „KäptŽn“ KIRK (aktueller, dann aber ehemaliger
Tropensturm).

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 11.10.2024

Zwei Dinge gibt es in der Meteorologie, die quasi nicht vorhersagbar sind: das
Wetter und die Umwandlung von tropischen Tiefs in Systeme der mittleren Breiten.
Okay, beim Wetter wurden in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte
gemacht, so dass man deren Vorhersage meist mehr, aber auch mal weniger im Griff
hat. Beim zweiten Punkt hingegen ist das so eine Sache. Aktuell befindet sich
mitten zwischen Afrika und der Karibik der Major-Hurrikan KIRK, der
voraussichtlich noch bis in den Sonntag hinein den Staus „M“ (Major) behält und
erst danach schwächer wird. Dabei wird „KäptŽn“ KIRK (nicht zu verwechseln mit
dem legendären James Tiberius, der nicht auf See, sondern mit dem Raumschiff
Enterprise im Weltraum unterwegs war) die klassische Parabelzugbahn einschlagen,
sprich, erst Nord, dann auf Ost-Nordost drehend. Damit nähert er sich
unweigerlich europäischen Gefilden, was den Tropensturm zwingt, irgendwann in
der kommenden Woche seine Physik zu ändern. Extratropical Transition, kurz
„E.T.“ nennt man das, was dann kommt, nämlich die Umwandlung von einem
Tropentief zu einem Tief der mittleren Breiten. Und genau damit beginnt der
(prognostische) Schlamassel, was gestern an gleicher Stelle ja schon ausführlich
beschrieben wurde. Allzu viel hat sich nicht geändert, heißt, auch heute lässt
sich die Entwicklung der zweiten Wochenhälfte noch nicht seriös beschreiben,
weil die Prognosen nach wie vor stark divergieren. Auf Basis des heutigen
00-UTC-Laufs von IFS (ECMF) soll die Sache wie folgt ablaufen.

Zu Beginn des offiziellen Mittelfristzeitraums am kommenden Montag befindet sich
Deutschland im Übergangsbereich einer nach Osten abwandernden Hochdruckzone und
einem hochreichenden Zentraltief mit Kern nahe 975 hPa (12 UTC) knapp westlich
von Irland. Ausgehend vom Tief erstreckt sich ein Potenzialtrog bis hinunter zur
Iberischen Halbinsel, was bei uns eine relativ glatte, nach Osten hin anfangs
noch leicht antizyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung zur Folge hat.
Mit südlicher Grundströmung wird eine milde bis sehr milde, insbesondere nach
Westen hin aber auch zunehmend feuchte Luft subtropischen Ursprungs advehiert
(Anstieg T850 auf 7 bis 14°C, im Alpenvorland föhnbedingt noch wärmer). Von
Frankreich und Benelux her greift ein schleifendes Frontensystem über, das
weiten Landesteilen Regenfälle und sogar einzelne Gewitter bringt. Diese können
im Südwesten durchaus kräftig ausfallen, während Teile des Ostens und Südostens
zunächst noch verschont bleiben.

Am Dienstag und Mittwoch greift nun mehr und mehr KIRK ins Geschehen ein, wenn
auch für unseren Raum noch nicht unmittelbar. Von Westen kommend „schiebt“ er
sich unter das bis dato zentralsteuernde Tief bei Irland, das durch die kräftige
WLA des (ehemaligen) Tropentiefs (die Umwandlung erfolgt nach aktueller
Vorhersage des NHC im Laufe des Dienstags) immer weiter zugeschüttet wird. Am
Mittwoch bilden beide Teile ein Trogtief, das um 12 UTC von UK/Irland bis
hinunter zur Biskaya reicht. Parallel zum Geschehen im bodennahen Bereich wird
der Höhentrog regeneriert, aus dem bereits am Dienstag ein vorlaufender Randtrog
über den Vorhersageraum hinwegschwenkt (=> weitere Regenfälle und Gewitter).

Am Donnerstag und Freitag soll sich Ex-KIRK, der zwischenzeitlich mal nur den
Status eines Bodentroges innehatte, wieder intensivieren und als eigenständiges
Bodentief mit rund 975 hPa im Tank zügig von Nordfrankreich und den Niederlanden
her via Jütland in Richtung Nordschweden (Freitag, 12 UTC) verlagern. Sollte
sich dieses Szenario tatsächlich bewahrheiten – berechtigte Zweifel sind aus den
schon genannten Gründen angebracht -, würde das für große Teile des Landes nicht
nur kräftige Regenfälle und Gewitter bedeuten (am wenigsten davon Im Osten und
Südosten). In der Nacht zum und am Donnerstag müssten sich zumindest der Westen
und Norden zudem auf Starkwind respektive Sturm einstellen. Mit Durchzug des
Tiefs kommt es auch zu einem Luftmassenwechsel hin zu erwärmter Meereskaltluft
polaren Ursprungs (T850 am Freitag, 12 UTC zwischen rund 0°C an der Nordsee bis
10°C am Alpenrand).

Ob sich am übernächsten Wochenende im Süden eine hochbarokline Schleifzone mit
Dauerregen einstellt und sonst von Westen her ein zonal exponiertes Hoch bei uns
Fuß fasst, wie von IFS simuliert, steht derzeit noch in den Sternen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Was den Beginn der kommenden Woche angeht, kann dem IFS (ECMF) eine gute
Konsistenz bescheinigt werden. Das ändert sich ab Wochenmitte, wo die einzelnen
Modellläufe beginnen, stärker zu divergieren. Kasus knacksus ist der zwischen
Afrika und der Karibik aktive Major-Hurrikan KIRK, der sich in der kommenden
Woche auf Ostkurs begibt und dabei zu einem Tief der mittleren Breiten mutiert.
Das Problem dabei, dass derzeit noch völlig unklar ist, wie genau die Umwandlung
und das darauffolgende Geschehen vonstattengeht. In Bezug auf Zugbahn, Timing
und Intensität des Tiefs wird in jedem Lauf (übrigens auch modellübergreifend)
eine andere Lösung angeboten, was eine Detailprognose unmöglich macht. Fest
steht nur, dass das Überraschungspotenzial auch für signifikante
Wettererscheinungen (Starkwind/Sturm und/oder ergiebiger Regen) hoch ist. Fest
steht auch, dass der Wettercharakter der nächsten Woche ein unbeständiger mit
wiederholten Regenfällen ist. Die Temperatur gibt sich zunächst
überdurchschnittlich, bevor sie im Laufe der zweiten Wochenhälfte – wie schnell
und wie stark auch immer – sinkt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie zuvor schon angedeutet, haben auch die anderen begutachteten Globalmodelle
(ICON, GFS, GEM, UK10) – nachdem man noch einigermaßen kongruent in die
Mittelfrist startet – große Schwierigkeiten, die Launen des „KäptŽn“ KIRK in den
Griff zu bekommen. Es macht nur wenig Sinn, die individuellen Lösungen an dieser
Stelle zu tief zu würdigen. Nur so viel, ICON und GFS haben Ex-KIRK nicht als
Schnellläufer à la IFS auf der Karte, sondern als größeres (und tieferes) Tief,
das seinen Wirkungsradius verzögert auf Deutschland übergreifen lässt. UK10
wiederum bevorzugt auch die kleine schnelle Variante, wobei das Tief am
Donnerstag von Frankreich kommend aber einmal über die Mitte des Vorhersageraums
ost-nordostwärts zieht.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bis einschließlich Dienstag bewegen sich die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener
deutscher Städte in einem relativ engen Korridor. Etwas Spielraum bietet am
ehesten noch der Warmluftberg am Dienstag, wo es abgesehen vom
Alpenrand/-vorland noch ein paar wärmere Lösungen als den Hauptlauf bzw. den eng
gebündelten Median gibt. Den zweiten Warmluftberg gibt es von Mittwoch zu
Donnerstag, was offensichtlich der Vorderseite von Ex-KIRK geschuldet ist.
Allerdings nimmt hier der Spread schon deutlich zu, um Richtung übernächstes
Wochenende noch weiter aufzuspreizen. Der Trend zur Abkühlung ist dabei aber
mehrheitlich zu erkennen. Erkennbar ist auch ein am Montag beginnendes
Grundrauschen beim Niederschlag, das sich durch die ganze Woche zieht.

Wenn es um Tiefentwicklungen geht, lohnt sich auch immer ein Blick auf den
Parameter Luftdruck. Nimmt man am nächsten Donnerstag exemplarisch die Stationen
Helgoland und Hamburg, ergibt sich ein Spread von 25 bis 30 hPa etwa zwischen
1000 und 970 hPa. Damit ist die Differenz gegenüber gestern zwar etwas
zurückgegangen, ist aber immer noch imposant und birgt eine hohe Unsicherheit.
Der Hauptlauf markiert nach wie vor den unteren Rand der Kurven, liegt also auf
Extremkurs.

Bei der Clusterung sind im Grunde zwei Dinge interessant. Zum einen zeigen die
drei Cluster für den Zeitraum T+120…168h (Mittwoch bis Freitag) ein sich gen
Jütland und Nordsee verlagerndes Druckminimum, wobei nicht eindeutig bestimmbar
ist, ob es sich dabei um Ex-KIRK oder sogar um das evtl. wiederbelebte, o.e.
Zentraltief handelt. Der zweite Punkt betrifft die erweiterte Mittelfrist ab
Samstag (T+192…240h), wo in allen vier Clustern ein wie auch immer geartetes
Hoch vom nahen Atlantik übergreift. Wobei die Betonung auf „wie auch immer
geartet“ liegt.

FAZIT:
Auch heute entpuppt sich der nächste Woche ins Geschehen eingreifende ehemalige
Tropensturm KIRK als kasus knacksus der Vorhersage. Sowohl seine Umwandlung in
ein System der mittleren Breiten als auch sein weiterer Werdegang (von Sturmtief
über Bodentrog bis hin zur Welle ist noch alles drin) sind noch sehr unsicher.
Das Potenzial für stärkere Regenfälle ist ebenso da wie für Starkwind und Sturm,
Letzteres vor allem zum Ende hin. Fakt ist, dass sich ab Montag ein
unbeständiger, zunächst aber ziemlich milder Wetterabschnitt einstellt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Zu Beginn der neuen Woche stellt sich in den Alpen vorübergehend Südföhn ein mit
der Gefahr von Böen 9-10 Bft in exponierten Hochlagen und Böen 8 Bft in
anfälligen Tälern.

Zweiter Punkt betrifft potenzielle Gewitter, die in der Warmluft immer mal
wieder auftreten können. Zwar hält sich die Labilität in Grenzen, Scherung und
Wasserdampf sind aber ausreichend vorhanden (=> Starkregen und/oder Böen 8-9
Bft).

Dann wäre da noch das Thema „Dauerregen“, das rein aus der Synoptik ableitbar
ist, numerisch aber noch ziemlich diffus gehandhabt wird. Von Montag bis
Dienstag ist im Südwesten gebietsweise markanter Dauerregen möglich (30-40 l/m²
innert 24 h), danach sind keine klaren Aussagen hinsichtlich Raum, Zeit und
Intensität mehr möglich.

Dann wäre da noch der Wind, der in Verbindung mit Ex-KIRK sicherlich auch seine
Einsatzzeiten bekommt. Die Frage ist nur wann, wo und wie stark. Derzeit sind
Nord- und Westdeutschland am kommenden Donnerstag favorisiert, allerdings ist
die Streuung immens (siehe auch Box-Whisker von IFS-EPS).

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und IFS, ab Wochenmitte Modell-Mix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann