SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.09.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
CONSTANZE dankt ab, TITUS übernimmt – Luftmassenwechsel mit nachfolgendem
Zwischenhocheinfluss und frischen Nächten.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … steht Deutschland unmittelbar vor einem merklichen
Luftmassenwechsel, der – logischerweise möchte man ergänzen – an eine nicht
minder merkliche Winddrehung gekoppelt ist. Von Süd-Südwest auf West bis Nord
lautet die vereinfachte Losung. Initiatoren des Wechsels sind zum einen ein
derzeit noch leicht positiv geneigter Potenzialtrog, der sich heute Abend vom
Nordpolarmeer bis hinunter zur Iberischen Halbinsel erstreckt. Korrespondierend
dazu befindet sich auf der unmittelbaren Trogvorderseite eine langgezogene
Tiefdruckrinne, die aktuell (früher Abend) von Frankreich über Jütland bis hoch
nach Finnland reicht. CONSTANZE schimpft sich die Rinne, die aufgrund ihrer
zahlreich eingelagerten kleinen Drehzentren mit Fug und Recht als mitunter
schwer zu durchschauendes Konstrukt betitelt werden kann. Das für uns relevante
Teiltief hat am Nachmittag von Westen kommend die Deutsche Bucht bzw. die
westlichen der Ostfriesischen Inseln erreicht, um von dort in den nächsten
Stunden via Butjadingen und Hamburg in Richtung Osten zu ziehen. Damit wählt die
gute CONSTANZE offensichtlich doch die südlichere der beiden heute Morgen noch
diskutierten Zugbahnen (ICON-D2 hat den ganzen Tag beharrlich daran
festgehalten, da konnte sie nicht anders). Mittlerweile ist der Kerndruck von
anfangs etwas unter 985 auf etwas unter 990 hPa angestiegen, womit der
Auffüllprozess bereits am Laufen ist. Dieser wird sich in den nächsten Stunden
noch beschleunigen, wenn der Tiefkern erstmal einige Kilometer über das Festland
gezogen ist und damit immer mehr der Reibungseffekt zum Tragen kommt.

Während sich das eigentliche Drehzentrum also gen Osten orientiert, schwenkt die
nach Südwesten zurückhängende Rinne (die man gut und gerne aber auch als
Bodentrog bezeichnen kann) im Laufe der Nacht unter Konturverlust über den
Vorhersageraum südostwärts. Die eingelagerte Okklusion mutiert dabei immer mehr
zu einer Kaltfront, was sie im bodennahen Bereich ohnehin schon ist. Aber auch
weiter oben werden die letzten Reste der ehemaligen Warmluftschliere aufgezehrt.
Rückseitig dreht der Wind auf West bis Nordwest, an und auf der Nordsee
vorübergehend sogar fast auf glatt Nord, womit auf direktem Wege eine frische
Portion maritimer Polarluft (mP) herangeführt wird. Diese ersetzt die
vorderseitig der Rinne eingeflossene erwärmte und vor allem feuchtere Polarluft
(mPs), die ja einen weiten Bogen um die Rinne schlagen musste und entsprechend
modifiziert und erwärmt hier angekommen ist. T850, heute Abend noch zwischen 3
und 7°C gelegen, sinkt bis zum Morgen auf rund 0°C im Nordwesten bis rund 4°C im
äußersten Süden.

Dort, genau genommen im alpinen Raum wabert noch die Kaltfront, die uns gestern
bzw. in der letzten Nacht passiert hat und nun wahrscheinlich ein letztes Mal
aufmuckt, indem sie eine flache Welle schlägt. Das erklärt die aktuell von den
Alpen bis nach Niederbayern bzw. der Oberpfalz auftretenden, vereinzelt
gewittrigen Regenfälle, die an der einen oder anderen Stelle durchaus als
Starkregen niederprasseln (beobachtete Stundensummen vereinzelt im unteren
einstelligen Bereich). Schon in der ersten Nachthälfte schwächt sich der Regen
bereits wieder ab respektive zieht sich an und in die Alpen zurück, wo die
Schneefallgrenze auf unter 2000, lokal vielleicht mal nahe 1500 m sinkt. In
Staulagen des Hochgebirges können durchaus 10 bis 20 cm Neuschnee fallen.

Ansonsten schwenkt nicht nur der Bodentrog durch, auch der Potenzialtrog in der
Höhe macht einen kleinen Satz nach Osten. Eine stärkere Progression wird aber
dadurch verhindert, dass in seine Rückseite ein kurzwelliger Sekundärtrog
hineinläuft, der den Haupttrog quasi regeneriert. Sekundärtrog hin Haupttrog
her, Fakt ist, dass es auch in der Nacht noch zu weiteren schauerartigen
Regenfällen kommt. Die ohnehin nicht übermäßig ausgeprägte Gewitterneigung geht
weiter zurück. Später trocknet es in neuer Luftmasse im Norden und Westen
abseits der Küsten mehr und mehr ab.

Beschäftigen tut uns freilich noch der Wind. An und auf der Nordsee, wo die
Winddrehung von S-SW auf NW-N bereits begonnen hat und im Vergleich zu den
übrigen Regionen am krassesten ausfällt, stehen weiterhin Böen 8-9 Bft, in der
ersten Nachthälfte sogar 10 Bft und jetzt am Abend auf den Ostfriesischen Inseln
vereinzelt sogar 11 Bft auf der Karte (kurz nach 18 GZ auf Norderney 103 km/h).
An der Ostsee legt der Wind in den Abendstunden bis in die erste Nachthälfte
hinein erstmal eine ruhigere Phase ein, bevor er nach Mitternacht mit Drehung
auf Nordwest wieder spürbar auffrischt (Böen 7-8 Bft, exponiert bis 9 Bft.
Windbaustelle #3 betrifft die Süd- und Südwestflanke des Tiefkerns, wo ein
Maximum mit Böen 7-8, anfangs vereinzelt 9 Bft unter allmählicher Abschwächung
über Teile Norddeutschlands von West nach Ost durchwandert. Im großen Rest des
Landes begibt sich der Wind mehr und mehr auf Tieftauchstation, was aber nicht
heißt, dass er später auf einigen Bergen, Kuppen und Kämmen nicht doch noch
zügig und ruppig unterwegs ist.

Die Temperatur geht auf 13 bis 7°C, in den Mittelgebirgen teilweise auf Werte um
5°C zurück.

Samstag … löst sich unser kleines Sturmtief fast bis zur Unkenntlichkeit auf
bzw. gliedert sich als Bodentrog einem über Tiefkomplex über Nordeuropa an.
Zwischen diesem Komplex und dem mit seinem Zentrum bis zur Biskaya (12 UTC)
vorrückenden Hoch TITUS stellt sich bei uns eine west- bis nordwestliche
Grundströmung ein, die das ganze Land mit maritimer Polarluft (mP) flutet. Dabei
legt sich der o.e. Potenzialtrog mitten über den Vorhersageraum, Tendenz nur
langsam ostwärts verlagernd. Der korrespondierende thermische Trog ist nur mäßig
mit höhenkalter Luft ausgestattet, unter -25°C wird es auf 500 hPa
voraussichtlich nicht abkühlen. Allerdings reicht das dicke, um bei
850-hPa-Temperaturen zwischen -1 und +3°C eine leidliche Labilität aufzubauen,
die etwa bis 650/600 hPa hinaufreicht. Die dort anzutreffenden Temperaturen
liegen um oder etwas unter -15°C, was neben Schauern auch das eine oder andere
(ganz) kurze Gewitter mit Graupel und/oder steifen Böen 7 Bft auf den Plan ruft.
Für mehr (Böen 7 Bft, Starkregen) dürfte es nicht reichen, weil zu wenig
Scherung, zu trocken und zu wenig Höhenwind vorhanden sind. Auch dürften sich
Blitzfrequenz bzw. -häufigkeit in Grenzen halten, was das warntechnische
Handling einmal mehr zu einem Ding der Unmöglichkeit macht. Oder anders
ausgedrückt, es steht nicht zu befürchten, dass uns morgen die große TS-Nummer
einen geschmeidigen Bundesligasamstag kaputtmacht.

Während es also in den meisten Regionen bei wechselnder Bewölkung, aber auch
sonnigen Abschnitten (vor allem im Norden/Nordosten sowie in Leelagen) hier und
da mal schauert, kommt es im Tagesverlauf unmittelbar an den Alpen sowie im
südlichen Vorland staubedingt zu andauernden Niederschlägen. In Staulagen können
dabei 10 bis 20, im Oberallgäu vielleicht bis zu 30 l/m² innert 12 h
zusammenkommen. Die Schneefallgrenze sinkt zum Abend hin bei stärkerer
Niederschlagsintensität bis auf 1300/1200 m ab.

Der West- bis Nordwestwind lebt klassisch rückseitig mitunter böig auf, bleibt
meist aber unterhalb der Warnschwellen. Ausnahmen bilden die gesamte Küstenlinie
(Böen 7, auflandig auch mal 8 Bft) sowie ein paar wenige exponierte Kamm- und
Kuppenlagen (Einzelfallentscheidung). Trotz der polaren Herkunft steigt die
Temperatur noch auf solide 12 bis 17°C, die sich aber kühler anfühlen. In den
Mittelgebirgen sowie an den Alpen bleibt es ohnehin frischer.

Am Abend und in der Nacht zum Sonntag steigt der Luftdruck weiter an, so dass
wir bereits in den Morgenstunden den Schwerpunkt von „Kaiser“ TITUS bei uns in
der Südhälfte begrüßen dürfen (um 1030 hPa). Steigen tut auch das Geopotenzial,
weil sich der Trog allmählich in Richtung östliches Mitteleuropa verabschiedet.
Allerdings ist der nachrückende Rücken alles andere als ein Prachtexemplar: zu
flach, zu schmächtig, zu wenig latissimus dorsi und trapezius. Kein Wunder also,
dass der stolze TITUS über den Status eines Zwischenhochs nicht hinauskommt und
bald schon wieder Richtung Osten abgeschoben wird. Immerhin rettet er sich noch
in den Sonntag, was zunächst mal eine Gradientauffächerung sowie
Wolkenrückbildung bewirkt. Wenig bis kein Wind, wenige bis keine Wolken, dazu
eine ziemlich frische und trockene Polarluft – Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Freunde, stellt euch auf eine frische Nacht mit verbreitet einstelligen
Tiefstwerten um oder unter 5°C ein. Insbesondere im zentralen Mittelgebirgsraum,
teils aber auch weiter südlich muss gebietsweise mit leichtem Frost in Bodennähe
und in ungünstigen Muldenlagen gar mit leichtem Luftfrost gerechnet werden.
Darüber hinaus bilden sich zum Morgen hin einige flache Nebelfelder.

Im äußersten Norden, an der Nordflanke des Hochs, fächert der Gradient von West
nach Ost nur zögerlich auf. Zwar rutscht der Wind von West nach Ost unter die
untere Warnschwelle (Ausnahme vielleicht Rügen), er schläft aber nicht gänzlich
ein. Außerdem halten sich noch einige Wolken, so dass es unterm Strich nur für
Tiefstwerte zwischen 11 und 6°C reicht. Dazu kommen noch ein paar diabatisch
getriggerte Schauer vom Meer her (Nordsee mehr als Ostsee), die aber nicht
besonders tief ins Binnenland vorankommen.
Etwas Regen oder Schnee fällt anfangs auch noch am Alpenrand.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … weicht der aktuelle 12-UTC-Lauf von ICON bestenfalls marginal von
seinen jüngsten Vorläufen ab. Wirklich neue Erkenntnisse sind damit nicht
verbunden, so dass die in der Frühübersicht zu Papier gebrachten Gedankengänge
des geschätzten Kollegen Hausen ihre Gültigkeit behalten:
Salve TITUS!

Modellvergleich und -einschätzung

Am frühen Abend etwa zwischen 15 und 16 UTC hat der leicht tropisch anmutende,
weil warme Hauptkern der Rinne CONSTANZE „landfall“ von Norderney auf das
ostfriesische Festland gemacht und somit die südliche der avisierten
Hauptzugbahnen eingeschlagen. Bravo ICON-D2, du hast am Ende Recht behalten!
Was den Rest der Geschichte, also den weiteren Verlauf angeht, ziehen die
Modelle – vorübergehend muss ergänzt werden – an einem Strang.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann