#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Sonntag den 01.09.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.09.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Sommerlicher Start in den meteorologischen Herbst – am Montag sowie an den
Folgetagen zunehmende Gewitteraktivität mit Schwerpunkt Starkregen.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Aktuell … zeigt uns die großräumige Wetterkarte zwei dicke fette
Hochdruckgebiete: eines über dem mittleren Nordatlantik, das keinen Namen trägt.
Den brauchtŽs auch nicht, weil es sich um das weltberühmte Azorenhoch handelt.
Ein zweites, das sich aus den Herren QUENTIN und PIET zusammensetzt, überdeckt
weite Teile Fennoskandiens und reicht im Osten weit nach Russland rein. Getrennt
werden die beiden Gebilde von einem langgezogenen Potenzialtrog, der sich von
Grönland bis hinunter zur Biskaya erstreckt. Er korrespondiert mit einer
Tiefdruckzone, in die mehrere Kerne integriert sind, von denen einer (XANIA)
dicht bei UK/Irland herumturnt. Komplettiert wird das Gesamtbild von einem
imposanten Höhentief am Südrand des Bottenbusens, welches sich am Boden
vergleichsweise unscheinbar gibt (WILHELMA). Summa summarum ein ziemlich starres
Konstrukt mit hohem Blockierungsanteil und wenig Dynamik, in dem Deutschland
aktuell noch mehrheitlich im antizyklonalen Bereich zu finden ist.
So strömt aus dem nordosteuropäischen Hoch eine kontinental geprägte und damit
ziemlich trockene Warmluft (CPs) in den Norden und Osten, in der die Taupunkte
meist unter 15°C, teils sogar im einstelligen Bereich liegen. Warmluft befindet
sich auch im Rest des Landes, allerdings ist diese gealterte Subtropikluft (xS)
deutlich feuchter und instabiler. Im Bereich der nördlichen Mitte ist der
Gradient der pseudopotenziellen Temperatur so groß, dass der Übergang mit einer
Front (oder in diesem Fall besser einer Luftmassengrenze LMG oder nach
amerikanischen Vorbild einer dry-line) markiert wird. Zeigte sich gestern im
Bereich der LMG noch reichlich Gewölk, aus dem sich sogar einige Schauer oder
Gewitter entwickelten, herrscht heute abgesehen von einigen hohen Wolken im
Nordosten komplette Wetterinaktivität, was übrigens für den größten Teil des
Vorhersageraums gilt (Sonne satt). Einzig über dem süddeutschen Bergland –
namentlich die üblichen Verdächtigen Schwarzwald, Schwäbische Alb, Alpen –
entwickelten sich am Nachmittag ein paar starkregenlastige, weil stehende
Gewitterzellen, die aufgrund exorbitant hoher RR-Raten (RH-Bild) z.T. sogar mit
extremen Unwetter bewarnt werden mussten.
Da sich in der kommenden Nacht zum Montag an der Großwetterlage wenig bis nichts
tut, greift der Tagesgang verstärkt ins Geschehen ein. Heißt, das konvektive
Geschehen im Süden ebbt zusehends ab, auch wenn das durchaus noch etwas dauern
kann. Die Modelle signalisieren diffuse Signale, dass sich Reste bis in die
zweite Nachthälfte halten können, Neubildungen entstehen (Labilisierung an der
Wolkenoberfläche?) oder aber von Frankreich und der Schweiz einige Schauer oder
Gewitter den Weg zu uns finden. Unstrittig ist, dass es im größten Teil der
Nation gering bewölkt oder klar und trocken bleibt. Hier und da bilden sich ein
paar flache Nebelfelder, meist bleibt der Durchblick aber gewahrt. Wie nicht
anders zu erwarten, wird es im nord- und ostdeutschen Binnenland in der
trockenen Luft am kühlsten mit 15 bis 9°C. In den übrigen Landesteilen stehen 19
bis 14°C auf der Karte. Nicht ausgeschlossen, dass es zwischen Duisburg-Ruhrort
(wo einst der Schimanski seinen ersten Tatort-Fall löste) und der Galopprennbahn
in Dortmund-Wambel ebenso wie in einigen rheinländischen Metropolen mit 20,x°C
die erste Tropennacht des Septembers 2024 gibt (die vergangene Nacht wird noch
dem Augustus zugeschlagen).
Montag … startet nicht nur die erste volle Septemberwoche, es ist zudem der
Auftakt zu einigen wettertechnisch hochinteressanten, warntechnisch dafür
arbeitsintensiven Tagen UND Nächten. Ach ja, und von wegen meteorologischer
Herbst. Klaro, heute ist tatsächlich der Premierentag dieser drei Monate
andauernden, menschdefinierten Jahreszeit. Die Atmosphäre will davon aber noch
rein gar nichts wissen und fährt weiterhin stur ihren Spätsommerkurs, der sich
z.T. aber wie Hochsommer anfühlt.
Morgen zieht sich zunächst mal das Zentrum von Hoch QUENTIN in Richtung Weißes
Meer zurück, während das auf seiner Südwestflanke lauernde hochreichende Tief
mittelschwedisches Festland okkupiert. Zudem dehnt sich der Trog über dem nahen
Atlantik noch etwas nach Süden aus, wobei ein eingelagerter Randtrog auf
UK/Irland übergreift. Eingequetscht zwischen Tief im Nordosten und Trog im
Westen erstreckt sich ein vergleichsweise flacher Rücken diagonal von SO nach NW
über Deutschland. Dieser wandert nur sehr langsam ostwärts, so dass der
Vorhersageraum über weite Strecken des Tages zumindest von der Höhe her noch
antizyklonal geprägt ist. Für den Norden und Osten trifft das auch im
Bodenniveau zu (Hochrandlage), wobei mit Ost-Südostwind weiterhin trockene und
gegenüber heute noch etwas wärmere Luft advehiert wird (T850 12 bis 16°C). Es
scheint abermals die Sonne von morgens bis abends, wobei die Temperatur auf 25
bis 30°C, an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind um 22°C steigt.
Im Rest des Landes stellt sich eine Art luftdrucktechnisches Niemandsland ein,
in dem das Auffinden einer Hauptisobare reine Glücksache ist. Mit Hilfe eines
hochaufgelösten Windfeldes erkennt man aber, dass sich im Tagesverlauf ausgehend
vom schwachen Tief XANIA (12 UTC über der Doggerbank) eine Rinne zu uns
reinschiebt, die eine zunehmend zyklonale Note ins Spiel bringt. Außerdem
gelangt in die Südwesthälfte kontinuierlich mehr atmosphärischer Wasserdampf,
der die PPW-Werte auf 35 bis 40 mm und die spezifische Grundschichtfeuchte auf
rund 13 g/kg steigen lässt. Auch wenn die Labilität nicht exorbitant ausfällt,
reicht der hohe latente Anteil, um in weiten Teilen des Landes mit Ausnahme des
Nordostens ein stolzes Arsenal an ML-CAPE aufzubauen, das vielerorts zwischen
1000 und 2000 J/kg liegt. Vor allem im Grenzbereich zur trockenen Luft im
Nordosten ist die Luftmasse allerdings stark gedeckelt. Zudem offenbaren die
Prognosetemps einige Trockenschichten (teils untere, teils mittlere Troposphäre)
und wir dürfen nicht vergessen, dass noch ein Rücken überlagert ist. Mit anderen
Worten, die vielversprechende Luftmasse kann mitnichten überall aktiviert und in
konvektive Umlagerungen umgesetzt werden, wie man das vielleicht meinen könnte.
Unter den genannten Rahmenbedingungen ist morgen folgender Ablauf vorstellbar.
Los gehtŽs mit viel Sonne und nur wenigen Wolken (im Süden vielleicht stärkere
Restbewölkung und einzelne gewittrige Schauer aus der Nacht), am frühen Morgen
außerdem mit einigen flachen Nebelfeldern. Am Vormittag bilden sich im Westen
und Süden erste Quellwolken, die ab Mittag aus dem Bergland heraus die ersten
Schauer und Gewitter aufs Parkett bringen. Ob sich im Laufe des Nachmittags auch
die östliche Mitte dazugesellt, wird derzeit von der Numerik noch
unterschiedlich gesehen. Zwar stehen auch dort wunderschöne, zu konvektiven
Untaten allzeit bereite Mittelgebirge, die aber nicht jeden Deckel sprengen
können. Immerhin hat es schon heute eine erste Zelle über dem Erzgebirge
geschafft, dann sollte es morgen erst recht gehen. Relativ sicher scheint die
Struktur der Gewitter, die bei geringer Scherung als Einzeltäter starten, dann
aber zumindest teilweise zu Multizellen verclustern. Berücksichtigt man
zusätzlich die geringen Höhenwinde und damit den Hang der Zellen zu stehen
(Zuggeschwindigkeit häufig unter 10 km/h), wird einem schnell klar, dass
Starkregen einmal mehr das Maß der Dinge begleitender Parameter ist. Unstrittig
ist ebenfalls, dass die Schwelle zum Unwetter (> 25 l/m²), vereinzelt sogar zum
extremen Unwetter (> 40 l/m² innert kurzer Zeit) schnell überschritten werden
kann. Im Jungstadium der Zellen ist auch mal Hagel möglich (meist unter 3 cm)
und auch Böen 8 Bft, worst case 9 Bft sind nicht ganz ausgeschlossen.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 25 bis 32°C, wobei es in den mittleren
Landesteilen aufgrund des höheren Sonnenanteils (im Süden frühzeitigere und
fettere Quellbewölkung) am heißesten wird.
Am Abend bzw. in der Nacht zum Dienstag prägt sich die Tiefdruckrinne im Westen
und Nordwesten zusehends besser aus. Die Konvergenz östliche vs. westliche Winde
wird etwas klarer, etwas definierter. Hinzu kommt, dass wir dort allmählich auf
die Rückseite des Rückens und somit die Vorderseite des Troges gelangen. Damit
haben kurzwellige Troganteile die Chance, von NO-Frankreich und Benelux her
deutsches Hoheitsgebiet zu erreichen und dabei einige Hebungsimpulse auszulösen.
Die deutsche Modellkette reagiert darauf mit der Ausbildung eines größeren
Gewitterclusters, der bis zum Morgen unter langsamer Abschwächung via NRW und
NDS gen HH, SH und Nordsee schwenkt. Weiterhin liegt der Fokus auf Starkregen
bis in den Unwetterbereich (auch mehrstündig), während Wind/Sturm und vor allem
Hagel hintenanstehen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass viele der
zahlreichen Modelle ein ähnliches Szenario auf der Karte haben. Allerdings ist
die Schwerpunktsetzung unterschiedlich, so dass die Hauptaktivität
möglicherweise auf Seiten unserer westlichen Nachbarn erfolgt. Mehr dazu in der
morgigen Frühübersicht.
Nach Süden hin sowie in der Mitte greift der Tagesgang, die Gewitter lassen mehr
und mehr nach. Bei teils wolkigem, teils klarem Himmel geht die Temperatur auf
19 bis 14°C zurück.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Dienstag … weicht der neueste ICON-Lauf von 12 UTC kaum von seinen jüngsten
Vorgängern ab. Von daher kann der Hoffmann den profunden Ausführungen der
Frühübersicht vom geschätzten Kollegen Hartmann weder was Substanzielles noch
was Marginales hinzufügen. Auch gut!
Modellvergleich und -einschätzung
Im Großen und Ganzen schreiben die Modelle eine sehr ähnliche Geschichte. Es
liegt in der Natur der Sache, dass gerade bei konvektiven Lagen noch größere
Unsicherheiten im Detail gegeben sind. Als Beispiel sei der soeben
veröffentlichte 15-UTC-Lauf von ICON-D2 aufgeführt, der den Gewittercluster ab
Montagabend im Nordwesten etwas schwächer und auch weiter westlich rechnet. Gut
möglich, dass das Geiere bis kurz vorm Ereignis (oder vielleicht bis danach
(Scherz)) so weitergeht.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann