S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 31.08.2024 um 10.30 UTC

Mit Ausnahme des Nordostens zunächst sommerlich-unbeständig mit schauerartigen
Regenfällen und teils kräftigen Gewittern. Im Verlauf zunehmende Abtrocknung.
Warm bis sehr warm, nach Osten hin sogar heiß.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 07.09.2024

Am morgigen Sonntag, dem 1. September, startet der meteorologische Herbst. Da
darf es durchaus schon mal etwas frischer werden, was in der vergangenen Nacht
in Teilen Norddeutschlands eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde. Bis auf
5°C hat es etwa am Flugplatz im schleswig-holsteinischen Hohn abgekühlt, da darf
der Schlafsack im Zelt schon mal etwas dicker ausfallen. Ansonsten aber, und
jetzt schlagen wir geschmeidig den Bogen in die Mittelfrist, ist der Sommer 2024
noch so weit davon entfernt, in den Sack zu hauen wie Hannover 96 vom
Bundesligaaufstieg – leider (also das mit „96“). Erst sommerlich unbeständig mit
(konvektiven) Pauken und Trompeten, dann spätsommerlich friedlich, so das
Kurzmotto für die kommende Woche.

Eingestiegen wird am kommenden Dienstag, dem offiziellen Beginn der heutigen
Mittelfristvorhersage. Da fallen dem geübten Betrachter zunächst zwei
monumentale und hochreichende Antizyklonen ins Auge, von denen das eine mit
etwas über 1030 hPa im Zentrum weite Teile des Ostatlantiks überdeckt. Hoch #2 –
ebenfalls mit über 1030 hPa ausgestattet – befindet sich mit seinem Schwerpunkt
über dem Weißen Meer, umspannt aber weite Flächen Nord- und Nordosteuropas.
Quasi eingequetscht zwischen diesen beiden dicken „Mühlsteinen“ ist ein
vergleichsweise schmaler, dafür mit Mordsamplitude ausgestatteter Potenzialtrog,
der von Ostgrönland über UK/Irland bis hinunter zur Iberischen Halbinsel reicht.
Es ist ziemlich offensichtlich, dass der Trog im Raum Irland die Absicht hegt,
in naher Zukunft abzutropfen, was angesichts derart dicker und blockierender
Wände links und rechts nur zu logisch ist.
Korrespondierend zum Höhentrog befindet sich in Bodenniveau eine langgestreckte
Tiefdruckrinne, die von der Grönlandsee über die Nordsee und Deutschland bis in
den zentralen Mittelmeerraum reicht. Im Westteil der Rinne liegt eine Kaltfront,
die aufgrund geringer Luftdruckgegensätze, der blockierenden Wirkung des
Nordosteuropahochs sowie ihrer höhenströmungsparallelen Exposition
(trogvorderseitig Südwinde) erhebliche Probleme hat, Boden nach Osten hin
gutzumachen. Im Grunde kann sie weder vor noch zurück, bleibt also nur der
Klassiker: Schleifen und Wellen schlagen. Wo genau die Front diesbezüglich
handwerklich tätig wird, ist derzeit noch leicht unsicher. Es spricht aber
einiges dafür, dass das Ganze irgendwo im Grenzbereich zu Benelux und Frankreich
stattfindet. Präfrontal befindet sich insbesondere die Westhälfte des
Vorhersageraums eine potenziell instabile und feuchte Subtropikluft, die allzeit
bereit ist für sommerlich-atmosphärische Schandtaten in Form schauerartig
verstärkter Regenfälle und kräftiger Gewitter – wie immer diese im Detail auch
ausfallen mögen (Stand heute einmal mehr Starkregen das Hauptkriterium). Je
weiter wir uns im Lande gen Osten orientieren, desto weniger regen- und
gewitterträchtig die Luft. Grund ist die mit östlichen Winden aus dem Hoch
ausfließende, kontinental geprägte Warmluft (T850 um oder sogar etwas über
15°C). Wo letztlich die Demarkationslinie zwischen schwül-warm im Westen und
trocken-warm bis -heiß im Osten respektive der Übergang von Regen/Gewitter in
niederschlagsfrei verläuft, kann wahrscheinlich nur sehr kurzfristig gesagt
werden.

Am Mittwoch ist der Cut-Off abgeschlossen, das Höhentief eiert langsam aber
sicher von der Keltischen See gen Biskaya. Derweil schiebt sich ein Keil des
Höhenrückens über NO-Europa bis nach Westpolen vor. Wenn man so will, wird die
Blockadewirkung noch etwas erhöht und das eingefahrene Muster konserviert. Die
Kaltfront schlägt weitere Wellen und bleibt somit aktiv, im Grunde sogar aktiver
als am Vortag. Ursache scheint eine bessere Interaktion mit etwas zyklonaler
daherkommenden Höhenströmung zu sein. Auf alle Fälle reagiert IFS mit einer noch
intensiveren Regen- und Gewitteraktivität als am Dienstag, vor allem in der
Westhälfte, mit Abstrichen aber auch im Süden. Außen vor bleiben sehr
wahrscheinlich die Gebiete zwischen Erzgebirge und Vorpommern sowie mit etwas
geringerer Wahrscheinlichkeit der Osten und Südosten Bayerns.

Am Donnerstag tut sich insofern was am Geschehen, als dass die beiden
antizyklonalen Alphatiere Kontakt aufnehmen, indem sie über Südskandinavien eine
Brücke schlagen. Auch beim Geopotenzial deutet sich eine zaghafte Annäherung an.
Hinzu kommt, dass sich aus dem zentralen Mittelmeerraum heraus ein neuer Rücken
Richtung Norden aufwölbt. Das Cut-Off-Tief über der Biskaya bleibt ebenso auf
Distanz wie ein weiteres, schwächer ausgeprägtes Exemplar über dem
Schwarzmeerraum. Angesichts solch immensen Druckes (beginnendes Absinken,
zunehmende Abtrocknungsprozesse) fällt es der Tiefdruckrinne nebst Kaltfront
zusehends schwer, sich zu behaupten. Was bleibt, ist ein von Nordwest nach
Südost ausgerichteter Korridor, in dem sich es noch zu schauerartigen
Regenfällen und einzelnen Gewittern kommt. Ob diese dann noch mal so kräftig
ausfallen wie die Tage zuvor, ist fraglich.

Am Freitag und wohl auch am darauffolgenden Wochenende verstärkt sich der
Hochdruckeinfluss. So kommt die Bodenhochdruckbrücke von Norden her immer näher,
während sich gleichzeitig der o.e. Rücken von Südeuropa her kräftigt. Die
Luftmasse trocknet weiter ab, was einzelne Schauer oder ein Gewitter
insbesondere am Freitag und insbesondere über dem Bergland nicht ausschließt.
Mit 850-hPa-Temperaturen zwischen 13°C im NO und 19°C im SW (Samstag 12 UTC)
bleibt das thermische Niveau äußerst hoch und voll auf Spätsommer gepolt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des IFS-Modells vom ECMF kann heute als robust bezeichnet werden.
Heißt im Klartext, die gestrige Prognose behält im Großen und Ganzen ihre
Gültigkeit. Demnach rutschen wir im Laufe der nächsten Woche von einem anfangs
sommerlich unbeständigen, mit teils kräftigen Gewittern gespickten
Wetterabschnitt in eine weitgehend störungsfreie und sehr warme bis heiße
Spätsommerphase. Dass die Details dieses Übergangs noch nicht in Stein gemeißelt
sind, ist keine wirkliche Überraschung, schließlich gehtŽs hier um eine
mittelfristige Wettervorhersage. Grob kann aber davon ausgegangen werden, dass
Dienstag/Mittwoch noch recht verbreitet Regenfälle und Gewitter auf der Agenda
stehen. Donnerstag stellt dann eine Art Übergangstag dar, bevor sich nachfolgend
weitgehend trockene Bedingungen einstellen. Wie lange, wird man sehen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Großen und Ganzen verfolgen die „Big Five“ – gemeint sind die Globalmodelle
IFS, ICON, GFS, GEM und UK10 – eine ähnliche Strategie. Allerdings lassen sich
schon ein paar Unterschiede extrahieren, die es lohnt, an dieser Stelle zu
erwähnen. Los gehtŽs am Mittwoch mit UK10, mit dem – man muss es so krass sagen

  • offensichtlich die Gäule ein wenig durchgehen. Oder anders, hoffen wir mal,
    dass das Modell Unrecht hat, denn sonst hieße es „GutŽ Nacht
    Nordwestdeutschland“. Von der Nordsee über Niedersachen bis nach Ostwestfalen
    simuliert UK10 (bei ansonsten durchaus ähnlichen Basisfeldern) schwerste
    Gewitter und sintflutartige Regenfälle, die gebietsweise rund 100 l/m² in
    wenigen Stunden und bis zu 170 l/m² in 24 Stunden bringen sollen – hoffentlich
    nicht, kann man da nur sagen. Man gut, dass UK10 gerne mal solche
    Extremereignisse auf dem Markt schmeißt, die sich hinterher aber als weit
    überzogen darstellen.
    Den zweiten „Klopfer“ hat das hauseigene ICON auf der Karte. Danach soll sich
    von Donnerstag auf Freitag ein fettes Höhentief (das korrelierende Bodentief
    fällt weniger imposant aus) von Norwegen bis zur Südspitze Schwedens
    vorarbeiten. Die zugehörige Kaltfront überquert am Freitag weite Teile Nord- und
    Ostdeutschlands und bringt statt einem warmen Spätsommer frühherbstlichen und
    kühlen Regen (T850 um 5°C). Nun gut, ein echter, aber interessanter Außenseiter.

Kurzum, rein deterministisch betrachtet ist der Übergang von zyklonal zu
antizyklonal bei Weitem noch nicht final ausgeschmückt. Und ein paar Exoten sind
ebenfalls möglich, wenn auch nicht überbordend wahrscheinlich.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen von IFS-EPS verschiedener deutscher Städte zeigen einen sehr
ähnlichen Verlauf: zunächst eine bis Dienstag andauernde starke Bündelung der
Ensemblemitglieder, danach beginnend eine nach hinten raus zunehmende Spreizung.
Aber, das Gros der Member verbleibt sowohl bei der Temperatur 850 hPa als auch
beim Geopotenzial 500 hPa sehr lange auf einem relativ hohen Niveau, auf dem
sich auch der HRES (also der Hauptlauf) wiederfindet. Erst ganz zum Schluss ist
ein flacher Abwärtstrend erkennbar. Ein Teil der Lösungen hingegen tendiert
schon vorher mal mehr, mal weniger nach unten, was durchaus als Futter für die
o.e. ICON-Variante angesehen werden kann. Untermalt wird das Ganze von einem
gemäßigten Rauschen der Niederschlagssignale, die gegenüber den trockenen
Szenarien aber in der Unterzahl sind.
Angesichts solcher Kurvenverläufe erhebt sich die spannende Frage, wie wohl die
Cluster ausfallen. Nun, für den ersten Zeitraum T+72…96h (Dienstag/Mittwoch) wie
üblich, möchte man antworten: viele Schubladen (derer fünf), gleicher Inhalt
(für unseren Raum fast idente Muster). Von Donnerstag bis Samstag (T+120…168h)
erhöht sich die Anzahl der Cluster auf sechs, alle übrigens im Strömungsregime
„Blockierung“ verortet, was aber nicht überraschend kommt. Die ICON-Variante mit
dem Höhentief Norwegen/Schweden/Ostsee findet sich trotz einiger
Austrogungstendenzen über dem Nordmeer zwar nicht wieder. Dafür zeigen CL 3 und
4 (9 und 7 Fälle) ein recht progressives Cut-Off-Tief, das von der Biskaya
kommend französisches Festland „betritt“ und vorderseitig die Tiefdruckrinne
reaktiviert. Das färbt auch auf unseren Raum ab, was dann auch die nach unten
abdriftenden Lösungen in den Rauchfahnen erklärt.
Für die erweiterte Mittelfrist ab Sonntag (T+192…240h) werden noch fünf Cluster
feilgeboten, die recht heterogen ausfallen. CL 3 und 4 (insgesamt 15 Fälle)
wechseln von „Blockierung“ zu „NAO negativ“, CL 1 (19 Fälle) in „Atlantischer
Rücken“. Damit ist noch völlig unklar, wie es am Ende weitergeht: Fortdauer des
sehr warmen Spätsommers oder doch zyklonaler und kühler. WeŽll see…

FAZIT:
Die Geschichte des IFS-HRES findet gerade in der Statistik ausreichend
Unterstützung. Von daher wird am Konzept „anfangs unbeständig mit Gewittern und
Starkregen, dann zunehmend antizyklonal und trocken auf hohem Temperaturniveau“
festgehalten. Wohl wissend, dass ein paar Überraschungsvariablen im großen
Gleichungssystem unterwegs sind, die uns nach hinten raus (also dem
antizyklonalen Teil) unflätig in die Suppe spucken könnten. Sei es ein Höhentief
von Norden (eher weniger wahrscheinlich), sei es das Cut-Off-Tief von Westen
(etwas wahrscheinlicher).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Vor allem für Dienstag und Mittwoch lassen sich rein aus den synoptischen
Basisfeldern sowie den Niederschlagsprognosen hohe Wahrscheinlichkeiten für
kräftige Gewitter und Starkregenfälle ableiten. Dabei ist vor allem die
Westhälfte betroffen, zu der sich am Mittwoch auch noch der Süden gesellt. Der
EFI CAPE sowie CAPE/SHEAR hat gegenüber gestern zwar etwas angezogen, gleichwohl
ist weiterhin davon auszugehen, dass zum wiederholten Male in diesem Sommer
primär „Wasserbomben“ im Blickpunkt des Geschehens stehen. Starkregen z.T. bis
in den Unwetterbereich ist das Maß der Dinge, Hagel und Sturm müssen sich
hintenanstellen (was sie aber nicht ausschließt). Details sind ohnehin erst
relativ kurzfristig zu erwarten, was freilich auch auf das Timing sowie die
räumliche Verteilung der signifikanten Wettererscheinungen zutrifft.

Im Osten, wo sich die wärmste bzw. heißeste Luft befindet, wird wiederholt die
30°C-Marke überschritten. Da die Luft aber recht trocken ist, könnte sich die
Wärmebelastung in Grenzen halten. Ob Hitzewarnungen ausgegeben werden, wird
nicht zuletzt davon abhängen, wie sich die nächtliche Abkühlungsrate gestaltet.
Drückender wird es eher weiter westlich, wo zwar die Temperatur niedriger, dafür
der Feuchtegehalt umso höher ausfällt (=> Schwüle).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit anfangs MOS-Mix, nach hinten raus eher MOS-IFS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann