#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag den 12.08.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 121800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 12.08.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Bullig-heißer Dienstag mit zunehmender Gewittergefahr.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Aktuell … läuft der deutsche Hochsommer auf Hochtouren, obwohl es heute
vielerorts gar nicht richtig heiß wurde. So blieb die Temperatur im Norden sowie
in weiten Teilen Ostdeutschlands in noch immer gemäßigter Luftmasse (xPs) unter
30°C, was sich am morgigen Dienstag aber ändern wird. Die Toppwerte wurden im
Südwesten beobachtet, wo es an einigen Orten knapp über die 35°C-Marke ging (Bad
Neuenahr, Ahrweiler 35,7°C knapp vor Ohlsbach am Oberrhein mit 35,6°C). Meist
schien im ganzen Land die Sonne, im Süden und Südwesten stiegen aber auch schon
die ersten konvektiven Hitzeraketen in den Himmel. Grund dafür war und ist die
zunehmende Labilisierung und Anfeuchtung der inzwischen tropisch anmutenden
Heißluft (die BWK vergibt xT), aus der heraus es mit thermisch-orografischer
Hilfe (Auslösetemperatur + Bergland) zu einzelnen Überentwicklungen kam.
Von synoptisch-skaliger Seite sind derzeit noch keine nennenswerten Impulse zu
erwarten, auch wenn der derzeit wetterbestimmende Höhenrücken gerade dabei ist,
den Vorhersageraum ostwärts zu passieren. Im Schneckentempo wohlbemerkt, was uns
nur sehr zögerlich auf die Vorderseite des über dem nahen Atlantik
bereitstehenden Potenzialtroges bringt. Was für die Höhe gilt, trifft auch auf
die Verhältnisse in Bodennähe zu. Heißt, auch dort ist die Progression der
Muster alles andere als flott. Immerhin hat sich die umfangreiche, vom Balkan
bis hoch zum Europäischen Nordmeer verlaufende Hochdruckzone mittlerweile so
weit nach Osten geschoben, dass der Wind zwischen ihr und einer von
Frankreich/Benelux übergreifenden Rinne (QUINTESSA) zumindest theoretisch auf
östliche Richtungen gedreht hat. Praktisch sieht´s ein wenig anders aus, weil
der Druckgradient derart flau ist, dass mit Ausnahme Nordwestdeutschlands kaum
Luftbewegung in Gang kommt.
In den nächsten Stunden wird die wenige Konvektion im Süden, deren Schwerpunkt
eindeutig auf österreichischer Seite zu finden ist, tagesgangbedingt in die Knie
gehen. Allerdings gilt das nicht für die ganze Nacht. Für die zweite Nachthälfte
liegen mehrere, wenn auch leicht diffuse (weil nicht deckungsgleiche) Signale
seitens der Numerik vor, die am Alpenrand, im südöstlichen Bayern und/oder im
südlichen BaWü (Importware aus der Schweiz) schauerartige, teils gewittrige
Regenfälle anbieten. Auslöser könnten kurzwellige Troganteile sein, die aus den
Alpen heraus in den Rücken hineinlaufen (im Süden kommt der Rücken etwas
schneller nach Osten voran als im Norden). Die Gewitter dürften maximal markant
ausfallen (Starkregen).
Weit mehr Beachtung als die wenigen Gewitter verdient die Temperaturentwicklung,
die kommende Nacht sehr unterschiedlich verläuft. Während es im Nordosten in der
gemäßigten (und auch noch trockenen) Luftmasse gebietsweise auf unter 15°C, aber
wohl nur vereinzelt unter 10°C abkühlt, stehen in den west- und südwestdeutschen
Ballungszentren 24 bis 20°C als Tiefstwert auf der Karte (Tropennacht).
Vielleicht sollte der eine oder die andere ein paar Baldriantropfen zu sich
nehmen, um den Schlaf zu fördern. Die hohe Minimumtemperatur ist diesbezüglich
eher nicht förderlich.
Dienstag … verlagert sich der Rücken langsam weiter gen Osten. Dass wir
dadurch aber unmittelbar auf die Vorderseite des o.e. Höhentrogs gelangen, wäre
gelogen. Zum einen tut sich der Trog mit seiner Progression äußerst schwer, weil
er es offensichtlich bevorzugt, in naher Zukunft nach Süden hin abzutropfen. Zum
anderen ist die Höhenströmung derart flau, dass man die Isohypsen über dem
Vorhersageraum fast schon mit der Lupe suchen muss. Man erkennt also recht
schnell, dass Dynamik bei der aktuellen Wetterlage nach wie vor ein Fremdwort
ist. Immerhin schafft es die Bodenrinne, im Tagesverlauf den äußersten Westen
und Nordwesten zu entern, wodurch sich der Hochdruckeinfluss weiter abschwächt.
Schlussendlich führt das Ganze dazu, dass sich die potenziell instabile und
feuchte Warm- respektive Heißluft weiter im Land ausbreitet. Einzig der
Nordosten bleibt davon (vor allem vom latenten Wärmeanteil) noch verschont, weil
mit dem schwachen bis mäßigen, aus dem Hoch ausfließenden Ost-Südostwind nach
wie vor trockene Luft eingesteuert wird. T850 liegt am Nachmittag
deutschlandweit zwischen 18 und 21°C, was ziemlich barotrop ist und aufzeigt,
dass die derzeit noch über Benelux und Frankreich lagernde Kaltfront (die
übrigens den westlichen Abschluss der Rinne markiert) zunächst noch kein Thema
für uns ist.
Trotzdem, vor allem der hohe Wasserdampfanteil (PPW verbreitet über 30 mm,
gebietsweise über 40 mm; spez. Grundschichtfeuchte teils um oder über 15 g/kg)
sowie das weiterhin hohe Angebot an solarer Direktstrahlung sorgen für den
Aufbau für konvektive Prozesse zur Verfügung stehender potenzieller Energie,
kurz CAPE, das sich insbesondere in der Westhälfte im vierstelligen Bereich
zwischen 1000 und 3000 J/kg, teils sogar darüber bewegt. Mit dem Abwandern des
Rückens ist das CAPE weniger gedeckelt als heute, weshalb morgen auch mehr
konvektive Umlagerungen erwartet werden. Bei nach wie vor geringer bzw. so gut
wie nicht vorhandener Scherung sowie fehlender Dynamik fällt es der Numerik
naturgemäß schwer, überlappende und in sich konsistente Schwerpunkte zu
prognostizieren. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Gewitter im
Tagesverlauf im Süden und Westen sowie in der Mitte als Einzelzellen nach oben
schießen, wobei das Bergland als Haupttrigger favorisiert ist. Mangels Strömung
ziehen die Gewitter kaum, außerdem verclustern sie teilweise zu Multizellen.
Will sagen, Starkregen steht einmal mehr ganz weit oben auf der Liste
begleitender Parameter, was offensichtlich (und nachvollziehbar) auch von
ICON-D2-EPS so gesehen wird. Räumlich eng begrenzt liegen sogar erhöhte
Wahrscheinlichkeiten für extremes Unwetter von mehr als 40 l/m² innert kurzer
Zeit oder 60 l/m² binnen weniger Stunden vor. Ganz vergessen sollten wir die
Elemente Hagel und Sturm aber nicht. Auch wenn es an Scherung mangelt, ist
gerade im Anfangsstadium durchaus mal etwas größerer Hagel von 2-3 cm möglich.
Auch Hagelansammlungen wären keine Sensation. Beim Wind könnte die inverse
V-Struktur in der unteren Troposphäre Garant für den einen oder anderen
Downburst der Stärke 9-10 Bft sein, was sogar von den EPSen angezeigt wird.
Kurzum, für die warnende Belegschaft einmal mehr ein unangenehmer Tag mit viel
Monitoring und Nowcasting.
Bliebe zum Schluss noch die Temperatur, die morgen verbreitet auf 30 bis 35, im
Südwesten lokal 36 oder gar 37°C ansteigt. Bei gleichzeitig hohen Taupunkten
kommt das ganze Setup ziemlich schwül rüber mit einer starken, teils sogar
extremen Wärmebelastung (man bedenke, dass viele nicht gerade erholt aus der
Nacht kommen, was nicht nur, aber häufig meteorologische Gründe hat). Etwas
unter 30°C können lediglich an den meisten Küstenabschnitten sowie in Teilen
Vorpommerns genossen werden.
In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der Trog nach Süden aus, was auf Kosten
seiner Verlagerung geht. Weiterhin bleibt die Höhenströmung extrem flau. Das
sieht am Boden nicht anders aus, wo die Rinne geringfügig nach Osten vorankommt.
Die nachfolgende Kaltfront schlägt 1-2 Wellen und erreicht uns somit nicht.
Immerhin dreht der Wind im äußersten Westen und Nordwesten auf Nord, was aber
noch kein Garant für Stabilisierung ist. So kommt es dort nach einer
vorübergehenden Pause im Laufe der zweiten Nachthälfte zu neuen schauerartigen,
teils gewittrigen Regenfällen.
Im großen Rest des Landes trudelt die Tageskonvektion mehr oder weniger aus, was
im Falle größerer Verclusterungen durchaus dauern kann. Die Gewitterneigung
nimmt zwar ab (wenn auch nicht auf null), dafür besteht die Gefahr von
ungewittrigem Starkregen. ICON-D2-EPS favorisiert hier die Mitte und den
Südosten, natürlich räumlich eng begrenzt.
Die Temperatur geht auf 22 bis 15°C zurück.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Mittwoch … siehe Frühübersicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Wie fast immer bei strukturarmen Gewitterlagen fällt es schwer, schon im Vorfeld
detaillierte Prognosen abzugeben. Die räumliche Eingrenzung kann ebenso
einigermaßen angegeben werden wie die zu erwartende Intensität, der Rest muss in
situ erledigt werden. Eine Vorabinfo drängt sich für Dienstag nicht auf, könnte
aber am Mittwoch ein Thema werden. Warten wir´s ab.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann