#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 26.07.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.07.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Erst eine, dann noch eine Welle, danach wieder Hochdruck – zwei Nächte mit teils
gewittrigem Starkregen, dazwischen am Samstag im Süden isolierte Starkgewitter
möglich.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland in der südöstlichen Peripherie des
hochreichenden Tiefs JEANNE dŽARC (Achtung Insider), besser und offiziell unter
dem Namen JOHANNA bekannt. Mit etwas über 990 hPa im Herzen hat JOHANNA dicht
bei Island eingecheckt, wobei man bei genauerem Hinsehen sogar zwei Kerne
erkennt. Wichtiger als die Anzahl der Kerne ist die Tatsache, dass sich südlich
des Tiefs ein relativ flacher, dafür sehr breiter Potenzialtrog über den nahen
Ostatlantik inkl. UK/Irland gelegt hat. Der Vorhersageraum befindet sich genau
auf der Vorderseite des Troges unter einer leicht diffluenten, zunächst aber
noch recht glatt konturierten südwestlichen Höhenströmung.
Wenig bis gar keine Strömung lässt sich in den bodennahen Luftschichten
ausmachen, was an der vergleichsweise strukturlosen Verteilung der Isobaren
respektive an deren großen Abständen liegt. Vom gestern noch aktiven Hoch GUSTAV
ist nur noch ein rudimentärer Rest im Alpenraum zu erkennen, ansonsten herrscht
isobarische Flaute. Das erklärt auch, warum die Kaltfront von Tief JOHANNA, die
sich heute Mittag ganz klammheimlich ohne großes Tamtam (immerhin gab es an der
Nordsee Žne Winddrehung von Südwest auf West-Nordwest) von der Deutschen Bucht
und den Niederlanden in den äußersten Nordwesten gemogelt hat, nur sehr
zögerlich südostwärts vorankommt. Ein Paar oder auch mehr Kilometer wird sie
noch zurücklegen, so dass sie in der Nacht – südwest-nordost-exponiert –
irgendwo in der Mitte zu liegen kommt. Dort trennt sie postfrontal in den
Nordwesten einfließende subpolare Meeresluft (mPs; T850 10 bis 6°C) von leicht
gealterter Subtropikluft im Süden (xS; T850 15 bis 19°C).
6°C am unteren, 19°C am oberen Ende der Temperaturskala markieren einen mehr als
veritablen thermischen Gradienten, der – so sollte es sein – seine maximale
Baroklinität im Frontbereich aufweist. Tagsüber war davon noch nicht viel zu
sehen. Doch nun unternimmt die untere Atmosphäre spürbare Bestrebungen, die
Temperaturgegensätze frontogenetisch zu verschärfen. Schaut man sich die
Höhenwinde z.B. auf 850 hPa etwas genauer an, lässt sich südlich der Front eine
klare Südwestkomponente erkennen, während nord-nordwestlich davon eher die
Westkomponente dominiert. Unter dem Strich ergibt das ein leicht konfluentes
Strömungsmuster (anders als in der mittleren und oberen Troposphäre), welches
eine Drängung der Isothermen zur Folge hat.
Zusätzlich zu den frontogenetischen Unternehmungen ergibt es sich, dass mit der
südwestlichen Höhenströmung ein flacher Sekundärtrog „angeschwemmt“ wird, der
harmonisch mit der Front interagiert. Heißt im Klartext, es wird eine Welle
generiert, die noch in der ersten Nachthälfte von Nordostfrankreich und Belgien
zu uns reinkommt, um im Verlauf über die Mitte nordostwärts zu schwenken. Dabei
leistet die Welle einen eheblichen Hebungsimpuls, der wiederum auf eine
dankbare, weil vertikal sehr gut durchgefeuchtete Luftmasse trifft (PPW schon in
den Mittagssoundings von 12 UTC über 30 mm, Tendenz noch leicht steigend).
Kurzum, in einem von RP/Saarland bzw. dem südlichen NRW über die nördliche Mitte
bis hinüber zur Oder reichenden Korridor kommt es von Südwest nach Nordost zu
teils kräftigen Regenfällen mit erhöhtem Starkregenpotenzial innerhalb weniger
Stunden. Aufsummiert über 12 Stunden liegen die Mengen zwischen 10 und 25,
strichweise bis 40 und lokal (je nach Modell) sogar bei 50 l/m², wobei der
eigentliche Aktivzeitraum kürzer ausfällt. Der am Nachmittag ausgegebene
Warnstreifen „Starkregen“ stellt einen Kompromiss aus den zahlreich vorhandenen
numerischen Prognosen dar.
So feucht die Luft auch sein mag, so wenig labil ist sie. Das erklärt, warum nur
wenig MU-CAPE vorhanden ist und potenzielle Gewitter die Ausnahme denn die Regel
darstellen. Auch die gerne mal ungestüm in die Offensive gehende Numerik hält
sich mit der Vorhersage von Gewittern sehr zurück. Trotzdem, ganz ausgeschlossen
sind einzelne elektrische Entladungen natürlich nicht, sei es dem Regengebiet
vor- oder eingelagert, sei es an seinem süd-südöstlichen Rand. Wenn, dann ist
Starkregen das Maß der Dinge begleitender Parameter,
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass der Süden (weite Teile Bayerns
und BaWüs) sowie Teile Nord- und Nordwestdeutschlands (Münsterland/westliches
NDS bis hinüber nach Mecklenburg) vom Geschehen rund um Front und Welle
verschont bleiben, was einzelne Schauer an der Nordsee nicht ausschließt. Die
Temperatur geht landesweit auf Werte zwischen 11°C an einigen Standorten des
nordwestdeutschen Binnenlands bis zu 19°C im Südwesten zurück.
Samstag … zieht die gute JOHANNA unter Gewichtszunahme dicht an Jan Mayen
vorbei nord-nordwestwärts. Was bleibt, sind ein paar unscheinbare und träge
Teil- respektive Randtiefs über Skandinavien sowie – weit wichtiger für unseren
Raum – die wellende Kaltfront. Diese verändert nur wenig ihre Position, fährt
ihre Wetterwirksamkeit tagsüber aber deutlich zurück, vorübergehend zumindest.
Mit der Welle bzw. dem zugehörigen Sekundärtrog ziehen die Regenfälle am Morgen
und am Vormittag über die östliche Mitte und den Osten gen Polen ab. Nicht
ausgeschlossen, dass anfangs im Berliner Raum sowie im erweiterten
deutsch-polnischen Grenzbereich lokal noch Starkregen auftritt, bevor die ganze
Schose bis spätestens Mittag abgezogen sein sollte.
Es folgt eine wohlverdiente, wenn auch nicht allzu ausgedehnte Pause, bei der im
Frontbereich wenig bis nichts passiert: zwar noch viel Gewölk, aber nur hier und
da ein paar Tropfen oder ein Schauer. Bereits im Laufe des Nachmittags ändert
sich die Situation schon wieder, wenn von Frankreich her die nächste Welle auf
Westdeutschland zurollt. Wobei der Begriff „rollen“ an dieser Stelle oversized
scheint, weil das Ganze alles andere als dynamisch verläuft. Immerhin hat die
Welle einen Namen erhalten (KIRSTI), was angesichts ihrer Wirkung auch nicht
unberechtigt ist. So fängt es von Belgien und Nordostfrankreich kurz nach Mittag
erneut schauerartig an zu regnen, einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen. Im
weiteren Verlauf breitet sich der Regen unter Intensivierung Richtung Mitte aus,
wobei die Starkregengefahr zumindest lokal wieder zunimmt.
Und was läuft in puncto Gewitter? Gute Frage, nächste Frage. Fakt ist, dass sich
die Luftmasseneigenschaften im erweiterten Frontbereich, der im Wesentlichen dem
o.e. Korridor entspricht, nicht nennenswert ändern. Feucht ja, instabil eher
nein => nur wenig CAPE. Heißt, die Gewitterwahrscheinlichkeit bleibt vom Westen
über die Mitte bis in den Osten gering. Trotzdem können einzelne
Überentwicklungen nicht ausgeschlossen werden, wobei Starkregen bei Warnungen
das Kriterium für „markant“ gibt. Die sensibelste Region für kräftige Gewitter
scheint allerdings am warmen Rand des Regens sowie etwas südlich davon gegeben
zu sein. Neben einer möglichen Querzirkulation, die sich einstellt, sind auch
die energetischen Voraussetzungen besser als weiter nördlich. So kann durch
zeitweilige Einstrahlung zumindest etwas mehr CAPE generiert werden. Hinzu
kommen höhere Temperaturen und eine sehr solide Scherung. Kurzum, die
Möglichkeit zwar nur isolierter, dann aber durchaus kräftiger Gewitter mit
superzellulären Tendenzen (SuperHD, weniger I-D2) ist realistisch gegeben. Neben
Starkregen sind auch größere Hagel (2-3 cm) sowie (schwere) Sturmböen 9-10 Bft
(trockene Grundschicht) möglich und es sollte uns nicht wundern, wenn irgendwo
trotz aktueller Fußballarmut (zumindest die deutschen Ligen 1-3 pausieren noch)
die Rote Karte gezogen werden muss. Unsicher ist, ob auch am Alpenrand konvektiv
was geht. Andeutungen seitens der Modelle sind gegeben, allerdings ist Luftmasse
trockener als weiter nördlich. HKNs von 2500 bis nahe 3000 m sind schon eine
fette Hausnummer, an der sich auch so mancher Berg – sonst gerne als Impulsgeber
für konvektive Umlagerungen am Start – die Zähne ausbeißen könnte. Gut möglich,
dass sich die Ballerei nur inneralpin abspielt.
Nicht nur der Chronistenpflicht halber sei abschließend noch erwähnt, dass der
äußerste Norden und Nordwesten gänzlich über den Dingen stehen und sich leicht
antizyklonaler Genüsse erfreuen dürfen. So können morgen sämtliche von Borkum
über Wangerooge bis nach Sylt bzw. von Fehmarn bis nach Rügen stattfindenden
Volleyballturniere bei besten Bedingungen (wenig Wind, nicht heiß, Sonne und
Wolken) über die Bühne gehen. Auch sonst werden gegen Outdoor-Veranstaltungen
jedweder Art aus meteorologischer Sicht keine Einwände erhoben, selbst wenn ein
vereinzelter kleiner und kurzer Schauer nicht gänzlich ins Reich der Fabel
verbannt werden kann.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von rund 20°C oder etwas mehr an den Küsten
sowie der vorgelagerten Insel bis zu 32°C im sonnenscheinreichen Oberbayern.
In der Nacht zum Sonntag kehrt noch keine Ruhe ein. Im Gegenteil, vom ehemals
breiten Trog über dem nahen Atlantik ist zwar nur noch ein kurzwelliger Randtrog
übriggeblieben, der aber sehr progressiv und zudem scharf geschnitten ist. Er
überquert die Nordhälfte bis zum Morgen von West nach Ost und treibt dabei die
Welle (KIRSTI) vor sich her. Zwar wird sein ausgeprägtes PVA-Maximum durch KLA
teilkompensiert, trotzdem kommt es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit der
Welle sowie der wellenden Kaltfront, die sich in einer abermaligen
Starkregennacht widerspiegelt. Dieses Mal ist der betroffene Streifen breiter
als in der Nacht zuvor und bei aller noch gegebenen Unsicherheit sieht es so
aus, dass die Schwerpunkte etwas weiter nord-nordöstlich liegen. Außerdem ist
die Unwettergefahr etwas größer. Weitere Details dazu in der morgigen
Frühübersicht. Erwähnt werden soll nur noch, dass nach wie vor eingelagerte
Gewitter möglich sind ebenso wie am südlichen Rand des Regengebiets.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag … zieht die Kaltfront zügig südostwärts ab. Nachfolgend gelangt eine
Portion gemäßigter, aber keinesfalls kühler Atlantikluft zu uns (T850 6 bis
12°C), die rasch unter Hochdruckeinfluss gelangt (HALIL). Anfangs kommt es im
Osten und Süden noch zu Regenfällen, die sich mehr und mehr an und in die Alpen
zurückziehen. Details und zusätzliche Informationen können wie gewohnt der
heutigen Frühübersicht entnommen werden. Oder ihr wartet auf morgen…
Modellvergleich und -einschätzung
Die synoptischen Abläufe werden modellübergreifend sehr ähnlich simuliert. Bei
den Niederschlagsmengen sowie dem Potenzial für Gewitter gibt es die üblichen
Meinungsverschiedenheiten. Die Starkregenwarnung für die kommende Nacht sind das
Produkt einer gefestigten numerischen Schnittmenge, wohlwissend, dass manche
Orte weniger als die avisierten 20 bis 35 l/m² abbekommen werden, andere
hingegen etwas mehr. Eine prophylaktische Unwetterwarnung würde aber über das
Ziel hinausschießen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann