SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
HEIKE und Rinne bzw. Kaltfront vs. FREDERIK und Hitze – Sonntag Übergangstag mit
reichlich konvektivem Tamtam. Zur neuen Woche nicht mehr so warm/heiß (aber
keinesfalls kühl).

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … fällt der Luftdruck über Deutschland, was nicht nur thermische
Gründe hat. Trotzdem zunächst eine Bemerkung zur Temperatur, die das allmählich
scheidende Hoch FREDERIK heute verbreitet auf Werte um oder sogar über 30°C
ansteigen lassen hat (Spitzenreiter Waghäusel-Kirrlach (BaWü) mit 33,9°C).
Selbst auf den nicht unbedingt für tropische Hitze bekannten Ost- und
Nordfriesischen Inseln ging´s hoch in die oberen Zwanziger. Doch zurück zum
Druckfall, der im Wesentlichen der langsamen Annäherung eines relativ schmalen,
dafür recht üppig in die Länge gezogenen Höhentrogs geschuldet ist. Er nähert
sich in Zeitlupe von Westeuropa respektive vom nahen Atlantik dem europäischen
Kontinent. Dass sowie die Tatsache, dass der Trog eine ausgeprägte Amplitude
aufweist, lässt den Schluss zu, dass er in nicht allzu weiter Zukunft beginnt
abzutropfen. Und tatsächlich spricht Vieles dafür, dass genau dies bereits in
der kommenden Nacht irgendwo über West-/bzw. Südfrankreich passiert. Von
Bedeutung ist das insofern, als dass damit die Progression des Troges weiterhin
gehemmt wird und zudem die Haupthebungsimpulse in Richtung Südostfrankreich
abdriften.

Trotzdem wird der aktuell noch über dem Vorhersageraum thronende Höhenrücken
mehr und mehr zusammengestaucht bzw. abgebaut und das korrespondierende
Bodenhoch langsam gen Osten abgeschoben. Den dadurch freiwerdenden Raum nimmt
eine Rinne ein, die sich ausgehend vom mehrkernigen Tiefdrucksystem HEIKE
(zwischen Island und UK) bis zum westlichen Mitteleuropa vorarbeitet. Mit
Ausweitung der Rinne kommt es im Westen zu einer allmählichen Anfeuchtung der
subtropischen Luftmasse (xS; T850 14 bis 18, im Südwesten bis zu 20°C). So
steigt der Taupunkt zumindest lokal auf und 20°C und auch das PPW geht hoch auf
30 bis 35 mm, vereinzelt noch mehr. Da die Luft zudem leidlich labil geschichtet
ist, ist der Nährboden für nächtliche Schauer und Gewitter bereitet, auch wenn
es sich dabei meist um Importware aus dem benachbarten Frankreich/Benelux
handelt. Dort deutet sich die Passage eines organisierten Multizellencluster an,
dessen Auswüchse auch deutsches Territorium tangieren. Zwar ist die
Unwettergefahr relativ gering, für lokalen Starkregen um 20 l/m² dürfte es aber
allemal reichen. Je nach Organisationsgrad sind vereinzelt auch Böen 7-8 Bft
sowie kleinkörniger Hagel (MU-CAPE kleinräumig durchaus um 500 J/kg) nicht
ausgeschlossen.

Während die Gewitterneigung im Westen im Laufe der Nacht also eher zunimmt, geht
sie im Süden vorübergehend zurück. Dort sorgte etwa ab dem späten Mittag bis in
die östliche Mitte ausgreifend pulsierende Konvektion für die Produktion
unorganisierter Popcorn-Gewitter am laufenden Band. Einige dieser hatten es
durchaus in sich, insbesondere durch Starkregen. Jetzt bald zeichnet sich aber
erstmal eine längere Pause ab, bevor es am morgigen Sonntag dann wieder
ordentlich zur Sache geht.

Bliebe abschließend nur noch der Blick auf die nächtliche Temperaturentwicklung,
die gerade nach Westen hin schon erfreulichere Zeiten erlebt hat. Oder anders
ausgedrückt, die Abkühlungsrate (und damit auch die Freude am Lüften) hält sich
in Grenzen angesichts apostrophierter Tiefstwerte um 20°C. Während in der
Westhälfte also die ein oder andere Tropennacht auf der Karte steht, werden nach
Osten hin 19 bis 13°C als Tiefstwert erwartet.

Sonntag … wird der Cut-Off vollendet, das resultierende Höhentief verlagert
sich via Südfrankreich gen Ligurisches Meer. Unser Blick allerdings richtet sich
mehr auf das nördliche Trogresiduum, das langsam unter Konturverlust über die
Nordsee, Benelux und Nordfrankreich auf den Vorhersageraum zusteuert.
Vorderseitig gelangen wir unter eine leicht flatternde südwestliche
Höhnströmung, die zumindest ein Mindestmaß an dynamischen Hebungsimpulsen in
Form kleinerer PVA-Maxima zur Verfügung stellt. Mindestens genau so wichtig
scheint aber die Tatsache, dass sich die Tiefdruckrinne im Laufe des Tages
langsam ost-nordostwärts verschiebt. Dabei kann sich innerhalb der Rinne nicht
nur eine wunderschön ausgeprägte Windkonvergenz ausbilden (Südost vs. West), die
um 12 UTC etwa von der Elbmündung bis in Vogtland reicht (+/-). Mit Hilfe
direkter solarer Strahlung sowie weiterer Anfeuchtung der Luftmasse (PPW teils
über 40 mm) werden verbreitet 500 bis 1000, im Bereich der Rinne sowie im Süden
gebietsweise auch zwischen 1000 und 2000 J/kg MU-CAPE generiert, die nur darauf
warten, in konvektive Umlagerungen transformiert zu werden.

Bevor wir darauf kommen, seien allerdings noch zwei Dinge erwähnt, die für den
morgigen Werdegang von Bedeutung sind. Da wären zum einen der Nordosten sowie
der äußerste Osten zu nennen, wo vorderseitig der Rinne noch längere Zeit
Südostwind weht, der relativ trockene Luft advehiert. Entsprechend wird die
energetische Aufbereitung der Warmluft limitiert, weil der latente, sich aus der
Wasserdampfzufuhr rekrutierende Anteil (Stichwort „Entrainment“) komplett oder
deutlich schwächer ausfällt als weiter westlich. Zum anderen wären die Regionen
rückseitig der Rinne zu erwähnen, wo zwar der auf westliche Richtungen drehende
Wind eine gewisse Stabilisierung bewirkt, der Wasserdampfgehalt aber hoch
bleibt. Folgerichtig steht auch noch ein gewisses Quantum CAPE zur Verfügung,
das trotz reduzierter Einstrahlung in einige Überentwicklungen umgesetzt werden
kann. Der „richtige“ Luftmassenwechsel hin zu mPs (Meeresluft subpolaren
Ursprungs) erfolgt dann erst mit Durchgang der Kaltfront ab der Nacht zum
Montag.

Kommen wir zum morgigen Fahrplan, der logischerweise noch mit einigen Unschärfen
(Timing, räumliche Verteilung, Intensität der wetteraktiven Zonen) versehen ist

  • warum sollte es beim Wetter anders sein als bei der Deutschen Bahn. Gleichwohl
    könnte es etwa wie folgt ablaufen: Zunächst mal kommt es in den westlichen
    Landesteilen aus der Nacht heraus zu Schauern respektive schauerartigen
    Regenfällen und einzelnen Gewittern, die dann aber kurz in die traditionelle
    vormittägliche Depression hineinlaufen. Wegen geringer Deckelung setzt dann
    relativ früh (wahrscheinlich schon am späten Vormittag oder am Mittag) etwas
    weiter östlich im Bereich der Rinne neue Konvektion ein oder die rudimentären
    Reste aus der Nacht werden reaktiviert. Mit zunehmender Tageslänge nehmen
    Frequenz und Intensität der Gewitter bei gleichzeitiger Ausdehnung über die
    Mitte in Richtung Osten zu. Gleichzeitig wird im Süden eine zweite konvektive
    Baustelle eingerichtet, deren Schwerpunkt voraussichtlich im Alpenvorland zu
    finden sein wird. Aufgrund dürftiger Scherung handelt es sich meist um
    unorganisierte, winninghoffsche „Schrottkonvektion“, bei der Einzelzellen zu
    Multizellensystemen zusammenwachsen. Pomadige Verlagerung sowie rückwärtige
    Anbautendenzen hieven Starkregen an die Spitze potenzieller Begleiterscheinungen
    (ocker/rot, extrem (lila) nicht gänzlich ausgeschlossen). Aber auch größere
    Hagelansammlungen wären bei diesen Rahmenbedingungen keine große Überraschung.
    Größerer Hagel um 3 cm hingegen ist nur im Anfangsstadium der Zellen möglich.
    Auch Sturmböen dürften wohl nur im Falle eines Cold-Pools hinter einem
    Multizellencluster auf den Plan treten.

Während der Nordosten sowie der äußerste Osten bis zum Abend noch verschont
bleiben könnten, entwickeln sich rückseitig der Rinne weitere Schauer und
Gewitter mit maximal markantem Stempel. In der Westhälfte wird die Temperatur
mit maximal 24 bis 29°C (Nordsee mit Winddrehung auf Nordwest etwas darunter)
gegenüber heute schon etwas gestutzt. Im Rest des Landes wird dagegen noch mal
ordentlich gekachelt auf Spitzen zwischen 29 und 34°C.

In der Nacht zum Montag greift das inzwischen deutlich abgestumpfte Trogresiduum
auf Deutschland über. Ihm vorgeschaltet ist die o.e. Kaltfront, die sich langsam
aber sicher von Westen zu uns reinschiebt, um sich dort weiter nach Osten
vorzuarbeiten. Rückseitig erfolgt neben Druckanstieg der wirkliche und von
einigen (nicht allen) Zeitgenossen herbeigesehnte Luftmassenwechsel, der
zunächst dem Westen und Nordwesten eine weniger warme, stabilere und vor allem
deutlich abgetrocknete subpolare Meeresluft kredenzt. T850 sinkt bis zum Morgen
auf knapp unter 10°C, das PPW auf unter 20 mm.

An und vor der Front allerdings wird´s eine unruhige Nacht, weil dort die
feuchte und noch immer leidlich labil geschichtete Warmluft (gebietsweise
mehrere hundert Joule pro Kilogramm MU-CAPE) mit Hilfe des Trogresiduums
unabhängig von der Tageszeit für schauerartige Regenfälle und teils kräftige
Gewitter genutzt werden kann. Es besteht weiterhin Starkregengefahr, teils auch
mehrstündig, wobei die Unwettergefahr mit zunehmender Nachtlänge abnimmt.

Wäre zum Schluss lediglich nur noch zu konstatieren, dass der auf West bis
Nordwest drehende Wind mit dem Druckanstieg etwas auflebt, die Schwelle zu
Windstärke 7 Bft wohl aber nur selten reißt. Außerdem kühlt es nach Westen hin
auf 18 bis 14°C ab, während nach Osten hin noch die ein oder andere Tropennacht
zu verbuchen ist.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … schwenkt die Kaltfront ostwärts durch, wobei sie nach Süden hin aber
zurückhängt (=> längere Zeit Regen mit eingelagerten Gewittern). Präfrontal
kommt es zu gewittrigen Regenfällen, die zum Nachmittag ostwärts abziehen.
Dahinter Luftmassenwechsel und Wetterberuhigung. Details können der Synoptischen
Übersicht Früh vom geschätzten Kollegen Jens Winninghoff (dem Erfinder der
„Schrottkonvektion“) entnommen werden.

Modellvergleich und -einschätzung

Der grundlegende Ablauf wird modellübergreifend im Konsens simuliert. Dass das
nicht immer gleichbedeutend mit identen Wetterabläufen ist (insbesondere bei
konvektiv geprägten Wetterlagen), ist nicht neu. Entsprechend wurde im Haupttext
mit vielen Allgemeinplätzen gearbeitet, insbesondere bei der Regionalisierung.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann