SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 12.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Im Osten und Süden bis in die Nacht hinein noch teils schwere Gewitter
(UNWETTER), von Westen Abkühlung und Wetterberuhigung. Am Wochenende vielerorts
schwacher Hochdruckeinfluss, dabei freundlich und angenehm warm.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … kann man die Wettersituation guten Gewissens als überaus komplexe
Gewitterlage bezeichnen. Die explosivste Luftmasse mit Taupunkten nahe 20°C
befindet sich dabei aktuell vor allem noch über weiten Teilen Ost- und
Süddeutschlands, wo zahlreiche, teils gut organisierte Unwetter wüten. Die
stärksten Entwicklungen markierte zum einen eine Linie, die über Leipzig hinweg
auch große Teile Südbrandenburgs überstrichen hat und teilweise über 30 mm
binnen 30 Minuten gebracht hat. Zum anderen entwickelten sich über
Baden-Württemberg isolierte, aber sehr intensive Superzellen mi größerem Hagel
mit teils 3-4 cm Durchmesser. Zudem war auch die Konvektion im Bereich des
Tiefkerns über NRW und dem westlichen Niedersachsen nicht zu verachten mit lokal
exorbitanten Regenmengen von 54 l/qm binnen einer Stunde in Coesfeld (NRW) und
verbreitet mehrstündigem Starkregen mit Mengen um 30 l/qm binnen weniger
Stunden. Noch eine Angabe zum Temperaturniveau gefällig? Während im Ruhrgebiet
inzwischen bei 14°C ab und an etwas Sprühregen fällt, ist es in Südniedersachsen
und Hessen noch sommerlich warm mit bis zu 27°C.

Großskalig betrachtet liegen wir momentan im Einflussbereich eines umfangreichen
Tiefdruckkomplexes, dessen Zentrum in 300 hPa über der Normandie liegt, am Boden
aber mit knapp 1005 hPa um 16 UTC im Raum Bremen und somit entwicklungsgünstig
noch weit achsenverschoben. Um das Höhentief wabern zahlreiche Randtröge, deren
minutiöse Aufdröselung die gesamte Übersicht einnehmen würde. So konzentrieren
wir uns auf die wesentlichen Elemente, die vor allem einen Hauptanteil über
Norddeutschland und dann südostwärts abknickend Richtung Böhmisches Becken sowie
einen weiteren über Ostfrankreich und dem westlichen Alpenbogen ausmachen.

Der erste, nördliche Kurzwellentrog induziert aktuell kräftigen Druckfall über
Nord- und Ostdeutschland, was zur Ausbildung einer Rinne führt, die vom Raum
Bremen zum Erzgebirge gerichtet ist und aus der in der zweiten Nachthälfte über
Polen ein eigenständiges Randtief hervorgeht. Dieses liegt morgen Früh mit einem
Kerndruck knapp unter 1005 hPa rund 100 km östlich von Stettin.

Im vielfach moderat bis gut gescherten Umfeld entwickeln sich in diesem Setup in
den kommenden Stunden vor allem noch von Bayern über Sachsen und Brandenburg bis
nach Vorpommern. Vor allem über Südbayern ist nach einem vielfach sonnigen
Nachmittag für die aus der Schweiz und von BaWü kommende Konvektion ein idealer
Nährboden bereitet und einzelne heftige Entwicklungen zu erwarten. Von
anfänglich noch großem Hagel und schweren Sturmböen vor allem über
Süddeutschland verlagert sich der Schwerpunkt im Laufe der Nacht hauptsächlich
auf den Starkregen, der teils auch mehrstündig und ungewittrig auftreten kann –
lokal weiterhin bis in den Unwetterbereich. In der zweiten Nachthälfte ziehen
sich die Regenfälle zunehmend auf den Bereich der Rinne und damit in den
Nordosten Deutschlands zurück. Entgegen vorheriger Läufe ist der aktuelle ID2
Lauf aber ein Stück weit nach Nordosten geschwenkt und auch AROME sieht den
Großteil der Niederschläge eher über der freien Ostsee. Insofern wird erstmal
auf eine präventive Warnung verzichtet und im Nowcast das Geschehen über die
Nacht hinweg verfolgt. Die vorliegende Probabilistik gibt schon noch deutliche
Hinweise auf Starkregen, basiert allerding vielfach auf den älteren Läufen.

Der zweite südliche Randtrog korreliert am Boden mit der Kaltfront und wird im
Laufe der Nacht von kräftiger KLA überlaufen. Mit der am Südrand des
Bodentiefkonglomerats aus Westen einfließenden kühleren und stabileren Luft vom
Atlantik, die nicht nur bodennah sondern auch in höheren Schichten einfließt,
beruhigt sich das Wettergeschehen merklich. Ganz im Westen gehen die Taupunkte
bereits auf die 10°C zurück.

Wo es im Südwesten längere Zeit auflockert, kann sich örtlich Nebel bilden.
Insgesamt bleiben größere Auflockerungen aber selten. Im Bereich des stärksten
Druckanstiegs gibt es in Teilen NRW’s und Niedersachsens anfangs noch einzelne
steife Böen (Bft 7), mit zunehmender Entkopplung der Grenzschicht leben diese
erst wieder über der Nordsee in den Frühstunden auf, wenn das Tief Helgoland
erreicht. Die Tiefstwerte liegen bei 19 bis 15°C östlich der Elbe, sonst
zwischen 15 und 10°C, in den westlichen Mittelgebirgen teils noch darunter.

Samstag … entspannt sich die Wetterlage deutlich. Das steuernde Tief wird über
dem Westteil der Deutschen Bucht nahezu stationär und achsensenkrecht. Ein
markanter Randtrog, den man auch am IPV Maximum erkennt, schwenkt im
tagesverlauf über den Nordwesten Deutschlands hinweg. Nachfolgend macht sich NVA
bedingt aus Süden leichter Druckanstieg bemerkbar, der die schwache
Hochdruckbrücke von der Biskaya bis nach Südpolen ausweiten lässt.

So treten nur anfangs im äußersten Nordosten im Bereich der Rinne noch teils
gewittrige Starkregenfälle auf, die nordwärts abziehen und voraussichtlich eh
nur noch Usedom und Rügen betreffen (mit geringem Impact). Sonst überwiegt ein
freundlicher Mix aus Sonne und Wolken, wobei die Auslösetemperaturen mit knapp
20°C niedrig liegen und es alsbald zu Quellungen kommen dürfte.

Für Schauer reicht es aber überwiegend nur im Nordwesten in der Nähe zum
Höhentrog mit Höhenkaltluft um -20°C in 500 hPa und dem durchschwenkenden
Randtrog als dynamischen Hebungsantrieb. Weiter zur Landesmitte hin ist die
Luftmasse auseichend abgetrocknet und einzelne Versuche vom Bergland ausgehend
werden wohl nicht allzu lange durchhalten. Die rumgeholte Okklusionsschleppe am
Südrand des Tiefs beeinflusst mehr oder weniger nur die freie Nordsee mit
kompakter tiefer Bewölkung und schauerartigen Regenfällen.

Von Niederbayern bis zu den Alpen halten sich noch Reste der heutigen
Gewitterluft. Durch die schwache Gegenstromlage (bodennah Nordwest, in der Höhe
Südwest) mit geringer WLA bildet sich mehrschichtige Bewölkung in mittleren
Niveaus, die die Konvektion unter noch immer hervorragenden Scherungsbedingungen
(DLS > 20 m/s) hemmt, wodurch kaum CAPE aufgebaut wird. Für einen vereinzelten
Schauer oder ein kurzes Gewitter aus den Alpen heraus kann es mit geringer
Wahrscheinlichkeit dennoch reichen.

In der gut durchmischten und längst nicht mehr so schwülen Meeresluft vom
Atlantik steigen die Höchstwerte auf angenehme 20 bis 25°C, im Nordwesten wird’s
je nach Schauerhäufigkeit teilweise knapp mit der 20°C-Marke.

An der Südflanke des Tiefs tauchen vor allem an der Nordsee zeitweise einzelne
Böen der Stärke 7 Bft aus Südwest auf. Mit Tagesgang weiten sich diese teilweise
über Niedersachsen bis an die Grenze zu NRW aus.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … ändert sich sowohl gegenüber dem Wettergeschehen vom Samstag als
auch zur Frühübersicht nichts Wesentliches. Es wird unter schwachem
Hochdruckeinfluss allmählich wieder etwas wärmer.

Modellvergleich und -einschätzung

Von den konvektiven niederschlagsschwerpunkten abgesehen ergeben sich keine
nennenswerten Modellunterschiede.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen