S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 06.07.2024 um 10.30 UTC

Zunehmend wechselhaft mit wiederholter Gewittertätigkeit, lokal mit Unwettern.
Am Wochenende mehrstündiger Starkregen (auch überregional) nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 13.07.2024

Schaut man sich den Juni 2024 über dem östlichen Nordatlantik an, so erkennt man
eine umfangreiche positive Bodendruckanomalie im Bereich der Azoren, was auch im
500 hPa Geopotenzials sichtbar wird. Dies fiel mit einer sehr weit nördlich
ansetzenden Blockierung über dem Nordpol zusammen. Diese Persistenz steht im
Einklang mit den hier bereits mehrfach beschriebenen Hintergrundbedingungen.
Während dieser Mittelfrist zieht sich die positive Druckanomalie bei den Azoren
vorübergehend etwas nach Westen zurück, sodass sich ein umfangreicher
Langwellentrog vor den Toren Westeuropas etablieren kann.

Aus den Tropen kommt weiterhin kein eindeutiges Signal u.a. von der
Madden-Julian Oszillation und bei den Indizes wie NAO/NAM erfolgt nur beim
Pazifik-Nordamerikanischen Muster ein vorübergehendes und deutliches Umschwenken
(hier in den positiven Bereich) dank einer günstigeren Wellenpositionierung.
Deren Auswirkungen stromab halten sich nach den jüngsten Zeit-Längen Diagrammen
des IFS-ENS jedoch sehr in Grenzen, was u.a. auch an sehr schwachen
Wellenflüssen im nordatlantischen Sektor liegen dürfte.
Was in der (erweiterten) Mittelfrist auffällt ist ein Aufweichen der
Geopotentialgradienten im europäischen Sektor mit einem deutlichen Abbau der
potenziellen Vorticity (z.B. PV 330K). Das Resultat dürfte ein zunehmend
gradientarmer Streckenabschnitt sein mit einem sich allmählich verstärkenden Ast
des Azorenhochs, der Nordwesteuropa beeinflusst und den thermischen Gradienten
zur heißen Subtropenhochzelle über Südeuropa erhöht. Wir liegen voraussichtlich
in diesem Übergangsbereich und erleben ein Auf und Ab der Temperaturwerte dank
wiederholter Tiefdruckpassagen von Südwest nach Nordost (entlang des thermischen
Gradienten). Wie schnell und mit welcher Intensität sich der Keil aufwölbt ist
jedoch noch sehr unsicher.

Grundsätzlich deutet sich jedoch zunächst ein von Westen nach West-/Mitteleuropa
hereinlaufender Langwellentrog an, der sich vor Ort abschwächt und flankiert
wird von hohem Geopotenzial. Dies wäre wieder eine gute Ausgangslage für
Abtropfprozesse mit erhöhtem Starkregenpotenzial peripher entsprechender
Bodentiefs.

Wie gestaltet sich nun die Mittelfrist vom Dienstag, den 9. Juli bis zum
Samstag, den 13. Juli 2024? Es fällt schnell auf, dass der jüngste EZ Lauf sehr
unwetterträchtig ist, was in den Vorläufen nicht immer so hinterlegt war. Daher
wird das Potenzial zwar beschrieben, es soll aber hier nochmal auf eine recht
hohe Unsicherheit der Entwicklung hingewiesen werden.

Am Dienstag befindet sich der Langwellentrog bei Irland und korrespondiert mit
einem Bodentief, das sich nur unwesentlich verlagert bzw. eine Neuentwicklung
über der Nordsee eingeht. Mit dieser Dynamik wird eine wetterinaktive Warmfront
über den Norden Deutschlands nordwärts geführt und bringt dem Norden zunächst
dichte Wolken, die aber im Tagesverlauf auflockern. Ansonsten dominiert ein
freundlicher Warmsektor mit T85 Temperaturen, die bis in die Nacht zum Mittwoch
auf 15 bis 20 Grad (von Nord nach Süd) steigen. Im Verlauf des Abends und der
Nacht zum Mittwoch wird eine Kaltfront in den Westen Deutschlands gedrückt, die
mit teils kräftigen Schauern und Gewittern einhergeht. Aus aktueller Sicht
dürften die fortgeschrittene Tageszeit, mäßige Labilität und eine recht stabile
Grenzschicht eher dämpfend wirken, dennoch sind PW Werte um 35 mm und kräftige
hochreichende Scherung gut für markante bis lokal unwetterartige Entwicklungen.
Ansonsten verläuft die Nacht ruhig.

Am Mittwoch steilt die Strömung noch weiter auf, sodass die recht
strömungsparallel über Deutschland liegende Front nur langsam ostwärts
vorankommt. Dabei wird die heißeste Luftmasse allmählich ostwärts abgedrängt,
sodass in der Nacht zum Donnerstag die T85 Werte von West nach Ost zwischen 10
und 16 Grad liegen. Bei einer zyklonalen Strömung und einem durchschwenkenden
Troganteil verwundert es nicht, dass in einer labilen Luftmasse von teils 2000
J/kg MUCAPE und mäßiger Scherung sowie PW Werten von 30 bis 40 mm Unwetter
wenigstens regional auf dem Programm stehen. Besonders im Osten ist eine
linienhafte Anordnung der Gewitter dank der strömungsparallelen Komponente
wahrscheinlich und wurde in den letzten Läufen wiederholt gezeigt. Die Kaltfront
kommt zudem entlang der Donau zunehmend ins Schleifen und verbleibt dort nahezu
ortsfest.

Am Donnerstag dauert die zyklonal geprägte Südwestströmung weiter an. Dank
fallenden Geopotenzials über Nordwesteuropa geht der Bodendruck über Frankreich
allmählich zurück (zudem im linken Auszug eines mäßigen Höhenjets platziert),
sodass die über Süddeutschland liegende Kaltfront im Tagesverlauf als Warmfront
nordwärts vorankommt. Südlich dieser Front wird somit zumindest für die Regionen
entlang und südlich der Donau erneut ein labiler und mäßig gescherter Warmsektor
aufgespannt, wo trotz leichter Deckelung wenigstens einzelne kräftige Gewitter
denkbar sind. Entlang und nördlich der zentralen Mittelgebirge sickert
postfrontal eine vorübergehend etwas stabiler geschichtete und trockenere
Luftmasse ein mit PW Werten von 20 bis 25 mm, sodass dort ein insgesamt
freundlicher und zumeist trockener Tag zu erwarten ist.

Doch die nächste Bodentiefentwicklung lässt nicht lange auf sich warten, die von
Frankreich über Deutschland nordostwärts zieht und die labile und
gewitteranfällige Luftmasse wieder weit nach Norden drückt. Aus heutiger Sicht
wären die Zutaten für eine überregionale Schwergewitterlage am Freitag besonders
im Süden und Osten Deutschlands gegeben.

Zum Samstag legt der aktuelle Lauf den Langwellentrog über Frankreich und somit
in die benchmark für Vb (ähnliche) Entwicklungen entlang des Nord-Süd
ausgerichteten thermischen Gradienten über dem östlichen Mitteleuropa.
Demzufolge wäre von Samstag zu Sonntag eine überregionale Stark- oder
Dauerregenlage nicht ausgeschlossen und bei PW Werten von teils über 40 mm
sicherlich im Grenzbereich „markant/Unwetter“ anzusetzen (dank momentan noch
sehr diffuser Bodentiefentwicklung). Das Gute ist, dass die Numerik insgesamt
noch sehr verfahren ist in diesem Zeitraum, wobei GEM und EZ die aggressiveren
und GFS/ICON die defensiveren Modelle sind. Es sei noch erwähnt, dass die Lage
und Amplitude des Langwellentroges zum kommenden Wochenende im IFS-ENS mit sehr
geringen Abweichungen hinterlegt ist und eine recht hohe Zuversicht suggeriert
wird. Dieses Signal sollte somit ernstgenommen und weiterverfolgt werden.

Die Maxima liegen am Dienstag meist bei heißen 29 bis 33 Grad, nur im Norden
bleibt es mit 25 bis 29 Grad etwas weniger heiß.
In der Folge etabliert sich ein West-Ost gerichtetes Temperaturgefälle, das sich
je nach Intensität der Bodentiefs vorübergehend intensiviert/abschwächt und
zonal verschiebt. Grundsätzlich bleibt es in Richtung Oder/Lausitz meist bei
schwül-warmen 26 bis 30 Grad, während sonst die Maxima zwischen 22 und 28 Grad
pendeln, mit den kühlsten Werten ganz im Nordwesten.
Die Minima liegen zwischen 18 und 12 Grad.

In der erweiterten Mittelfrist von diesem IFS-Lauf würde es dank einer nur sehr
zögernden Verlagerung des Troges bzw. seiner Residuen mit weiteren kräftigen
Gewittern und teils überregionalen Stark-/Dauerregenlagen weitergehen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die grobe Entwicklung steht und umfasst einen umfangreichen Langwellentrog vor
den Toren Westeuropas, der sich in der Folge allmählich ostwärts verlagert und
zum Ende der Mittelfrist über Westeuropa liegt.

Den Trog peripher umlaufende Wellen werden von Beginn an mit Diskrepanzen
bezüglich Amplitude und Platzierung gezeigt, wobei diese Unsicherheiten zwar per
se keine großen Auswirkungen haben, bei der Frage der Gewitteraktivität jedoch
bedeutend sind.
Zum Ende der Mittelfrist wird der Langwellentrog im jüngsten Lauf etwas
westlicher gezeigt, wobei jedoch die Sprünge im 500 hPa Geopotenzial von Lauf zu
Lauf teils erheblich sind (der vorletzte Lauf mit einer Zonalisierung über dem
südlichen Europa, der drittälteste und der aktuelle Lauf mit einem stark
verwellten Muster von Keilen und Trögen).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Beim Vergleich mit den anderen internationalen Modellen ergibt sich bis
einschließlich Donnerstag ein recht homogenes Bild einer zyklonal geprägten
Südwestströmung, in der wiederholte Störungen mehrere Optionen für Gewitterlagen
bringen.
In der Folge soll sich der Langwellentrog beim Übergreifen auf Westeuropa jedoch
stark abschwächen, teils auch in mehrere Aktionszentren zerbrechen, sodass die
Unsicherheiten deutlich und nachhaltig zunehmen. Es kann jedoch sicher gesagt
werden, dass eine dominante Hochdrucklage vorerst unwahrscheinlich erscheint und
eher wechselhaftes Wetter dominiert.

GFS hebt seit mehreren Läufen ein recht effektives Ausräumen der
gewitteranfälligen Luftmasse in weiten Bereichen Deutschlands während dieser
Mittelfrist hervor, was aus einer kräftigere Zyklogenese über der Nordsee
(später Skandinavien) sowie aus einem raschen Aufbau des Azorenhochkeils (nach
England gerichtet) resultiert. Diese Diskrepanzen heben die vorhandenen
Unsicherheiten hervor, besonders mit Blick auf das Unwetterpotenzial.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse beginnt am Dienstag mit einem Cluster und dem klimat. Regime
der Blockierung.
Deutschland liegt hierbei aber noch dominant im Blockierungsbereich, sodass an
diesem Tag mit keinen größeren Wettergefahren zu rechnen ist (abseits von teils
kreislaufbelastenden schwül-heißen Maxima um 30 Grad).

In der Folge dauert die Ensemblezuversicht weiter an mit nur einem Cluster und
dem andauernden Blockierungsregime. Der sich abschwächende Trog kommt nur
zögernd nach Osten voran und liegt zum Freitag erst über dem Westen Frankreichs.
Gleichzeitig steigt das Geopotenzial nördlich und westlich des Troges und bleibt
stromab in Richtung Osteuropa weiterhin anormal hoch. Dies wären die Signale,
die man für daraus resultierende Abtropfprozesse und einhergehende
Stark-/Dauerregenlagen grundsätzlich sehen möchte (natürlich nur aus dem
meteorologischen Blickwinkel).

Auch in der Folge dauert der Hang zur Blockierung in den meisten Clustern weiter
an, allerdings ist noch unsicher, wie der Trog über West- und Mitteleuropa
abgebaut wird und wie/ob er in mehrere Aktionszentren zerfällt.

Die Meteogramme heben eine Temperaturspitze am Dienstag hervor mit Werten um 30
Grad, bevor in der Folge eher schwül-warme 24 bis 28 Grad dominieren. Im Osten
Deutschlands kann sich die Hitze ggf. bis zum Donnerstag halten, was jedoch von
der genauen Lage der Kaltfront abhängt.
Es werden ab Mittwoch wiederholt auftretende Niederschlagssignale gezeigt, die
besonders im Süden üppig ausfallen. Dabei fallen einzelne Member mit sehr hohen
Niederschlagsmengen auf und deuten auf das Starkregenpotenzial hin (sei es bei
Gewittern, Clustern oder peripher sich entwickelnden Bodentiefs).
Die Rauchfahnen (T85/H5) sind zunächst recht eng gebündelt und beginnen zum
kommenden Wochenende deutlicher zu streuen. Dabei liegt der HRES ab dem
Donnerstag eher am oberen Ende der Memberschar und deutet mit einem kurvigen
Verlauf ein reges Advektionsmuster an.

Beim GEFS gibt es nur hervorzuheben, dass der Kontrolllauf eher dem EZ Muster
entspricht, während der det. Lauf die gewitteranfälligste Luftmasse von den
Alpen in Richtung Polen und somit insgesamt etwas östlicher ansetzt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER mit lokal auftretendem STARKREGEN:

Es gibt ab dem kommenden Mittwoch täglich Optionen mit (über)regional erhöhter
Gewittertätigkeit. Während am Mittwoch und Freitag aus heutiger Sicht
überregionale Gewitterlagen möglich sind, beschränkt sich die Aktivität am
Donnerstag eher auf den Süden (bei EZ). Die Scherung ist zwar meist nur mäßig
stark ausgeprägt, doch es reicht aus für leicht erhöhte EFI Signale beim
CAPE/shear Parameter (wobei eher CAPE dominiert). Bei hoher Feuchte der
Luftmasse mit PW Werten zwischen 30 und 40 mm tritt der Starkregen (punktuell)
in den Vordergrund, neben Hagel und Sturmböen. Regional/vorübergehend kann sich
auch ein besserer Überlapp von Labilität und Scherung im Umfeld von schwachen
Bodentiefpassagen entwickeln mit erhöhter Unwettergefahr, was jedoch dank der
insgesamt gradientarmen Lage (und der schwer vorhersagbaren Lage/Intensität
möglicher Bodentiefs) noch unsicher ist.

MEHRSTÜNDIGER STARKREGEN bzw. DAUERREGEN:

Zum Wochenende deutet sich ein vorerst leicht erhöhtes Potenzial für
überregionale Starkregenlagen an, die jedoch von den jeweiligen
Bodentiefpassagen und der Lage des Höhentroges abhängen. Das grundsätzliche
Druckmuster bei EZ sieht allerdings momentan sehr gut aus, sodass bereits jetzt
auf ein leicht erhöhtes Potenzial für diesen Zeitraum hingewiesen werden soll.
Abseits der optionalen Bodentiefpassagen dürfte eine grundsätzlich rege
konvektive Aktivität am Alpenrand/entlang des Alpenvorlands und inneralpin in
der Summe bis zur Monatsmitte für sehr hohe Niederschlagsmengen (auch in der
Fläche) gut sein.

Das genannte Potenzial für kräftige Gewitter findet sich bei anderen Modellen
(wie z.B. GFS) in diesem Ausmaß nicht wider. Die Unsicherheit ist daher noch
groß.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS und MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy