SXEU31 DWAV 301800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 30.06.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Übergang zu sehr wechselhaftem Wetter auf kühlem, maximal mäßig warmem
Temperaturniveau.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Aktuell … ist die Atmosphäre emsig damit beschäftigt, die Großwetterlage
kernzusanieren: Schwüle, Hitze, Schweregewitter usw. werden plattgemacht,
stattdessen wird auf mäßig warm bis kühl und sehr zyklonal umgestellt. Und das
mitten in der Siebenschläferzeit – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nun gut,
wir nehmenŽs wieŽs kommt, sportlich, fair und resilient.

Zur Lage, die Deutschland nicht nur im Viertelfinale der EURO24, sondern zudem
knapp vorderseitig eines sehr langgestreckten Potenzialtrogs sieht. Dieser
besteht genau genommen aus mehreren Anteilen, die sich in Summe von Skandinavien
über die Nordsee bis hinunter zur Iberischen Halbinsel erstrecken. Damit weist
der Trog eine positive Exposition auf, was in diesem Fall aber nur eine
untergeordnete Rolle spielt. Wichtig für die Entwicklung vor Ort ist der
mittlere Teil des Gesamtkonstrukts, der sich heute Abend ausgehend von einem
kleinen Höhentief über der Nordsee bis nach Nordfrankreich erstreckt. In den
nächsten Stunden robbt sich der „Mitteltrog“ immer dichter an den Vorhersageraum
heran, bis seine Hauptachse pünktlich zum morgendlichen Berufsverkehr die Grenze
zu Benelux erreicht.

Dem Trog vorgeschaltet sind gleich zwei Kaltfronten, die keinen anderen Auftrag
haben, als staffelweise den markanten Luftmassenwechsel weg von bulliger
Subtropikluft (xS) hin zu maritimer Polarluft (mP) zu bewerkstelligen. Die erste
Kaltfront ist dem inzwischen weit draußen auf der Ostsee nordwärts kreuzenden
Gewittertief ANNELIE anhängig (das ist die Madame, die von gestern Abend bis
weit in die Nacht bei uns schwer auf Krawall gebürstet war, auch wenn es –
glücklicherweise – am Ende nicht so schlimm gekommen ist wie im Vorfeld
erwartet). Der zugehörige, konvektiv verstärkte Regen, garniert mit einigen
(auch präfrontalen) Gewittern, hat den Osten und Süden erreicht. In
Südwestdeutschland, wo die Front zurückhängt, hat sich von Frankreich her eine
flache Welle hereingemogelt, die für ein kleines stratiform geprägtes
Regengebiet verantwortlich zeichnet, welches in den nächsten 6-9 Stunden über
die Mitte ostwärts zieht. Eingelagerte Starkregensegmente werden von der Numerik
angedeutet, sind synoptisch auch plausibel (feuchte Luftmasse), sind aber nur
schwer aufs Warnboard zu bringen, wenn Vorlaufzeit gewünscht ist.

Rückseitig wird ein erster Schwall Atlantikluft platziert, der aber noch nicht
überbordend kühl (T850 7 bis 10°C) und auch nicht besonders trocken ist (PPW
noch immer um 30 mm, Taupunkte um 14°C). Richtig kühler wirdŽs erst mit bzw.
nach Durchgang der zweiten Kaltfront (im NW Rückgang T850 auf Werte um 5°C), die
„heimatlos“ (also ohne Tiefbindung) mit der west-nordwestlichen Strömung
mitschwimmt und dabei lediglich in einen Bodentrog eingebunden ist. Die Front
bringt etwa ab Mitternacht neuen, konvektiv verstärkten Regen in den Westen und
Nordwesten, von wo aus er sich ostwärts verlagert. Mit Annäherung des
nachfolgenden Höhentrogs wird die Luft sowohl an als auch vor als auch hinter
der Front leicht labilisiert, wodurch etwas MU-CAPE zur Verfügung steht (feucht
genug ist es allemal). Entsprechend sind vereinzelte Gewitter nicht
ausgeschlossen, wobei Starkregen um 15 l/m² innert kurzer Zeit schon das
Worst-case-Szenario darstellt.

Abschließend noch ein kleiner Verbrauchertipp aus Offenbach für alle, die die
Nacht für einen erholsamen Schlaf nutzen möchten: Lüften was das Zeug hält, geht
doch die Temperatur auf 15 bis 10°C zurück. Nur im Osten und Süden, wo der
Austausch der Luftmasse verzögert und auch nicht so nachhaltig erfolgt, wird es
vielerorts nicht unter 16 oder 17°C abkühlen – naja, immer noch besser als Tmin
tropical, sprich 20°C+x. Oder etwa 30°C+x wie heute früh um 08 GZ in Oberndorf
an der Melk (Niederösterreich), wo mal eben ganz nonchalant satte 30,8°C
gemessen wurden. Auch wenn es nicht der Tiefstwert der Nacht war, so war es doch
die höchste gemessene Temperatur ever in unserem Nachbarland um genau diese
Zeit.

Montag … startet die zweite Jahreshälfte, ein neuer Monat und selbstredend
auch eine neue Woche, die – soviel darf man vorab verraten – von stark
wechselnden Wetterverhältnissen und wiederholten Regenfällen (schauerartig, aber
auch mal über Stunden andauernd) geprägt ist. Die Luftmassen werden durchweg von
der Nordsee oder dem Atlantik zu uns reingeschossen. Auch wenn beide gegenüber
dem vieljährigen Mittel positiv temperiert sind, sind es noch keine tropischen
Gewässer. Im Klartext, das Temperaturniveau begibt sich in kühle, bestenfalls
mäßig warme Gefilde.

Schauen wir auf den Montag im Detail, an dem das kleine Höhentief von der
Nordsee über die Kimbrische Halbinsel hinüber zur Ostsee zieht. Im Einklang
damit schwenkt auch der relativ schmale Höhentrog ziemlich langsam über
Deutschland hinweg gen Osten. Gleiches gilt für die heimatlose Kaltfront, die es
ebenfalls nicht allzu eilig hat, in Richtung Polen und Tschechien respektive
Alpenrand voranzukommen. Das führt dazu, dass sie recht harmonisch mit dem
Höhentrog interagiert, konkret mit einem vorderseitigen PVA-Maximum, welches nur
bedingt durch überlagerte KLA kompensiert wird. Kurzum, an und vor der Front
kommt es zu weiteren konvektiv verstärkten und von einzelnen Gewittern
begleiteten Regenfällen. Dabei sind neben lokalem Starkregen von 15 bis 20 l/m²
innert kurzer Zeit (PPW ist mit rund 25 mm oder sogar drüber noch ziemlich hoch)
auch Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft möglich.

Die zweite konvektive Baustelle wird am morgigen Montag in Norddeutschland
errichtet, praktisch im inneren Bereich des Höhentiefs respektive -trogs. Zwar
ist die (postfrontale) Luftmasse trockener als weiter südlich, dafür aber auch
etwas labiler (T500 um -20°C, T850 um +5°C), so dass unter dem Strich etwas CAPE
zur Verfügung steht. Das reicht, um neben einigen Schauern auch mal das eine
oder andere kurze Kaltluftgewitter zu generieren. Vor allem in Verbindung mit
der Konvektion muss auch hier mit Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft gerechnet werden.
Ganz im Norden, also in Kernnähe, wo Höhenwinde und Windscherung limitiert sind,
die Labilität im untersten Bereich stark ist (steile Lapse-Rates) und im
Bodenwindfeld konvergente Strukturen vorhanden sind, sind die Voraussetzungen
für Typ-II-Tornados durchaus passabel. Nix für die Warnlageberichte und schon
gar nichts für die Medien, die Welt wird im Norden deswegen nicht untergehen.

Bei T850 zwischen 5°C im Nordwesten und etwa 10°C im Grenzbereich zu den
fußballerisch starken Schweizern und Österreichern (Respekt!) stehen auf 2 m
Höhe im Nordwesten Tageshöchsttemperaturen von nur noch 17 bis 20°C und 19 bis
23°C sonst auf dem Zettel. Herzlich Willkommen im mitteleuropäischen Sommer, der
jetzt sieben Wochen so…. Na mal abwarten.

In der Nacht zum Dienstag setzt sich das wechselhafte Wetter nahtlos fort. Zwar
verabschieden sich Höhentrog (-tief) nebst vorgelagerter Kaltfront langsam aber
sicher gen Osten. Außerdem schiebt sich ein flacher Bodenkeil von Frankreich bis
nach Süddeutschland vor. Das nächste okkludierende Frontensystem steht aber
schon ante portas. Absender ist das flache Tief BETTI, das sich mit knapp unter
1000 hPa im Kern von Island in Richtung Norwegische See bewegt. Um 00 UTC hat
die teilokkludierte Kaltfront die westliche Nordsee bereits überquert, hängt
aber weiter südlich nach Südwesten zurück. Auf ihrer Vorderseite schiebt die
Front einen flachen Höhenkeil vor sich her, der aber von WLA überlaufen wird.
Kurzum, nach einer nur kurzen Schauerpause zieht schon in der zweiten
Nachthälfte von der Nordsee und den Niederlanden mehrschichtige Bewölkung auf,
aus der sich – wenn auch nur schwache – Regenfälle nicht lange bitten lassen.
Ansonsten ziehen die troggebunden Schauer aus Deutschland raus oder lösen sich
tagesgangbedingt auf. Am längsten regnet es voraussichtlich noch am Alpenrand,
wo sich kurzeitig eine schwache Staulage einstellt. Vielleicht reicht es dort
punktuell mal für 10 oder 15 l/m² innert weniger Stunden.

Je nach Bewölkung, Relief und Topografie kühlt es auf Tiefstwerte zwischen 14
und 8°C ab. Also noch mal lüften.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Dienstag … steht im Zeichen der voraussichtlich relativ pomadig ablaufenden
Passage der teilokkludierten Kaltfront von Nordwest nach Südost. Dabei kommt es
zu zeitweiligen, aus warntechnischer Perspektive unkritischen Regenfällen. Wann
diese genau den Süden und Südosten erreichen, steht aktuell noch nicht endgültig
fest. Die Chancen sind aber gut, dass man dort vor Ankunft noch in den Genuss
von Auflockerungen oder gar sonnigen Abschnitten kommt.

Ansonsten frischt der westliche Wind mitunter böig auf, Böen 7 Bft dürften
höherfrequent wohl aber nur an der Nordsee auftreten. Mit 17 bis 21°C bleibt es
ziemlich frisch.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren sehr ähnlich. Unterschiede sind gering und bewegen sich
innerhalb der üblichen Toleranzzone.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann