#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 18.06.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 181800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 18.06.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Bis in die Nacht hinein in der breiten Mitte noch kräftige Gewitter mit (langsam
abnehmendem) Unwetterpotenzial.
Am Mittwoch im Süden im Tagesverlauf erneut kräftige Gewitter, Unwetter möglich.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines vom Nordmeer
über die Nordsee bis zum Westausgang des Ärmelkanal reichenden Höhentroges
unterhalb einer relativ glatt konturierten, jedoch ein wenig „flatterhaften“
südwestlichen Höhenströmung. Mit dieser wird durch ein Cut-Off-Tief vor Galizien
eine feuchtwarme und potenziell instabile Luftmasse subtropischen Ursprungs in
den Süden und die Mitte des Vorhersagegebietes gesteuert, deren Vordergrenze
eine leicht wellende Warmfront, die aktuell etwa vom Niederrhein bis nach
Nordbrandenburg reicht, markiert.
Im Laufe der Nacht kommt die Trogachse über der Nordsee nur zögernd
ostsüdostwärts voran, vorderseitig werden jedoch vor allem in der unteren
Troposphäre kurzwellige Troganteile über den Norden und die Mitte Deutschlands
hinweg nordostwärts geführt. Im Norden wird der dadurch induzierte
Hebungsantrieb durch KLA kompensiert und es setzt im Laufe der Nacht im
Bodenfeld von der Nordsee her Druckanstieg ein. Donnerstagfrüh befindet sich der
flache Bodenhochkeil bereits über der Norddeutschen Tiefebene und die
Luftmassengrenze wird etwas nach Süden gedrückt. Morgens reicht sie in etwa vom
Saarland bis zum Oderbruch.
Unmittelbar nördlich der Luftmassengrenze bzw. der Warmfront hat sich eine
leichte Gegenstromlage eingestellt mit schwachen nordwestlichen bis
nordöstlichen Bodenwinden. Somit fällt dort teils länger anhaltender, teils aber
auch schauerartiger Regen, wobei vor allem am Scheitel einer flachen Welle, die
im Laufe der ersten Nachthälfte entlang der Front nordostwärts geführt wird,
gebietsweise mehr als 20 l/qm in wenigen Stunden fallen können. Nach Abzug
dieser flachen Welle klingen die Regenfälle von Westen her allmählich ab.
Deutlich interessanter gestaltet sich die Wetterentwicklung auf der warmen Seite
der Luftmassengrenze im Süden und vor allem in der Mitte des Landes. Die
Luftmasse dort weist eine hohe potenzielle Instabilität auf mit PPWs von über 30
mm und einer MU-Cape von in der ersten Nachthälfte noch gebietsweise über 1000
J/kg. Dazu gesellen sich durchaus signifikante Scherungswerte von etwa 25 bis
nahe 30 m/s DLS und gebietsweise über 15 m/s in den unteren 1 bis 2 km.
Dabei bieten auch die Nacht über hinweg die oben angesprochenen kurzwelligen
Troganteile einen gewissen dynamischen Hebungsinput.
Aktuell steht dabei ein Gewitterkomplex im Fokus, der in den kommenden Stunden
den Süden von Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie Ostthüringen und Sachsen
überquert. Dabei handelt es sich um ein MCS, dessen Südende durch eine
Superzelle markiert ist, die heute am späten Nachmittag im Radar zeitweise
deutliche Rotationssignale inklusive Hook-Echo aufwies, dazu stieg VII zeitweise
auf nahe 50 mm. Weiter nördlich dominierten bogenförmige Strukturen.
Nach einer kurzen Wetterberuhigung greifen bereits aktuell an der Südflanke der
Warmfront weitere Gewitter von Frankreich her auf das südliche NRW und
Rheinland-Pfalz über und ziehen im Laufe der Nacht über die mittleren
Landesteile hinweg ostnordostwärts. Auch weiter südlich, über Baden-Württemberg
und über Franken bzw. der Oberpfalz könnte es, teils auch orographisch
getriggert, in den kommenden Stunden zur Auslöse reichen. Vor allem abends und
in der ersten Nachthälfte weisen auch diese Gewitter noch ein erhöhtes
Unwetterpotenzial auf (anfangs vor allem aufgrund von Hagel und schwere Sturm-
bis Orkanböen, sogar einzelne Tornados können wegen der niedrigen Wolkenbasen
nicht ausgeschlossen werden, später rückt der Starkregen eher in den Fokus), im
weiteren Verlauf dürfte die Unwettergefahr allerdings zurückgehen.
Weitgehend trocken bleibt es dagegen wohl im Südosten von Baden-Württemberg
sowie in Bayern südlich der Donau.
Im Norden und Nordwesten sinkt die 850 hPa-Temperatur im Einflussbereich der
dorthin advehierten Subpolarluft auf 4 bis 6 Grad, so dass es dort bis
Mittwochfrüh auf etwa 14 bis 9 Grad abkühlt. In der Mitte und im Süden bleibt es
mit Minima zwischen 19 und 14 Grad sehr mild.
Mittwoch … zieht das Cut-Off-Tief über Portugal seine Kreise, wobei sich ein
weiteres Drehzentrum über der Biskaya etabliert. Die Achse des Nordeuropatroges
schwenkt dagegen im Tagesverlauf über Norddeutschland hinweg ostwärts.
Dazwischen kann sich im Tagesverlauf, vor allem am Nachmittag und Abend, ein
flacher Höhenkeil über Nordfrankreich verstärken und schwenkt allmählich nach
Südwest- bzw. Westdeutschland.
Mit dem Trog bzw. unmittelbar vorderseitig schwenkt ein recht markantes
PVA-Maximum über Norddeutschland hinweg ostwärts. Der von ihm ausgehende
Hebungsantrieb wird aber durch KLA teilkompensiert. Die Labilitätsfläche reicht
dort somit bis lediglich 700 hPa, so dass es im Nordwesten und Norden des Landes
weitgehend trocken bleibt und vor allem an den Küsten kann sich zeitweise die
Sonne durchsetzen.
Der nach Norddeutschland gerichtete Bodenhochkeil kann sich weiter verstärken
und kommt auch etwas nach Süden, bis in die mittleren Landesteile voran. Somit
wird die Luftmassengrenze bis zum Abend nach Süddeutschland abgedrängt und
reicht dann in etwa vom Schwarzwald bis zum Oberpfälzer Wald. Am Vormittag kann
dabei erneut eine flache Welle, die durch ein PVA-Maximum in der Höhe gestützt
wird, von Frankreich her auf Südwestdeutschland übergreifen und kommt rasch
ostnordostwärts voran. Während also in den Frühstunden eventuell noch die
letzten Gewitter in den östlichen Mittelgebirgen und in der Lausitz ostwärts
abziehen, greifen dann bereits von Frankreich her erneut Gewitter auf das
Saarland, das südliche Rheinland-Pfalz und Südhessen, eventuell auch noch auf
Baden-Württemberg über und kommen rasch ostwärts voran. Dabei simuliert der
aktuelle ICON-D2-Lauf ein kleines MCS, das vormittags im Saarland eintrifft und
bis zum Nachmittag über die Pfalz, Südhessen, Unterfranken und dem Thüringer
Wald bis ins Erzgebirge zieht, SuperHD simuliert ebenfalls ein MCS, allerdings
etwas früher und auf südlicherer Zugbahn. Diese Systeme dürften zunächst eher
von der Grundschicht abgekoppelt, also „elevated“ bleiben, so dass sie
überwiegend markanten Warnkriterien genügen, lediglich bzgl. Starkregen besteht
eventuell Unwetterpotenzial. Das könnte sich im Tagesverlauf nach Osten zu
allerdings ändern. Die subtropische Luftmasse weist ähnliche Zutaten wie am
Vortag auf mit PPWs um bzw. knapp über 30 mm und 500 bis 1000 J/kg ML-Cape, dazu
gesellt sich erneut vor allem hochreichend signifikante Scherung. Vor allem ab
den Mittagsstunden steigt somit die Unwettergefahr wieder an.
Nach Abzug dieser Gewitter scheint sich vorderseitig des Höhenkeils auch auf der
warmen Seite der Luftmassengrenze eine gewisse Wetterberuhigung einzustellen.
Somit setzt sich dort vielerorts die Sonne durch, bei 14 bis 18 Grad in 850 hPa
kann sich die Luftmasse auf 26 bis 31 Grad erwärmen. Am Nachmittag bzw. Abend
dürfte es dann aber vielleicht doch – vor allem orographisch getriggert – zur
Auslöse reichen. Als erste kommen wohl die Alb bzw. der Schwarzwald dafür in
Frage, später aber auch der Alpenrand. Für diese Regionen simulieren die
Konvektion erlaubenden Modelle mit der Einstrahlung gebietsweise mehr als 1500
J/kg ML-Cape, so dass die Gewitter recht schnell Unwetterpotenzial erreichen
können, sofern sie auftreten, neben Starkregen und (schweren) Sturmböen steht
dann vor allem der Hagel im Fokus.
Im Norden und in der Mitte wird es im Einflussbereich der subpolaren Meeresluft
(T850 hPa 5 bis 8 Grad) mit Höchstwerten zwischen 16 und 21 Grad (Nordseeumfeld
kaum 15 Grad) maximal mäßig warm, wobei es vor allem in der Mitte meist stark
bewölkt bleibt, erst am Nachmittag lockern auch dort die Wolken von Westen her
stärker auf.
In der Nacht zum Donnerstag weitet sich das Cut-Off-Tief über der Iberischen
Halbinsel und der Biskaya etwas nach Norden aus, vorderseitig wird der Höhenkeil
durch WLA gestützt, wölbt sich auf und schwenkt ins Vorhersagegebiet.
Somit kann sich auch die Hochdruckzone im Bodenfeld verstärken und weitet sich
über Nord- nach Ostdeutschland aus. Nach Durchschwenken der Keilachse kommt sie
in ihrem Westteil über der Westhälfte Deutschlands allerdings wieder etwas nach
Norden voran. Somit kann auch die Luftmassengrenze über Süddeutschland vor allem
über dem Südwesten wieder etwas nach Norden an Raum gewinnen. Nach Lesart des
ICON-EU erreicht die 10 Grad-Isotherme in 850 hPa morgens bereits wieder eine
Linie Eifel-Vogtland. Im Einflussbereich des Keils weist die Luftmassengrenze
vorübergehend keine großartige Wetteraktivität auf, selbst die anfangs noch
dichteren Wolkenfelder in der östlichen Mitte lockern im Laufe der Nacht stärker
auf. Mit der sich verstärkenden WLA werden die Wolken später im Westen und
Südwesten aber wieder dichter und eventuell greifen ausgangs der Nacht Reste
ehemaliger Gewittercluster über Frankreich als schauerartiger Regen auf den
äußersten Südwesten über.
Ansonsten steht aber, nachdem die letzten Gewitter an den Alpen abgezogen sind
bzw. sich aufgelöst haben (was allerdings durchaus bis weit in die erste
Nachthälfte hinein dauern kann), eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Im
Nordwesten, Norden und in Teilen der Mitte kühlt es bei geringer Bewölkung
vielfach auf einstellige Werte, in ungünstigen Lagen auf nahe 5 Grad ab, während
es im Süden mit Minima zwischen 18 und 12 Grad deutlich milder bleibt.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … gelten nach wie vor die Ausführungen in der Frühübersicht. Am
synoptischen Setup hat sich auch mit den aktuellen Modellen kaum etwas geändert.
Nach wie vor besteht das größte Unwetterpotenzial für die Regionen südlich der
Donau, einige Modelle deuten aber auch für den Südwesten (Schwarzwald, teils bis
ins Saarland und nach Rheinland-Pfalz) kräftigere Gewitter an.
Vor allem an den Alpen und im Alpenvorland besteht aufgrund der hohen Cape die
Gefahr größeren Hagels.
In der Nacht zum Freitag laufen die Modellsimulationen noch stärker auseinander,
insbesondere, was die Zugbahn eines Bodentiefs angeht, was sich am Donnerstag
über Zentralfrankreich verstärkt und dann allmählich nordnordostwärts zieht.
Damit beeinflusst es auch schon in der Nacht zunehmend den Südwesten und Westen
des Landes mit teils konvektiv durchsetzen Regenfällen (Starkregenpotenzial!),
über deren Intensität und räumliche Verteilung derzeit noch keine verlässlichen
Aussagen getroffen werden können.
Modellvergleich und -einschätzung
Die synoptischen Basisfelder werden bis einschließlich Donnerstag recht
einheitlich simuliert.
Entsprechend beschränken sich die Differenzen – wie bei solchen Wetterlagen
üblich – auf die räumliche Verteilung der konvektiven Niederschläge.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff