S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.06.2024 um 10.30 UTC

Zumindest in Teilen des Landes vorübergehend sehr warm bis heiß, aber auch
gewittrig (teils schwere Gewitter).

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.06.2024

Nachdem sich die Temperatur im nun schon seit gut einem halben Monat andauernden
meteorologischen Sommer noch keine nennenswerte Ausreißer nach oben gegönnt hat
(im Flächenmittel der Mitteltemperatur liegen wir bezogen auf 1991-2020 derzeit
sogar knapp 1,5 K unter der Referenz), scheint es nun bereits in der Kurzfrist
einer ersten substanziellen Versuch zu geben, diesen Zustand zu ändern. Ob
dieser Versuch von Nachhaltigkeit geprägt ist und was sonst noch so ab
Wochenmitte passiert, dazu im Folgenden mehr.

Starten wir am Mittwoch, dem offiziellen Beginn des mittelfristigen
Prognosezeitraums, wo das Expansionsbestreben sehr warmer bis heißer Luftmassen
einen ersten Dämpfer erhält. So wird die innerhalb einer Tiefdruckrinne
befindliche, diagonal von SW nach NO exponierte Luftmassengrenze (LMG)
vorübergehend ein Stück nach Süden gedrückt. Auslöser ist ein vergleichsweise
scharf geschnittener Kurzwellentrog, der von der Nordsee kommend über
Norddeutschland ostwärts schwenkt und dabei eine Portion erwärmter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs insbesondere ins nördliche Drittel lenkt
(Rückgang T850 auf rund 6°C). Dabei steigt der Luftdruck an, was sich in Form
eins zonalen, sich ostwärts ausweitenden Bodenhochkeils widerspiegelt (etwas
über 1020 hPa). Nach Süden hin halten sich noch die Reste der sehr warmen bis
heißen Luftmasse, wobei die Drängung der zonal orientierten Isothermen hoch ist
(T850 in der Mitte um 10°C, im südlichen Alpenvorland nahe 18°C). Trotz der
ausgeprägten Baroklinität hält sich die Wetterwirksamkeit an bzw. im Vorfeld der
Luftmassengrenze in Grenzen. Gründe könnten die schlechte Interaktion der LMG
mit dem KW-Trog (zu weit voneinander entfernt, zu rasches Durchschenken des
Troges), die Annäherung eines flachen Rückens von Westen her (Südhälfte) sowie
die relativ weit nach Süden vorstoßende Stabilisierung der Schichtung sein.
Gleichwohl entwickeln sich in der Mitte und im Süden (anfangs auch noch im
Nordosten) einige Schauer und einzelne Gewitter, wobei die
CAPE-SHEAR-Bedingungen südlich der Donau respektive in Ostbayern am besten sind.
Frage ist nur, ob es dort zur Auslöse reicht.

Am Donnerstag fängt nun auch der kalendarische Sommer an (offiziell um 22:50
GZ). Außerdem wölbt sich der Rücken auf bzw. verbreitert sich, wobei die
Hauptachse gemütlich ostwärts wandert. Dadurch gelangt der Vorhersageraum
langsam aber sicher auf die Vorderseite eines leicht positiv geneigten
Höhentrogs mit integriertem elliptischem Tief über Westeuropa und der Iberischen
Halbinsel, der hier leichten Druckfall induziert. Die Höhenwinde drehen rück auf
Südwest bis Süd, gleichzeitig macht die potenziell instabile Warm-/Heißluft
wieder Boden nach Norden hin gut. Schaut man sich die Isothermenverteilung in
850 hPa um 18 UTC an, kommt man auf rund 12°C im äußersten Norden bis zu
föhngestützten 22°C im südlichen Alpenvorland. Bei aller noch gegebenen
Prognoseunschärfe muss vor allem im Süden und Westen mit Schauern/schauerartigen
Regenfällen und einigen kräftigen Gewittern gerechnet werden.

Zum Freitag hin entwickelt sich ein flaches Tief, das den Vorhersageraum
ostwärts passiert. Gleichzeitig rückt uns der o.e. Höhentrog unter Verkürzung
seiner Wellenlänge immer dichter auf die Pelle. Vorderseitig stößt die
Warm-/Heißluft gerade im Osten noch etwas nach Norden vor, bevor sie zum Samstag
hin zu unseren östlichen und südöstlichen Nachbarn rausgedrückt wird. Unter dem
Strich steht am Freitag unbeständiges Wetter mit schauerartigen Regenfällen und
teils kräftigen Gewittern auf der Karte, wobei hinsichtlich Intensität und
genauer räumlicher Verteilung noch Fragen offen sind.

Am kommenden Wochenende tropft der Trog südlich der Alpen ab. Bei uns stellt
sich dadurch eine schwache, zum Sonntag hin zunehmend antizyklonal konturierte
Zonalströmung ein, während am Boden ein Keil des Azorenhoch genau über
Deutschland bis zum östlichen Mitteleuropa vorstößt. Dabei gelangen nicht mehr
ganz so warme, auf der anderen Seite aber auch keine wirklich kühlen Luftmassen
zu uns. Sonntagmittag werden auf 850 hPa landesweit Werte um 10°C angepeilt.
Trotz der antizyklonalen Tendenzen ist der Wetterablauf zunächst noch leicht
wechselhaft mit einzelnen Schauern, im Südosten am Samstag vielleicht auch noch
Gewittern.

Kurztrend für die erweiterte Mittelfrist: Anfangs leichter Hochdruckeinfluss,
Richtung Wochenmitte wieder zunehmende Temperaturen, zunehmende Schwüle und
zunehmende Gewitterneigung.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich nächsten Donnerstages zeigen die Basisfelder wie Luftdruck,
Geopotenzial oder Temperatur seitens IFS (ECMF) eine hohe Übereinstimmung.
Danach nimmt die Streuung zu, was vor allem an der Konfiguration des von Westen
übergreifenden Höhentrogs liegt (Abtropfen ja/nein, Timing, Geometrie). Trotzdem
lässt sich zumindest eine belastbare Trendaussage machen. So wird zum nächsten
Wochenende hin die sehr warme bis heiße und gewitterträchtige Luftmasse, die in
den nächsten Tagen erstmalig in diesem Sommer versucht, sich bei uns nachhaltig
in Szene zu setzen, mit hoher Wahrscheinlichkeit schon wieder aus Deutschland
abgedrängt. Wie das letztlich genau vonstattengeht, sprich, ob mit viel oder
wenig Tamtam (schwere Gewitter, Regenfälle etc.) und wo dabei die regionalen
Schwerpunkte liegen, ist derzeit noch unsicher.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie so oft in dieser Rubrik haben die anderen Globalmodelle, namentlich ICON,
GFS, GEM und UK10, zwar keine grundlegend andere Idee als IFS, trotzdem aber
ihren „eigenen Kopf“. Heißt konkret, dass vor allem die Niederschlags- und
Konvektionsprognose einem relativ hohen Spread unterworfen sind – ein Umstand,
der übrigens schon in der Kurzfrist einsetzt. Mit anderen Worten, selbst die
weniger detaillierte Vorhersage von Gewittern- und Starkregen (also wo genau
liegen die regionalen Schwerpunkte), wird z.T. nur mit relativ kurzem Vorlauf
möglich sein. Sehr individuell wird auch der zum Ende der Mittelfrist auf uns
zusteuernde Höhentrog simuliert (Timing, Geometrie, Abtropftendenz ja/nein).
Immerhin taucht er in allen Modellen auf und man ist sich auch dahingehend
einig, dass die heiße Luft zum nächsten Wochenende erstmal wieder verabschiedet
wird.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte beginnen bereits am
Mittwoch zu streuen, wobei aber trotzdem belastbare Trends herausgelesen werden
können. So lässt sich u.a. die Temperaturdelle am Mittwoch ebenso gut erkennen
(im Norden und in der Mitte stärker als im Süden) wie das nochmalige „thermische
Aufbäumen“ am Donnerstag (im Osten teils auch noch am Freitag) und der erneute
Rückgang am Wochenende. Auffallend ist die deutliche Abnahme der
Niederschlagssignaldichte ab Sonntag, was für den bereits weiter oben
angedeuteten Hochdruckeinfluss spricht.

CLUSTER
T+72…96h (Mittwoch/Donnerstag) mit vier Clustern, die alle den Durchgang des
KW-Troges im Norden mit leicht unterschiedlicher Konfiguration zeigen.

T+120…168h (Freitag bis Sonntag) mit fünf Clustern, von denen vier den Vorstoß
eines Azorenhochkeils zeigen – mal mehr (CL 1 und 2 mit insgesamt 24 Fällen),
mal weniger (CL 3 und 5 mit insgesamt 18 Fällen) aus der Höhe gestützt. Aus dem
Rahmen fällt das mit 9 Fällen besetzte CL 4, das den Rücken über dem nahen
Atlantik und bei uns dafür einen Trog (Muster TrM => Trog Mitteleuropa)
anbietet. Hieße sehr wechselhaftes und relatives kühles Wetter mit
nordwestlicher Anströmung im bodennahen Bereich.

T+192…240h (Montag bis Mittwoch) ebenfalls mit fünf Clustern, die durchweg
antizyklonale Verhältnisse offerieren. Unterschiede für unseren Raum ergeben
sich im Wesentlichen durch die Position des Bodenhochs sowie die Ausprägung des
korrespondierenden Höhenrückens. Dabei ist CL 2 (11 Fälle) der Cluster, der bei
uns noch die meiste Zyklonalität insbesondere im Norden und Osten zulässt
(Ostabdachung des Rückens).

FAZIT
Trotz schon früh zunehmender Streuung der Ensembles werden die wesentlichen Züge
der deterministischen Vorhersage widergespiegelt. Dass dabei zum Teil erhebliche
Meinungsverschiedenheiten vornehmlich in der Behandlung von Niederschlag und
Konvektion vorhanden sind, wird nicht nur im probabilistischen Umfeld, sondern
auch beim Modellvergleich sowie bei der Konsistenzbetrachtung deutlich.
Ziemlich deutlich sind die Signale für eine zunehmende Antizyklonalisierung in
der erweiterten Mittelfrist.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Vielzahl an numerischen Vorhersageprodukten in Verbindung mit der zu
erwartenden Großwetterlage lässt vor allem von Mittwoch bis Freitag auf eine
erhöhte Wetteraktivität in Richtung Gewitter (teils schwer), aber auch
ungewittrigen, mehrstündigen Starkregen schließen. Das Problem dabei – im
Bulletin schon mehrfach angesprochen – ist die hohe Streuung hinsichtlich
Position und Intensität. Der große Spread zeichnet übrigens auch dafür
verantwortlich, dass in den EPS-Wahrscheinlichkeiten für das Überschreiten
bestimmter Niederschlagsmengen nur ganz schwache, diffus verteilte Signale
auftauchen. Kurzum, hier muss im mittelfristigen Vorfeld mit Allgemeinplätzchen
hantiert werden, in der Hoffnung, dass mit zunehmender zeitlicher Nähe zu den
Ereignissen die Prognosen belastbarer werden.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit MOS-Mix (vor allem Temperatur) und Modellmix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann