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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.05.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Wechselhaftes Wochenende mit regional wechselnder, kaum oder gar nicht
organisierter Konvektion. Na denn Prost Mahlzeit!

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … kommt die Aussage des Tages vom geschätzten Kollegen Robert Hausen,
seines Zeichens heute auf dem Medienarbeitsplatz vertreten. Ich zitiere: „Gut,
dass die PPWs noch nicht bei 35 oder 40 mm oder sogar darüber liegen, sonst
hätten wir hier in Deutschland die Voll-Katastrophe!“ – Dem ist nichts
hinzuzufügen. Verschwindend geringe bis überhaupt keine Luftdruckgegensätze,
dazu eine leidlich labil geschichtete und feuchte Luftmasse sowie ein leicht
zyklonal konturiertes Potenzialfeld bilden insbesondere in der warmen Jahreszeit
eine unheilvolle Rezeptur, die für reichlich Negativ-Schlagzeilen der Kategorie
„Überschwemmungen, -flutungen, vollgelaufende Keller, Unterführungen,
Hangabrutsche“ usw. und sofort verantwortlich zeichnen. Nicht dass wir uns
missverstehen, diese Schlagzeilen hat es in den vergangenen Tagen und Wochen
auch schon gegeben (exemplarisch sei hier die Unwetterlage von letzter Woche im
Saarland genannt). Wären wir aber nur ein paar Wochen weiter, wäre nicht nur der
Energiegehalt der Luftmasse (fühlbar und latent) im Mittel um einiges höher,
auch die Labilität wäre wohl noch stärker ausgeprägt. Kurzum, das Potenzial für
extreme Unwetter durch exorbitante Regenfälle hätte Champions-League-Niveau und
die mediale Berichterstattung käme kaum noch dazu, über andere Dinge zu
berichten. Hoffen wir, dass aus dem Konjunktiv kein Indikativ wird und wir von
solchen Horror-Szenarien verschont bleiben.

Kommen wir – ganz im Indikativ – zur aktuellen Lage, die Deutschland zwischen
einem negativ geneigten Höhentrog über Westeuropa und einem blockierenden Hoch
über Westrussland sieht. Ein klassisch gestörtes Zirkulationsmuster, aus dem wir
wohl so schnell auch nicht rauskommen werden. Ausgehend vom Haupttrog erstreckt
sich ein Randtrog bis nach Süddeutschland, der in den nächsten Stunden im
homöopathisch anmutenden Zeitlupentempo nordwärts schwenkt. Dem Randtrog
vorgelagert ist eine aufgrund der geringen Windgeschwindigkeiten nicht ganz
leicht zu detektierende Tiefdruckrinne mit konfluenten Strömungstendenzen, die
am Nachmittag über der nördlichen Mitte verortet war. Und genau dort war und ist
der der Korridor mit der höchsten Wetteraktivität in Form schauerartiger
Regenfälle und zahlreicher Gewitter, bei denen das Thema „Starkregen“ eindeutig
das Geschehen bestimmt. Nördlich des Korridors hielt sich das konvektive
Geschehen heute in Grenzen, während im Südwesten (vor allem Hoch-/Oberrhein,
Schwarzwald, Schwäbische Alb) auch einiges an konvektiven Umlagerungen
aufgetreten ist. Auch dort wurden lokal hohe Regenraten innert kurzer Zeit
registriert. Außerdem gab es einige visuell dokumentierte Funnelmeldungen.

Kommen wir zur Entwicklung der nächsten Stunden, in denen sich die Rinne langsam
in den Norden des Landes zieht und sich über den Niederlanden ein eigenständiges
flaches Drehzentrum (MAXINE; um 1015 hPa) etabliert. Mit der Rinne verlagern
sich auch die Regenfälle und Gewitter mehr und mehr in den Norden, wobei die
Gewitterneigung mit Hilfe des Tagesgangs kontinuierlich abnimmt. Dagegen bleibt
die Starkregengefahr zunächst noch erhalten, teils ungewittrig oder auch
mehrstündig. Für eine prophylaktische Warnung, wie sie z.B. ICON-DE für einen
Streifen von der Altmark bis hinüber zum Emsland anbieten würde, reicht es
aufgrund des Abgleichs mit der aktuellen Ist-Situation aber nicht.

Beruhigen tut sich die Lage mit Zudrehen des Energiehahns auch im Südwesten.
Allerdings hat sich aus der Nordostschweiz bzw. dem Vorarlberg heraus ein
Gewittercluster ins Oberschwäbische verirrt, der in den nächsten Stunden
nordostwärts gen Donau zieht und operativ abzuwarnen ist (meist markant)
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass sich bei längerem Aufklaren
teils dichter Nebel bildet und die Temperatur auf 14 bis 10, im Süden um 7°C
zurückgeht.

Samstag … ändert sich nicht allzu viel an der GWL. Der o.e. Randtrog flacht
auf seinem Weg nach Norden immer weiter ab. Dadurch wird die flaue südöstliche
Höhenströmung immer glatter, was ein Mitgrund dafür ist, dass das konvektive
Geschehen morgen etwas gemäßigter daherkommt als heute. Über der Norddeutschen
Tiefebene findet man am Morgen noch die Reste der Tiefdruckrinne, an deren
Nordrand es gebietsweise regnet (die insbesondere von der deutschen Modellkette
angebotenen Gewitter scheinen deutlich oversized). Im Tagesverlauf verschiebt
sich die Rinne etwas nach Norden, verbleibt aber knapp unterhalb der zonalen
Küstenlinie. Sie korreliert mit einem Feuchtemaximum (PPW um oder etwas über 25
mm, spezifische Feuchte Grundschicht um 10 g/kg), das einen Beitrag zur Bildung
einiger hundert Joule pro Kilogramm CAPE leistet. Die gealterte Luftmasse (xSp)
ist ausreichend labil, so dass mit Hilfe des Tagesgangs sowie des konfluenten
Windfelds Schauer und einzelne Gewitter generiert werden. Meist sind es
pulsierende, nur wenig mobile Einzelzellen, bei denen Starkregen die
Prioritätenliste potenzieller Begleiterscheinungen anführt (in der Basis
markant, räumlich eng begrenzt WU > 25 l/m² innert kurzer Zeit nicht
ausgeschlossen).

Auch im großen Rest der Nation sind am morgigen Samstag konvektive Umlagerungen
zu erwarten, wobei es aber Unterschiede gibt. Die Region mit der höchsten
Gewittererwartung befindet sich ausgehend von den Alpen über den Südosten bis
zur östlichen Mitte, wo die Mixtur aus Labilität und Feuchte am günstigsten ist,
um ausreichend CAPE zu generieren. Wie viel CAPE letztlich zur Verfügung steht,
ist allerdings noch fraglich, weil nicht klar ist, wie hoch die
Einstrahlungsrate ist (nächtliche Restbewölkung, Nebel). Auf alle Fälle braucht
es wohl die Hilfe der Orografie, um das konvektive Geschehen voraussichtlich
erst nach dem Mittagessen so richtig in Gang zu bringen. Dabei steht einmal mehr
Starkregen im Fokus, örtlich über 25 l/m² innert kurzer Zeit.

Nach Westen zu sowie in großen Teilen der Mitte bis in den Norden (südlich der
Rinne) sorgt der Einschub etwas trockenerer Luft für eine reduzierte Schauer-
und Gewittertätigkeit, sowohl was Häufigkeit als auch Intensität angeht.

Die Temperatur steigt auf 18 bis 26°C mit den höchsten Werten in der Lausitz.

In der Nacht zum Sonntag schlägt über dem nahen Atlantik knapp westlich von
UK/Irland ein neuer Höhentrog auf, der dem alten, Richtung Mitteleuropa
gerichteten Exemplar den Garaus macht. Letzterer füllt sich immer mehr auf bzw.
tropft südlich der Alpen ab. Auffüllen tut sich auch die Tiefdruckrinne über
Norddeutschland, so dass am frühen Sonntagmorgen nur noch ein vollkommen
strukturloses Druckfeld um 1019 hPa übrigbleibt. Dass in einem solchen Umfeld
nach Sonnenuntergang nicht mehr allzu viel geht, ist kein Geheimnis. Mit anderen
Worten, die Tageskonvektion wird rasch heruntergefahren, wenn wohl auch nicht
ganz auf null (einzelne Restschauer bis in Nachthälfte #2).

Ansonsten bliebe nur noch zu sagen, dass die Luft auf 14 bis 7°C abkühlt und
sich abermals einige, teils dichte Nebelfelder bilden.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … sind es vor allem der Norden und Osten, die sich mit konvektiven
Umlagerungen herumschlagen müssen. Ansonsten bleibt es tagsüber häufig trocken
und auch ziemlich sonnenscheinreich bei landesweiten Temperaturen zwischen 20
und 26°C. Für mehr Details schaut euch die Synoptische Übersicht Kurzfrist von
heute Morgen an, viel hat sich im 12-UTC-Lauf von ICON nicht geändert.

Modellvergleich und -einschätzung

Und täglich grüßt das Murmeltier. Wie so oft dieser Tage gilt auch heute Abend:
Die großräumige Druck- und Potenzialverteilung wird nahezu kongruent simuliert,
was die Unsicherheiten rund um das Niederschlagsgeschehen und die Gewitter
(genaue räumliche Verteilung, Intensität etc.) aber mitnichten ausräumt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann