S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.05.2024 um 10.30 UTC

Unbeständig mit kräftigen Gewittern und Starkregenfällen, dazu mäßig warm bis
warm.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 30.05.2024

Lange dauert es nicht mehr, bis der sogenannte Wonnemonat Mai seine Pforten
schließt und damit auch gleichzeitig den meteorologischen Frühling beendet – ein
Frühling, der bezogen auf 1991-2020 sicher zu warm und zu nass und
wahrscheinlich mit einem Sonnenscheindefizit in die Geschichtsbücher eingeht.
Die Zahlen dazu werden in wenigen Tagen veröffentlicht. Auf alle Fälle beginnt
am 1. Juni der meteorologische Sommer und in Anlehnung an einen alten
Gassenhauer des geschätzten, aber schon seit langer Zeit verstorbenen
Entertainers Rudi Carrell könnte bei der einen oder dem anderen die Frage
aufkommen lassen „Wann wirdŽs mal wieder richtig Sommer?“. Nun, werden Spötter
jetzt nicht ganz zu Unrecht einwerfen, bisher war ja noch gar nicht Sommer, rein
formal jedenfalls, also Frage falsch gestellt. Andere werden fragen, was das
denn heißt „richtig Sommer“. Hitze, Sonne, Trockenheit oder eher Schwüle und
Gewitter oder eine Mischung aus allem. Okay, bevor wir hier zu sehr abschweifen
bzw. ins Philosophieren kommen, ändern wir die musikalische Fragestellung in
„Wann kommt mal wieder ein stabiles Hoch?“. Jetzt wirdŽs interessant und wir
haben einen wunderbaren Übergang in die atmosphärischen Abläufe der nächsten
Woche.

Um es gleich vorweg zu nehmen. Stabile Hochs gibt es sehr wohl, nur liegen die
zur Zeit an der „falschen“ Stelle. Schon seit geraumer Zeit haben wir eine
gestörte Zirkulation mit blockierenden Antizyklonen, die ihren Schwerpunkt
entweder über Nord- oder dem nahen Osteuropa haben. So auch zu Beginn des
offiziellen Mittelfristzeitraums am kommenden Sonntag. Sie zeigt Deutschland am
süd-südwestlichen Rand einer umfangreichen, von Fennoskandien bis weit nach
Russland hereinreichenden Hochdruckzone, die von einem breiten Höhenrücken
gestützt wird. Als Gegenspieler fungiert eine Höhentrog über dem nahen Atlantik,
der mit einem von Grönland bis UK/Irland reichenden Tiefdrucksystem
korrespondiert. Zur Vollständigkeit gehört ein weiteres Hoch, ein alter
Bekannter mit Geburtsort Azoren, das sich westlich der Iberischen Halbinsel
aufhält. Deutschland liegt nun genau zwischen den diversen Stühlen inmitten
einer gradientschwachen, amorph anmutenden Druck- und Potenzialverteilung, in
der relativ feuchte und leidlich labil geschichtete Warmluft (T850 6 bis 10°C)
vor sich hin vegetiert. Mit Hilfe des Tagesgangs entwickeln sich Schauer und
Gewitter, bei denen vornehmlich Starkregen (teils Unwetter) im Blickpunkt des
Geschehens stehen. Bei aller noch gegebenen Prognoseunsicherheit zeichnet sich
das Maximum des konvektiven Geschehens in der Osthälfte ab.

Zu Beginn der neuen Woche nähert sich der Höhentrog dem Vorhersageraum an, wobei
er sich aber etwas auffüllt und zudem an Wellenlänge verliert. Dem Trog ist eine
Kaltfront vorgeschaltet, die von Westen schleichend und schleifend zu uns
reinkommt. Sie nistet sich quasi inmitten einer Tiefdruckrinne ein, die das
Azorenhoch von dem Hoch über Nordosteuropa trennt. Unklar ist derzeit noch, wie
weit die Front nach Osten vorankommt. Es scheint aber so, dass ganz im Westen
etwas kühlere und stabilere Luft einströmt und – wichtig – die Front durch den
Trog und den Tagesgang aktiviert wird. Die Folge sind schauerartige, evtl. auch
länger andauernde Regenfälle und Gewitter, bei denen aufgrund besserer
Organisation (durch die Troganäherung) neben dem Starkregen nun auch größerer
Hagel und Sturmböen eine Rolle spielen könnten. Wann, wo, wie – who knowŽs?

Bis Wochenmitte wird die weiterhin wetteraktive (gewittrige Starkregenfälle,
evtl. Dauerregen), aber nicht besonders progressive Kaltfront langsam nach Osten
durchgereicht. Dahinter gelangt ein Schall subpolarer Meeresluft (T850 um 5°C)
nach Deutschland, die weniger feucht und energiegeladen ist als die
Vorgängerluftmasse. Während der Luftdruck am Boden steigt und leichten
Zwischenhocheinfluss anzeigt (Azorenhochkeil), steht der überlagerte, immer
schmaler werdende Höhentrog für leichte Wechselhaftigkeit (einzelne Schauer,
vielleicht ein kurzes Gewitter, aber keine Bambule).

Bereits am Donnerstag gelangen wir auf die Vorderseite eines neuerlichen
Höhentrogs über dem nahen Atlantik. Er beschert uns bis auf Weiteres eine mal
mehr, mal weniger zyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung, unter der
sich abermals ein schleifendes Frontensystem einfindet. Der Fortbestand der
unbeständigen und nassen Witterung scheint demnach ausgemachte Sache, während
die Details noch extrem unsicher sind.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Sowohl im Hinblick auf die Konsistenzbetrachtung des IFS (ECMF) in sich als auch
auf den Modellvergleich untereinander lässt sich eines ganz klar konstatieren:
Die Numerik hat erhebliche Schwierigkeiten mit der Großwetterlage und damit auch
mit den Vorhersagen. Gestörte Zirkulationsmuster mit blockierenden Hochs über
Nord- und/oder dem nahen Osteuropa gehören offensichtlich nicht zu den
Lieblingen der Modelle, was aktuell einmal mehr offensichtlich wird. So muss
auch heute wieder ähnlich wie gestern mit vielen Allgemeinplätzen hantiert
werden, weil Detailprognosen ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nicht mehr
möglich sind. Gleichwohl lassen sich einige Charakteristika der
Mittelfristvorhersage herausarbeiten: unbeständig mit wiederholten Regenfällen
jedweder Art (gewittrig/ungewittrig, beides mit Starkregengefahr (kurzzeitig,
aber auch mehrstündig), auch Dauerregen möglich), dazwischen aber auch trockene
Phasen oder nur wenig Niederschlag und Sonne-Wolken-Mix. Temperaturniveau mäßig
warm bis warm, auf alle Fälle aber nicht heiß.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits angedeutet, haben auch die anderen etablierten Globalmodelle
Schwierigkeiten, die Prognose einigermaßen seriös in den Griff zu bekommen.
Allein der Blick auf die akkumulierten Regenmengen bis nächsten Donnerstag weist
große Unterschiede bei der räumlichen Verteilung und der Intensität auf.
Geometrie und Timing des vom Atlantik übergreifenden Höhentrogs werden jeweils
individuell behandelt und auch von Lauf zu Lauf anders. Ein vorzeitiges
Abtropfen westlich von uns scheint vom Tisch, stattdessen steht nun ein
abgeschwächtes, wie auch immer geartetes Übergreifen hoch im Kurs. In Bezug auf
die Temperaturentwicklung Richtung Wochenmitte ist IFS am kühlsten aufgestellt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen im Großen und
Ganzen eine Seitwärtsbewegung mit Schwingungen und einem relativen Temperatur-
und Potenzialminimum am Dienstag/Mittwoch (im Nordosten etwas verzögert). Dabei
ist der Verlauf zunächst eng gebündelt, bevor der Spread im Laufe der nächsten
Woche graduell zunimmt und in die klassische Deltaform übergeht. Der Hauptlauf
bewegt sich bei beiden Parametern tendenziell eher im unteren Bereich der
Kurvenscharen. Die Niederschlagssignale variieren stark, zeigen aber am Sonntag
ein klares Minimum insbesondere im Westen und Süden.

Die drei Cluster für den Zeitraum T+72…96h (Sonntag/Montag) müssen nicht näher
erörtert werden, weil sie bezogen auf den Vorhersageraum keine signifikanten
Unterschiede aufweisen. Drei Cluster werden auch für Dienstag bis Donnerstag
(T+120…168h) angeboten. Alle zeigen das Übergreifen des Höhentrogs vom nahen
Atlantik in abgeschwächter Form. Auch sonst sind die Felder ähnlich, so dass
keine klaren Unterschiede extrahiert werden können. Das sieht in der erweiterten
Mittelfrist ab Freitag (T+192…240h) anders aus, auch wenn die Zahl Drei bestehen
bleibt. CL 1 (20 Fälle + HL) favorisiert Trogvorderseite mit zyklonaler
südwestlicher Höhenströmung. CL 2 (16 Fälle) setzt auf antizyklonale
Verhältnisse mit Potenzialanstieg über Mitteleuropa, vor allem aber über
Südskandinavien. CL 3 (15 Fälle) wiederum lässt den neuen atlantischen Trog
durchschwenken, um danach eine Zonalisierung anzustreben. Mit anderen Worten,
nichts Genaues weiß man nicht!

FAZIT:
Mittelfristig deutet sich die Fortdauer der unbeständigen, mäßig warmen bis
warmen Witterung an. Dabei kommt es immer zu teils kräftigen Gewittern und
Regenfällen, die das Potenzial für Starkregen haben, aber auch mal länger
andauern können (schleifende Kaltfront zu Wochenbeginn). Gut möglich, dass sich
zur Wochenmitte mal eine kurze Ruhephase mit weniger Gewittern und weniger Regen
einstellt. Ob sich diese Phase bis in die erweiterte Mittelfrist zieht oder
bereits ab Donnerstag schon wieder eliminiert wird, ist noch offen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Das Hauptaugenmerk im Genre „signifikante Wettererscheinungen“ liegt auf den
bevorstehenden Gewittern respektive Starkregenfällen. Aufgrund mangelnder
Dynamik und wenig Organisationstalent der Zellen liegt bei den Begleitparametern
der Starkregen ganz weit vorne – nicht nur in kurzen Zeiträumen, sondern auch
mehrstündig durch Verclusterung oder Mehrfachtreffer. Ob das Übergreifen der
Kaltfront bzw. des Troges in abgeschwächter Form ausreicht, den Gewittern etwas
mehr Pepp zu verleihen und damit die Hagel- und Sturmgefahr zu erhöhen, ist
z.Zt. noch fraglich. Das Hauptproblem dürfte aber die Regionalisierung der
Regenfälle und Gewitter sein, die derzeit noch sehr heterogen simuliert wird.

Neben den Gewittern und dem Starkregen könnte auch Dauerregen ein Thema werden,
vor allem am Montag und Dienstag mit Übergreifen der schleifenden Kaltfront.
Allerdings stehen auch diesbezüglich noch einige Fragezeichen im Raum.
Interessant sind die bis Donnerstag aufakkumulierten Gesamtmengen (also
„normaler“ Regen + Starkregen + Dauerregen), die jeweils mit regional
unterschiedlicher Schwerpunktsetzung gebietsweise zwischen 40 und 80,
stellenweise sogar um 100 l/m² liegen.

Basis für Mittelfristvorhersage
Mischung aus Modell-Mix, MOS-Mix und IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann