S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.05.2024 um 10.30 UTC

Unbeständiges, mäßig-warmes Wetter mit Gewitter- und Starkregengefahr, teils
auch Dauerregen und lokal Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 29.05.2024

Auch in der Mittelfrist bleibt die Zirkulation über Europa nachhaltig gestört.
Zwar wird das hochreichende, blockierende Hoch über Westrussland langsam
abgebaut, gestützt von kräftiger, meridionaler WLA auf der Vorderseite eines
sich regenerierenden Troges über dem nahen Ostatlantik kann sich über dem
Nordmeer und Skandinavien aber die nächste blockierende und sehr kräftige
Antizyklone etablieren. Sie verlagert ihren Schwerpunkt im Laufe der Mittelfrist
langsam ostwärts nach Westrussland. Deutschland verbleibt an der
Süd-/Südostflanke des Blockadehochs im Bereich eher schwacher Geopotenzial- und
Luftdruckgegensätze. Dabei sorgen kleine Störungen, deren Vorhersage aber großen
Unsicherheiten unterliegt, für einen insgesamt unbeständigen Wettercharakter mit
zumeist konvektiven Niederschlägen, inklusive erhöhten Starkregenpotenzials.
Dabei bleibt es für die Jahreszeit im Schnitt leicht zu warm.

Am Samstag liegt Deutschland im Einflussbereich eines Höhentiefkomplexes mit
Zentren wahrscheinlich irgendwo über dem Alpenraum und dem Westen Deutschlands
bzw. Benelux. An seiner Ostflanke schwenkt ein Kurzwellentrog nordwärts. Dieser
stützt ein flaches, diffuses Tiefdruckgebiet, das sich von der Mitte
Deutschlands langsam nach Nordwesten zur Nordsee verlagert. In feucht-warmer und
instabiler Luft bauen sich im Tagesverlauf einige Hundert J/kg ML-CAPE auf,
wobei der Schwerpunkt mit bis zu 1000 J/kg in der feuchtesten Luft in der
Nordhälfte des Landes zu finde sein dürfte. Die pulsierenden Einzel- und
Multizellen bringen vor allem dort bei PPWs bis 30 mm Starkregen, lokal bis in
den Unwetterbereich. Hagel und Sturmböen sind ebenfalls nicht ausgeschlossen,
spielen aber eher eine untergeordnete Rolle.

Am Sonntag zieht der südliche Teil des Höhentiefkomplexes zum Zentralen
Mittelmeer, der nördliche wird in die Zirkulation des auf die Britischen Inseln
übergreifenden Troges integriert und als Randtrog über Deutschland nordwärts
gesteuert. Die Luftdruckgegensätze über Deutschland sind schwach, allerdings
sickert in die Westhälfte eine etwas trockenere und weniger energiereiche Luft
ein, was die Schauer- und Gewittertätigkeit dämpft. Erst abends und nachts
könnte mit Übergreifen eines weiteren kurzwelligen Troges und einer schwachen
Kaltfront von Westen schauerartige Regenfälle aufkommen. In der Osthälfte wird
in der sehr feuchten und instabilen Luft dagegen wieder reichlich CAPE aufgebaut
(Größenordnung ~1000 J/kg), was zu Bildung von teils kräftigen Gewitter führt,
die wieder vornehmlich Starkregen bringen, lokal bis in den Unwetterbereich.

Zu Beginn der nächsten Woche wird die Vorhersage noch deutlich unsicherer.
Völlig unklar ist, was mit dem Westeuropatrog passiert. Nähert er sich weiter an
und greift am Dienstag gar auf Deutschland über oder tropft er bereits über
Westeuropa ab? In jedem Fall liegt die Osthälfte noch längere Zeit in der sehr
feuchten und instabilen Warmluft, in der wiederholt kräftige Gewitter zu
erwarten sind. Da die Scherung mit Trogannäherung tendenziell zunimmt, besteht
neben Starkregen auch durch größeren Hagel und (schweren) Sturmböen erhöhte
Unwettergefahr. Nach Westen zu sind zwar auch Schauer und Gewittern möglich,
diese Fallen in der kühleren Meeresluft, die hinter der langsam ostwärts
schwenkenden, schwachen Kaltfront einfließt, wahrscheinlich aber weniger kräftig
aus. Dafür besteht – insbesondere für den Fall eines stationären oder
abtropfenden Westeuropatroges – entlang der schleifenden Kaltfront Stark- und
Dauerregen-Potenzial.

Über die Entwicklung nach Wochenmitte lässt sich nur noch philosophieren.
Nachdem der erwähnte Trog, in welcher Form auch immer, „Geschichte“ ist, scheint
sich über dem Nordostatlantik ein neuer, umfangreicher und kräftiger Trog
etablieren zu wollen mit ebenso kräftigem Rücken auf dessen Vorderseite. Wo die
Achsen der beiden Systeme liegen werden, bleibt aber völlig ungeklärt. Von Hoch
Mitteleuropa und sehr warmem Sommerwetter bis hin zu einer zyklonalen
Südwestlage mit neuen, unwetterartigen Gewittern scheint alles möglich.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die einzige Konstante in den jüngsten IFS-Läufen ist das blockierende Hoch über
Nord- und Osteuropa. Was mit den Trögen und kleinen Cut-Off-Tiefs an seiner Süd-
und Westflanke passiert, bleibt indes völlig unklar, denn jeder Modelllauf
tischt da etwas anderes auf. Nimmt man von einer genauen zeitlichen und
räumlichen Prognose Abstand, was unbedingt ratsam ist, ergibt sich für
Deutschland aber ein vergleichbarer Wettercharakter: Unbeständig mit Schauern
und Gewittern bei für die Jahreszeit allenfalls leicht zu hohem
Temperaturschnitt. Aufgrund der eher „sumpfigen“ Konstellation steht der
Starkregen (teils auch mehrstündig und nicht-gewittrig) im Fokus, wobei lokale
Unwetter nie ausgeschlossen werden können. Ob die Variante mit dem etwas
kräftigeren und auf Deutschland übergreifenden, atlantischen Trog aus den beiden
jüngsten IFS-Läufen (12Z/00Z) eintritt, bleibt fraglich. Die älteren Läufe
hatten das noch nicht auf dem Schirm. Jedenfalls wäre dann auch eine etwas
dynamischere Gewitterlage mit Hagel und Sturmböen vorübergehend möglich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Das „Problem“ mit dem atlantischen Trog zu Wochenbeginn tritt auch beim
Vergleich mit den anderen deterministischen Modellen zutage. ICON, UK10 und UKMO
liegen eher auf der Schiene „über Westeuropa abtropfender Trog“, während GFS den
Trog generell deutlich schwächer rechnet und nur „schlabbernd“ auf Deutschland
übergreifen lässt. Mit der Variante der kräftigen Trogpassage und nachfolgendem
Luftmassenwechsel ist IFS also noch allein auf weiter Flur.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS für Geopotenzial und Temperatur sind bis
einschließlich Sonntag eng gebündelt und der deterministische Lauf stets gut
eingebettet. Am Montag, insbesondere am Dienstag blähen sich die Rauchfahne
schlagartig auf. Während der Großteil der Member sowohl bezüglich der
Temperatur, als auch im Hinblick auf das Geopotenzial eher eine
Seitwärtsbewegung ausführen, schmieren einige wenige Member vorübergehend nach
unten ab, wobei sich der deterministische Lauf ganz unten wiederfindet. Der
recht knackige Trogpassage des IFS-Laufs von 00Z scheint also (noch) eher
unwahrscheinlich, wahrscheinlicher ist ein Abtropfen westlich oder eine
schwächere Trogpassage. Ab Wochenmitte bündelt sich die Memberschar
erstaunlicherweise wieder etwas stärker, die Mehrheit der Ensemblemitglieder
legt bei Geopotenzial und Temperatur leicht zu, auch der deterministische Lauf
gliedert sich wieder besser ein.

FAZIT: Auch die Mittelfrist ist gekennzeichnet durch zyklonales, mäßig-warm
temperiertes Wettergeschehen mit zumeist konvektiven Niederschlägen und eher
lokaler Unwettergefahr. Zu Beginn der nächsten Woche könnte mit einem
schleifenden Frontensystem allerdings auch wieder etwas flächigerer, ergiebiger
Regen ins Spiel kommen, sodass bis Wochenmitte regional erneut mit erheblichen
Gesamt-Niederschlagssummen und Hochwassergefahr zu rechnen sein wird. Die
Prognose der Niederschlagsschwerpunkte unterliegt aber großen Unsicherheiten,
genauso, wie die sich nach Wochenmitte andeutende Wetterberuhigung und
Erwärmung.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER/STARKREGEN:
Über die komplette Mittelfrist hinweg besteht mal mehr, mal weniger großes
Gewitterpotenzial, wobei über die meiste Zeit wenig dynamische Bedingungen
herrschen und klar der (lokale) Starkregen im Fokus steht. Mit Zusammenwachsen
der Gewitter kann auch mehrstündiger, nicht-gewittriger und etwas flächigerer
Starkregen auftreten. Aufgrund der Unsicherheit im Hinblick auf die
wetterwirksamen, kleinen Störungen ist die Prognose der Gewitter- und
Niederschlagsschwerpunkte aber mit großen Unsicherheiten behaftet. Tendenziell
scheinen am Wochenende eher die Nord- und Osthälfte im Fokus zu stehen. Dort
sind am ehesten auch Unwetter durch heftigen Starkregen möglich, wenngleich sich
eine überregionale Unwetterlage aktuell nicht abzeichnet. Montag, Dienstag und
Mittwoch ist eine Regionalisierung nicht mehr ratsam, allerdings nimmt die
Wahrscheinlichkeit für organisierte Gewitter mit von Westen möglicherweise
zunehmender Scherung etwas zu, was auch größeren Hagel und (schwere) Sturmböen
etwas stärker in den Blickpunkt rückt.

DAUERREGEN:
Am Montag und Dienstag besteht mit einer eventuell über Deutschland schleifenden
Kaltfront erhöhtes Dauerregenpotenzial (30-50 mm/24 h). Auch
Unwetter-Warnschwellen (>50 mm/24 h) könnten gerissen werden. Zusammen mit den
konvektiven Niederschlägen ergeben sich teilweise wieder erhebliche
Niederschlagssummen (akkumuliert bis Wochenmitte gebietsweise 50-80 mm,
stellenweise um 100 mm).

Basis für Mittelfristvorhersage
Deterministischer Modellmix (ICON/IFS), IFS-EPS und MOS-Mix (anfangs)

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser