#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 22.03.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 221800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.03.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
KILIA und der Trog – wechselhaftes, zeitweise windiges und kühles Wochenende.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Aktuell … ist der schon seit Tagen für das Wochenende apostrophierte
Wetterwechsel hin zu TrM (Trog Mitteleuropa) in vollem Gange, wenn auch noch
nicht überall. So konnte man sich heute in Süddeutschland noch mal über einen
sonnigen und sehr milden Frühlingstag freuen (am Oberrhein z.T. um 21°C!), bevor
es am morgigen Samstag ordentlich eins aus die Fr…, Verzeihung, auf die Mütze
gibt. Doch dazu später mehr. Fangen wir wie üblich mit der Großwetterlage an,
die geprägt ist von einem überaus wuchtigen Sturmtief zwischen Island und
Südnorwegen, das den Namen KILIA trägt und heute Abend mit einem Kerndruck von
etwas unter 975 hPa ausgestattet ist. Das sind übrigens eine Handvoll
Hektopascal mehr als heute Morgen, was anzeigt, dass die gute KILIA ihren
Karrierehöhepunkt bereits überschritten hat. Doch keine falschen Schlüsse ziehen
bitte, das Mädel ist immer noch prominent genug aufgestellt, um das Wetter am
Wochenende bei uns in eine Richtung zu lenken, die nicht jedem Zeitgenossen
gefallen wird. Aber nun, wie heißt es so schön in einer der berühmtesten
Wetterplattitüden ever: „Wetter ist kein Wunschkonzert“ – Stimmt!
Zurück zur Lage also, wo sich die gute KILIA einiger substanzieller Handlanger
bedient, ohne die es einfach nicht geht. An erster Stelle wäre da ein sehr
solider „Jungtrog“ mit ordentlich Entwicklungspotenzial zu nennen, der z.Zt.
noch über Westeuropa liegt. Jungtrog deswegen, weil seine Amplitude bei Weitem
noch nicht ausgereizt ist, was sich aber bald ändern wird. So wird rückseitig
des Tiefs schon seit Stunden ordentlich Kaltluft polaren Ursprungs
hineineingepumpt, die für Potenzialverlust und ein Anwachsen der Amplitude
sorgt. Gleichzeitig macht der Trog Boden nach Osten hin gut, wo er nach
Mitternacht die südwestliche Nordsee und Frankreich erreicht. Das ist insofern
von Bedeutung, als dass vorderseitig der Druck fällt und an der über
Norddeutschland und BeNe liegenden Kaltfront – womit wir bei Handlanger #2
angekommen wären – eine nicht zu übersehende Welle generiert wird. Diese Welle
kann durchaus als „Baby“ der alles überstrahlenden KILIA angesehen werden,
weshalb ihr auch der Name KILIA III verpasst wurde (KILIA II gibt es auch noch,
spielt als nordeuropäisches Teiltief für uns aber keine Rolle). Viel wichtiger
als ihr Name ist die Vita der Welle, die im Laufe der Nacht genau über die Mitte
des Landes in Richtung Erzgebirge zieht.
Die Progression der baroklin sehr gut aufgestellten Kaltfront in Richtung
Süd/Südost wird durch die Wellenpassage nachvollziehbar hinausgezögert. Erst
nach Mitternacht kommt zunächst im Westteil eine merkliche und vor allem
beschleunigte Süd-Südostverlagerung der Front in Gang, die nicht nur die Zufuhr
maritimer Polarluft (mP; Rückgang T850 auf Werte um -4°C, gleichzeitig
präfrontal noch bis zu +7°C im Alpenvorland) einleitet, sondern zudem mit
kräftigem Druckanstieg einhergeht. Dieser spiegelt sich in Form eines bis nach
Westdeutschland reichenden Hochkeils wider, der wiederum das östliche Ende des
über dem Ostatlantik thronenden Azorenhochs markiert.
So weit, so schön, und was bedeutet das nun fürŽs Nachtwetter? – Nun, zunächst
mal eine Menge Regen, wie es üblich ist für wellende Fronten. War tagsüber noch
vornehme Zurückhaltung geboten, intensivieren sich die frontalen Niederschläge
mit Passage der Welle. Der meiste Regen fällt dabei in einem Korridor, der von
NRW und dem nördlichen RP bis hinüber in den Berliner Raum reicht. 12-stündige
Mengen zwischen 5 und 10 l/m² sind keine Seltenheit und in einigen Staulagen der
Mittelgebirge kann es gar Richtung 15 oder 20 l/m² gehen. Apropos Mittelgebirge,
mit Eintreffen der Kaltluft sinkt die Schneefallgrenze im Westen und Norden auf
unter 1000 m, was in den dortigen Hochlagen einen Phasenübergang von flüssig zu
fest zur Folge hat. Für eine großartige Schneeakkumulation wird es aber nicht
reichen, weil erstens die Vorgeschichte nicht passt (zu warme Böden) und
zweitens die Korrelation zwischen Niederschlagsandauer und Eintreffen der
Kaltluft nicht optimal ist. Gleichwohl, wer der Meinung ist, frühmorgens schon
über den Oberharz karriolen zu müssen oder den Kahlen Asten im Sauerland
anzusteuern, sollte sich über Schneematsch oder etwas nassen Schnee auf den
Straßen nicht wundern.
Weitgehend trocken bleibt es im bereits jetzt schon postfontalen
Norddeutschland, wo erst gegen Morgen mit Annäherung der höhenkalten Luft erste
Schauer auf und an der Nordsee ihr Stelldichein geben. Auch präfrontal hält sich
der Niederschlag vielerorts noch zurück, insbesondere auf bayerischer und
fränkischer Seite. Dagegen setzen nach Südwesten hin in der zweiten Nachthälfte
unter der diffluenten Trogvorderseite schauerartige Regenfälle ein.
Zweite Baustelle neben dem Niederschlag ist der südwestliche, später auf West
bis Nordwest drehende Wind, der im Südwesten unmittelbar vor der Front sowie mit
Frontdurchgang und nachfolgendem Druckanstieg in freien Lagen und im Bergland
soweit auffrischt, dass er in Böen Stärke 7 Bft, in Hochlagen je nach Exposition
8 bis 9 Bft, auf dem Schwarzwälder Feldberg vielleicht sogar 10 Bft erreicht.
Auch über der Deutschen Bucht kommt der westliche Wind so langsam in die
Puschen, dürfte bis zum Morgen auf Land- und Inselseite aber noch unter der
neuralgischen Marke 7 Bft bleiben.
Während wir im Süden nicht mal ansatzweise über Frost nachdenken müssen, wird es
auch im Norden trotz entsprechender Luftmasse und zeitweiligem Aufklaren nicht
für negative Tiefsttemperaturen reichen, weil sich der Wind nicht gänzlich
Schlafen legt. Einzig in einigen Hochlagen (z.B. im Oberharz) konvergiert das
Thermometer gen Gefrierpunkt.
Samstag … läuft die Kaltfront im Laufe des Vormittags zügig über den
weiß-blauen Freistaat hinweg in Richtung Österreich und Tschechien. Derweil
verabschiedet sich die Welle vom Erz- zum Riesengebirge. Nachfolgend wird der
Vorhersageraum mit einer frischen Portion labil geschichteter maritimer
Polarluft geflutet, in der T850 auf bis zu -5°C im Westen und Nordwesten
zurückgeht. Noch kälter wird es weiter oben, weil der o.e., sich noch etwas
amplifizierende Höhentrog genau über Mitteleuropa legt. Er wird betankt mit
grundsolider Höhenkaltluft, die auf 500 hPa bis zu -35°C kalt ist. Damit bzw. im
Verbund mit dem Ende März doch schon recht hohen Sonnenstand sind optimale
Voraussetzungen für sehr wechselhafte Wetterabläufe der Marke „Aprilwetter“
geschaffen, die auch am Sonntag noch andauern.
Zunächst mal splitten sich die skaligen Niederschläge in einen frontalen Teil
auf, der am Vormittag die Alpen ansteuert, sowie einen Wellenteil, der über die
östliche Mitte nach Osten abzieht. Erst danach kommt mit Hilfe des Tagesgangs
eine rege konvektive Aktivität in Gang, die neben zahlreichen Regenschauern auch
Graupelschauer sowie kurze Gewitter mit Graupel oder kleinkörnigem Hagel sowie
Böen 7-8 Bft aufs Parkett zaubert. Im Bergland schwankt die Schneefallgrenze je
nach Intensität der Schauer zwischen 400 und 800 m (im Süden höher als nach
Nordwesten hin), die Schneegrenze (also die Höhe, ab der was liegenbleibt)
dürfte aber etwa 200 bis 400 m darüber liegen.
Neben den zahlreichen Schauern (zwischen denen aber auch immer mal wieder die
Sonne ein paar Kurzauftritte genehmigt bekommt) spielt auch der Wind eine nicht
unwichtige Rolle. Zunächst mal gilt es die Druckanstiegswelle im Süden zu
würdigen, deren isallobarische Komponente nicht zu unterschätzen ist. Gerade im
Alpenvorland frischt der auf westliche Richtungen drehende Wind am Morgen und am
Vormittag merklich auf mit Böen 7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft. Darüber hinaus legt
der westliche Wind auch in den meisten übrigen Gebieten nicht unerheblich zu,
wobei neben dem Gradienten auch die Konvektion respektive der Tagesgang als
treibende Kraft fungieren. Zwar füllt sich das Sturmtief zwischen Färöers und
Svinöy (NOR) weiter auf in Richtung 985 hPa, trotzdem reicht der Gradient wegen
des Druckanstiegs im Süden/Südwesten aus, um die Windmaschinerie leidlich in
Szene zu setzen. Mit Ausnahme des Nordostens, wo alle Modelle ein Windminimum
simulieren und wohl nur in Verbindung mit Konvektion einzelne Böen 7 Bft
(Gewitter vielleicht 8 Bft) auftreten, erreicht der westliche Wind in Böen
Stärke 7-8 Bft, in höheren Lagen teils 9 Bft, exponiert sogar 10 Bft.
Mit dem Luftmassenwechsel geht ein markanter Richtungswechsel bei der Temperatur
einher, die morgen nur noch auf Höchstwerte zwischen 6 und 11°C kommt. Gerade
für Süddeutschland bedeutet das einen regelrechten Temperatursturz um bis zu 10
Grad gegenüber heute. Da bringt es auch nicht viel, dass das Quecksilber im
südöstlichen Oberbayern am Vormittag vielleicht noch etwas höher steigt als
11°C. Spätestens am Nachmittag ist auch dort Schluss mit lustig.
In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Haupttrogachse nach Osten. Da aber
gleichzeitig ein weiterer Randtrog von der Nordsee in die Rückseite hineinläuft,
wird der Trog nicht nur regeneriert, sondern auch scheinbar retrograd. Zwar
verringert sich das konvektive Geschehen tagesgangbedingt vorübergehend, zum
Erliegen kommt es aber mitnichten. Gerade im Süden werden weitere schauerartige
Niederschläge erwartet, die teils bis in tiefe Lagen als Schnee oder zumindest
in der Mischphase fallen. Oberhalb etwa 400 bis 600 m könnte sich dabei eine
dünne Schneedecke generieren. Im Westen und Nordwesten besorgt der o.e. Randtrog
die nötige Hebung, um in Nachthälfte #2 von der Nordsee und Benelux her weitere
Schauer oder schauerartigen Regen zu initiieren. Dagegen bleibt es in weiten
Teilen Ost- und Nordostdeutschlands sowie in der östlichen Mitte weitgehend
trocken. Bei längerem Aufklaren kann die Luft stellenweise bis auf
Gefrierpunktnähe abkühlen, leichter Frost in Bodennähe (und auch etwas Glätte
insbesondere im Bergland) sollte allemal einkalkuliert werden.
Der auf Südwest rückdrehende Wind lässt vorübergehend nach, ohne aber ganz sein
Wirken einzustellen. Der Gradient auf der Südflanke des auf die Deutsche Bucht
zusteuernden Tiefs KILIA I ist trotz weiteren Auffüllens auf nahe 990 hPa in der
Lage, einen gewissen Restwind aufrechtzuerhalten. Auf den meisten Bergen bleibt
es gar stürmisch und an der Nordsee dauert es lange, bis die Böen die
neuralgische Marke 7 Bft unterschreiten.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag … dauert die windige und wechselhafte Troglage an. Details sind der
heutigen Frühübersicht zu entnehmen.
Modellvergleich und -einschätzung
Der Kurs ist eindeutig, die Modelldifferenzen gering.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann