SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.02.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Ein Sturmtief zieht von Südengland über die südliche Nordsee bis zur Küste
Dänemarks und sorgt für orkanartige Böen im Nordwesten.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Aktuell … liegt ein ausgeprägter Langwellentrog über dem Atlantik. Seine Achse
erreicht gerade Irland. Dem gegenüber steht eine ausgedehnte Hochdruckzone über
Zentralasien, gegen die der Trog anläuft. Das steuernde Zentraltief liegt
südlich von Island. Über dem Süden Englands bildet sich im linken Ausgang des
Jets ein Tiefdruckgebiet, das über Südengland, die südliche Nordsee zieht. Es
erreicht in der Nacht das Seegebiet vor der Küste Dänemarks mit einem Kerndruck
von ungefähr 963 hPa.

Dabei ergibt sich eine doppelte Jet-Struktur, wobei aber der linke Ausgang
gegenüber dem rechten Eingang dominiert, sodass sich eine nicht ganz
lehrbuchhafte bzw. klassische Shapiro-Keyser-Zyklone mit markantem
Cold-Convejor-Jet (CJ) entwickelt. Dieser trifft mit seinem Sturmfeld auf den
Nordwesten Deutschlands.

STURM – GEWITTER-ENTWICKLUNG:

Ab dem Abend gibt es eine rasche allgemeine Windzunahme mit verbreiteten
stürmischen oder Sturmböen. Die höchsten Windgeschwindigkeiten werden dabei an
der Kaltfront erwartet, die jetzt bereits über Frankreich und Belgien gut
organisiert als mit Gewittern durchsetzter Linie im Radar sichtbar ist und in
den nächsten Stunden auf Deutschland übergreift. Bisher wurde die maximale Böe
mit 112 km/h an ihr gemessen. Nach ICON-D2-12z sollen sich die Strukturen in der
Front allmählich abschwächen, da sie von der Dry-Intrusion überlaufen wird und
die Stratosphäre bis in die mittleren Schichten abtrocknet. Nach SuperHD und
ICON-RUC-12z sieht die Front besser strukturiert aus. Insbesondere über dem
nördlichen NRW bis über das Emsland sind Gewitter an einer 2. Linie, die als 2.
Kaltfront interpretiert werden kann und vermutlich gegenüber der 1. Front das
Rennen macht, möglich. Bei einer Low-Level-Scherung von > 20m/s (DLS > 40 m/s)
und leicht gekrümmten Hodographen sind an stärkeren Entwicklungen dort Tornados
nicht ausgeschlossen. Ansonsten bringen auch ICON-RUC und SuperHD schwere bis
orkanartige Böen (Bft 10-11) an einzelnen Zellen der Kaltfront. Gewitter sind
somit mit Unwetter abzuwarnen ansonsten sollte im Nowcasting auf etwaige
Bogensegmente, Hook-Echos oder Broken-S-Strukturen geachtet werden.

In den simulierten IR-Satellitenbildern von ICON-D2 zeichnet sich ein gut
definierter Wolkenkopf an einer Back-Bent-Okklusion aus, deren südlicher Bereich
von der Dry-Intrusion überlaufen wird und der Wolkenkopf über Schleswig-Holstein
(2 UTC) an seinem Südostende weg getrocknet wird. An ihm wird ein CJ-Maximum mit

70 kt auf 850 hPa und > 50 kt auf 950 hPa berechnet, was für orkanartige Böen
in diesem Bereich spricht. Die Lokalmodelle rechneten in den Vormittagsläufen
noch mit 140 – 150 km/h Böen an der Schleswig-Holsteinischen Küste und auf den
Inseln, im Binnenland teilweise bis 120 km/h. Neuere Läufe nahmen die
Windspitzen sugzessive zurück, sodass im neuen ICON-D2-Lauf nur noch mit
Orkanböen auf den Inseln zu rechnen ist. An der Spitze des weg trocknenden
Wolkenkopfes werden dabei die höchsten Böen simuliert. Die Dry-Intrusion ist
dabei in den Modellen allerdings nicht so stark ausgeprägt, wie man es bei
klassischen SK-Zyklonen mit Sting-Jet (SJ) wie beispielsweise CHRISTIAN (2014)
kennt. Sie reicht bis etwa 850 hPa, danach schließt sich eine stabile Schichtung
an, die vertikalen Impulsaustausch behindern sollte. In den neueren Modellen ist
sie in der Nähe der Beck-Bent-Okklusion kaum noch auszumachen. Die Windböen in
den Modellen sind daher vom CJ-Jet getrieben. Die Entwicklung eines SJ wird
daher derzeit als sehr unwahrscheinlich angesehen. Sodass extreme Warnungen für
den Küstenbereich nach den neusten Läufen nicht mehr zu erwarten sind.

Eine weitere Gefahrenzone ist der südliche Bereich des Wolkenkopfes, rückseitig
der Kaltfront, wo die bereits erwähnte, aber nicht sehr stark ausgeprägte
Dry-Intrusion weit in die Troposphäre eindringt und für Auflockerungen sorgt. In
einem breiten Streifen von Küste bis zum nördlichen NRW bis zur Lübecker Bucht
ziehend ist die Grenzschicht unterhalb der Absinkinversion labil geschichtet
(LL-Lapse-Rates 0,8 – 0,9 K/100 m) und der vertikale Impulstransport des
Höhenwindes (> 75 kt auf 850 hPa) stark ausgeprägt. ICON-D2-09z reagierte mit
verbreiteten orkanartigen Böen auf diesen Umstand. Dies wurde im 12z-Lauf und im
ICON-D2 15z wieder zurückgerechnet. Sollte sich diese Abschwächung in neueren
Läufen nicht erhärten, wird sich weiteren vorbehalten, die Unwetterwarnung
eventuell nach Süden auszudehnen. Zumal auch verbreitet 10er-Böen wegen der
aufgeweichten Böden und der daraus folgenden Entwurzlungsgefahr der Bäume auch
dies einen unwetterartigen Impact hätte.

Weiter südlich schließt sich in der Nacht eine breite Zone mit stürmischen bis
Sturmböen an, die wie ausgeführt an der Kaltfront im Westen auch einige
10er-Böen enthalten kann.

DAUERREGEN:

Aktuell laufen Dauerregenwarnungen im Südweststau der westlichen Mittelgebirge.
Bisher sind dort 20- 35 mm gefallen erwartet werden noch 10 bis 15 mm, sodass
dort nicht nachgebessert wird und die Warnungen nach Durchzug der Kaltfront
aufgehoben werden.

SCHNEE: Ab der 2. Nachthälfte gehen die Niederschläge an den Alpen in Schnee
über. In tieferen lagen geschieht dies recht spät, sodass sich die
Neuschneemengen dort in Grenzen halten. Entsprechende Warnungen laufen.

Freitag … zieht das Sturmtief unter Abschwächung weiter nach Südnorwegen. Die
Achse des Troges erreicht Westeuropa, wobei bei uns durch den Atlantik gut
vorgewärmte maritime Subtropikluft einfließt (850 hPa-Temperatur ~-3 °C). Der
Gradient fächert deutlich auf, sodass der Sturm bereits am morgen deutlich
nachlässt. Die anschließenden Windwarnungen werden zeitnah nach Durchzug des
Hauptsturmfeldes ausgangs der Nacht ausgegeben. Am östlichen Alpenrand und
oberhalb von 800 m im Bayerwald fällt noch etwas Schnee. Im Westen gibt es
Schauer, die in den Gipfellagen der Mittelgebirge als Schnee fallen. Dort bleibt
allerdings nichts liegen. Dazwischen dominiert Absinken.
Die Nacht zum Samstag verläuft ruhig, teils aufgelockert, wenige Schauer im
Westen. In den Mittelgebirgen gibt es lokal Frost mit Glätte.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag … wenig Änderung zu den Vorläufen: Der Trog kommt weiter ostwärts
voran. Dabei dominiert weiterhin maritime Subpolarluft, der Westen wird von den
Ausläufern eines neuen, diesmal deutlich schwächeren Randtiefs mit Schauern
beeinflusst, die in den Gipfellagen etwas Schnee bringen. Ansonsten bleibt es
überwiegend trocken. Zudem frischt in der Nordwesthälfte an der Südostflanke des
Tiefs der Wind in der Nordwesthälfte stark böig auf.

Modellvergleich und -einschätzung

Bezüglich der Tiefzugbahn haben sich die Modelle immernoch nicht ganz einig.
Größere Unterschiede bestehen noch bezüglich des Ausgreifens der orkanartigen
Böen nach Süden und der Intensität der Kaltfront. Das Präoperationelle
ICON-RUC-14z zeigt nun die Zugbahn etwas weiter nördlich und die das Maximum
somit für Deutschland deutlich abgeschwächt. Ansonsten läuft bisher alles nach
Plan.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold