SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 19.01.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Zunächst Hochdruck, Norden/Nordosten mit Randlage. Ab Sonntag Druckfall, aber
noch relativ entspannter Übergangstag. Ab Montag dann deutlich zyklonaler mit
Wind/Sturm und Niederschlägen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … wird aus ganz Deutschland Druck- und Potenzialanstieg gemeldet. Kein
Wunder, sind doch das Hoch CORVIN und ein korrespondierender Höhenrücken dabei,
dem Vorhersageraum immer näher zu kommen. Dabei hinkt der Rücken dem Bodenhoch
etwas hinterher, was aber nichts Besonderes ist. Abgesehen von
atmosphären-physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die diesen Versatz quasi vorgeben,
muss der der Rücken – salopp gesagt – noch warten, bis der stromab vorgeschalte
Höhentrog nach Osten verschwindet, was bis Samstag früh aber weitgehend erledigt
sein dürfte. Derweil nimmt Monsieur CORVIN, genauer das Zentrum des Hochs über
Süddeutschland Platz, wo es auf fast 1035 hPa kommt, was stattlich ist. Unter
den gegebenen Bedingungen verstärkt sich das Absinken und so stellt es keine
Überraschung dar, dass mit Abzug des kalten Troges (im Norden fast -40°C auf 500
hPa) die Temperatur nahezu gesamttroposphärisch steigt. Warum nur nahezu? – Nun,
ganz weit unten in der Troposphäre hat sich eine inzwischen schon etwas
gealterte polare Kaltluft (xP) breitgemacht, die schwer und träge ist und sich
nicht so einfach verrücken lässt. Im Gegenteil, während es nur wenige hundert
Meter weiter oben kontinuierlich wärmer wird, kühlt es in der kalten
Grundschicht in den nächsten Stunden immer mehr ab. Vor allem dort, wo sich die
Wolken auflösen respektive von vornherein gar keine vorhanden sind, sind die
Bedingungen für langwellige Ausstrahlung topp. Kein Wind, relativ trockene Luft,
eine noch nicht allzu alte Schneedecke; Väterchen Frost, was willst du mehr.
Bereits vergangene Nacht hat es insbesondere in der Mitte in einigen Regionen
für strengen Frost, vereinzelt um -15°C gereicht, was gestern etwas unterschätzt
wurde. Auch für die kommenden Nacht operiert gerade MOS mal wieder viel zu
defensiv mit der Abkühlungsrate, hier sind die DMO-Werte aus den Modellen
realistischer. In der Mitte und im Süden kühlt es bei Aufklaren vielerorts auf
-10 bis -15°C, lokal bis zu -18°C ab. In den Flussniederungen Süd- und
Südwestdeutschlands kann sich örtlich Nebel teils mit Sichtweiten unter 150 m
bilden.

Davon, also vom strengen Frost, bleibt man in Norddeutschland weit, weit
entfernt, was natürlich Gründe hat. Dort läuft die Sache etwas anders ab als
weiter südlich, schließlich befindet sich Norddeutschland nur am Rande des
Hochs. Genau genommen liegen die Nordlichter in der kommenden Nacht sogar
zwischen den Stühlen: im Süden das Hoch, knapp nördlich ein kleines, über den
Skagerrak ostwärts ziehendes Tief namens HELGA. Mit mäßigem, Richtung Küste
sogar frischem West-Südwestwind wird nicht nur weniger kalte, sondern auch recht
wolkenreiche Meeresluft advehiert. Etwa nördlich einer gedachten Linie Oldenburg
(Oldb.)-Schwerin bleibt es überwiegend frostfrei. Von SH bis hinüber nach
Vorpommern, vielleicht noch runter bis zur Uckermark zieht in der ersten
Nachthälfte sogar zeitweise etwas Niederschlag durch. Richtung Nordsee meist
Regen oder Schneeregen, sonst Schneeregen oder nasser Schnee, der sich vor allem
in Teilen MVs stellenweise auf 1 bis 3 cm, auf Rügen möglicherweise sogar 5 cm
akkumulieren kann. Darüber hinaus nimmt der Wind an den Küsten vorübergehend
noch etwas zu, so dass neben Böen 7-8 Bft auch die eine oder andere glatte „9“
an den Start geht. Stürmisch einmal mehr auch die berühmten Pappenheimer Brocken
(bis 10 Bft) und Fichtelberg (nur 8 Bft) sowie – „nur“ windig – die Leelagen des
Harzes (6-7 Bft).

Samstag … legt sich der Höhenrücken zusehends über Deutschland. Vorderseitig
eines Troges, der auf den nahen Atlantik zuläuft, wird ordentlich WLA in den
Rücken gepumpt, was diesem natürlich gut gefällt. Lieber ein warmer Rücken als
dass es kalt dem selbigen runterläuft. Spaß beiseite, die WLA stützt den Rücken,
der mittlerweile auch eine stattliche Ausdehnung vorzuweisen hat. Um 12 UTC
reicht seine Achse (500 hPa) von der Iberischen Halbinsel bis hoch nach
Südnorwegen, um von dort in Richtung Ostgrönland „abzubiegen“. Derweil verlagert
sich das Zentrum des Bodenhochs langsam über Süddeutschland hinweg ostwärts,
wobei die Betonung auf langsam liegt. Der Wirkungsradius bleibt nämlich den
ganzen Tag über groß genug, um weiten Teilen des Landes, namentlich der Mitte
und dem Süden, einen ruhigen und sonnenscheinreichen Wintertag zu bescheren. Wer
weiß, vielleicht ist es der letzte dieses Winters, auch wenn der klimatologisch
noch etwas andauert. Hier und da dauert es etwas, bis sich Nebel oder Hochnebel
auflösen. Die Chancen, dass sie das tun, stehen aber sehr gut.

Etwas in der Hinterhand verbleiben die nördlichen und nordöstlichen Landesteile.
Zwar rückt auch dort der Höhenrücken näher und die kleine HELGA entfernt sich
immer mehr in Richtung Baltikum. Blöd nur, dass die schwache Kaltfront des Tiefs
rasch wieder in die Warmfront des nächsten Tiefs übergeht, welches morgen Mittag
dicht vor der Ostküste Islands rumturnt. Somit bleibt die Front relativ lange
schleifend über dem äußersten Nordosten hängen, was dort zwar keine
Niederschläge mehr, wohl aber dichtere Wolken zur Folge hat. Ansonsten bestehen
im übrigen Norddeutschland aber schon Chancen, dass die Wolkendecke mal
auflockert (je weiter südlich, desto besser). Mit Abzug des Tiefs sowie leichter
Aufwölbung des Hochs nach Norden fächert der Gradient etwas auf, was den auf
Südwest rückdrehenden Wind ab Mittag abnehmen lässt. An der Nordsee muss aber
weiterhin mit Böen 7-8 Bft gerechnet werden. Stürmisch bleibt es auf dem Brocken
(bis 10 Bft) und dem Fichtelberg (8 Bft, im Verlauf nachlassend).

Advektiv und absinkbedingt steigt die Temperatur niedertroposphärisch weiter an.
T850 kommt am Abend auf eine Range von rund 0°C in Südbaden bis -6°C in BB und
Ostsachsen. Auf 2 m Höhe sieht es so aus, dass die Temperatur im Norden und
Nordosten auf 1 bis 4°C plus steigt, an der Nordsee noch etwas darüber.
Ansonsten lautet die Devise „teils, teils“, heißt, gebietsweise leichter
Dauerfrost oder 0°C (bei ganz zähem Nebel könnte es sogar für mäßigen Dauerfrost
reichen). Gebietsweise aber auch leichte Plusgrade.

In der Nacht zum Sonntag wandert der Höhenrücken langsam über den Vorhersageraum
hinweg ostwärts und auch das korrespondierende Bodenhoch verabschiedet sich so
ganz allmählich gen nördlichen Balkan. Auf der anderen Seite wird der mittlere
Nordatlantik inzwischen von einer gut aufgeräumten, zunächst recht glatt
konturierten Frontalzone überspannt, deren östlicher Rand UK/Irland immer
näherkommt. Davor, also quasi im diffluenten Ausgangsbereich der Frontalzone,
lässt sich ein kurzwelliger Potenzialtrog ausmachen, der in den Frühstunden die
Nordsee, Benelux und Frankreich erreicht. Wenn man jetzt noch hinzufügt, dass
sich am kalten Rand der Frontalzone ein kräftiges Tief formiert, dann ist
weitgehend klar, in welche Richtung das Pendel auch bei uns schlägt. Zwar
befindet sich das Tief noch weit draußen (um 00 UTC etwas 40°W, knapp 50°N), die
stramme westliche Höhenströmung sorgt aber dafür, dass es rasch ostwärts zieht
und am späten Sonntagabend bereits die Färöer-Inseln erreicht. Wohlbemerkt mit
einem Kerndruck um oder sogar unter 950 hPa, was mehr als knackig ist. Warum und
wieso und welche Folgen das für uns hat, dazu in den Folgeübersichten mehr oder
alternativ die heutige Frühübersicht und die Mittelfristübersicht lesen.

Zurück zur Nacht zum Sonntag, in der Druckfall einsetzt, im Nordwesten kräftiger
als in den übrigen Regionen. Nach einer kurzen Pause am Abend sowie in der
ersten Nachthälfte frischt der auf Süd rückdrehende Wind bis zum Morgen immer
mehr auf, was zunächst aber nur auf der Nordsee, den Inseln, einem schmalen
Küstenstreifen sowie in einigen Hoch- und Leelagen der westlichen und zentralen
Mittelgebirge von warnstrategischer Relevanz ist (7-8 Bft, Brocken und Helgoland
bis 9 Bft). In die Nordwesthälfte zieht vorderseitig eines Frontensystems (das
nicht zum o.e. Tief gehört) reichlich hohe und mittelhohe Bewölkung, aus der
aber kein Niederschlag fällt. Nach Osten und Südosten hin bleibt es gering
bewölkt oder klar. Die Temperatur geht verbreitet in den leichten bis mäßigen,
in der Mitte und im Süden mäßigen bis strengen Frostbereich zurück. Einzig im
äußersten Norden bleibt es lokal frostfrei.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … Im Großen und Ganzen bestätigt der 12-UTC-Lauf von ICON die jüngsten
Vorgängerversionen. In Bezug auf das teilokkludierte Frontensystem, das in der
Nacht zum und am Montag Deutschland erreicht respektive überquert, zeichnet sich
ein etwas früheres Eintreffen ab. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit für
gefrierenden Regen mit Glatteis am frühen Montagmorgen im Südwesten und in der
südlichen Mitte (BaWü bis Südthüringen) etwas zu. Spruchreif ist das allerdings
bei Weitem noch nicht, dazu wirken zu viele Faktoren an der Detailentwicklung
mit (Wind, Gegenstrahlung, Vorgeschichte, RR-Intensität, um nur einige zu
nennen). Diesbezüglich mehr in den Folgeübersichten.

Modellvergleich und -einschätzung

Der Generalkurs steht, die Unschärfen (vor allem nach hinten raus) liegen im
üblichen Toleranzbereich. Fakt ist, nächste Woche, eigentlich schon am Sonntag
kommt wieder Arbeit auf uns zu.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann