SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.12.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Dauerregen in Frankfurt, Desaster für Bayern – Tuchels Eleven geht am Main
baden. Ansonsten alles unter zyklonaler Kontrolle. Mild, windig, unbeständig,
Tauwetter.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland am östlichen Ende einer sehr gut
ausgeprägten, nur leicht mäandrierenden Frontalzone, die mit einem satten
Jetmaximum (bis 150 Kt auf 300 hPa) vom mittleren Nordatlantik kommend gen
Mitteleuropa gerichtet ist. Den Abschluss bildet ein KW-Trog, der uns in den
Abendstunden von Westen her erreicht, um am Sonntagmorgen den gesamten
Vorhersageraum zu überdecken. Korrespondierend dazu, genau genommen zum
Drehzentrum des Troges, finden wir in der Bodenwetterkarte das Tief VANJA II,
das quasi ein Randtief von VANJA I weit draußen auf dem Atlantik ist und nun in
den nächsten Stunden von Schottland zur Nordsee zieht. Aufgrund seiner
elliptischen Form kann es gut sein, dass an der Okklusion des Tiefs ein zweiter
Kern (ein sogenanntes Teiltief) entsteht, das morgen früh am Westrand der
Deutschen Bucht aufschlägt.

Apropos Okklusion, die ist gerade dabei, Deutschland von West nach Ost zu
überqueren, wobei sie aufgrund eines markanten Windsprungs (Südost auf Südwest
bis West) gut in den Analysen zu finden ist. Der Süden kommt sogar noch in den
kurzen „Genuss“ des Warmsektors (kurzzeitiger Anstieg T850 auf bis zu 6°C),
bevor die nach Südwesten zurückhängende Kaltfront rasch nachfolgt. Postfrontal
wird kurzzeitig eine Portion erwärmter Meeresluft subpolaren Ursprungs
eingespült (mPs), in der T850 landesweit auf 0 bis
-2°C zurückgeht. Die Okklusion respektive Kaltfront harmoniert sehr schön mit
einen ausgeprägten PVA-Maximum vorderseitig des o.e. Troges, weshalb die
Niederschlagsraten z.T. recht üppig ausfallen. Es könnte übrigens noch mehr
sein, wenn die ebenfalls gut ausgeprägte mitteltroposphärische KLA nicht
teilüberlappen würde, was die großräumigen Hebungsprozesse etwas dämpft.

Wie auch immer, das Niederschlagsgebiet zieht bis 06 UTC über den größten Teil
des Landes hinweg, nur im Nordosten, wo sich ausgehend vom Nordseetief eine gut
definierte Rinne bildet, kommen Okklusion und Regen in klassischer
Winkelwestmanier (Ww) ins Stocken. Akkumuliert über 12 h kommen verbreitet 1 bis
8, regional 8 bis 15, in Staulagen lokal 20 l/m² zusammen. Noch mehr wird im
Allgäu und punktuell im Schwarzwald erwartet, wo die Schneefallgrenze
vorübergehend auf deutlich über, später wieder auf rund 1000 m sinkt. Es laufen
markante Dauerregenwarnungen und (noch) keine Tauwetterwarnungen, weil erstens
der vorhandenen Schneedecke anders als in einigen westdeutschen Mittelgebirgen
zunächst noch ein hohes Maß an Retention zugetraut wird (also die Fähigkeit,
Regenwasser zu absorbieren) und zweitens ein Teil der Niederschläge durch die
wieder absinkende Schneefallgrenze gebunden wird.

Stichwort Schneefallgrenze, die steigt nach Ostern hin ganz kurz an, um dann
aber wieder rasch auf 1000 bis 800 m abzusinken. Gerade im Harz, im Thüringer
Wald und auch im Erzgebirge können in den höchsten Lagen bis 5, in Staulagen bis
zu 10 cm nächtlicher Neuschnee zusammenkommen. Im bis zum Morgen noch
präfrontalen Nordosten (Vorpommern bis Uckermark), wo der Wind auf Südost bleibt
(=> noch kein wirklicher Milddurchbruch) und das Niederschlagsgebiet quasi zum
Stillstand kommt (=> Niederschlagsabkühlung), kann der Regen kurzzeitig in
Nassschneefall übergehen oder schon als solcher beginnen. Für eine wirkliche
Schneedecke sollte das nicht ausreichen, für etwas „Pflötsch“ (schönes schweizer
Wort für Schneematsch) evtl. schon.
Zur Vollständigkeit gehört, dass in der zweiten Nachthälfte mit dem o.e. KW-Trog
sowie einem vom Tief ausgehenden Bodentrog ein schauerartiges Regengebiet von
den Niederlanden auf Teile von NDS und NRW übergreift, das wohl aber nur wenige
Millimeter bringt.

Nicht vergessen dürfen wir den Wind, der aus Südwesten kommend in der
Südwesthälfte ziemlich nachtaktiv bleibt und zum Morgen hin im Westen sogar noch
etwas zulegt. In Böen wird Stärke 7, im Bergland inkl. einiger Leelagen 8,
vereinzelt 9 Bft erreicht. Ganz im Südwesten (Hochrhein/Bodensee bis hinüber zum
Alpenvorland) deutet sich für den Abend eine vorübergehende, möglicherweise auf
Föhn zurückgehende Windverschärfung bis in den Sturmbereich an. In exponierten
Kamm- und Gipfellagen stehen grundsätzlich Böen 10 bis 12 Bft auf der Karte.
Dagegen lässt der von Südost auf Südwest springende Wind an und auf der Nordsee
mit Annäherung des Tiefs (=> Gradientaufweichung) merklich nach.

Abgesehen von höheren Lagen in den östlichen Mittelgebirgen bleibt die Nacht
frostfrei. Teilweise steigt die Temperatur bis zum Morgen sogar an.

Sonntag … rückt die Frontalzone immer dichter an den europäischen Kontinent
heran, womit die Weichenstellung für die nächsten Tage endgültig eingetütet
wird. Schon seit Tagen bestehen ja im Grunde keine Zweifel mehr daran, dass das
Regime – gemeint ist das atlantische – zurückschlägt und uns hier in
Mitteleuropa mildes, windiges und unbeständiges Wetter beschert. Da nutzt es
auch wenig, dass sich über den Weiten Sibiriens das gleichnamige Winterhoch auf
über 1050, zu Wochenbeginn sogar auf über 1060 hPa aufplustert. Erstens ist es
zu weit weg und zweitens fehlt es an Kontakten nach Mitteleuropa (z.B. in Form
eines ausgeprägten Keils, der stattdessen Richtung Nordskandinavien ausgerichtet
ist), um nachhaltige Blockade zu fahren und den diversen, aufs höchste
austrainierten atlantischen Tiefdruckgebieten Paroli zu bieten.

Das erste dieser Athleten, nämlich VANJA II (int. Elin), wird im Laufe des
morgigen 2. Advents allerdings die Grätsche machen und sich auf dem Weg zur
westlichen Ostsee weiter auffüllen, bis am Ende nur noch ein rinnenartiger Trog
überbleibt. In diesen ist übrigens die Okklusion eingebettet, die sich
spätestens am Nachmittag aus dem Nordosten auf die Ostsee verabschiedet und
dabei die frontalen Niederschläge mitnimmt. Lange dauert die Beruhigung aber
nicht, weil schon bald die troggebundenen Regenfälle aus der Nacht von Westen
über Norddeutschland und die Mitte ostwärts ziehen. Schnee fällt dabei nur noch
ganz oben in den höchsten Mittelgebirgen, die sich dem Niederschlag
entgegenstellen.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass dem Trog ein flacher Rücken folgt, der
aber nicht wirklich taugt, nennenswerten Zwischenhocheinfluss zu generieren. Es
reicht gerade mal, den Isobaren in Süddeutschland eine antizyklonale Kontur zu
verleihen. Offensichtlich genügt das aber, um dem Süden einen niederschlagsarmen
Sonntag mit einigen Auflockerungen oder gar sonnigen Abschnitten zu bescheren.
Ansonsten aber wird der Rücken von WLA überlaufen, welche die Annäherung der
nächsten Fronten respektive des nächsten Tiefs ankündigt. Konkret ist die Rede
von WALTER, der sich in die Großfamilie VANJA hineingemogelt hat (inzwischen
gibt es nämlich auch noch VANJA III) und morgen Mittag mit etwas unter 985 hPa
im Kern dicht westlich von Irland liegt. WALTER ist der nächste Spießgeselle,
der den Norden UKs bis Montag in Richtung Nordsee überquert, um von dort sein
Unwesen zu treiben.

Der auch am morgigen Adventssonntag weiterhin flotte Südwestwind ist allerdings
ein Gemeinschaftsprodukt der gesamten, nord-nordwestlich von uns liegenden
Tiefdruckzone sowie hohem Luftdruck über Südwesteuropa. Außer im Nordosten und
in Teilen Norddeutschlands frischt der Südwestwind vorübergehend merklich auf
mit Böen 7 bis 8 Bft. Höhere Lagen geben sich durchweg stürmisch mit schweren
Sturmböen oder Orkanböen 10 bis 12 Bft in einigen exponierten Kamm- und
Gipfellagen. Am Nachmittag und Abend lässt der Wind mit Ausnahme der Hochlagen
nach, dafür könnte er an der Nordsee wieder etwas stärker aufbrisen (6-7 Bft).

Thermisch gehtŽs hoch auf 6 bis 11°C mit den höchsten Werten an Rhein und seinen
Nebenflüssen. Ein wenig kältere Luft hält sich nur noch im Nordosten, wo die
Winddrehung von Südost auf Südwest erst spät erfolgt.

In der Nacht zum Montag überquert und das nächste okkludierende Frontensystem
zügig ostwärts. Die Kaltfront kommt allerdings im Süden ins Schleifen, was für
die Folgeentwicklung nicht ganz unwichtig ist. Postfrontal gelangt milde
Atlantikluft in den Vorhersageraum (Mischung aus mS und mPs), in der T850 auf
Werte um 0°C, im Süden auf 3 bis 6°C steigt. Hinter dem frontalen Regengebiet
wird die maritime Luftmasse im Nordwesten durch einen flachen Randtrog
labilisiert, was dort einige Schauer auf den Plan ruft. Summa summarum sind über
die gesamte Nacht 1 bis 5, gebietsweise bis 10 l/m² zu erwarten. In den
Staulagen Süddeutschlands, insbesondere im Schwarzwald und an den Alpen, stehen
10 bis 15, lokal um 20 l/m² auf dem Zettel Die Schneefallgrenze steigt über die
Kammlagen der Mittelgebirge und in den Alpen über 1000 m an. Einzig am östlichen
Alpenrand bleibt sie noch etwas länger bei 1000 m. Vor allem in höheren und in
freien Lagen bleibt es windig. Mit Frost ist nur in wenigen Hochlagen zu
rechnen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … Es gelten nach wie vor die synoptischen Ausführungen der
Frühübersicht. Dabei werden die Basisfelder sehr ähnlich simuliert, während es
beim Niederschlag noch immer Diskrepanzen gibt. Im Süden ist GFS weiterhin das
Modell mit dem stärksten und am weitesten nach Norden ausgreifenden
Niederschlag. Außerdem ist auch der Anteil des Niederschlagsdargebots, der sich
aus dem schmelzenden Schnee rekrutiert, weiterhin schwer einzuschätzen. So oder
so, eine Tauwetterwarnung erfolgt am Sonntag nach der Frühkonferenz und Sichtung
der 00-UTC-Läufe. Die für Hochwasser zuständigen Behörden in Süddeutschland sind
bereits schon gestern über das bevorstehende Tauwetter informiert worden.

Modellvergleich und -einschätzung

Es ist alles gesagt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann