SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.11.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Im Norden Schneefälle, teils bis zur Mitte ausgreifend. Ansonsten in der Nacht
verbreitet Frost und Glätte.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland unter dem südwestlichen Quadranten eines
weiträumigen Trogkomplexes, der im Norden von der Nordsee sowie dem südlichen
Teil der Norwegischen See über die baltischen Staaten bis nach Russland reicht.
Nach Süden hin erstreckt er sich über die Alpen hinweg bis zum zentralen
Mittelmeer, was summa summarum eine ziemlich große Fläche ergibt, die da unter
der zyklonalen Knute steht. Dass das nicht ohne Folgen für die
Bodendruckverteilung bleibt, ist offensichtlich. So haben sich die
Hochdruckgebiete wie so häufig in letzter Zeit mal wieder dezent zurückgezogen,
sei es ganz weit in den Norden, sei es ganz weit draußen auf den Atlantik oder
sei es in Richtung Naher Osten. Dafür lassen sich in weiten Teilen Europas, aber
auch auf dem Atlantik zahlreiche Tiefs finden, die z.T. eine üble Vita
aufweisen. Ganz vorne zu nennen ist da der PHIL (int. Bettina), der inzwischen
im Baltikum angekommen ist und vorher am sowie auf dem Schwarzen Meer bös
zugeschlagen hat (siehe diverse Nachrichten). An Numero zwo wäre der Herr OLIVER
zu nennen, wo die Meinungen bei uns hier in Deutschland wahrscheinlich
auseinandergehen. Für die einen war dieses Tief gestern der Winter- und
Schneebringer schlechthin, für andere wiederum ein Fluch, weil die Schneemengen
an der einen oder anderen Stelle (vor allem hier bei uns im nahegelegenen
Taunus) doch etwas zu groß und vor allem auch zu schwer (zahlreicher
Schneebruch) waren. Inzwischen hat sich OLIVER unter Bildung verschiedener
Teilkerne zum Balkan respektive nach Italien verzogen, wo er sicherlich auch
noch einige Schlagzeilen produziert. Dann hätten wir noch ein paar namenlose
Vertreter im Angebot, die zur Zeit noch westlich von Irland, westlich der
Biskaya sowie im Azorenraum rumturnen. Zumindest von den beiden östlichen
Exemplaren wird noch die Rede sein, doch dazu später mehr.

Protagonist für die nächsten Stunden bis weit in den Mittwoch hinein ist ein
kleiner, auf den ersten Blick recht unscheinbar daherkommender Wirbel, der mit
etwas unter 1005 hPa kurz vorm Eintritt in die Deutsche Bucht steht. QUINTIUS
ist der Name des Wirbels, der mit einem recht scharf geschnittenen Randtrog am
Westrand des o.e. Trogkomplex interagiert. Der Randtrog schwenkt bis
Mittwochmorgen via Nordsee und Niederland nach Nordwestdeutschland, wobei
vorderseitig durch WLA und PVA ein nicht allzu großes, aber doch solides
Hebungspaket geschnürt wird. Das Bodentief intensiviert sich noch auf etwas
unter 1000 hPa, wobei es bis 06 UTC die Küstenregion zwischen Weser- und
Elbemündung ansteuert. Gleichzeitig deutet sich über den Niederlanden ein
Sekundärkern an.

So weit, so gut, klingt interessant, aber noch nicht überbordend spannend.
Kommen wir also zu den atmosphärischen Auswirkungen, die vornehmlich, aber nicht
ausschließlich im Niederschlag zu suchen sind. So breitet sich von der Nordsee
und den Niederlanden ein Niederschlagsgebiet auf weite Teile Norddeutschlands
aus, das im Süden bis nach Westfalen sowie die Harzgegend reicht. Meist fällt
der Niederschlag als Schnee. Am ehesten könnt die flüssige Phase mal an der
ostfriesischen Küste sowie etwas landeinwärts am Start sein, wenn der Wind auf
Nordost dreht und somit direkt von See kommt. Mit Annäherung des Randtroges und
damit korrespondierender Höhenkaltluft (T500 -34 bis -37°C über T850 um -6°C)
labilisiert die polare Kaltluft deutlich und die Wahrscheinlichkeit
schauerartiger Verstärkungen (u.a. ICON-D2 bietet über der Deutschen Bucht sogar
einzelne kurze Gewitter an) nimmt merklich zu. Das Besondere daran ist die
mögliche Ausbildung definierter Schauerstraßen, die vor allem
konvektionsauflösende Modelle auf der Agenda haben. Während in der Fläche bis
Mittwochmittag 1 bis 5 cm, lokal um 7 cm auf der Karte stehen, könnten es in
diesen Straßen durchaus um 10 cm, im worst case vielleicht sogar 15 cm innert
weniger Stunden fallen, was den Tatbestand eines Unwetters erfüllen würde. Zwar
eiern die Modelle und ihre probabilistischen Anschlussverfahren schon den ganzen
Tag herum, was die genaue Positionierung und Intensität der Schauerstraßen
angeht. Inzwischen zeigen sich ICON-D2 und sein EPS aber einigermaßen stabil.
Dabei kristallisieren sich zwei Areale heraus, in denen die Wahrscheinlichkeit
für etwas höhere Mengen erhöht ist: erstens in SH und im Hamburger Raum, wo die
Grundintensität ohnehin größer ist als in den anderen Gebieten. Zweitens ein
Streifen, der etwa vom südlichen Emsland/nördlichen Münsterland über das
Osnabrücker Land bis hinüber zum Weserbergland reicht. In Verbindung mit dem
auflebenden Südwestwind auf der Südflanke des Tiefs besteht die Gefahr von
Leiterseilschwingungen, was „undercover“ (nicht öffentlich sichtbar) auch schon
gewarnt wurde.

Apropos Wind, der frischt rund um das Tief an der Nordsee soweit auf, dass er in
Böen Stärke 7 Bft, auf See sowie in exponierten Lagen 8 Bft erreicht.
Richtungstechnisch fährt er dabei ordentlich Karussell, dreht er doch von
anfangs Südost bis Südwest bis zum Morgen auf Nordost. Auflebender Südwestwind
auch in den zentralen und nördlichen Mittelgebirgen mit dem Spitzenreiter
Brocken (9 Bft).

Schlussendlich bleibt nur noch zu erwähnen, dass sich die Schneefälle im Süden
und Südosten immer mehr in den inneralpinen Bereich bzw. nach Österreich
zurückziehen. Gleichwohl reicht es am Alpenrand noch mal für 5, exponiert 10 cm
Neuschnee. Zur Mitte und nach Südwesten hin treten kaum noch Schneeschauer auf,
hier und da lockert die Wolkendecke sogar mal auf. Die Temperatur geht, sofern
nicht schon passiert, verbreitet in den leichten, teils sogar mäßigen
Frostbereich zurück. In Summe scheint MOS allerdings etwas zu kalt aufgestellt.
So wird es durchaus Orte im Westen und Südwesten geben, die mit Pluswerten in
die Nacht starten und wo die geschlossene Wolkendecke die Abkühlungsrate stark
dämpft. Gleichwohl ist Vorsicht vor Glätte geboten, die auch außerhalb der
Schneefallgebiete durch gefrierende Nässe auftreten kann.

Mittwoch … schwenkt besagter Randtrog relativ zügig über den Norden ostwärts
hinweg. Zum Abend hin folgt von der Nordsee her das nächste Exemplar, das aber
deutlich weniger wetteraktiv ist. So fehlt nahezu komplett die vorderseitige
WLA, die bei Trog #1 in der kommenden Nacht noch sehr gut ausgeprägt ist. Die
Höhenströmung dreht etwas zurück auf West-Nordwest, wodurch die Weichen für eine
bevorstehende südliche Westlage (Ws) gestellt werden. Das Bodentief zieht bis
zum Abend nach Vorpommern respektive ins nördliche BB, wobei es sich allmählich
auffüllt.

In der Peripherie des Tiefs kommt es tagsüber zu weiteren, vielfach schauerartig
auftretenden Schneefällen, die über den zentralen Mittelgebirgsraum hinweg bis
in den Norden Bayerns und BaWüs ausgreifen. Die Intensität lässt insgesamt etwas
nach, so dass meist nur noch wenige Zentimeter, vereinzelt um oder etwas über 5
cm Neuschnee fallen. Hinzu kommt, dass die polare Luftmasse (T850 am Mittag -4
bis -8°C, nur ganz im Norden noch etwas kälter) einigermaßen durchmischt wird,
so dass in tiefen Lagen mit Ausnahme des dauerfrostigen Nordostens die
Temperatur auf leichte Plusgrade steigt. Dadurch taut es vorübergehend etwas an
bzw. beherrscht Schneematsch die Szenerie, so dass in diesem Fall
Glättewarnungen ausreichen würden. Im Nordwesten klingt die Schaueraktivität
vorübergehend ab, bevor sie zum Abend hin wieder anspringt. Ganz im Süden, grob
zwischen Schwarzwald und Bayerischen Wald, bleibt es nach Abzug letzter Flocken
am Alpenrand unter leichtem Zwischenhocheinfluss niederschlagsfrei mit teils
längeren sonnigen Abschnitten, vor allem im südlichen Alpenvorland.

Kurz noch zum Wind, der an der Nordsee auf Nord dreht und im Laufe des
Vormittags nachlässt. Dafür bleibt er im zentralen und östlichen
Mittelgebirgsraum vor allem in höheren Lagen aus Südwesten kommend flott
unterwegs mit Böen 7-8 Bft (=> Gefahr von Schneeverwehungen, z.B. im Thüringer
Wald, Harz und Erzgebirge), Brocken 9-10 Bft. Ansonsten treten steife Böen 7 Bft
in der Mitte nur vereinzelt in freien Lagen auf.

In der Nacht zum Donnerstag formiert sich ein langestrecktes, zonal exponiertes
Trogsystem, das vom Seegebiet west-südwestlich Irlands über die Nord- und Ostsee
bis hinüber nach Westrussland reicht. Das Hauptdrehzentrum befindet sich
quasistationär im Bereich Nordjütland/Kattegat, von wo aus ihr Einfluss auf
Bodentief QUINTIUS – inzwischen knapp nordöstlich von Rügen – immer weiter
nachlässt. So füllt sich das Tief zusehends auf, bis es wahrscheinlich im Laufe
des Donnerstags von den Analysekarten verschwindet. Gegen Morgen taucht über der
Deutschen Bucht ein neuer kleiner Wirbel auf, der wohl aber nur dem
unmittelbaren Küstensaum sowie den vorgelagerten Inseln ein paar Schneeschauer
gewährt. Ansonsten ebben die Schneeschauer im Norden immer weiter ab bzw.
verlagern sich Richtung Mitte.

Weiter im Süden gilt es zu konstatieren, dass die Frontalzone mittlerweile sehr
gut ausgeprägt ist und knapp südlich von uns verläuft (Ws). Mit der westlichen
Höhenströmung wird ein weiteres Tief über Frankreich hinweg in Richtung
Westalpen gesteuert. Es handelt sich dabei um das namenlose Tief, das heute
Abend noch knapp westlich der Biskaya liegt (siehe weiter oben). Das daran
geknüpfte Niederschlagsgebiet wird in der Nacht zum Donnerstag vornehmlich die
Schweiz, am Rande mit etwas Schnee aber auch den Süden BaWüs, vielleicht sogar
noch das bayerische Schwaben treffen.

Bei überwiegend nur noch schwachem Wind geht die Temperatur je nach Bewölkung
verbreitet in den leichten bis mäßigen Frostbereich zurück. Dort, wo Schnee
liegt und der Himmel längere Zeit klar ist, kann es sogar in die Nähe von -10°C
abkühlen (Norden/Mitte).

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Donnerstag … bzw. in der Nacht zum Freitag kommt es zu einem weiteren Anlauf
eines Tiefs von Frankreich her, wobei für Deutschland genau genommen die weit
nach Osten reichende Rinne von Bedeutung ist. Noch immer ist unklar, wie weit
die zugehörigen Hebungsprozesse und entsprechend die Niederschläge nach Norden
bis zur Mitte (weiter wird es wohl nicht gehen, wenn überhaupt) ausgreifen. Je
weiter nach Norden, desto mehr Warmluft wird ganz im Süden eingesteuert, was
wiederum die Gefahr von gefrierendem Regen mit Glatteis erhöht. Ansonsten dürfte
die Schneephase überwiegen. Mehr Details dazu in der Synoptischen Übersicht von
heute früh.

Modellvergleich und -einschätzung

Die letzten Läufe von ICON-D2(-EPS) haben sich einigermaßen stabilisiert,
weshalb die Schneefallwarnungen in einem relativ schmalen Korridor im
südwestlichen NDS/nördlichen NRW erhöht worden sind (bis 10 cm). Der Rest (evtl.
Aufstockung; siehe Text oben) muss im Fall der Fälle im Nowcasting erledigt
werden.

In Bezug auf die Entwicklung am Donnerstag sind och Modellschärfen vorhanden,
die freilich einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Vorhersage
haben. Es wird zunächst noch einiges im Konjunktiv formuliert werden müssen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann