SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 18.11.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
MARCO als Unruhestifter – weiterhin Tiefdruckeinfluss mit Niederschlägen und
Wind.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … fällt der Luftdruck über Deutschland und fällt und fällt, was als
klares Zeichen zu verstehen ist: Von nachhaltigem Hochdruckeinfluss können wir
nach wie vor nur träumen, wobei grundsätzlich zu fragen wäre, ob stabile Hochs
im November tatsächlich erstrebenswert sind. Bevor wir hier aber ins
Philosophieren abgleiten und einen Diskurs über den Sinn und Unsinn herbstlicher
Hochdruckgebiete ins Leben rufen, greifen wir lieber zu den Fakten. Womit wir
bei MARCO wären, dem atmosphärischen Protagonisten der nächsten Tage und
hauptverantwortlich für den o.e. Druckfall. Die Rede ist von einem soliden,
keinesfalls übermenschlichen Sturmtief, das heute Abend mit etwas unter 985 hPa
im Tank west-nordwestlich unweit 20° westlicher Länge zu finden ist. Das Tief
korrespondiert mit einen stark positiv geneigten Höhentrog, der nicht weit vom
Azoren-Archipel entfernt dabei ist, einen erfolgreichen Abtropfprozess
abzuschließen. Seinen Stempel in die untersten Troposphärenschichten hat der
Trog bereits abgedrückt in Form eines kleinen, „1015er-Azorentiefs“, das am
hiesigen Wetter nur indirekt beteiligt ist, wie später noch zu lesen sein wird.

Bei uns sieht die Angelegenheit so aus, dass der dem Trog vorauslaufende Rücken
gerade dabei ist, Deutschland unter zunehmender Abflachung ostwärts zu
überqueren. Dahinter setzt sich eine leicht flatternde Zonalströmung durch, die
den Sonntag über andauert und erst zu Beginn der neuen Woche in eine
Meridionalströmung umgewandelt wird. Mit zunehmender Schubkomponente wird das
okkludierende Frontensystem von Tief MARCO in den Nachtstunden relativ zügig
über den Vorhersageraum hinweggesteuert, wobei das genau genommen nur auf die
Mitte und den Norden zutrifft. Im Süden hinkt die Kaltfront deutlich zurück,
kommt ins Schleifen und geht nach Westen hin sogar in die Warmfront des o.e.
„Azorentiefs“ über. Angefacht durch flache Wellen intensivieren sich die
Niederschläge im Süden, so dass insbesondere in einigen Staulagen (Schwarzwald,
Alpenrand, teils auch höheres Alpenvorland) recht erkleckliche Mengen
zusammenkommen. Innerhalb von 12 bis 18 Stunden sind in der Spitze 30 bis 40,
lokal um oder sogar etwas über 50 l/m² zu erwarten, was entsprechend mit einer
markanten Dauerregenwarnung in den genannten Regionen gewürdigt wurde. Die
Schneefallgrenze übrigens steigt angesichts der massiven WLA (T850 am Alpenrand
von anfangs 0°C auf rund 6°C am Morgen) rasch an von 800-1000 m auf rund 2000 m.
Dadurch kommt zu dem fallenden Regen noch ein gewisses Quantum an geschmolzenem
Schnee zum abflussrelevanten Wasser dazu, allerdings nicht so viel, dass eine
Tauwetterwarnung nötig wäre.

Obwohl das Frontensystem weiter nördlich flotter unterwegs ist (am schnellsten
gehtŽs in der Mitte), sind auch dort die Regenmengen nicht ganz unbedeutend,
wenn auch nicht warnwürdig. 5 bis 15 l/m² innert 12 h sind keine Seltenheit,
lokal können es sogar noch ein paar Liter mehr sein. Interessant ist die Frage
nach der Phase im östlichen und südöstlichen Mittelgebirgsraum, wo sich ein paar
hochgelegene Kältelöcher mit negativen Temperaturen tummeln. Die Modelle
simulieren dort zunächst Schneefall, was auch völlig plausibel ist, weil die
niedertroposphärische Warmluft mit einsetzendem Niederschlag gerade noch nicht
eingetroffen ist. Danach wird punktuell und für kurze Zeit auch noch
gefrierender Regen angeboten, was nicht ganz so klar erscheint. Zwar zeigen die
Prognosetemps die berühmt-berüchtigte „warme Nase“, doch ist anzunehmen, dass
die Milderung sowohl von oben (Gegenstrahlung, Durchmischung, WLA) als auch von
unten (Bodenwärmestrom) derart flott von der Hand geht, dass gar keine
nennenswerte Glatteisphase entstehen kann. Um für alles gewappnet zu sein, wurde
für die Hochlagen von Erz- und Fichtelgebirge sowie des Bayerischen Waldes eine
einfache Glättewarnung ausgegeben.

Rückseitig der okkludierenden Kaltfront strömt niedertroposphärisch etwas
kältere (T850 um 3°C, im Warmsektor zuvor um 6°C), bodennah allerdings wärmere
subpolare Meeresluft (mPs) heran, die im Laufe der Nacht für einen
Temperaturanstieg sorgt. Die nächtliche Tiefsttemperatur wird also entgegen
üblicher Gepflogenheiten bereits am Abend respektive noch vor Mitternacht
registriert. Kurz nach dem Wecken, oder vielleicht auch schon vorher, morgen ist
schließlich Sonntag, zeigen die Thermometer im Westen und Nordwesten sogar
zweistellige Werte knapp über 10°C an. Die Meeresluft ist indifferent
geschichtet, weshalb sich die nächtliche Schaueraktivität in Grenzen hält. Ob es
an und auf der Nordsee für die vor allem von ICON-Nest feilgebotenen Gewitter
reicht, muss mangels ausreichend MU-CAPE stark bezweifelt werden.

Bliebe zum Schluss noch der Wind, der aus Südost bis Süd kommend vor der
Kaltfront bzw. Okklusion soweit auflebt, dass in Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge sowie in einigen Leelagen Böen der Stärke 7-8 Bft, exponiert 9
Bft, vereinzelt (Brocken, Feldberg) 10 oder eine kleine 11 Bft erreicht werden.
Ähnliches gilt für die Alpengipfel, wo der Wind aber aus westlichen Richtungen
weht. Stürmisch gibt sich anfangs auch die offene Nordsee (Küste und Inseln
wegen ablandiger Windrichtung (Südost) meist nur Böen 7 Bft), bevor mit
Frontdurchgang und nachfolgender Drehung auf Südwest bis West vorübergehend eine
Abnahme erfolgt. Dafür brist es an und auf der Ostsee aus Südost etwas auf mit
einzelnen Böen 7 Bft.

Sonntag … steht weiterhin im Zeichen des geschätzten Kollegen MARCO, der sich
geschmeidig knapp nördlich an Schottland vorbei zur nördlichen Nordsee bewegt,
was freilich ein paar Körner kostet. Am Ende des Tages kommt er nur noch auf
etwas unter 1000 hPa im Kern. Interessanter als der hauseigene Luftdruck ist
aber vielmehr die geometrische Konfiguration des Tiefs. So bildet sich in
ost-südöstlicher Richtung eine langgestreckte Rinne aus, die am Mittag über
Jütland hinweg bis nach Polen reicht. Eingebettet ist die Okklusion des o.e.
Frontensystems, an der sich im Tagesverlauf ein kleines Teiltief bildet, das zum
Datumswechsel im Bereich der dänischen Inseln erwartet wird. Gleichzeitig
schwenkt auf der West-Südwestflanke des Tiefs ein ausgeprägter Bodentrog gen
Irland, aus dem sich möglicherweise ein flaches Wellentief entwickelt.
Impulsgeber ist das nördliche Residuum des abgetropften Höhentrogs, das
ebenfalls Kurs auf Irland nimmt und dabei seine Amplitude (erneut) vergrößert.

Zurück aber erst mal in unsere Gefilde, wo wir einen wechselhaften und teils
windigen Volkstrauertag erleben. Dabei ziehen sich am Vormittag zunächst mal die
frontalen Regenfälle im Osten und Nordosten Richtung Ostsee und Polen, und im
Süden Richtung Alpen und Österreich zurück. In der einströmenden erwärmten
subpolaren Meeresluft entwickeln sich einzelne Schauer, wohingegen Gewitter
wegen limitierter Labilität und geringem CAPE-Angebot nur wenig wahrscheinlich
sind. Neben der Schauer gibt es aber auch mal mehr, mal weniger längere trockene
Phasen und sogar einige Auflockerungen, vornehmlich im Süden und Westen sowie im
Lee der Mittelgebirge. Am Spätnachmittag bzw. frühen Abend nähert sich von der
südwestlichen Nordsee und den Niederlanden ein flacher, vor allem in unteren
Troposphärenschichten erkennbarer KW-Trog, der mit einem ebenso flachen
Bodentrog korrespondiert. Vor allem WLA, aber auch ein wenig PVA induzieren ein
mesoskaliges („beta“) Regengebiet, das am Abend mit schauerartigen Verstärkungen
auf NRW und das westliche Niedersachsen übergreift.

Weiteres Thema neben dem Regen ist der Wind, der vornehmlich durch den
Gradienten südlich der Rinne generiert, zusätzlich aber noch durch moderaten
Impulstransport von oben „gewürzt“ wird. In der Nordhälfte liegen die
925-hPa-Winde tagsüber bei 30 bis 40 Kt, was eine ordentliche Hausnummer ist und
selbst bei gemäßigter Labilität nicht spurlos über uns hinwegpfeift. Kurzum, mit
Unterstützung des Tagesgangs und der Konvektion frischt der Südwest- bis
Westwind vielerorts spürbar auf mit Böen 7 Bft insbesondere im Westen und
Nordwesten sowie Teilen der Mitte (bevorzugt, aber nicht ausschließlich
Leelagen). In Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge sowie der Alpen geht es
weiterhin stürmisch zur Sache mit Böen 8 Bft, exponiert 9 bis 10 Bft, vereinzelt
sogar 11 Bft. Zum Abend hin erfolgt abgesehen von den Hochlagen eine
vorübergehende Windabnahme.

Abschließend noch die Temperaturen, die mit maximal 10 bis 15°C, am Oberrhein
punktuell vielleicht 16°C nicht gerade november-like daherkommen. Lediglich im
östlichen Bergland sowie im äußersten Nordosten (wo der Regen zuletzt
verschwindet und der Wind am längsten aus Südosten weht) bleibt es mit 6 bis
10°C frischer, aber nicht wirklich kalt.

In der Nacht zum Montag ziehen KW-Trog und Bodentrog rasch über Norddeutschland
hinweg ostwärts, um bereits am frühen Morgen in Westpolen aufzuschlagen. Von
West nach Ost kommt es mit dynamischer Unterstützung zu veritablen
Hebungsprozessen, die zu nicht minder veritablen Regenfällen führen. Dabei
arbeiten eigentliche alle Modelle einen vergleichsweise schmalen Korridor
heraus, der bei aller noch gegebenen Unschärfe etwa vom westlichen
Niedersachsen/Westfalen über die Harzregion bis hinüber nach Sachsen und das
südliche Brandenburg verläuft. Binnen weniger Stunden sollen in der Spitze 10
bis 25, im Stau des Westharzes sogar rund 40 l/m² fallen. Ob IFS bei seiner
Extremlösung von 00 UTC bleibt, wonach zwischen Oldenburger Münsterland und dem
Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt strichweise 25 bis knapp 50 l/m² fallen
sollen, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Festhalten lässt sich an
dieser Stelle aber, dass eine Dauerregenwarnung für Teile des Harzes
wahrscheinlich, für andere Regionen im genannten Korridor möglich ist
(Entscheidung darüber am morgigen Sonntag). Weitgehend trocken bleibt es dagegen
in weiten Teilen Süddeutschlands sowie nord-nordöstlich des
Niederschlagsstreifens. Teilweise lockert die Wolkendecke sogar auf.

Zum Wind, der nach kurzem Innehalten auf der Südflanke des durchschwenkenden
Bodentrogs aus Südwesten kommend wieder anzieht. Heißt, im oberen Bergland
bleibt es stürmisch mit bis zu schweren Sturmböen 10 Bft in exponierten
Hochlagen. In einigen Tieflagen (vor allem Westen und Mitte) reicht es für ein
paar steife Böen 7 Bft, während es z.B. im Norden inkl. der Küsten im
gradientschwachen Innenbereich des Bodentroges ziemlich windschwach bleibt.

Die Nacht bleibt deutschlandweit frostfrei.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … Der neueste Lauf von ICON von 12 UTC weicht kaum von der
00-UTC-Version ab. Auch der Vergleich der diversen Modelllösungen fällt positiv
aus, so dass die ausführlichen Ausführungen der heutigen Frühübersicht ihre
Gültigkeit behalten.

Modellvergleich und -einschätzung

Wie bereits angedeutet simulieren die Modelle die Entwicklung sehr ähnlich. Ein
Fragezeichen steht noch hinter den Regenfällen in der Nacht zum Montag sowie dem
daraus resultierenden Warnmanagement. Hier reicht es aber, wenn morgen Vormittag
nach der Konferenz eine Entscheidung getroffen wird.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann