SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.11.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Nach kurzem Zwischenhocheinfluss übernimmt MARCO – ab Samstag wieder zunehmend
unbeständig mit Niederschlägen, dabei zeitweise windig und zum Sonntag hin
milder.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein mäandrierendes Muster,
das von zwei breiten Trögen und einem dazwischenliegenden Rücken gekennzeichnet
ist. Fangen wir auf dem Atlantik an, wo der westliche der beiden Tröge
positioniert ist. Das Hauptdrehzentrum, noch sehr weit westlich von Irland
gelegen, korrespondiert mit einem kernigen Sturmtief namens MARCO (eigentlich
ein Sizilianer, aber heute ausnahmsweise auf dem Atlantik unterwegs (Insider)),
das heute Mittag mit einem Kerndruck von etwas unter 980 hPa ausgestattet war.
Aktuell dürfte das Druckniveau ähnlich sein, bevor der gute MARCO sich im Laufe
der kommenden Nacht auf seinem Weg in Richtung 20° westlicher Länge beginnt
langsam aufzufüllen.

Wie häufig bei ähnlichen Konstellationen wird trog- respektive tiefvorderseitig
reichlich Warmluft nordwärts geschaufelt, was in diesem Fall zum Aufbau eines
geschmeidigen Rückens geführt hat. Seine Hauptachse reicht heute Abend etwa von
Nordostspanien via UK/Irland bis hoch in den isländischen Raum, Tendenz bis
Samstagmorgen ostwärts verlagernd. Stromab, also auf der Vorderseite des Rückens
hat sich eine großräumige Hochdruckzone etabliert (ARZU), die sich von
Südwesteuropa bis nach Fennoskandien erstreckt und bei uns seit geraumer Zeit
für Druckanstieg sorgt (in der Nacht um bzw. etwas über 1025 hPa). Trotz dieses
veritablen räumlichen Ausmaßes kommt Madame ARZU nicht über den Status eines
Zwischenhochs hinaus, weil das gesamte Strömungsmuster schlichtweg zu progressiv
gestrickt ist.

Bevor wir auf die Aussichten für die nächsten Stunden zu sprechen kommen,
zunächst noch der Vollständigkeit halber Trog #2, der weite Teile des östlichen
Mitteleuropas und des nahen Osteuropas überdeckt. Er spielt für uns keine große
Rolle mehr, weshalb hier auch keine weiteren Ressourcen für seine Beschreibung
verschwendet werden sollen. Kommen wir als zur Entwicklung der kommenden Nacht,
die – wie nicht anders zu erwarten – unter Zwischenhocheinfluss vergleichsweise
beschaulich verläuft. Ganz im Süden kommt es aufgrund der noch vorhanden
Staukomponente zu überwiegend leichten Niederschlägen, die sich aber mehr und
mehr an bzw. in die Alpen zurückziehen. Die Schneefallgrenze liegt meist
zwischen 800 und 1000 m, hier und da (vor allem wennŽs etwas intensiver zur
Sache geht) auch mal etwas darunter. Oberhalb von 900-1000 m (Schneegrenze, d.h.
ab da bleibt nennenswert was liegen) kommen noch mal einige Zentimeter auf die
schon vorhandene Schneedecke dazu, in einigen Staulagen sogar um 10 cm, im
Hochgebirge vereinzelt bis zu 20 cm.

Leichter Niederschlag fällt auf der Rückseite des o.e. Höhentrogs #2 auch noch
an der Ostsee sowie stellenweise im Osten. Im sächsischen Bergland liegt die
Schneefallgrenze bei etwa 500 m. Allerdings reichen die Mengen bei Weitem nicht,
um eine auch nur halbwegs taugliche Winterlandschaft zu generieren. Dafür könnte
es lokal glatt werden, sei es durch geringen Neuschnee oder gefrierende Nässe.
Im großen Rest der Nation gibt sich der Himmel unterschiedlich bewölkt, wobei
sich von der Nordsee über die Mitte bis in den Osten Bayerns ein Korridor mit
relativ wenig Bewölkung oder sogar klaren Verhältnissen etabliert hat. Da es in
diesem Streifen zudem windschwach ist, verwundert es nicht, dass auch die
Abkühlungsrate in der inzwischen leicht gealterten subpolaren Meeresluft (xPs;
T850 um -3°C) ausreicht, um die Temperatur gebietsweise in den leichten
Frostbereich zu befördern. Gut möglich, dass es dabei lokal für Reifglätte
reicht. Auf der anderen Seite können sich aber auch ein paar Nebelfelder bilden.

Samstag … wandert der Höhenrücken über Deutschland ostwärts hinweg. Derweil
kommt es über dem südlichen Ostatlantik zu einem Abtropfprozess, wodurch der
ursprüngliche Trog stark abflacht. Schlussendlich führt das dazu, dass die
Höhenströmung zunächst über dem nahen Atlantik, zum Sonntag hin dann auch über
West- und Mitteleuropa zonalisiert. In den bodennahen Luftschichten läuft der
Hase so, dass sich unser Zwischenhoch recht zügig gen Osten verlagert. Dadurch
wird der Weg frei für das Frontensystem des Tiefs MARCO, der west-nordwestlich
von Irland unweit des 20. Längengrades gelegen im Gegensatz zu seinen Fronten
nur noch wenig Boden ostwärts gutmacht (Kerndruck etwas unter 985 hPa).
Angekündigt wird die Warmfront des Frontensystems übrigens durch weit nach Osten
ausgreifende WLA, die einmal mehr den Rücken überläuft und mit mehrschichtiger
Bewölkung aufwartet, welche bereits im Laufe des Vormittags auf die Westhälfte
des Landes übergreift. Am Spätvormittag/Mittag fängt es dann zwischen Saarland
und Niederrhein leicht an zu regnen oder nieseln, während gleichzeitig im
Osterzgebirge/Zittauer Gebirge sowie am östlichen Alpenrand die letzten Tropfen
bzw. Flocken fallen.

Im Laufe des Nachmittags breitet sich der stratiforme Regen etwa bis auf eine
Linie Sylt-Göttingen-Aschaffenburg aus. Der meiste Niederschlag fällt der
kräftigsten WLA folgend im äußersten Westen, wo gebietsweise 5 bis 10,
vereinzelt bis 15 l/m² innert weniger Stunden runterkommen. Nach Osten hin
bleibt es bis zum Abendbrot trocken (außer der o.e. kleinen Ausnahmen), wobei
die Wolkendecke ebenso wie im Süden mitunter auflockert oder der Tag sogar mit
Sonne startet (wenn kein Nebel), bevor es zunehmend wolkiger wird.

Aus warntechnischer Perspektive rückt der Wind mal wieder in den Fokus, wenn
auch zunächst mit angezogener Handbremse. Zwischen dem abwandernden Hochkeil und
dem anrückenden Frontensystem nimmt der Druckgradient im Westen und Nordwesten
merklich zu. In Folge frischt der auf Süd bis Südost rückdrehende Wind zusehends
auf, insbesondere über der freien Nordsee (Böen 8-9 Bft, Küste und die meisten
Inseln aufgrund der ablandigen Komponente meist nur 7 Bft). Auch in den
Hochlagen der westdeutschen Mittelgebirge sowie der dazugehörigen Leelagen (z.B.
Raum Aachen, Haarstrang) muss am bundesligafreien Nachmittag mit ersten steifen
Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft gerechnet werden. Aufgrund der Stabilität der
advehierten milden Meeresluft (mSp; Anstieg T850 im Westen von 0°C am Morgen auf
+7°C am Abend) hat der Wind Schwierigkeiten, sich im west-nordwestdeutschen
Tiefland durchzusetzen, so dass dort die Böen zumindest tagsüber und abseits der
Küstenlinie meist unterhalb der neuralgischen 7-Bft-Marke bleiben.

Trotz der deutlichen niedertroposphärischen Erwärmung im Westen des
Vorhersageraums hält sich der Temperaturanstieg im 2m-Niveau in Grenzen.
Gründe dafür gibt es genügend: Erstens erfolgt die niedertroposphärische WLA
tageszeitlich etwas zu spät, zweitens gibt es null Einstrahlung und drittens –
ganz wichtig – mangelt es an der erforderlichen Durchmischung. Kurzum, mehr als
4 bis 10°C Höchsttemperatur sind nicht drin, was auf der anderen Seite für einen

  1. November aber auch nicht wirklich kalt ist.

In der Nacht zum Sonntag verlagert das Atlantiktief seinen Kern in Richtung
Hebriden, wobei sehr wahrscheinlich die 985-hPa-Kerinisobare dem Rotstift zum
Opfer fällt. Weite Teile Deutschlands gelangen vorübergehend in den Warmsektor
des progressiven Frontensystems, dessen abschließende Kaltfront aber nicht lange
auf sich warten lässt. Eigentlich hat die Front ihren Namen gar nicht verdient,
weil die postfrontal einfließende subpolare Luftmasse zwar niedertroposphärisch
etwas kühler ist (T850 um +3°C), weiter unten aber eine Erwärmung bringt. Von
daher treten die nächtlichen Tiefsttemperaturen meist auch schon in den
Abendstunden bzw. vor Mitternacht auf, bevor sie bis zum Morgen ansteigen (im
Westen gar auf zweistellige Werte).

Während die zunehmend okkludierende Kaltfront in ihrem Nordteil relativ straight
nach Osten durchmarschiert, hängt sie nach Süden hin deutlich zurück. Dort hat
sie, wenn auch weiter westlich, Verbindung zu der Warmfront eines weiteren
Tiefs, das in „fremden Gefilden“, nämlich im Azorenbereich herumstrolcht und ein
Produkt des weiter oben erwähnten Abtropfprozesses ist. Wie auch immer, Tatsache
ist, dass sich die frontalen Regenfälle rasch ostwärts ausbreiten, wobei
akkumuliert über die ganze Nacht in der Mitte und im Norden nicht selten 5 bis
10, lokal sogar um 15 l/m² Niederschlag zusammenkommen. Postfrontal sind im
Westen und Nordwesten einzelne Schauer, über der Nordsee vielleicht sogar ein
kurzes Gewitter möglich, auch wenn die Labilität der maritimen Luftmasse alles
andere als berauschend ist. In den östlichen Mittelgebirgen, vornehmlich im Erz-
und im Zittauer Gebirge gibt es leichte Andeutungen der Numerik, dass in einigen
geschützten Tälern zumindest vereinzelt und kurzzeitig auch mal die gefrierende
Regenphase auftritt. Die zugehörigen Prognosetemps sind klassisch mit „warmer
Nase“ ausgestattet, allerdings dürfte der allenfalls oberflächlich auf unter 0°C
abgekühlte Boden alsbald von unten und oben erwärmt werden, so dass eine
substanzielle Glatteisphase unwahrscheinlich ist.

Im Süden, wo die Front ins Schleifen gerät, dauern die skaligen Regenfälle nicht
nur länger an, sie fallen auch intensiver aus. Dabei schießen die deutschen
Modelle den Vogel ab, werden doch mit Hilfe der Orografie (Stau) im Schwarzwald
und Teilen des Alpenrands (vor allem Allgäu) 25 bis 40 l/m², lokal noch etwas
mehr innert 6 bis 12 Stunden feilgeboten. Berücksichtigt man, dass vorher
zumindest in höheren Gebirgslagen eine leidliche Hucke Schnee gefallen ist und
die Schneefallgrenze nun auf über 2000 m ansteigt, stünde eine nicht
unerhebliche Menge an abflussrelevantem Wasser zur Verfügung. Das Problem ist,
dass andere Modelle, aber auch die probabilistischen Anschlussverfahren der
aggressiven Lesart der deutschen Modellkette gar nicht oder nur bedingt folgen.
Von daher sollte die Entscheidung „Warnung ja/nein“ auf den morgigen
Samstagvormittag nach der Frühkonferenz vertagt werden (was noch ausreichend
Vorlaufzeit gewährt), in der Hoffnung auf homogenere Modellprognosen.

Bliebe abschließend noch der Wind, der auch in der Nacht in der Lage ist, ein
paar Akzente zu setzen. Während er an und auf der Nordsee mit Drehung auf
Südwest bis West vorübergehend schwächer wird, legt er über der Ostsee aus
Südosten kommend merklich zu. Aufgrund der überwiegend ablandigen Komponente
hält sich der Impact an der dortigen Küste und auf den Inseln aber in Grenzen
(exponiert 7-8 Bft). Im Binnenland sind vor allem das höhere Bergland sowie
einige Leelagen von warnwürdigen Böen 7-8 Bft betroffen. In exponierten Kamm-,
Kuppen- und Gipfellagen sind gar (schwere) Sturmböen 9-10 Bft zu erwarten.
Inwieweit das Tiefland von 7er-Böen traktiert wird, bleibt offen. AROME agiert
im Nordwesten ziemlich forsch, während sich die meisten anderen Modelle
zurückhaltend geben.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … leicht flatternde Frontalzone über West- und Mitteleuropa mit
Jetmaximum vom Ärmelkanal bis nach Süddeutschland (bis zu 140 Kt auf 300 hPa).
Bodentief MARCO via Nordsee gen Jütland, weiter auffüllend. Abzug des frontalen
Niederschlags im Osten und Süden bis spätestens Mittag. In postfrontaler
subpolarer Meeresluft (mPs; T850 1 bis 5°C => Tmax 8 bis 15°C) noch Schauer, am
wenigsten in Teilen der Mitte und im Südwesten, am meisten im Nordwesten. Dort
am Nachmittag gebietsweise schauerartiger Regen mit Annäherung einer Kurzwelle.
Sowohl tagsüber als auch in der Nacht zum Montag merklich auffrischender, auf
Südwest bis West drehender Wind. Windminimum im Nordosten. Sonst Böen 7 Bft bis
ganz runter, im Bergland stürmisch, exponiert schwere Sturmböen. In der Nacht zu
Montag weitere Regenfälle, Schwerpunkt Norden oder Mitte (Modellunsicherheiten).
Gebietsweise Mengen bis 25 l/m² innert 12 Stunden möglich, Überschreitung von
Dauerregenschwellen aber eher unwahrscheinlich oder nur sehr lokal.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Großen und Ganzen ziehen die Modelle an einem Strang. Dass die deutsche
Modellkette beim Regen in der Nacht zum Sonntag weit vorne liegt, wurde im Text
bereits erwähnt. Mal sehen was die Folgeläufe, insbesondere der 00-UTC-Lauf auf
die Platte bringen.
Hinsichtlich Geometrie, Zugbahn und Timing des Tiefs MARCO ab Sonntag
differieren die Modelle noch, was Konsequenzen auf die genaue Wind- und
Niederschlagsentwicklung hat. Grund ist die zunehmend elliptische, fast schon
rinnenartige Kontur des Tiefs mit möglichen Teilkernen, die der Numerik aktuell
noch Kopfzerbrechen bereiten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann