S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.11.2023 um 10.30 UTC

Fortdauer des unbeständigen Wetters mit der Chance auf (vorübergehend?) maritime
Polarluft.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 23.11.2023

Lässt man mal ganz auf die Schnelle den Witterungscharakter der letzten Wochen
Revue passieren, liegt der schreckliche Gedanke nicht fern, Hochdruckgebiete
könnten vorm Aussterben bedroht sein. Nicht nur die gerne mal subjektive
Wahrnehmung des Wetterablaufs – Regen, Wind, Schauer, wieder Wind mit Sturm,
neuer Regen und, und, und – scheint das zu bestätigten. Nein, auch relativ
objektive Kriterien nähren diesen Gedanken. Nimmt man sich beispielsweise die
Namenslisten der BWK/FU Berlin her, so lassen sich seit Ende September bis heute
sage und schreibe 27!! benannte Tiefdruckgebiete finden, die z.T. sehr
prominente Rollen gespielt haben. Nicht selten bekamen sie aufgrund ihres hohen
Impacts insbesondere in der westeuropäischen Nachbarschaft noch einen zweiten,
sogenannten internationalen Namen verpasst. Demgegenüber stehen im gleichen
Zeitraum gerade mal 8 benannte Hochs auf der Karte, die – so ehrlich müssen wir
sein, verehrte Damen – meistens über eine Komparsenrolle nicht hinauskamen. Nun
aber gibt es deutlich Hinweise, dass sich ab Anfang nächster Woche dauerhaft ein
kräftiges Hoch über dem Ostatlantik positioniert. Dadurch werden
Tiefdruckgebiete gezwungen, andere Wege als bisher zu gehen, was aber nicht
heißt, dass sich auch bei uns permanent Hochdruckeinfluss durchsetzt. Ein
weiterer Aspekt hohen Luftdrucks über dem Ostatlantik ist der, dass die Chancen,
kalte Luftmassen aus nördlichen Breiten irgendwann auch für uns zu gewinnen,
steigen. Wann und ob es schlussendlich auch tatsächlich so kommt, bleibt
allerdings abzuwarten.

Steigen wir ein in die Mittelfrist und tun das am kommenden Sonntag, wo besagtes
Hoch noch ganz schön weit draußen auf dem Atlantik liegt. Stattdessen hat sich
knapp nördlich von Schottland das zentralsteuernde Tief MARCO positioniert, das
seinen Höhepunkt gerade erreicht hat (00 UTC etwas unter 985 hPa im Kern) und im
Tagesverlauf beginnt sich aufzufüllen. Dabei zieht es langsam ostwärts zur
Nordsee, um am Montag Jütland in Richtung westliche Ostsee zu passieren. Das
zugehörige, weitgehend okkludierte Frontensystem überquert Deutschland am
Sonntag in seinem Nordteil zügig ostwärts, während es nach Süden hin etwas
zurückhängt (=> etwas länger Regen in Süddeutschland). Rückseitig gelangt mit
flotter zonaler Strömung eine Portion relativ milder subpolarer Meeresluft in
den Vorhersageraum, in der Schauer bzw. schauerartige Regenfälle auf fruchtbaren
Boden stoßen.

Während also das Bodentief zu Beginn der neuen Woche die Ostsee erreicht und
damit das o.e. Hoch mit seinem Zentrum dichter an UK/Irland heranrobbt, kommt es
bei der Geopotentialverteilung zu einer deutlichen Meridionalisierung. So wölbt
sich dank kräftiger WLA ein veritabler Höhenrücken über dem Ostatlantik auf, der
seine Fühler bis hoch zum Europäischen Nordmeer ausstreckt. Quasi als downstream
development wird auf seiner Ostabdachung Kaltluft südwärts verfrachtet, die
wiederum Potenzialverlust und somit die Bildung eines Höhentrogs fördert. Dieser
erstreckt sich am Montag von Skandinavien über das westliche Mitteleuropa bis
hinunter zur Iberischen Halbinsel. Darin eingelagert sind kurze Wellen, die u.a.
auch unseren Raum traktieren und dabei für einen unbeständigen Wochenstart
sorgen, wobei hier der Dienstag mit inkludiert ist. Dauerhafte Hebungsprozesse
sowie eine allmähliche Winddrehung auf nördliche Richtungen lässt die Temperatur
kontinuierlich sinken (auf 850 hPa grob: Montag 12 UTC um 0°C, Dienstag 12 UTC
um -2°C und Mittwoch 12 UTC um -4°C), was freilich auch für die Schneefallgrenze
gilt. Die sinkt soweit, dass zumindest in den Hochlagen die feste Phase am Start
ist.

Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang zu konstatieren, dass die
Niederschlagsneigung zum Mittwoch deutlich abnimmt. Grund ist das Abtropfen des
Höhentrogs über dem westlichen Mittelmeer, was bei uns Potenzial- und
Druckanstieg zur Folge hat. So schiebt sich vorübergehend ein Keil des kräftigen
Atlantikhochs gen Osten bis nach Mitteleuropa vor, was mit einer vorübergehenden
Abtrocknung einhergeht. Ab Donnerstag werden Boden- und Höhenkeil bereits wieder
nach Süden abgedrängt. Auslöser ist eine fette Zyklogenese über dem Nordmeer (in
der Nacht zum Freitag wird ein Kerndruck unter 955 hPa! offeriert), die mit
einer satten Austrogung einhergeht. Der resultierende Höhentrog holt extrem aus
und soll am Wochenende über weite Teile Mitteleuropas hinweg über die Alpen
südwärts ausgreifen. Thermisch würde das nach einer vorübergehenden Milderung am
Donnerstag/Freitag eine neuerliche Abkühlung bedeuten, bei der maritime
Polarluft mit T850 um -5°C straight ahead zu uns gesteuert wird. Warten wirŽs
ab…

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Basisfelder des aktuellen IFS (ECMF)-Laufs von heute 00 UTC sowie der
jüngsten Vorläufe weisen eine hohe Kongruenz und somit auch eine hohe Konsistenz
auf. Von daher scheint die mittelfristige Wetterentwicklung mit einem recht
hohen Vertrauensgrad ausgestattet zu sein. Gleichwohl gibt es noch einige
Unschärfen hinsichtlich der Details, was aber normal für eine
7-10-Tagesvorhersage ist. Ähnlich wie gestern stellt vor allem die genaue
räumliche Verteilung der Niederschläge inkl. deren Intensität noch ein gewisses
Problem dar. Es zeichnet sich aber ab, dass erstens keine markanten (also
warnwürdigen) Regenfälle mehr auftreten, zweitens die Schneefallgrenze
vorübergehend mal absinkt (wie weit, ist noch unsicher) und drittens die
Niederschlagsneigung zur Wochenmitte schwächer wird.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Grunde erzählen die anderen auf dem Prüfstand stehenden Globalmodelle (ICON,
GFS, GEM, UK10) eine sehr ähnliche Geschichte wie IFS. Leichte Unstimmigkeiten
gibt es noch immer hinsichtlich der Geometrie, des Timings und der Zugbahn des
alternden Tiefs MARCO. Nach wie vor bietet IFS die nördlichste Zugbahn an, was
im Verbund mit einer nach west-südwest gerichteten Rinne gegenüber den anderen
Modellen relativ späte und auch gedämpfte KLA polarer Meeresluft zur Folge hat
(siehe dazu auch die gestrige Synoptische Übersicht Mittelfrist). Die
nachfolgende Milderung zum Donnerstag hat dann wieder die komplette Numerik auf
dem Zettel, wenn auch bei ICON nur von kurzer Dauer. Hier steht schon der
Höhentrog direkt ante portas, der bei IFS erst am Wochenende zu uns reinschießen
soll.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Während die anderen Globalmodelle also die polare Kaltluft schon früher und auch
etwas kälter zu uns reinkommen lassen, kann sich IFS auf die Unterstützung
seines hauseigenen Ensembles verlassen. Nimmt man die Rauchfahnen verschiedener
deutscher Städte (in diesem Fall vor allem der norddeutschen), so lässt sich für
Dienstag gerade mal eine Handvoll Lösungen finden, die das Kaltluftspielchen
mitspielen. Das Groß der Ensemblemitglieder bleibt „standhaft“, wobei der Median
sogar noch knapp über der Kurve des Hauptlaufs liegt. Das thermische Minimum ist
eindeutig am Mittwoch verortet, bevor danach bei zunehmender Streuung wie beim
Hauptlauf eine Auf-Ab-Bewegung erfolgt, die auch beim Potenzial zu erkennen ist.
Offensichtlich ist übrigens auch die o.e. abnehmende Niederschlagsneigung zur
Wochenmitte, die sich deutlich in den EPS-Vorhersagen widerspiegelt.

Zu den Clustern, die im Zeitraum T+72…96h (Sonntag/Montag) fünf Schubladen
öffnet, die alle dem Klimaregime „NAO positiv“ zugeordnet werden und bezogen auf
den Vorhersageraum keine mit dem bloßen Auge erkennbare Unterschiede aufweisen.
Das ändert sich beim nächsten Zeitfenster (T+120…168h, Dienstag bis Donnerstag),
wenn die maximal Clusteranzahl (6) voll ausgereizt wird. Drei Cluster verbleiben
bei „NAO positiv“ (schwächere meridionale Aufwölbung des Rückens => zonalere
Grundströmung über Mitteleuropa), während die drei anderen in das Regime
„Atlantischer Rücken“ übersatteln. Dabei wird der Hauptlauf CL 6 mit nur 7
Fällen zugeordnet, allerdings sehen die anderen beiden Cluster (1 und 2, 12 und
9 Fälle) sehr ähnlich aus. Ab Freitag (T+192…240h) wechseln dann alle sechs
Cluster zu „Atlantischer Rücken“, wobei dieser aber unterschiedlich konfiguriert
ist. Für Mitteleuropa respektive Deutschland wären entweder eine lupenreine
Troglage (wie im deterministischen Lauf angedeutet) oder eine
zyklonale/antizyklonale Nordwestlage die Folge.

FAZIT: Sowohl deterministisch als auch probabilistisch weist die Vorhersage noch
einige Unwägbarkeiten auf. Ein Grundtenor ist aber zweifelsfrei zu erkennen.
Dieser weicht nicht wesentlich von der gestrigen Prognose ab, weshalb heute nur
an kleinen Schräubchen gedreht wird.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Zwar bleibt der Wettercharakter von wenigen Pausen abgesehen ein unbeständiger.
Trotzdem nimmt die Wahrscheinlichkeit für signifikante Wettererscheinungen –
namentlich WIND/STURM und NIEDERSCHLAG – gegenüber der Kurzfrist ab. So gibt es
seitens der Statistik nur noch ganz zaghafte Signale für stärkeren Regen
(Sonntag/Montag Deutsche Bucht ohne Küste, Montag/Dienstag Allgäu und bedingt
Schwarzwald). Ähnlich sieht es beim Wind aus. Zwar weht dieser auf der Südflanke
des über Jütland ostwärts ziehenden Tiefs anfangs noch recht flott aus
südwestlicher Richtung. Kritische Böen ab 8 Bft sind vor allem am Sonntag aber
nur in den Hochlagen der Berglands sowie mit geringer Wahrscheinlichkeit an der
Nordsee zu erwarten.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-Mix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann