SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 28.10.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 281800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.10.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
10 Bayern schenken 9 Lilien 8 Stück ein – in einer Halbzeit wohlbemerkt. Beim
Wetter nichts Neues – zyklonal bis zum Anschlag mit Wind und Regen, dazu auch
mal Gewitter. Ach ja, nicht vergessen. Kommende Nacht die Uhr um eine Stunde
zurückstellen.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … thront kein Geringerer als der Göttervater ZEUS himself als
„975iger“ Sturmtief (gemeint ist die 975 hPa adressierte Kernisobare) nicht über
dem Berge des Olymp, sondern knapp westlich von Irland. Von dort mischt er das
Wetter in weiten Teilen Europas und speziell auch bei uns in Deutschland mächtig
gewaltig (diese Redensart stammt zwar von der „Olsen-Bande – wer kennt sie
nicht, Egon und Konsorten -, ist aber auch eines Göttervaters mehr als würdig)
für reichlich Abwechslung zyklonaler Natur. Es lässt sich mit Fug und Recht
behaupten, dass ZEUS den Status eines zentralsteuernden Tiefs innehat, das sich
weit in die Troposphäre reingebohrt hat, nur wenig seine Position ändert und
zudem mit einem breiten, weite Teile des Ostatlantiks überdeckenden Höhentrog
ausgestattet ist. Wir hier in Deutschland befinden uns auf der Vorderseite des
gesamten Systems unter einer flott-flatternden südwestlichen Höhenströmung, mit
der immer wieder kurze Wellen durchgeschleust, auf der anderen Seite aber auch
ziemliche milde maritime Luftmassen advehiert werden. So steigt T850 von 1 bis
8°C heute Abend auf 4 (Nordosten) bis 12°C (Süden) am Sonntagmorgen. Damit ist
der Grundriss der Ausgangslage skizziert, widmen wir uns nun der Entwicklung der
kommenden 12 Stunden.
Da bekommen wir, oder sagen wir besser Teile des Vorhersageraums, es mit einer
Frontalwelle zu tun, die den Namen BENJ (int. Celine) trägt und heute südlich an
ZEUS vorbei in Richtung Frankreich gesteuert wurde. Von dort sowie vom
benachbarten Benelux greift die Welle mit reichlich ausladender WLA und später
im äußersten Westen/Nordwesten in Verbindung mit einem KW-Trog auch PVA über, so
dass die anfänglich noch auftretenden konvektiv geprägten Niederschläge mehr und
mehr in stratiformen Regen übergehen, der sich von Westen her nordostwärts
ausbreitet. Akkumuliert über 12 Stunden fällt der meiste Regen etwa vom Saarland
und RP bis hinüber nach Westthüringen, wo gebietsweise 10 bis 20, in Staulagen
lokal sogar 25 bis 30 l/m² zusammenkommen können. Grund für das regionale
Maximum sind neben orografischen Faktoren vor allem die übergreifende Kaltfront,
die aufgrund ihrer höhenströmungsparallelen Exposition so schöne Wellen schlägt,
dass der Blanke Hans vor Neid erblassen könnte. Trocken bleibt es hingegen auf
der „warmen Seite“ der Front vom Südschwarzwald bis hinüber zum Bayerischen Wald
sowie im gesamten Alpengebiet nebst Vorland. Etwas genauer hinschauen sollte man
ab den frühen Morgenstunden bis in den Vormittag hinein auf die Nordsee, das
küstennahe Binnenland sowie den äußersten Nordwesten und Westen. Dort wird
postfrontal zwar nicht wesentlich kältere, dafür aber indifferente bis leicht
labil geschichtete Meeresluft eingesteuert, die sehr üppig geschert ist (LLS und
DLS, vornehmlich, aber nicht nur Geschwindigkeitsscherung) ist. CAPE wird trotz
ausreichend Feuchte bei weitem nicht so progressiv feilgeboten, so dass hier von
einer „Low-CAPE-High-Shear-Konstellation“ (LC-HS)mit leichtem Hang zu flachen
Superzellen gesprochen werden kann. Hinzu kommt der vordere Teil eines
langgezogenen Jetstreaks, dessen hebungsintensivster linker Ausgang aber knapp
außerhalb des Vorhersageraums liegt. Kurzum, eine ganz große Bambule-Lage drängt
sich nicht unbedingt auf, trotzdem sind Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten,
zumal die Oberwinde mit bis zu 45 Kt auf 925 hPa und bis zu 55 Kt auf 850 hPa
nicht ohne sind. Sogar das T-Wort ist angesichts auf unter 1000 m sinkender
Wolkenbasis nicht gänzlich ins Reich der Fabel zu verbannen, auch wenn wir hier
den Teufel nicht zu forsch an die Wand malen wollen.
Kurz noch ein paar Sätze zu Wind und Temperatur. Vor allem im Norden und Westen,
teils ausgreifend bis zur Mitte legt der Gradient allmählich zu, was den
südöstlichen bis südlichen, später mehr südlichen bis südwestlichen auffrischen
lässt. Meist sind es die Hochlagen, die anspringen (7-8 Bft, exponiert 9 Bft,
Brocken bis zu 10 Bft), aber auch die offene Nordsee inkl. der Inseln und dem
Küstenstreifen kommen zunehmend auf Böen 7-8 Bft. Im Westen sowie allgemein im
Lee der Mittelgebirge sind auch bis ganz runter ein paar steife Böen 7 Bft am
Start. Darüber hinaus kommt in den Alpen ganz allmählich Föhn auf mit Böen 8-9
Bft auf exponierten Gipfeln und vielleicht ersten 7er-Böen in anfälligen Tälern.
Bei guter Durchmischung und überdurchschnittlich viel Bewölkung bleibt es in den
meisten Regionen mild, im Westen gar zweistellig. Nur im Süden, den die ganze
beschriebene Litanei nicht juckt, kommt bei vielfach klarem Himmel auf
frostfreie Minima unter 5°C.
Sonntag … verbleiben wir auf der Vorderseite des breiten Troges über dem nagen
Atlantik. Während Maestro ZEUS seine Position knapp westlich der Grünen Insel
nicht aufgibt, dabei aber etwas an Gewicht zulegt ((Kerndruck zum Datumswechsel
knapp unter 985 hPa), erreicht die Welle BENJ als kleines Randtief die
Doggerbank (12 UTC). Die zugehörige, nach wie vor wellende Kaltfront legt sich
diagonal von Nordost nach Südwest orientiert über den Vorhersageraum, ohne sich
nennenswert vom Fleck zu rühren (wenn man mal die durchziehenden Wellen
außeracht lässt). Groß sind die Luftmassenunterschiede zwischen vor und hinter
der Front nicht, auch wenn T850 in der Nordwesthälfte mit 4-6°C deutlich unter
den 7-11, im föhnigen Alpenvorland bis 13°C präfrontal liegen. Die südwestliche
Anströmung sowie die gute Durchmischung lassen die Temperatur in der „Kaltluft“
auf 12 bis 17°C steigen, was Ende Oktober natürlich alles andere als kalt ist.
Noch milder, nein, wärmer wird es ganz im Süden, wo Föhn und höhere
Sonnenanteile stellenweise 20°C oder sogar etwas mehr zulassen.
Und sonst so? – Nun, wie bereits erwähnt laufen entlang der Luftmassengrenze
mehrere Wellen ab, die von Südwest nach Nordost wiederholt für Regenfälle
sorgen. Diese sind sowohl skaliger, teils aber auch konvektiver Natur und weisen
im Südwesten erneut ihr Maximum auf (gebietsweise 10 bis 20, lokal 25 bis 30
l/m² innert 12 h; in den laufenden Warnungen eingepreist). Gerade am Nachmittag
wird im Südwesten eine sehr feuchte (PPW z.T. über 25 mm) und indifferente bis
leicht labil geschichtete Luft advehiert, die in extrem stark gescherten Umfeld
(LLS teils über 15 m/s, DLS, teils um 30 m/s) eine LC-HS-Situation
heraufbeschwört. Dabei sind entweder eingelagert in den frontalen Regen oder auf
der warmen Seite, evtl. sogar leicht abgesetzt vom Regenband, einzelne Gewitter
mit dem Potenzial flacher Superzellen möglich, die sowohl mit Starkregen als
auch Böen 8 Bft (abgesetzt vom Regen vielleicht sogar noch mehr) einhergehen
können. Darüber hinaus gibt es Hinweise (u.a. von ICON-D2-EPS) strichweise auch
mehrstündiger Starkregen über 20 l/m² auftreten kann.
Weiterhin nichts passiert ganz im Süden und Südosten der Nation, wo durch die
Abschattung der Alpen nicht nur die Sonne ihre Chancen bekommt, sondern zudem
auch kein Niederschlag fällt. Bliebe schließlich noch der postfrontale Norden
und Westen, wo über die Mittagszeit vorübergehend etwas trockenere und stabilere
Luft eingemischt wird. Folgerichtig nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit
vorübergehend ab, bevor sie mit Annäherung eines KW-Troges und damit verbundener
Wasserdampfkonvergenz respektive zunehmender Labilität wieder ansteigt. Dabei
können ähnliche Begleiterscheinungen auftreten wie am Morgen/Vormittag.
Tja, und dann wäre da noch der Wind, der aus südlichen Richtungen kommend vor
allem im Westen und Nordwesten sowie in Teilen der Mitte und allgemein in
höheren Lagen (außer im Südosten) vorübergehend nassforsch aufmuckt. Eine klare
Warnlinie ist dabei nicht ganz einfach zu finden, weil gerade im Flachland das
Ganze im Grenzbereich von Böen 6 zu 7 Bft stattfindet. Trotzdem, im
west-nordwestdeutschen Binnenland sollte die kleine Warnung gezogen werden (7
Bft). An der Nordsee sowie auf den Inseln stehen Böen 7-8 Bft auf der Karte,
ebenso im Bergland sowie auf den Leeseiten. Exponiert Kamm- und Kuppenlagen
kommen gar auf Böen 9 Bft, der Brocken schießt mit bis zu 11 Bft fast
wortwörtlich einmal mehr den Vogel ab. Auf den Alpengipfeln kann der Föhn in
Böen Stärke 10 Bft erreichen (schwere Sturmböen).
In der Nacht zum Montag bleibt die zyklonale Südwestlage bestehen, wobei der
Gradient etwas auffächert und der Wind entsprechend nachlässt. In den Hochlagen
bleibt freilich ein frisches bis lebhaftes Lüftchen übrig bis hin zu Böen 10 bis
11 Bft auf dem Brocken, der aber wegen geostrategischer Übervorteilung „außer
Konkurrenz“ läuft. Außerdem wird ganz im Norden die Passage eines kleinen
Bodentrogs simuliert, der von der Nord- zur Ostsee zieht und dabei an der See
für wenige Stunden für einen steifen bis stürmischen Wind aus Süd bis West
sorgt.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Front weiterhin strömungsparallel
von SW nach NO über Deutschland verläuft und dabei weitere Regenfälle generiert
mit Schwerpunkt im Südwesten und in der Mitte. Was Intensität und räumliche
Genauigkeit angeht, nehmen die Unschärfen zwar zu. Berücksichtigt man aber, dass
am Montag und in der Nacht zum Dienstag weitere Regenfälle folgen, muss
ernsthaft über die Ausweitung der Dauerregenwarnung über den Spessart und
Odenwald hinweg bis zum Thüringer Wald nachgedacht und spätestens am Sonntag
früh nach der Konferenz entschieden werden. Weiterhin trocken bleibt es im Süden
und Südosten und auch postfrontal legt das konvektive Geschehen mit Ausnahme der
küstennahen Regionen (Schauer, einzelne Gewitter) eine nächtliche Ruhepause ein.
Mit 13 bis 5°C Tiefsttemperatur verläuft auch diese Endoktobernacht
vergleichsweise mild.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … Der 12-UTC-Lauf von heute Abend zeigt gegenüber seinen jüngsten
Vorgängerläufen keine signifikanten Abweichungen. Der Hauptregenstreifen, noch
immer induziert durch die nicht weichen wollende Front, wird etwas weiter
nordwestlich simuliert, was Auswirkungen auf die Osterweiterung der
Dauerregenwarnung haben könnte. Mehr dazu am Sonntagfrüh. Ansonsten gelten im
Wesentlichen die Ausführungen der Synoptischen Übersicht von heute Vormittag.
Modellvergleich und -einschätzung
Die synoptische Entwicklung wird im Grundsatz recht einheitlich simuliert. Das
kleine Tief, das UK10 im 00-UTC-Lauf für Sonntag nach Norddeutschland gelegt
hat, ist inzwischen zu einem Bodentrog degradiert worden. Entsprechend schwächer
fällt die Windentwicklung aus, wenngleich immer noch stärker als bei den meisten
anderen Modellen.
Wie im Text angesprochen ergeben sich beim Niederschlag gewisse Unschärfen, was
freilich auch für die morgige Konvektion gilt. Diesbezüglich ist sowieso
In-situ-Warnmanagement angesagt.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann