S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 11.10.2023 um 10.30 UTC

Großer Luftmassenwechsel am Samstag in Verbindung mit Windböen und einzelnen
Gewittern, danach deutlich kühleres Herbstwetter mit erstem Frost im Bergland.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 18.10.2023

Für alle, die sich mittlerweile fragen „Wann kommt er denn nun, der Herbst?“,
lässt sich die Frage jetzt beantworten: Am Samstag ist es soweit. Maßgeblich
dafür verantwortlich ist eine an die Frontalzone gebundene Zyklogenese über dem
Nordmeer, die sich am Samstag als kräftiges Tief über Zentralnorwegen und
-schweden manifestiert. Dieses Bodentief korrespondiert dabei mit einem leicht
westwärts geneigten Langwellentrog mit Amplitude bis nach Südwesteuropa. Die
daraus resultierende Positionierung auf der Trogvorderseite begünstigt eine
weitere Verstärkung des Bodentiefs in einem ohnehin von hoher Baroklinität
geprägtem Umfeld. Die Temperaturkontraste entlang der deutlich ausgeprägten
Fronten sprechen jedenfalls Bände. Im über Deutschland liegenden Warmsektor
liegt die T850 im Süden etwa zwischen 10 und 15°C mit den höchsten Werten am
Alpenrand. Im Laufe des Samstages überquert die Kaltfront dann mit ostwärts
ziehendem Tief und heranrückendem Langwellentrog ganz Deutschland. Rückseitig
fließt anschließend im großen Stil maritime Polarluft aus Richtung Nordmeer mit
T850 zwischen -2°C und 0°C ein. Ein solcher Temperaturkontrast macht sich auch
bei den signifikanten Wettererscheinungen bemerkbar. An die Kaltfront geknüpft
ist ein kräftiges Regenband. Darin eingelagert lassen sich einzelne markante
Gewitter nicht ausschließen. Zwar hält sich bei eher stabilen Lapse Rates
zwischen 850 und 500 hPa die Labilität deutlich in Grenzen (höchstens regional
mal mehr als 100 J/kg), aber bei Scherungswerten von 50 bis 60 kt und
darüberliegendem Jet-Maximum können etwaige konvektive Entwicklungen schnell
„scharf“ werden, hier insbesondere in Form einzelner Sturmböen. Auf der
Rückseite nähert sich anschließend auch rasch der mit reichlich Höhenkaltluft
gefüllte Trog – T500 liegt hier bei bis zu -30°C – sodass es bereits nach
Frontdurchgang später besonders im Nordseeumfeld erneut zu Kaltluftgewittern
kommen kann. Auch hier sind durch das Herabmischen von Höhenwind am Rande des
Troges einzelne Sturmböen nicht ausgeschlossen. Auch der Gradient soll beim Wind
nicht zu kurz kommen. Dieser verschärft sich vor allem nach Frontdurchgang
zusehends, und sorgt vor allem entlang der Küste ebenfalls für stark böigen bis
stürmischen Wind aus Nordwest. Bemerkenswert ist am Ende aber vor allem der
Temperaturrückgang im Zuge des Kaltfrontdurchzugs. Stellenweise dürften sich
entlang der Luftmassengrenze Gradienten von deutlich über 10 Grad herausbilden.
Der Begriff „Temperatursturz“ ist hier zumindest im Rahmen dessen, was man in
Europa kennt, durchaus angebracht.

Die enorme Kaltluftadvektion sorgt im Anschluss am Sonntag dafür, dass sich vor
allem von Süden her bodennah rasch Hochdruckeinfluss durchsetzt, während sich
der Langwellentrog in der Höhe noch genau über Deutschland befindet. Damit wird
dort weitere Niederschlagstätigkeit rasch unterdrückt, während es im Norden im
Bereich des Höhenkaltluftkerns erneut zu kräftigen Schauern und einzelnen
Gewittern kommen kann, wo zusammen mit dem noch immer bestehenden
Druckgradienten am Boden vor allem an der Nordseeküste weiterhin Sturmböen zu
erwarten sind. Insgesamt bleibt, wie schon angekündigt, von den zuletzt noch
warmen Temperaturen nichts mehr übrig. Im Norden sind noch Höchstwerte zwischen
10 und 13°C zu erwarten, im Süden kann es stellenweise auch bis 14°C hochgehen.
Im Bergland bleibt es wohl größtenteils sogar einstellig. Mit dem
Hochdruckeinfluss und daraufhin abnehmender Bewölkung wird es angesichts der
eingeflossenen Luftmasse aber auch Zeit, den Blick Richtung Luftfrost zu werfen.
Erste Signale dafür gibt es in der Nacht zum Montag für das Bergland, wo die
Werte bis auf etwa 0°C absinken sollen. In entsprechend geeigneten Tal- und
Muldenlagen geht es bei klarem Himmel dabei sicher auch nochmal ein Stückchen
tiefer.

Am Montag flacht sich die nordwestliche Strömung vorübergehend etwas ab.
Mittlerweile hat sich ausgehend von den Britischen Inseln eine Hochdruckbrücke
bis ans Schwarze Meer herausgebildet. Gleichzeitig entwickelt sich auf der
Rückseite des abgezogenen Langwellentroges ein neuer Sekundärtrog mit Kern über
der Iberischen Halbinsel. Dazu gehört auch eine neuerliche Tiefentwicklung am
Boden, in deren Zuge im Süden allmählich wieder leichte WLA einsetzt.

Am Dienstag wird die bestehende Hochdruckbrücke Britische Inseln – Schwarzes
Meer sowohl von Norden als auch von Süden angegriffen. Mit südlicher bis
südwestlicher Strömung, die durch das Spanien-Tief induziert wird, gelangt
wieder etwas mildere Luft in den Süden Deutschlands. Gleichzeitig bildet sich
über Russland ein neues kräftiges Bodentief vorderseitig des abgezogenen
Langwellentroges. Dieses Tief sorgt dafür, dass die eingeflossene Polarluft
abgezogen wird, sodass der Weg für etwas mildere Atlantikluftmassen frei ist.
Diese gelangt mit weiterhin nordwestlicher Strömung zwischen Trogrückseite und
Hochdruckkeil mit Zentrum über den Britischen Inseln bzw. Nordsee zu uns. Die
zyklonalem Einfluss unterliegende Polarluft macht sich hierbei nur noch in Form
einiger weniger Schauer an der Ostseeküste bemerkbar.

Am Mittwoch ist der Hochdruckkeil zunächst weiterhin wetterbestimmend, baut sich
allerdings bei uns zunehmend ab und verlagert sich nordwärts. Es stellt sich
eine Hochdruckrandlage ein zwischen den zwei steuernden Tiefs über Nordrussland
und Spanien, wobei die Strömung beginnt, auf Südost zu drehen. Dabei bleibt es
bei insgesamt eher ruhigem Herbstwetter. Mit der etwas milderen Luftmasse (TMax
tagsüber regional wieder bis 15°C) nimmt die Gefahr etwaiger Nachtfröste wieder
ab.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz der letzten ECMWF-Läufe ist zunächst sehr hoch, nimmt aber im
Laufe der nächsten Woche immer mehr ab. Der Ablauf des Kaltfrontdurchganges am
Samstag kann als gesichert betrachtet werden. Auch die deutliche Abkühlung im
Nachgang steht außer Frage. Unsicher ist dagegen der weitere Verlauf,
insbesondere hinsichtlich der Frage, wie lange es die Polarluft schafft, über
Deutschland liegenzubleiben, bevor sie allmählich wieder ausgeräumt wird.
Diesbezüglich gibt es noch größere Unsicherheiten hinsichtlich der
Tiefentwicklung über Spanien, die im Nachgang bestimmt, wie rasch mildere Luft
aus Süden bzw. Südwesten wieder nach Deutschland gelangt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die großen Strömungsmuster werden von den verschiedenen Modellen zumindest in
ähnlicher Art und Weise gezeigt. Größere Unterschiede zeigen sich dagegen in der
Ausprägung der steuernden Druckgebiete. Insbesondere die Tief-Entwicklung über
der Iberischen Halbinsel scheint größere Probleme zu bereiten. ICON lässt z.B.
das Höhentief komplett abtropfen, während ECMWF und GFS wesentlich flachere
Tröge rechnen. Nicht nur zeigen sich Unterschiede im Temperaturbereich (ICON bis
-20°C in 500 hPa, andere deutlich wärmer), auch die damit verbundene
Bodentiefentwicklung fällt entsprechend unterschiedlich aus. Diese fällt im GFS
besonders intensiv aus. Dementsprechend zeigt GFS auch deutlich stärkere WLA in
dem Bereich und einen sich verschärfenden T-Gradienten, der dort Mitte der Woche
zu signifikanten Wettererscheinungen im Alpenraum führen soll. Das ist aber
erstmal noch als Ausreißervariante zu betrachten, denn kein anderes Modell zeigt
ansatzweise Ähnliches.
Unterschiedlich fällt dementsprechend auch die Entwicklung des Höhenrückens
nördlich davon aus. Zwar bleibt der grundsätzliche Wettercharakter davon eher
unbeeinflusst, in Detailfragen bzgl. auftretendem Wind oder der
Niederschlagsverteilung im Norden ergeben sich aber durchaus größere, zum Teil
noch nicht konkret in Auswirkungen zu fassende Unterschiede.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die EPS-Rauchfahnen zeigen einheitlich den signifikanten Temperaturrückgang und
den damit verbundenen Geopotentialabfall sowie entsprechende
Niederschlagssignale für das kommende Wochenende. Bis zum Dienstag herrscht noch
relativ große Übereinstimmung bzgl. des weiteren Temperaturverlaufes, spätestens
ab Mittwoch nehmen die Unsicherheiten deutlich zu. Insgesamt gibt es nur geringe
Niederschlagssignale alle repräsentativ gewählten Punktprognosen.

Die Cluster zeigen durchweg Umstellung auf Atlantikblock. Das entspricht auch
den der Deterministik entnommenen Szenarien. Noch offen ist hierbei die
Ausprägung des Blockings zum Ende des Mittelfristzeitraumes, wobei die Mehrheit
der Member einen eher kräftigen Rücken über dem Ostatlantik/Westeuropa
simulieren.

Das GFS-Ensemble schlägt in die gleiche Kerbe. Ab Mittwoch sind auch hier die
Unsicherheiten sehr groß bezüglich des weiteren Ablaufs.

Fazit:
Der Herbst kommt. Spätestens bis Sonntag fließt überall polare Kaltluft ein, die
das Temperaturniveau deutlich nach unten drückt. Damit einher geht stürmischer
Wind an den Küsten. In der neuen Woche beruhigt sich das Wetter rasch, es gibt
im südlichen Bergland wohl die ersten leichten Nachtfröste. Der weitere Fortgang
ist dann noch relativ offen, aber eine zumindest leichte Milderung lässt sich
ausmachen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Samstag stürmische Böen an der Küste wahrscheinlich, Sturmböen oder schwere
Sturmböen gering wahrscheinlich. In Gipfellagen des Berglandes ebenfalls
stürmische oder Sturmböen gering wahrscheinlich. Einzelne kräftige Gewitter mit
Frontdurchgang gering wahrscheinlich. Im Schwarzwald Dauerregen gering
wahrscheinlich.
Am Sonntag stürmische Böen an der Küste weiterhin wahrscheinlich, Sturmböen
gering wahrscheinlich.
Am Montag noch geringe Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen an der Küste.

Basis für Mittelfristvorhersage
ICON, GFS, ECMWF, ECMWF-ENS, GFS-ENS, ICON-EU-EPS, COSMO-LEPS, MOSMIX

VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch