#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 19.09.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 191800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.09.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Heute Abend schwere Sturmböen über/im Umfeld der Deutschen Bucht, im Verlauf der
Nacht abschwächend. Sonst eine insgesamt ruhige und immer wärmer werdende
Kurzfrist.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … wird der Norden Deutschlands von einer aktiven Frontalzone peripher
beeinflusst, sodass das signifikanteste Ereignis auch gleich zum Beginn dieser
Kurzfrist über die Bühne geht.
Eine in eine stramme südwestliche Höhenströmung eingebettete Welle passiert
aktuell die Deutsche Bucht, sticht jedoch bezüglich Krümmung und IPV Abdruck
kaum ins Auge. Signifikanter ist der thermische Abdruck in den untersten 3km
AGL, wobei z.B. die westliche Nordsee (Bereich Doggerbank) binnen 6h einen
Anstieg der Temperatur in 850 hPa um 7K erlebte. Sprich, kräftige WLA
(niederschlagsreich) einhergehend mit einem strammen warmen Jet sorgen über der
südlichen Deutschen Bucht inklusive Küstenumfeld für ein nicht unkritisches
Windereignis, das in den kommenden Stunden sein Maximum erfährt.
Die in der Numerik dargestellten 60kt in 950 hPa werden im Radar Ingham (UK) in
den untersten 500-1000 m AGL gestützt, sodass an der Intensität des Windes im
Warmsektor nicht zu rütteln ist. Aktuell (14Z) liegt die Welle mit peripher der
Welle 80-iger Druckfall/3h knapp vor Helgoland, einhergehend mit Bft 10-er bis
11-er Böen (rund 100-115 km/h). Diese soliden Böenspitzen sind gut innerhalb der
Ensembleverfahren abgedeckt, wobei das insgesamt offensiv aufgestellte ID2-EPS
dieses Ereignis recht gut zu erfassen scheint (80% für Bft 11 Böen bis 18Z im
Umfeld von Sylt). Dank der überschaubaren Dynamik, fehlender „dark stripe“
Signatur im WV Bild sowie ein geringes Auffächern der Hintergrundströmung bis
zum Abend dürfte die Welle recht stabil (IFS-ENS mit 990-995 hPa – auch mit
Blick auf die Ausdehnung des Windfelds) bis zum Abend nach Dänemark ziehen. Den
besten „fetch“ innerhalb des warmen Jets (+ Drucktendenz) sollten die
Nordfriesen haben (zwischen 16 und 20 Uhr MESZ), wo Bft 10 Böen, exponiert auch
mal Bft 11 auftreten können. Richtung Binnenland findet ein starker
Intensitätsgradient statt mit Bft 7/8 Böen im Umfeld der Deutschen Bucht sowie
Bft 8/9 im Landkreis Dithmarschen/Nordfriesland (westliche Bereiche dieser
Landkreise Bft 9-10).
Abseits dieses Windmaximums werden einzelne Windböen im Norden Deutschlands bis
zum Abend mit Windböen Bft 7 bewarnt sowie ein Streifen vom Harz bis zum
Thüringer Wald, der bei Südwest immer wieder mal grenzwertige Böen hervorbringt.
Auf dem Brocken treten markante Böen aus Südwest auf (Bft 10).
Ansonsten fächert der Gradient jeden Kilometer nach Süden immer weiter auf,
sodass der mäßige Südwestwind südlich der zentralen Mittelgebirge keine
warnrelevante Rolle mehr spielt.
In weiten Bereichen Deutschlands herrscht bis zum Abend eine freundliche „Sonne
- Cu hum“ – Mischung ohne Niederschlag. Etwas „Restlabilität“ findet sich in
Richtung Niederbayern, wo z.B. ein AMDAR aus München das Potenzial für
hochreichende Konvektion angedeutet hat. Mit schwachem Hebungsantrieb und
allmählich nachlassender diabatischer Erwärmung sollten die teils kräftigen
Schauer unter Abschwächung bis zum Abend endgültig in Richtung Salzburg
abziehen.
Im Nordwesten sorgt dichte Aufgleitbewölkung für einen trüben Abend, besonders
im Umfeld der Nordfriesen regnet es längere Zeit mit leichter Intensität, wobei
der kräftigste Niederschlag eher knapp nördlich der dänischen Grenze
vorbeischrammen sollte.
Die abendlichen Werte liegen recht homogen von Nord nach Süd zwischen 17 und 21
Grad.
In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an dieser Verteilung wenig. In weiten
Bereichen Deutschlands (Mitte, Süden und Osten) erwartet uns eine ruhige Nacht
mit geringer Bewölkung sowie mit lokalen Nebelfeldern im Umfeld des Bayerischen
Waldes (wo es etwas Feuchteeintrag gab). Die Tiefstwerte liegen dabei in der
Mitte zwischen 14 und 10 Grad sowie etwas unter 10 Grad im Süden (im
süddeutschen Bergland um 7 Grad).
Den Norden beeinflussen hingehen weiterhin dichte Wolkenfelder und besonders im
Umfeld der Nord- und Ostsee kann es immer wieder etwas regnen. Der
Niederschlagschwerpunkt liegt klar im Umfeld der Nordfriesen, die innerhalb des
warmen Förderbands liegend organisierte Schauerstraßen abbekommen sollten und
das in einer sehr feucht/labilen Umgebung (PWs um 30 mm, TPWs bei bis zu 150%
des Normalwertes und EFI Feuchtefluss gar mit einem SOT +0.x). Dabei scheint
nach Passage der aktuellen Welle (die das Sturmfeld generiert) in der leicht
flatternden südwestlichen Strömung eine weitere, sehr schwache Welle bis 00Z die
Deutsche Bucht ostwärts zu passieren. Stromab dieser Welle sorgt ein anhaltend
starker LLJ parallel zur Hintergrundströmung für das größte
Niederschlagspotenzial im Küstenumfeld (training Potential). Nach deren Passage
mit Rückdrehen auf WSW lässt das Potential für „training“ rasch nach.
Grobe Ensembleverfahren zeigen im Umfeld der Nordfriesen 12-std. Mengen von rund
15 mm, COSMO-LEPS gar mit <10% für mehr als 25 l/qm in 12 Stunden bzw. ID2-EPS mit <10% für mehr als 20 l/qm. Einzelne det. Lösungen gehen im Grenzbereich zu Dänemark auch in Richtung markante Warnschwelle, allerdings mit stark variierenden Schwerpunkten und Maxima (je nachdem, wo innerhalb der Numerik die einsetzende Grenzschichtreibung temporär stationäre Konvergenzen ausbildet). Summa summarum könnten wir punktuell in diesem Bereich markante Mengen sehen (>20 l/qm/6h), warntechnisch ist das jedoch zu unsicher/lokal für eine
Warnausgabe (1. Nachthälfte). Nach Mitternacht sinkt wie gesagt das Potential
für temporäres „training“, es treten jedoch weitere kräftige Schauer auf –
Ladungstrennung/kurze Gewitter sollten bei einer Inversion in rund 700 hPa und
subtropisch warmer/feuchter Luftmasse nicht auftreten.
Der Südwestwind bleibt über der Deutschen Bucht bis weit in die Nacht ein Thema,
erst nach Mitternacht (nach Passage der 2. Welle) sollten die Bft 10 Böen
(offshore und im direkten Küstenumfeld) abebben. Markante Böen Bft 8-9 werden in
diesen Regionen jedoch bis ausgangs der Nacht erwartet. Im Umfeld der Ostsee
sorgt die ablandige Komponente eher für Böen Bft 7/8, im Norden allgemein Bft
6/7 aus Südwest. Exponierte Kammlagen der zentralen Mittelgebirge erwarten
ebenfalls Bft 7 Böen aus Südwest mit Bft 9/10 Böen auf dem Brocken. Weiter im
Binnenland spielt der Südwestwind keine warnrelevante Rolle mehr.
Mittwoch … zieht Ex-Lee in Richtung der Hebriden und erfährt in einer
baroklinen Umgebung erneut einen Intensivierungsschub. IFS-ENS zeigt einen eng
gebündelten Verlauf der Member in Richtung 975 hPa (Minima bei knapp unter 970
hPa und einer engen Clusterung über den Hebriden). Hochreichend markante WLA
erfasst weite Bereiche Nordwesteuropas und wenig überraschend gelangt auch
Deutschland in diesen umfassenden Warmsektor mit 850 hPa Werten von 10 bis 15
Grad (Nordwest nach Südost).
Dank der „aufsteilenden“ Strömung werden die frontalen Reste der Nacht im Norden
rasch nordwärts weggedrückt, sodass deutschlandweit ein freundlicher
Spätsommertag erwartet werden kann – viel Sonne südlich der zentralen
Mittelgebirge und noch ausgedehnte WLA-Wolkenfelder im Norden. Es bleibt überall
trocken, sieht man am Vormittag von letzten Schauern im Norden von
Schleswig-Holstein ab. Mit Höchstwerten von 23 bis 27 Grad wird es
spätsommerlich (sehr) warm, nur im Norden verbleiben die Maxima unter dichten
Wolkenfeldern bei rund 22 Grad.
Der mäßige Ostwind im Süden kommt sonst frisch aus überwiegend südlicher bis
südwestliche Richtung mit Bft 7 Böen im Umfeld der Deutschen Bucht (exponiert
Bft 8) und Bft 10 Böen auf dem Brocken.
In der Nacht zum Donnerstag passiert den Warmsektor eine diffuse IPV Anomalie,
die jedoch nur etwas mehr Bewölkung für den Süden im Gepäck hat. Sonst verläuft
die Nacht meist klar und überall trocken, im Umfeld der Donau gebietsweise mit
einzelnen Nebelfeldern. Die Tiefstwerte liegen bei 17 bis 14 Grad im Westen und
sonst 12 bis 8 Grad.
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Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … hat sich seit der Frühübersicht nichts Nennenswertes geändert
bezüglich der Verlagerung und des timing der synoptischen „feature“. Im Zuge
einer schleifenden Kaltfrontpassage kommt ab dem Mittag im Westen Regen auf,
dank einer Labilitätsfläche bis 5km AGL sind in das Regengebiet auch
eingelagerte Gewitter nicht unwahrscheinlich. Inwieweit lokal Starkregen ein
Thema wird dank mehrfacher Passage von konvektiv verstärkten Niederschlägen ist
innerhalb der Numerik noch kein großes Thema, sollte jedoch bei PWs um 35 mm
nicht aus den Augen gelassen werden. Im gesamten Osten wird nochmals ein
sonniger und mit Spitzenwerten bis 29 Grad ein sehr warmer Tag erwartet und wer
weiß – vielleicht reicht es gar zu einer nicht gerundeten 30.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Numerik hat die Kurzfrist insgesamt gut im Griff, sodass keine nennenswerten
Diskrepanzen zu erwähnen sind.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy