S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.08.2023 um 10.30 UTC

Nordwärts ausbreitendes Gewitterpotenzial mit Unwettergefahr sowie Starkregen.
Im Süden hohe Wärmebelastung. Wochenende wechselhaft und kühler.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.08.2023

Die in der Mittelfrist (Mifri) vom 11. August dargelegten Hintergrundbedingungen
besitzen auch in dieser Mittelfrist weiterhin ihre Gültigkeit. Die Kopplung in
der Stratosphäre/Troposphäre dauern unter Abschwächung ebenso an wie NAO/NAM
negativ und eine jahreszeiten-typisch recht schwache Hintergrundströmung (zonal
gemitteltes U bei 60 Grad Nord). Zwar marschiert eine je nach Numerik schwach
bis mäßig ausgeprägte Madden-Julian-Oszillation von Phase 8 zu 1, macht sich
jedoch eher nur durch ein 2-3 wöchiges Zeitfenster günstiger
Tropensturmbedingungen über dem tropischen Atlantik bemerkbar. Wie wir noch
sehen werden spielt diese Entwicklung in der Tat auch für unser Wetter eine
indirekte Rolle.

Der dominante Faktor in dieser Mifri ist eine 600 + gpdm Antizyklone über den
USA, die die gesamte Mittelfrist hinweg quasi-stationär liegen bleibt (u.a. auch
durch den negativen PV outflow des Hurrikans HILARY gestützt, der alsbald dem
Südwesten der USA einen Besuch abstattet). Zeit-Längendiagramme des
nordamerikanisch-eurasischen Sektors heben den sich aufbauenden Rossby-Wellenzug
sehr schön hervor, der seinen Ursprung im nördlichen und zunehmend im
nordöstlichen Pazifik hat (Entwicklung einer negativen PNA, Pazifik-Nordamerika
Regime) und der sich unter Vergrößerung der Wellenamplitude ostwärts über den
Nordatlantik nach Europa ausbreitet. Die anfängliche Blockierung über Grönland
(GBI +) schlägt im Verlauf der Mittelfrist um, sodass das höhere Geopotenzial
nördlich/westlich der Azoren verbleibt und durch eine dann beginnende
Verringerung der Wellenamplituden eine Zonalisierung der Frontalzone über dem
Nordatlantik erfolgt. Alles in allem eine klassische downstream-development
Entwicklung, die uns einen nachhaltigen Wechsel bei der Witterung beschert.

Erwähnenswert ist noch, dass der aktuell vor Irland liegende Höhentiefkomplex in
der Folge und somit auch während der Mifri in ein bzw. mehrere kompakte cut-offs
aufbricht, die den Azoren wechselhaftes Wetter bescheren und bezüglich Lage und
Intensität unsicher behandelt werden. Deren mögliche erneute Eingliederung in
die Westwinddrift sorgt für gröbere Diskrepanzen bei der Entwicklung unserer
Mifri.

Die ersten Tage unserer Mittelfrist werden durch die Amplitudenvergrößerung der
Wellen über dem Nordatlantik geprägt. Die jüngsten 4 Läufe des IFS zeigen
homogen die Intensität und Lage der Anomaliezentren über dem Nordatlantik und
deuten immer mehr eine konstruktive Interferenz eines Troges bei Irland mit dem
angesprochen tieferen Geopotenzial über den Azoren an. Flankiert wird dieser
Trog westlich durch den sich abschwächenden GBI + (mit Residuum westlich der
Azoren) sowie einer sich nur zögernd abschwächenden Antizyklone über dem
südwestlichen Europa, deren blockierende Wirkung jedoch noch bis in die Mifri
Bestand hat. Dank der positiven Achsenneigung des Langwellentroges und der noch
blockierenden Antizyklone ist die Progressivität des Troges nach Osten vorerst
gehemmt.
Es wird von Mittwoch bis einschließlich Samstag eine gewisse Ostverlagerung des
Troges und auch des den Trog begleitenden Frontenzugs erwartet. Die Front
überstreichende kurzwellige Anteile in einer immer strammer werdenden
südwestlichen Strömung können jedoch regional stark modifizierend eingreifen und
die Front mal mehr nach West/Ost und Nord/Süd „verbiegen“. Zahlreiche der
momentan gezeigten Kurzwellen sehen (numerisch) teils konvektiv geprägt aus, und
weisen daher eine größere Sprunghaftigkeit bzgl. Lage/Intensität auf. Zudem muss
noch abgewartet werden, ob der jüngste Trend im IFS (siehe Konsistenzbewertung
des Modells) sich weiter festigt.

Mittwoch bis Freitag wird somit zunächst der Süden (Mittwoch) und in der Folge
besonders die Mitte und weite Bereiche des Ostens erneut von sehr feuchter und
labil geschichteter Subtropikluft geflutet (PPWs 30 bis 40 mm, TPW Anomalie bei
150-200%). Inwieweit der Westen auch noch davon betroffen ist kann dank der
dynamischen Unschärfe noch nicht abschließend geklärt werden.
Dabei weist diese Luftmasse, wie auch die aktuell vorherrschende, eine sehr hohe
Grenzschichtfeuchte auf mit Taupunkten um 20 Grad, was nicht nur der
Evapotranspiration geschuldet ist, sondern auch dem dualen Anschluss an die
anormal warmen Meeresgebiete im östlichen Atlantik/westlichen Mittelmeer von 2
bis 3 Grad über dem Klima. Die großräumig konfluente Strömungskonfiguration
entlang/östlich des Wellenzuges ergibt ihr Übriges. EFI CAPE(/shear) sind in den
genannten Regionen erhöht (inkl. positivem SOT), wenngleich auch hier die
diffusen Gradienten und breit gezogenen Maxima auffallen (überschaubare Dynamik
mit noch fehlenden Schwerpunkten). Nach aktueller Geopotenzialgeometrie wären
besonders über der südlichen Mitte die Zutaten für mehrere unwetterträchtige
Lagen gegeben. Ausrichtung Front/Hintergrundströmung heben auch ein gewisses
Starkregenpotential hervor, was mehrstündig ebenfalls unwetterartig ausfallen
kann (aus heutiger Sicht besonders den Freitag betreffend). Detailfragen sind
dann im Nowcast zu klären, dann hoffentlich mit dynamisch greifbaren „features“.

Im Norden gestaltet sich das Wetter zeitweise wechselhaft und das Gewitterrisiko
zum Ende der Woche hängt davon ab, inwieweit die labile Luftmasse angezapft
werden kann. Donnerstag zu Freitag sehen diesbezüglich nicht schlecht aus.

Von Samstag zu Sonntag wird ein progressiveres Verhalten des Troges angedeutet,
was ihn letztendlich auch nach Mitteleuropa bringen würden. Die (normalisierten)
Standardabweichungen innerhalb des 500 hPa Geopotenzials sprechen jedoch zu
diesem Zeitpunkt eine deutliche Sprache: mit erhöhten Werten im Südwest- und
Südostquadranten des Troges ist im Ensemble noch sehr unsicher, wie weit der
Trog südwestwärts in Richtung Azoren amplifiziert (was im jüngsten Lauf ja
betont wurde) und wie schnell ein möglicherweise kurzwelliger Troganteil aus
diesem Konglomerat ostwärts herausläuft und Mitteleuropa erfasst. Der genaue
zeitliche Ablauf ist also noch unsicher. Aus heutiger Sicht wird die
schwül-warme Luftmasse jedoch am Sonntag endgültig nach Südosten abgedrängt (was
mit einem sehr wechselhaften Samstag/Sonntag über dem Süden und Osten
einhergeht), bevor von Nordwesten ein Schwall labiler Atlantikluft folgt.

Im Norden würde die Mittelfrist ebenfalls unter dem Einfluss der Meeresluft
wechselhaft mit Schauern/einzelnen Gewittern enden.

Noch ein Hinweis: Die grundsätzliche Position des Langwellentroges ist nicht
uninteressant bzgl. Vb-artiger Entwicklung. Die große Frage wird sein, wieviel
Energie südwärts vorankommen kann (siehe Standardabweichungen des 500 hPa
Geopotenzials) – je amplifizierter, desto günstiger für eine solche Entwicklung.
Auch wenn einem ein blockierender Gegenpart über Nordosteuropa fehlt und somit
eher von einem zu progressiveren Verhalten des Troges ausgegangen werden muss,
so würde die in eine optionale Bodentiefentwicklung inkorporierte subtropische
Luftmasse mehr als genug Feuchte haben für regional heftige Niederschläge.
Diese Entwicklung wird natürlich in der Folge im Auge behalten.

Die Temperaturwerte liegen am Mittwoch/Donnerstag im Süden noch bei
schweißtreibenden 28 bis 33 Grad (Taupunkte in Richtung 20 Grad steigend), gehen
am Freitag auf schwül-warme und ebenfalls schweißtreibende 25 bis 30 Grad zurück
(Taupunkte um 20 Grad) und liegen am Wochenende je nach Frontlage bei 20 bis 25
Grad, in Richtung Niederbayern auch etwas höher. Bis einschließlich Donnerstag
(ggf. auch noch am Freitag?) herrscht somit im Süden weiterhin eine hohe
Wärmebelastung vor.

Im Westen und Norden gehen die Höchstwerte von 24 bis 28 Grad zum Freitag
zunehmend auf grob 20 bis 23 Grad zurück.

Die Tiefstwerte sind allgemein im mittleren, im Süden auch im oberen
Zehnerbereich zu finden mit tropischen Nächten in Ballungszentren, bevor in der
Folge deutschlandweit von Westen mit einer deutlichen nächtlichen Abkühlung zu
rechnen ist.

Windtechnisch fällt in der Mittelfrist abseits der Konvektion kaum etwas ins
Auge. Vielleicht frischt der Südwestwind am Wochenende im Küstenumfeld böig auf,
wenngleich der aktuelle Gradient kaum mehr als Bft 7 Böen hervorrufen würde.

Die erweiterte Mittelfrist fällt aus heutiger Sicht leicht wechselhaft und mäßig
warm aus.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

In den jüngsten 4 Läufen des europäischen Wettermodells ergeben sich bezüglich
der groben Lage/Intensität der Wellenamplituden im Verlauf der Mittelfrist
überschaubare Diskrepanzen. Dabei wird am Ostrand einer blockierenden
Antizyklone über dem Nordostatlantik eine unter Wellenvergrößerung ostwärts
ziehende Rossby-Welle Stück für Stück in Richtung Mitteleuropa gedrückt und
sollte im Verlauf des kommenden Wochenendes Mitteleuropa voll erfassen.

Zu erwähnen ist, dass der jüngste IFS Lauf den Langwellentrog vor den Toren
Westeuropas stärker betont. Dies verzögert die Ostverlagerung des Troges
zusätzlich (in dem Fall um 12-24h), was jedoch bzgl. der Wetterentwicklung in
Deutschland bisher kaum größere Diskrepanzen hervorruft (Strömung etwas flacher
und im Süden insgesamt einen Tick antizyklonaler konturiert).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Lange Rede kurzer Sinn: beim Blick auf die internationale Modellpalette ergeben
sich keine neuen Erkenntnisse bzgl. der Unsicherheiten. Die grundsätzliche
Entwicklung eines sich von Westen nähernden Troges ist durchweg zu erkennen.
Die Fragen bleiben jedoch: wie schnell sich der Trog nähert, wie ausgeprägt er
mit dem tiefen Geopotenzial vor den Azoren interagiert und in welcher
Ausrichtung er uns erreicht. GFS/ICON bringen den Trog zum kommenden Wochenende
neutral/leicht positiv geneigt nach Deutschland und gleichzeitig auch östlicher
als GEM und vor allem IFS. Diese Diskrepanzen werden sich vorerst noch halten,
solange die Trogentwicklung vor Europa numerisch nicht in den Griff bekommen
wird. Beim IFS-ENS ergeben sich bereits bei t48/72 h gröbere Unsicherheiten im
Umfeld der Azoren, was im GEFS nicht so zur Geltung kommt, da hier eine
Interaktion (vorerst) in den Hintergrund rückt. Bei GFS fällt auch auf, dass im
tropischen Sektor (main development region, MDR) eifrig Tropenstürme entstehen
(MJO Amplitude im GFS größer als beim IFS und insgesamt mit günstigerem
Entwicklungs-background als bei IFS), was im IFS gedämpfter angedeutet wird.
Diese numerische Entwicklung hat natürlich ebenfalls Auswirkungen auf die
Subtropen und somit auch auf die Entwicklung der cut-offs/des Troges über den
Azoren, auf die Interaktion mit dem außertrop. Trog bei Irland etc.

Summa summarum: Unsicherheiten bezüglich der Entwicklung sind noch groß und
dürften so schnell noch nicht beigelegt werden. Das Potenzial für eine Vb artige
Entwicklung ist vorerst gering (Progressivität und fehlende Blockierung über
Nordosteuropa), jedoch muss jeder spin-up über Mitteleuropa mit Blick auf den
üppigen Feuchtehaushalt im Auge behalten werden.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Blicken wir noch auf die Cluster des IFS-ENS.

72-96h: 2 Cluster „blocking“ mit nur geringen Diskrepanzen bezüglich der
Intensität der Anomaliespitzen. Deutschland liegt in einer indifferent
konturierten und leicht flatternden west-/südwestlichen Strömung.

120-168h: 2 Cluster mit deutlichem Überhang von „NAO -„, wobei dies vor allem
durch den GBI + getriggert wird. Ansonsten fällt eine fast vorhandene
Pattsituation auf mit 28/23 Membern, die eine Verschmelzung des Troges vor
Europa zeigen (28) und dies eben nicht machen (23). Keine Frage, der Knackpunkt
für unsere Mitelfrist ist hier zu finden.

In der Folge nehmen die Unsicherheiten deutlich zu (Erhöhung der Cluster,
variable klimat. Regimevorhersagen), doch die meisten Cluster deuten eine
umfangreiche negative Geopotenzialanomalie über Nord-/Westeuropa an, die uns
eine wechselhafte Witterung beschert. Feinheiten, inwieweit die Angriffslust des
Atlantiks mehr oder weniger stark ausgeprägt ist bzw. die Metarmorphose des
Tiefdruckkomplexes in kleinere Trogresiduen wird an dieser Stelle nicht weiter
erörtert.

Die Meteogramme heben den labilen und gewitterträchtigen Beginn schön hervor
(u.a. mit hohen Einzelmemberspitzen beim Niederschlag), bevor es nach
Frontpassage leicht wechselhaft und mäßig warm weitergeht.
Die Rauchfahnen (500 hPa Geopotenzial und 850 hPa Temperatur) beginnen bis
Donnerstag eng gebündelt, bevor in der Folge eine starke Spreizung der
Memberschar einsetzt. Bei den 850 hPa Temperaturwerten fällt auf, dass der HRS
eher verzögert agiert, sich dann jedoch in den ab Samstag/Sonntag (trotz der
Memberspreizung) recht gut gebündelte Memberschar im oberen einstelligen Bereich
einreiht, während beim 500 hPa Geopotential innerhalb der Member keine
eindeutige Richtungsvorgabe zu erkennen ist (abgesehen von einem allmählichen
Absinken). Dass uns die kühlere Meeresluft erreicht ist somit unstrittig,
wenngleich der zeitliche Ablauf noch Fragen aufwirft (siehe Text oben).

Das GEFS sieht entsprechend einer aktuell anderen Handhabung der Trogpassage im
Vergleich zum ENS etwas anders aus – mehrheitlich mit einem zeitlichen Versatz.
Besonders die Art und Weise des Ausräumens der subtropischen Luftmasse fällt im
GEFS dynamischer aus als im IFS-ENS.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Das dominierende Thema bleibt die Gewittertätigkeit.

Am Mittwoch besteht im Süden das Potenzial für einzelne teils kräftige Gewitter
mit Starkregen und Hagel, lokal bis in den Unwetterbereich.

Donnerstag und Freitag heben sich im EFI Wasserdampffluss/CAPE/shear mit mäßiger
Ausprägung hervor, was vor allem der insgesamt überschaubaren Dynamik geschuldet
sein sollte. Es besteht Unwetterpotenzial, vor allem durch Starkregen, aber auch
großer Hagel und markante Böen sollten regional ein Thema sein. Aus heutiger
Sicht fällt besonders der Freitag von der Mitte südwärts in der Nähe der Front
bezüglich mehrstündigen Starkregens (regional bis in den Unwetterbereich) ins
Auge.

Am Samstag und Sonntag können je nach Modell und Synoptik Stauniederschläge am
Alpenrand, aber auch nur zögernd ostwärts abziehende Starkniederschläge und
Gewitter (Süden) ein Thema sein. Diesbezüglich sind die Unsicherheiten noch sehr
groß. Im Norden werden zum Sonntag vermehrt Kaltluftgewitter erwartet.

Bis einschließlich Freitag besteht im Süden eine hohe Wärmebelastung
(EFI-Ausschlag auf den Süden Deutschland beschränkt).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GFS, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy