#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 04.08.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.08.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Am Wochenende satte Troglage mit leichtem Zwischenhochtouch am Samstag. Von den
Alpen bis zum Inn bzw. zur unteren Donau Dauerregen, teils Unwetter.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Aktuell … ist die Großwetterlage in weiten Teilen Europas nach wie vor auf
zyklonal gebürstet: da ein Tief, dort ein Tief, und dahinten noch eins, dazu ein
schöner fetter, von Nordeuropa bis Nordafrika reichender Höhentrog, viel mehr
geht nicht. Da haben es die Hochdruckgebiete wirklich schwer, auf die
Anzeigetafel zu kommen. Zwar findet sich auf dem Atlantik eine ordentliche
antizyklonale Wuchtbrumme, die von der FU Berlin/BWK ob der langen Warterei
quasi in einem Akt verzweifelter Hilflosigkeit sogar einen Namen verpasst
bekommen hat (JACQUELINE; meine gleichnamige Kollegin wirdŽs freuen). Mag sein,
dass die gute JACQUELINE den Kreuzfahrern zwischen Lissabon und Ponta Delgada
ein angenehmes Sommerambiente beschert. Bei uns hält sich ihr Einfluss
jedenfalls in Grenzen, wie den folgenden Ausführungen zu entnehmen ist.
Zunächst mal zum o.e. Trog, der inzwischen südlich der Alpen erwartungsgemäß
abgetropft ist. Das Cut-Off-Tief befindet sich aktuell etwa über dem Golf von
Genua, von wo es in den nächsten Stunden in Richtung nördliche Adria zieht. Es
korrespondiert mit einem flachen Tief namens ZACHARIAS (int. Petar), induziert
aber gleichzeitig über dem Balkan Druckfall, so dass im Bereich Bosnien und
Herzegowina/Serbien ein weiterer Tiefkern entsteht (ebenfalls ZACHARIAS).
Bereits tagsüber hat es in Teilen Kroatiens und Sloweniens bis hinüber in den
Osten Österreichs kräftig geregnet und gewittert. Und in der Nacht droht
weiteres Ungemach, wobei sich die Unwetter noch intensivieren und auf
benachbarte Regionen ausweiten.
Wir in Deutschland liegen zwar weit ab vom Epizentrum der Regenfälle und
Gewitter, gleichwohl wird ein relativ kleines Gebiet davon tangiert. Die Rede
ist vom Alpenrand bzw. die Regionen rund um den Inn, wo sich ab den Abendstunden
eine bis weit in den Samstag reichende veritable Dauerregenlage einstellt. Zum
einen sorgen über den Alpenhauptkamm nach Norden übergreifende synoptische
Impulse (PVA und WLA) für Hebung. Zum anderen stellt sich eine solide
Gegenstromlage mit Staueffekten am Alpenrand ein. Während das von Westen
Deutschland erreichende Trogresiduum für südliche Höhenwinde etwa ab 500 hPa
sorgt, herrschen in der unteren Troposphäre westliche bis nördliche Winde vor.
Grund dafür ist leichter Druckanstieg, der sich in einem schwachen, bis nach
Deutschland gerichteten Keil des atlantischen Hochs wiederspiegelt. Der gesamte
Osten und Südosten befinden sich an der Ostabdachung des Keils, wo sich
nordwestlicher Wind einstellt. Und da die Luftmasse im äußersten Südosten schön
durchfeuchtet ist (Pseudopotenzielle Temperatur um oder über 50°C), geht der
anfänglich noch konvektiv geprägte und mit einzelnen Gewittern durchsetzte
Niederschlag mehr und mehr in schauerartig verstärkten Dauerregen über.
Akkumuliert bis Samstagabend muss mit 30 bis 50 l/m², direkt am Alpenrand bis zu
70 l/m², zwischen Werdenfelser und Berchtesgadener Alpen in Staulagen sogar mit
80 bis 100 l/m² gerechnet werden.
Im großen Rest des Landes klingen die anfänglich mal mehr, mal weniger
ausgeprägten Schauer und Gewitter in den nächsten Stunden ab (Tagesgang sticht
Trogresiduum). Nur in Nordseenähe, wo ein kleiner, in das Residuum eingebetteter
Sekundärtrog durchschwenkt und zusätzlich vom Oberflächenwasser ein kleiner
diabatischer Trigger kommt, sind bis in die zweite Nachthälfte einzelne Schauer
möglich. Ansonsten lockert die Wolkendecke teilweise auf, was in der feuchten
Grundschicht ein paar flache Nebelfelder hervorruft. Außerdem kühlt die Luft auf
16 bis 10°C, bei längerem Aufklaren im norddeutschen Binnenland sowie in den
Mittelgebirgen bis zu 8°C ab.
Samstag … zieht das Cut-Off-Tief zum nördlichen Balkan, wo es weiterhin mit
Bodentief ZACHARIAS interagiert. Während sich der westliche Kern (der, der
ursprünglich vom Golf von Genua stammt) immer weiter auffüllt, nimmt das Tief
über dem Balkan eine stark elliptische bis dipolartige Form an. Federführend ist
dabei der nördliche Kern, der sich im Tagesverlauf noch etwas vertieft auf nahe
1000 hPa und über Ungarn, die Slowakei sowie den Westen Rumäniens gen Südpolen
zieht – keine klassische Vb-Lage (auch wegen der Position des Troges), aber
ähnlich und das Anfang August. Bemerkenswert! Auf alle Fälle regnet es vom
Alpenrand bis zur unteren Donau munter weiter, bevor am Nachmittag mit Abebben
der Gegenstromlage die Intensität allmählich nachlässt. Dafür bekommen die
Oberpfalz, das östliche Sachsen und die Lausitz noch etwas vom „Vb-Regen“ ab,
allerdings nur in unerheblichen Mengen. Die Höchsttemperatur kommt im intensiven
Dauerregen kaum über 15°C hinaus, während sonst 17 bis 21°C erreicht werden.
Als ob ein Tief nicht schon ausreichen würde, bemüht sich nun auch noch ein
weiteres, Aktien im deutschen Wettermarkt zu erwerben. Gott zum Gruße YVES (int.
Antoni), am Mittag mit etwas unter 1005 hPa im Kern über Südengland
positioniert, wo es von einem weiteren Höhentrog überlagert wird. Im (Süd)Osten
ein Tief, im Westen ein Tief, alles andere als gute Vorzeichen für unseren aus
JACQUELINE erwachsenen Hochkeil, der sich wie zwischen zwei Mühlsteilen
eingezwängt vorkommen muss. Und trotzdem, Respekt, Respekt, kämpft er tapfer
gegen die beiden zyklonalen „Herren“ an mit nicht zu vernachlässigenden
Teilerfolgen. Dabei kommt dem Keil zugute, dass sich das nächtliche Trogresiduum
am Vormittag rasch auffüllt bzw. in eine vergleichsweise glatte südwestliche
Höhenströmung mutiert (im Grunde wird es durch den Trog stromauf
„zugeschüttet“), aus der hebungstechnisch zumindest für einige Zeit wenig bis
nichts herauszuholen ist.
Entsprechend startet der Samstag in weiten Landesteilen gar nicht mal so
schlecht, wobei „schlecht“ und „gut“ beim Wetter ja immer so eine Sache sind.
Sagen wir trocken und vielfach sogar aufgelockert mit unterschiedlich
andauernden sonnigen Momenten, die an der Ostsee am längsten ausfallen. Am
Nachmittag, wenn sich der neue, mit negativer Achsstellung ausgestattete
Höhentrog nähert (diffluente Vorderseite mit PVA), verdichtet sich von Westen
her die Bewölkung und von Benelux her greifen schauerartig verstärkte Regenfälle
über, die sich bis zur Mitte ausweiten. Da die einfließende subpolare Luftmasse
zwar feucht, aber nur leidlich labil geschichtet ist, reicht es meist nur für
wenige hundert Joule pro Kilogramm CAPE (meist unter 300 J/kg). Entsprechend
sind zwar einzelne Gewitter teils mit Starkregen möglich, das ganz große
Feuerwerk ist aber nicht zu erwarten. Von BaWü über Franken bis hoch in den
Nordosten bleibt es bis zum Abend von wenigen Schauern abgesehen sogar trocken.
Die Höchsttemperatur ist zwischen 19 und 24°C anzusiedeln.
In der Nacht zum Sonntag tropft der Höhentrog irgendwo im Bereich südwestliche
Nordsee/Niederlande ab. In diese Richtung tendiert auch Kollege YVES, der sich
dabei geringfügig auffüllt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich
der Druckgradient im Südwesten des Landes verschärft und dort der Südwestwind
insbesondere im Bergland merklich auflebt. Das Maximum ist im Hochschwarzwald zu
erwarten, wo exponiert Sturmböen 9 Bft auf der Karte stehen. Ansonsten schwenkt
die teilokkludierte Kaltfront von YVES mit dem zugehörigen Regenband
ost-nordostwärts, wobei von ICON-D2 weiterhin viele eingelagerte Gewitter
offeriert werden, was isoliert zwar möglich ist, in der Fläche aber übertrieben
scheint. Weitere Niederschläge treten im Laufe der Nacht trog- bzw.
cut-off-vorderseitig im Westen und Südwesten auf, einzelne Gewitter mit Böen 7-8
Bft nicht ausgeschlossen.
Und was macht ZACHARIAS im Osten? Der zieht weiter von Süd- nach Zentralpolen,
wobei er sich nicht zuletzt wegen der ausgesprochen gut ausgeprägten
Baroklinität (auf der Ostflanke wird sehr warme bis heiße Luft mit T850 bis zu
20°C nordwärts gesteuert, auf der Westflanke kühle Luft mit T850 teils unter
10°C angezapft) vertieft auf wahrscheinlich etwas unter 1000 hPa. Während die
Regenfälle im Südosten Bayerns immer mehr nachlassen, vermischen sie sich in den
östlichen Landesteilen mit dem frontalen Regen von YVES. In Vorpommern könnte es
bis zum Morgen noch trocken bleiben.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag … folgt der 12-UTC-Lauf im Großen und Ganzen seinen jüngsten
Vorgängern, die Abweichungen sind marginal. So gesehen sind die Aussagen aus der
Frühübersicht weiterhin gültig: Troglage mit abgetropftem Tief genau über
Deutschland, weitere Vertiefung von ZACHARIAS auf nordwestlicher Zugbahn
Richtung westliche Ostsee, Anbindung von YVES als Bodentrog über Deutschland =>
ein Gleichungssystem, was nichts Gutes verheißt, wenn man outdoor plant.
Regenfälle, Gewitter, im Süden windig bis stürmisch und dazu noch ziemlich
frisch. In diesem Sinne „schönen Sonntag“!
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle simulieren die Entwicklung sehr ähnlich. Das heißt aber mitnichten,
dass alles klar ist beim Wetter. Gerade die aktuelle Schauer- und Gewitterei ist
ein sehr unangenehmes Gefuddel, wo die Numerik keine wirkliche Hilfe fürŽs
Warnmanagement ist. Pulsierende und vollkommen unorganisierte Zellen, die mal an
der Schwelle zum Unwetter kratzen, um im nächsten Moment wieder zur Luftnummer
zu mutieren, sind einfach nur undankbar. Auch ist es absolut legitim, bei solch
stochastisch anmutender Konvektion die Warnareale etwas größer zu ziehen und
damit eine bewusste FAR in Kauf zu nehmen, um einigermaßen den Überblick zu
bewahren und nicht rammdösig zu werden.
Weiterhin sehr gespannt dürfen wir auf die Entwicklung am Montag sein, auch wenn
das hier noch gar nicht hingehört. ZACHARIAS könnte sich zu einem absoluten
Aufreißer-Sturmtief aufschaukeln bis hin zu einem Ostseeorkan. Mal sehen, was am
Ende davon übrigbleibt. Der neue ICON-Lauf von 12 UTC bestätigt jedenfalls die
Vorgängerversionen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann