SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 02.08.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Westwetterlage mit Sturm und Gewittern. In der Nacht zum Freitag generelle
Wetterberuhigung. Am Freitag im Südosten eventuell Starkregengefahr.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Aktuell … beschert uns die Atmosphäre eine zyklonale Westwetterlage mit einer
Dynamik, wie man sie nur sehr selten zu dieser Jahreszeit sieht. Ein
umfangreiches Höhentief mit Kernen über der südlichen Nordsee und
Mittelskandinavien besitzt an seiner Südflanke einen sehr starken
Geopotentialgradienten, respektive befindet sich dort ein Jetstreak mit 120 bis
130 Knoten, der sich von Nordfrankreich in den Westen Deutschlands erstreckt.
Über dem Süden Europas ist das Geopotential hoch, kräftige Rücken flankieren das
oben beschriebene Höhentief weit draußen auf dem Atlantik und über Russland.
Auch bodennah sieht die Lage für die Jahreszeit eindrucksvoll aus: Das
wetterbestimmende Tief „Xan“ (international „Patricia“ befindet sich mit einem
Kerndruck von etwa 982 über der westlichen Nordsee und besitzt wenig
überraschenderweise einen recht starken Gradienten nach Süden und vor allem
Südwesten hin. Trotzdem sind die heute über Deutschland gemessenen bodennahen
Luftdruckwerte ebenso für die Jahreszeit außergewöhnlich niedrig. Relativ hoher
Luftdruck befindet sich über Russland, ansonsten hat sich über dem Atlantik ein
recht kräftiges Azorenhoch festgesetzt.

Tief Xan-Patricia hat natürlich auch Fronten, wobei seine Warmfront Deutschland
in den Abendstunden nach Norden verlässt und zunehmend okkludiert. Im Norden
kommt die Kaltfront ebenso rasch nach Osten voran, im Süden hängt sie dagegen
stark zurück und schleift etwas nördlich der Donau. Vor allem im östlichen
Franken und in der Oberpfalz halten die recht kräftigen Regenfälle, aufgrund
derer auch Dauerregenwarnungen ausgegeben wurden, weiter an. Dort sind
insbesondere im Bergland bis zu 30 l/qm Regen bis in die Nacht hinein zu
erwarten.

Rückseitig der Kaltfront schiebt sich eine Zone mit recht labil geschichteter
Luftmasse und leidlich CAPE von Westfalen bis nach Niedersachsen und nach
Nordhessen hinein. In dieser Region kommt es zu Gewittern, die insbesondere nach
Süden hin in einem Umfeld mit außerordentlich guter Dynamik entstehen
(Low-Level-Shear um 15 m/s, auch Richtungsscherung, hochreichende Scherung um 30
m/s). Zudem liegen die HKNs in der einfließenden sehr feuchten Luftmasse
deutlich unter 1 km. Damit besteht nicht nur Superzellengefahr, sondern auch
latente Tornadogefahr, allerdings in den Abendstunden mit abnehmender Tendenz.
Zusätzlicher Hebungsimpuls kommt dagegen eher nach Norden zu ins Spiel, dort
durch Höhendivergenz am linken Ausgang des oben erwähnten Jetstreaks. Mehr zu
der sich am Abend schon langsam wieder abschwächenden konvektiven Situation kann
der Frühübersicht entnommen werden.

Wie geht es nun in den Nachtstunden weiter? Das südliche Zentrum des Höhentiefs
verlagert sich nach Jütland. Kurzwellige Troganteile sorgen für wiederholte PVA
und gegen Morgen schwenkt die Haupttrogachse in den Westen Deutschlands. Damit
ist reichlich Geopotentialabbau verbunden und die PVA wird zwar in Teilen durch
KLA rückseitig der Kaltfront kompensiert, netto bleibt aber immer noch einiges
an Hebung übrig. Die Kaltfront selbst zieht im Norden rasch ostwärts ab, im
Süden kommt sie dagegen, fast strömungsparallel orientiert, nur sehr langsam
südostwärts voran und erreicht erst in der Morgendämmerung das Berchtesgadener
Land. Der Jetstreak verlagert sich unter deutlicher Abschwächung Richtung
südliches Deutschland. Das Tief Xan-Patrica selbst, das zwei Kerne aufweist
(deswegen die zwei Namen?), verlagert sich unter Abschwächung in die Nordsee
westlich Sylts und in das Kattegat.

Für unser Wetter bedeutet das, dass die Gewitter in der Nordhälfte sich langsam
und unter allmählicher Abschwächung nach Nordosten verlagern. Zu der
Abschwächung tragen nicht nur der Tagesgang bei, sondern auch die allmählich
abnehmende Scherung im Norden, je weiter wir in den Trogbereich reinkommen. Im
Süden dagegen, im Bereich der Kaltfront und kurz dahinter, ist die Scherung
enorm, allerdings die Schichtung so stabil, dass es kaum zu Konvektion kommen
sollte, auch wenn das ICON-D2-Modellwetter gegenteiliges suggeriert. Stattdessen
kommt es noch zu recht kräftigen schauerartigen Regenfällen, wobei durchaus
gebietsweise 5 bis 10 l/qm fallen, an den östlichen Mittelgebirgen und an den
Alpen teils auch um 20 l/qm. Die Dauerregenwarnungen laufen deswegen auch erst
im Laufe der Nachtstunden aus. Im Westen kommt nach Abzug der Gewitter auf der
Vorderseite des Haupttroges wieder schauerartiger Regen auf, bei kaum
vorhandener Labilität kommt es dort kaum zu Gewittern, am ehesten noch an der
Nordsee. Stellt sich Frage, wo man überhaupt den Mond zu Gesicht bekommt: Dies
wird wohl nur rückseitig der Kaltfront in einem schmalen Streifen vom Süden bis
in den Osten der Fall sein.

Zuletzt noch ein Wort zum Wind: Der Gradient nimmt in den Nachtstunden weiter
zu, vor allem in den Westen gelangt in der zweiten Nachthälfte ein sehr starker
Gradient, so dass der Wind in der Nacht nicht die übliche tagesgangsbedingte
Abnahme zeigt, sondern sogar noch leicht zulegt. Dies hat vor allem im Südwesten
des Landes verbreitete steife Böen aus Südwest zur Folge, in mittleren Lagen
stürmische Böen. Später weitet sich das kräftige Windfeld auch in den Osten aus.
Im übrigen Land weht in den Nachtstunden der Süd- bis Südwestwind mit frischen
bis starken Böen. Die höheren Berge liegen dagegen in dem für die Jahreszeit
enorm starken Höhenwind, so dass es auf den exponierten Bergen zu Böen der
Stärke 10 bis 12 kommt.

Bei den vielen Wolken verläuft die Nacht mild mit Tiefstwerten zwischen 17 und
13°C.

Am Donnerstag … verlagert sich der südliche Kern des Höhentiefs langsam nach
Südschweden. Die in der Nacht noch als Haupttrog identifizierte Achse des
Langwellentroges schwenkt bereits in der ersten Tageshälfte über Norddeutschland
hinweg. An der Westflanke des Troges stößt ein weiterer Troganteil über
Frankreich weit nach Süden vor. Damit fächert bei uns im Tagesverlauf vor allem
über dem Westen der Höhengradient auf, während der aufsteilende Jet nach wie vor
über dem Südosten des Landes verläuft. Die Kaltfront bleibt dabei
höhenströmungsparallel über den Alpen hängen, zudem verhindert zunehmender
Druckfall südlich der Alpen eine weitere Progression. Das Bodentief, jetzt
senkrecht unter dem Höhentief gelegen, füllt sich auf seinem Weg nach
Südschweden nur wenig auf. Zwischen ihm und dem lokalen Druckmaximum über den
Alpen liegt Deutschland im Bereich eines starken Druckgradienten, der sich
insbesondere vom Südwesten bis in den Osten auf der Vorderseite eines
hereinschwenkenden Bodentroges noch verstärkt. Dieser Bodentrog erreicht zum
Abend die östlichen Landesteile. Damit dreht der ursprünglich südwestliche Wind
am Nachmittag von Westen her auf West bis Nordwest. In den Regionen auf der
Vorderseite werden dabei steife Böen bis Sturmböen erreicht, mit den stärksten
Böen in Mitteldeutschland, so dass flächendeckende gelbe und ockerfarbene
Warnungen ausgegeben werden müssen. Etwas schwächer und nicht warnwürdig
präsentiert sich der Wind ganz im Südosten und im Norden im „inneren“ des
Bodentroges. Erst zum Abend kommt an der Nordsee kräftiger Nordwestwind mit
steifen Böen auf. Auf höheren in exponierten Bergen bläst der Wind angesichts
des starken Höhenwindes mit Sturmböen bis orkanartigen Böen, auf dem Brocken
auch mit Orkanböen.

Im Bereich des Troges herrscht zwar keine sonderlich hohe Labilität, aber hohe
Feuchte sorgt für etwas CAPE, so dass es in der gesamten Nordwesthälfte zu
zahlreichen Schauern und Gewittern kommt. Dort ist die hochreichende Scherung
nicht mehr erwähnenswert, zur Mitte hin gibt es aufgrund immer noch recht
kräftiger Winde in 850 hPa immerhin noch recht hohe Geschwindigkeitsscherung in
Bodennähe. Insgesamt reicht die Konstellation aber nicht mehr für stärkere
Gewitter, so dass vielfach gelb gewarnt werden kann, auch wenn zur Mitte hin mal
eine stürmische Bö nicht ausgeschlossen werden kann und nach Norden hin an
stärkeren und dort langsam ziehenderen Zellen mal ein Starkregen um 15 l/qm. Im
Bereich Schleswig-Holsteins kommt es im Bereich des Bodentroges zu einer recht
starken bodennahen Winddrehung, was im Zusammenhang mit Konvektion eventuell die
Entstehung von Typ-II-Tornados begünstigt. Zumindest sollte man morgen
Nachmittag von einer „waterspout“ nicht überrascht sein. Am Nachmittag kommt
auch im Südwesten etwas Labilität auf, so dass es auch dort Schauern und
einzelne Gewitter gibt. An den Alpen lässt der Regen in der Frühe rasch nach,
sodass es im Südosten des Landes weitgehend trocken bleibt. Auf einem Streifen
von Oberschwaben bis nach Ostbayern und in die Lausitz darf sogar auf ein
bisschen Sonne gehofft werden. Ansonsten hüllt sich Klärchen auch morgen wieder
meist in ihren Novembermantel.

Die aus Westen einfließende Luftmasse ist eine reichlich erwärmte Polarluft und
weist in 850 hPa 8 bis 10°C auf, so dass mit der guten Durchmischung zumindest
meist 20 bis 25°C erreicht werden, mit den höchsten Werten in der Lausitz und
den tiefsten im Nordwesten. Im westlichen Bergland werden es teils nur um 18°C.

In der Nacht zum Freitag weitet sich der Trog über Frankreich weiter nach Süden
aus und schwenkt dann allmählich ostwärts gegen die Alpen. Die perfekte
Konstellation für eine weitere heftige Unwetterlage südlich der Alpen. Bei uns
bekommt man dagegen davon nichts mit. Der Westen des Landes gelangt dabei weiter
in den gradientschwachen Bereich im inneren des Troges, während über dem
Südosten immer noch die kräftige südwestliche Höhenströmung besteht.

Im Norden schwenkt der Bodentrog nach Osten durch und der sich in der Nacht
deutlich abschwächende Wind dreht allgemein auf West. Im Süden schläft der Wind
später beinahe ein. Dennoch scheint es, als würde sich dort so allmählich eine
leichte Gegenstromlage einstellen, zumindest werden für die zweite Nachthälfte
schon so erste Regenstreifen simuliert, die sich von den Alpen ins Vorland
erstrecken sollen. Auch im Südwesten soll es noch etwas schauern, im Nordosten
lassen die Gewitter nur zögerlich nach. Ansonsten schläft die Schauerei
allerdings in der Nacht ein und es kann vielleicht auch mal ein paar
Wolkenauflockerungen geben.

Die Windwarnungen, die im Flachland schon am frühen Abend auslaufen können,
finden auf den höheren Bergen im Laufe der Nacht ebenso ein Ende, so dass
-abgesehen von vielleicht letzten Gewitterwarnungen – die Warnkarte wieder
weitgehend grün werden dürfte. Es kühlt ab auf 16°C an der See und an der Oder
und 9°C im westlichen Bergland.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Am Freitag … entwickelt sich nach aktuellem Stand die Lage wie heute Vormittag
beschrieben. Nach wie vor bleibt es spannend, wie sich die Regenlage im Süden
entwickelt. Nach einer klassischen Gegenstromlage mit stratiformen Regenfällen
sieht es eher nicht aus, allerdings zeigen alle Modelle Streifen mit stärkerer
Konvektion. Insbesondere ICON-EU und UK10 zeigen nach wie vor Hinweise auf
unwetterartigen Starkregen – allerdings nur kleinräumig. Ansonsten ist die Lage
abgesehen von ein paar Gewitterchen im Nordwesten vergleichsweise ruhig. Und das
ist auch gut so, schließlich könnte bald schon wieder neues Ungemach drohen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die vorliegenden Modelle sehen die synoptische Entwicklung in den nächsten Tagen
sehr ähnlich. Auf die Unsicherheiten bezüglich der Niederschlagsprognose im
Süden und Osten am Freitag wurde oben schon eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann