#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Sonntag, den 16.07.2023 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.07.2023 um 10.30 UTC
West- bis Nordwestlage: Im Süden noch warm mit teils starken Gewittern, im
Norden kühleres Schauerwetter, in der Mitte Trockenheit.
Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.07.2023
„Willkommen im früher so typischen mitteleuropäischen Sommer“ – so wurde der
Leser der gestrigen Mittelfrist-Übersicht verabschiedet. Diesem Slogan kann sich
auch der Autor der heutigen Übersicht nur anschließen, auch mit einem gewissen
Wohlwollen. Denn Wesentliches hat sich an dem gestern angedachten Szenario eines
insgesamt leicht unbeständigen, sich zunehmend auf einem eher gemäßigten
Temperaturniveau abspielenden „Westwindwetters“ in den Modellen nicht geändert.
„Gemäßigte Temperaturen“ ist allerdings relativ zu sehen. Im Vergleich zu
„früher“ hat die Temperaturentwicklung, trotz der westlichen bis nordwestlichen
Strömung und Beteiligung subpolarer Luftmassen, einen mittlerweile deutlich
spürbaren, klimawandelbedingten „Warm Bias“.
Zu Beginn der Mittelfrist befindet sich Deutschland zwischen einem dipolförmigen
Höhentiefkomplex mit Drehzentren über der Norwegischen See und dem Raum Moskau
und sehr hohem Geopotenzial über Südeuropa in einer für die Jahreszeit recht
strammen westlichen Höhenströmung. Ein Jetstreak mit immerhin bis 80 Knoten auf
300 hPa verläuft genau über Mitteleuropa und mäandriert zumindest am Mittwoch
und Donnerstag noch kaum. Dennoch lassen sich kleinere kurzwellige Troganteile
analysieren, die für einen gewissen zyklonalen „Touch“ sorgen. Im Bodenfeld
findet sich eine breite, vom Nordmeer über Skandinavien bis nach
Nordwestrussland reichende Tiefdruckzone mit mehreren Kernen. Ihr gegenüber
steht ein Hoch über dem nahen Ostatlantik, von dem ausgehend sich ein Keil in
Richtung Alpenraum erstreckt. Bei uns ergibt sich daraus eine schwache bis
mäßige westliche bis nordwestliche Strömung. Eine richtige Frontalzone lässt
sich über Mitteleuropa zwar nicht ausmachen, allerdings bleibt zwischen einer
eher warmen Luft mit subtropischem Anteil im Süden (T850 zwischen 10 und 15 °C)
und einer subpolaren, maritimen Luft im Norden (T850 zwischen 5 und 10 °C) ein
nennenswerter, wenn auch gradueller Temperaturgradient erhalten. Während die
Luft in der Mitte zumeist trocken ist und der zyklonale Einfluss aus der Höhe
gewissermaßen ins Leere läuft (sich verschärfende Trockenheit), bildet sich
sowohl im Norden als auch im Süden in feuchter, instabil geschichteter Luft
Konvektion aus. In der Warmluft Süden steht den Zellen vor allem am Mittwoch
einiges an CAPE zu Verfügung (um 1000 J/kg), viel niederschlagbares Wasser
(25-30 mm) und starke hochreichende Scherung. Es besteht somit das Potenzial
organisierter Gewitter, die bezüglich aller Begleiterscheinungen lokal
unwetterartig ausfallen können. Am Donnerstag wird die feuchteste und
instabilste Luft nach Südosten verdrängt, sodass das Gewitter- und
Unwetterpotenzial abnimmt. Im Norden sind es eher die klassischen
„Kaltluftgewitter“ in moderat labiler Luft, die zumindest im Hinblick auf
Sturmböen, weniger durch Starkregen markant ausfallen können. In der Mitte und
im Süden werden sommerliche Temperaturwerte zwischen 25 und 29 Grad erreicht, im
Norden wird die 25-Grad-Marke knapp verfehlt. Die Nächte verlaufen meist
angenehm kühl, mit gewissen Abstrichen im Süden.
In den Folgetagen (am Wochenende) beginnt die Strömung an der Südflanke des sich
zu den Shetlandinseln und später zur nördlichen Nordsee verlagernden Höhentiefs
stärker zu mäandrieren, infolgedessen die Passage mehrerer markanterer
Kurzwellentröge erfolgt. Damit einher geht eine flache, über die Mitte des
Landes ziehende Frontalwelle am Freitag und nachfolgend stärkere
Tiefdruckentwicklungen eher nördlich und westlich unserer Vorhersagegebietes.
Damit dreht die Strömung zeitweise auf Südwest, sodass die feucht-warme
Luftmassen aus dem Süden mitunter wieder etwas weiter nach Norden geführt werden
kann. Im Süden nimmt die Gefahr starker Gewitter mit Unwetterpotenzial wieder
zu, aber auch sonst dürfte mit stärkerer Hebung und Anfeuchtung der Luftmasse
mit einer Zunahme der Schauer- und Gewittertätigkeit zu rechnen sein und selbst
über der Mitte bestehen dann Chancen auf etwas Niederschlag. Das wechselhaftere
Wetter drückt das Temperaturniveau, Sommertage (>25 °C) werden auch im Süden
seltener.
In der erweiterten Mittelfrist (ab Montag) setzt sich rückseitig einer stärkeren
Trogpassage mit Winddrehung auf Nordwest auch im Süden vorübergehend maritime
Subpolarluft durch. Ob es im Zuge dessen auch mal landesweit zu nennenswerten
Regen kommt, bleibt aber abzuwarten, da sich zügig ein Azorenhochkeil bemerkbar
machen könnte. Ob es sich um eine längere, kühlere Wetterphase handelt oder ob
die Strömung vorderseitig des sich retrograd zum Nordostatlantik verlagernden
Höhentief wieder zügig auf Südwest dreht, ist ebenso fraglich.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Dem IFS kann aber weite Strecken der Mittelfrist eine gute Konsistenz
bescheinigt werden. Gewisse Unschärfen im Hinblick auf die Prognose der in die
westliche Höhenströmung eingebetteten kurzwelligen Störungen liegen in der Natur
der Sache und ändern nichts am grundlegenden Fahrplan.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Von gewissen Phasendiskrepanzen im kurzwelligen Trog-Rücken-Muster über West-
und Mitteleuropa abgesehen, lassen sich zumindest bis Freitag keine wirklich
substanziellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Globalmodellen
ausmachen.
Am Wochenende beginnt das Muster aber dann aber durchaus prognoserelevant
auseinanderzulaufen.
Zwei Beispiele: ICON (ooZ) simuliert schon in der Nacht zum Samstag eine
stärkere Trogpassage, infolgedessen die gewitterträchtige Warmluft schon am
Samstag komplett aus Deutschland verdrängt worden würde. Die meisten anderen
Modelle verzögern diese Trogpassage oder rechnen sie flacher, sodass der Süden
noch länger in der Warmluft liegen würde. GFS (ooZ) lässt die Frontalzone von
Samstag auf Sonntag aktiv über dem äußersten Süden schleifen, gefolgt von einer
Gegenstrom- und Staulage an den Alpen. Die unwetterartigen Regenmengen (teils
über 50 mm in 24 h) sind aber noch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und eher
unwahrscheinlich.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Aus den Ensemblebetrachtung des IFS lassen sich keine vom skizzierten Szenario
abweichenden Erkenntnisse ableiten.
Die Rauchfahnen des IFS-EPS führen zwischen Mittwoch und Samstag sowohl
bezüglich der 850-hPa-Temperatur und des Geopotenzials eine „Seitwärtsbewegung“
aus. Im Norden und Süden ist die Bündelung zudem sehr eng, mit einem Median von
12 °C im Süden und 6 °C im Norden. In der Mitte ist die Varianz etwas größer,
was auf gewisse zeitlich und/oder räumliche Unsicherheiten in der Position des
Luftmassenübergangsbereiches (Frontalzone ist etwas übertrieben) hindeutet.
Sonntag und Montag wird die Streubreite generell etwas größer, da einige Member
einen kurzen Temperatur- und Geopotenzialberg simulieren, andere aber nicht oder
abgeschwächt. Danach (zur Wochenmitte) rechnet die überwiegende Mehrheit der
Ensemblemitglieder allerdings wieder einen Temperatur- und Geopotenzialrückgang.
In der Mitte fallen die äußerst spärlichen Regensignale auf, erst ab dem
Wochenende nehme sie etwas zu. Im Norden und Süden sind dagegen quasi
durchgehend nennenswerte Regensignale vorhanden, wenngleich es sich dabei
natürlich meist nicht um flächige Niederschläge handelt und daher nicht 1:1
umzusetzen sind. Hinweise auf eine GFS-ähnliche Dauerregenlage am Wochenende
gibt es im IFS-EPS nicht.
CLUSTER:
+72-96 h: 1 Cluster (Atlantic Ridge)
+120-168 h: 4 Cluster (2x NAO+, 2x NAO-); in allen Clustern Westströmung über
Mitteleuropa, in 2 Clustern (18/51 Member) allerdings mit einer etwas stärkeren
Aufsteilung und antizyklonalerem Einfluss.
+192-240 h: 4 Cluster; 2x NAO+ (30/51) mit zyklonaler Westlage über
Mitteleuropa, 1x Atlantic Ridge/1x NAO- (21/51) mit eher südwestlicher
Anströmung.
FAZIT:
Die Mittelfrist ist gekennzeichnet durch eine Westwetterlage, die vor allem im
Norden unbeständiges Wetter mit sehr gedämpften Temperaturen bringt. Im Süden
ist es wärmer, dafür muss dort mit teils kräftigen Gewittern gerechnet werden,
die durchaus Unwetterpotenzial entfalten können. Die Mitte hat im Hinblick auf
die Niederschläge das Nachsehen, dort verschärft sich die Trockenheit.
Nach dem kommenden Wochenende deutet sich auch nach Süden zu ein
Temperaturrückgang und insgesamt unbeständigeres Wetter an.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GEWITTER:
Über die Mittelfrist hinweg besteht im Süden immer wieder ein erhöhtes Potenzial
für starke Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturmböen. Vor allem am Mittwoch
und eventuell auch wieder Richtung Wochenende sind im Zuge organisierter
Gewitter auch lokale Unwetter möglich durch heftigen Starkregen, größeren Hagel
und schwere Sturmböen.
Auch sonst sind im Verlauf der Woche und des kommenden Wochenendes Schauer und
einzelne, kurze Gewitter zu erwarten, bevorzugt nach Norden zu. Diese gehen aber
nur mit geringer Wahrscheinlichkeit mit markanten Begleiterscheinungen einher
(vor allem stürmische Böen, weniger Starkregen).
EFI:
Am Mittwoch werden vor allem über dem Alpenraum und Norditalien, teils aber auch
bis nach Süddeutschland hineinreichend hohe Werte für CAPE-SHEAR simuliert. Das
spricht für eine dynamische Gewitterlage!
Im Norden liefert der EFI ab dem Wochenende schwache Signale für ungewöhnlich
kühles Wetter.
Ansonsten gibt es keine Hinweise auf ungewöhnliches oder gar extremes Wetter in
Deutschland.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det., IFS-EPS, MOS-Mix
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser