#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 15.07.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 151800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.07.2023 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
In der Nacht zum Sonntag gebietsweise Gewitter, im Süden zum Teil unwetterartig
mit orkanartigen Böen. Am Sonntag im Norden und im äußersten Süden weitere
Gewitter, im Süden teils kräftig.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … befinden wir uns auf der diffluenten Vorderseite eines
Langwellentrogs, der sich von Grönland über Island bis zu den Britischen Inseln,
Frankreich und der Biskaya erstreckt. Die südwestliche, leicht flatternde
Strömung führt warme bis heiße, zunehmend aber auch feuchte und damit labile
Luft nach Deutschland. Neben kleineren, flachen Randtrögen hat ein etwas
ausgeprägterer Randtrog mit seiner Achse eine Linie nordwestliche Nordsee –
Ärmelkanal erreicht. Mit der entsprechenden Hebung haben sich im Westen und
Norden sowie an der nördlichen Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern an
einer Konvergenz Schauer und Gewitter ausgebreitet. Darüber hinaus greift die
Kaltfront des Tiefs SANDOR mit Zentrum über Schottland aktuell auf Deutschland
über.
Der Randtrog verlagert sich in der Nacht bis nach Dänemark und Benelux weiter
und schiebt die Kaltfront nach Osten und Südosten, Sonntagmorgen liegt sie
bereits auf einer Linie Vorpommern – Erzgebirge – Bodensee. Schauer und Gewitter
werden entsprechend ebenfalls nach Osten und Südosten geführt. Dabei richtet
sich der Blick insbesondere auf das präfrontale Geschehen entlang der Konvergenz
und auf einen von Frankreich heranziehenden größeren Gewitterkomplex (MCS). Vor
allem die Windentwicklung dürfte von Interesse sein, weil die
konvektionserlaubenden Modelle schwere Sturmböen bis hin zu orkanartigen Böen
bis 110 km/h (Bft 10 bis 11) simulieren. Diese werden durch eine sehr trockene
Grundschicht begünstigt, wobei von Westen her eine rasche Anfeuchtung der
Luftmasse erfolgt (PPW’s steigen auf 40 bis 50 mm). In den Temps offenbaren sich
demzufolge massive „Inverted-V-Strukturen“. Die Modelle simulieren jedoch sehr
uneinheitlich bezüglich der Böen, so hat UK10 gar nichts im Programm, während
ICON-D2 seit den 9 Uhr UTC-Läufen immer weiter zurückrechnet und im jüngsten
Lauf von 15 Uhr UTC nur noch an der Konvergenz Böen bis 80 km/h rechnet. AROME
dagegen hat zwar auch Böen für die Konvergenz drin, allerdings sogar bis 130
km/h und bis in den Leipziger Raum ausgreifend. Das erscheint nach jetzigem
Stand übertrieben, zumal der Höhenwind mit 55 Knoten nicht soviel hergibt.
Für den nachfolgenden Gewitterkomplex mit aktuellem Kurs auf das nördliche
Baden-Württemberg werden dagegen kaum stärkere Böen gerechnet, obwohl es über
Frankreich um 18 Uhr MESZ eine orkanartige Böe Bft 11 gab. Möglicherweise
entzieht die Konvergenz im Modell die Energie oder die angefeuchtete
Grundschicht löst das Inverted-V auf. Das gilt aber nicht für den Süden
Baden-Württembergs und Bayern, sodass die Unwettergefahr weiter gegeben ist,
insbesondere bei Neubildungen von Gewittern.
Neben dem Wind kann es außerdem strichweise zu Starkregen über 15 l/qm in kurzer
Zeit kommen, die Wahrscheinlichkeiten für heftigen Starkregen über 25 l/qm in
kurzer Zeit sind allerdings nur gering. Des Weiteren ist Hagel mit Korngrößen
von 1 bis 2 cm lokal denbkar.
Etwas außen vor bleibt vermutlich der äußerste Südosten Bayerns, dort kommen die
Schauer und Gewitter bis zum Morgen noch gar nicht an.
Mit der Kaltfront selber kann es im Nordwesten, im Verlauf im Norden ebenfalls
Schauer und Gewitter mit Starkregen geben, bei guter Scherung sind auch
Sturmböen oder vereinzelt sogar schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Postfrontal lockern die Wolken bei KLA und Druckanstieg im Westen (postfrontale
Subsidenz) dann wieder auf.
Die Temperaturen sinken auf 21 bis 16, im Westen und Nordwesten postfrontal
bereits auf 16 bis 11 Grad.
Abgesehen von Gewitterböen weht der Wind häufig nur schwach aus West bis
Südwest.
Sonntag … wandert der Randtrog rasch nach Nordosten ab und hinterlässt
weiterhin eine südwestliche Strömung. Die Kaltfront von Tief SANDOR, das vor die
Küste Norwegens zieht oder dort ein zweites Zentrum ausbildet, kommt an den
Alpen ins Schleifen. So bleibt die feucht-warme und instabile Luftmasse südlich
einer Linie Schwäbische und Fränkische Alb noch erhalten. In dieser Luftmasse
können sich weiterhin teils kräftige Gewitter bilden, wobei diese bezüglich
Starkregen über 25 l/qm in kurzer Zeit oder Hagel bis 2 cm lokal unwetterartig
ausfallen können. Da mittlerweile die Grundschicht angefeuchtet ist, dürfte der
Wind dagegen keine prominente Rolle mehr spielen. Stürmische Böen, ganz
vereinzelt Sturmböen, mehr sollte es nicht werden, zumal dann auch die Scherung
zu wünschen übrig lässt.
In den anderen Gebieten ist die Strömung leicht antizyklonal konturiert, sodass
es bei KLA zu weiterem Druckanstieg kommt. Das führt nach Abzug letzter Schauer
im Norden und Osten am Morgen in den meisten Landesteilen tagsüber dann zu
heiter bis wolkigem Wetter. Im Nordwesten (Emsland bis nach Schleswig-Holstein)
allerdings kann ein neuer Randtrog, der die Britischen Inseln erreicht, wieder
etwas Hebung generieren und vereinzelt schwache Schauer auslösen, stellenweise
Blitz und Donner nicht ausgeschlossen.
Daneben muss noch die Windentwicklung beachtet werden. Postfrontal verschärft
sich der Gradient deutlich. Folglich treten im Tagesverlauf im Westen und
Nordwesten, nachmittags auch im Nordosten starke Böen um 55 km/h (Bft 7) aus
Südwest bis weit ins Binnenland auf. An Nord- und Ostsee gibt es zum Teil
stürmische Böen (Bft 8), exponiert Sturmböen (Bft 9).
In den anderen Gebieten weht schwacher, teils mäßiger Wind aus West bis Südwest.
Die Temperaturen steigen auf 20 bis 25 Grad im Nordwesten, sonst auf 25 bis 30
Grad.
In der Nacht zum Montag schwenkt der neue Randtrog unter Abflachung in die
Nordsee. Für den Nordwesten und Norden (Niedersachsen bis Ostsee und nördlich
davon) bedeutet das weiterhin vorhandene Hebung bzw. Konvektion mit
gebietsweisen leichten Schauern, hier und da möglicherweise mit elektrischer
Aktivität.
Eine zweite Zone mit Schauern und Gewittern ist weiterhin südlich der Linie
Schwäbische und Fränkische Alb vorhanden, weil dort weiterhin kein
Luftmassenwechsel erfolgt. Die nachts fehlende Einstrahlung hemmt die
Entwicklung zwar, flache Randtröge können aber durchaus Hebung generieren.
Hinsichtlich der Begleiterscheinungen ist neuerlich hauptsächlich der Starkregen
zu beachten.
In dem breiten Streifen zwischen diesen beiden Bereichen ist Hochdruckeinfluss
wirksam, womit eine locker bewölkt oder klare Nacht ins Haus steht.
Der Wind lässt mit Sonnenuntergang rasch wieder nach, zumal Tief SANDOR in die
nördlichen Nordmeergefilde entschwindet und der Gradient daher bald nachlässt.
Die Temperaturen gehen auf 17 bis 13 Grad im äußersten Südosten und an der See,
sonst auf 15 bis 8 Grad zurück.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … Die Wetterdreiteilung am Montag (Norden Schauer, Süden kräftige
Gewitter, dazwischen heiter und trocken) wird auch vom neuen Modelllauf nicht
angezweifelt, sodass das beschriebene Konzept aus der Frühübersicht beibehalten
werden kann.
Modellvergleich und -einschätzung
Das allgemeine Prozedere ist bei den Modellen sehr ähnlich. Regionale
Unterschiede gibt es aber wie immer bei Gewittern und dabei vor allem bezüglich
des Windes in der kommenden Nacht zum Sonntag. Die im Detail damit größeren
Modellunterschiede wurden im obigen Text angesprochen und verleihen der Warnlage
einige Unsicherheiten. Diesbezüglich muss also (wie eigentlich immer bei
Gewittern) Nowcast betrieben werden.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler