SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 13.07.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Am Samstag gebietsweise starke Gewitter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel.
Lokal Unwetter mit heftigem Starkregen, orkanartigen Böen und größerem Hagel
wahrscheinlich.

Am Sonntag an der Nordsee Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Aktuell … prägt das Geopotentialgefüge über Nordwesteuropa ein Höhentief,
dessen Zentrum südöstlich von Island zu finden ist. Dieses weist dabei zwei
langwellige, primäre Troganteile auf, die einerseits in Richtung
Südskandinavien, andererseits in Richtung Süden und damit auf den offenen
Atlantik orientiert sind. Wenn wir hier zuerst den ostwärts gerichteten
Troganteil sezieren, dann erkennen wir, dass dieser in zwei kurzwelligen
Anteilen aufgeht, wovon der nördliche zum Finnischen Meerbusen, der südliche
dagegen vom Kattegat zum Böhmischen Becken ausgreift. Letzterer wandert schon in
der ersten Nachthälfte nach Polen aus, zu Beginn der Nacht präsentiert sich die
Schichtung im Norden, dabei speziell im Nordosten mit Lapse-Rates bis um -0,65
K/100m sowie Temperaturen von knapp -20°C in 500 hPa und von +8°C in 850 hPa
aber noch leidlich labil, was dort letzte kräftige Schauer und Gewitter
bedeutet, lokal auch mit steifen Böen Bft 7. Auf der Trogrückseite greift dann
im Nachtverlauf aber auch im Nordosten ein flacher Rücken über, der zuvor schon
den Rest Deutschlands unter seine Fittiche genommen hat. Dieser wölbt sich im
Laufe der Nacht zwar zögerlich, aber kontinuierlich nach Norden auf, woran der
o. e. von Island nach Süden weisende Troganteil nicht unschuldig ist. Denn
dieser weitet sich durch auf seiner Rückseite vorstoßende Kaltluft nach Süden
aus, was auch zur Ausbildung eines zweiten Höhentiefs führt, welches dann mit
demjenigen bei Island eine Dipolstruktur ausbildet. Des Weiteren steilt dadurch
über weiten Teilen Südwest- und Westeuropas die Strömung auf. Die damit
verbundene WLA lässt den o. e. flachen Rücken im Geopotentialfeld etwas
deutlicher zu Tage treten, wenngleich sich sein Charakter dadurch nicht
grundlegend verändert. Immerhin dreht die recht glatte, leicht antizyklonal
konturierte Höhenströmung auf West. Trotz seiner nur moderat ausgeprägten
Antizyklonalität hat der Rücken die Kraft, in der Nacht für eine
Wetterberuhigung zu sorgen. So bleibt es unter schwachem Absinken weitgehend
trocken, allenfalls im Küstenumfeld kann die WLA vereinzelt für ein paar Tropfen
sorgen. Dazu klart es bei moderat ansteigendem Druck gebietsweise auf, lokal
bildet sich bei Tiefstwerten zwischen 13 und 7 Grad Nebel, erst im Nachtverlauf
kommen von Westen zunehmend hohe Wolkenfelder auf. Der Kern des
Hochdruckgebietes zieht im Laufe der Nacht von der Biskaya in den Alpenraum, mit
5 hPa Druckunterschied zwischen Oberstdorf und Flensburg präsentiert sich der
Gradient entsprechend handzahm. Weniger handzahm gebärden sich dagegen zwei
Tiefs westlich von Island und der Biskaya, die mit dem o. e.
Atlantik-Langwellentrog korrespondieren. Der Rückgang des Geopotentials schlägt
bis in die niedere Troposphäre durch, der Druck der beiden Tiefs sinkt von etwa
1007 hPa auf 997 hPa, dazu steuern beide auf Irland zu, so dass eine Vereinigung
absehbar erscheint.

Freitag … setzt sich die Austrogung auf dem nahen Ostatlantik weiter fort und
kommt ein wenig nach Osten voran. Die beiden Bodentiefs laufen tatsächlich
zusammen, der Kerndruck des fusionierten Tiefs sinkt bis zum Abend nochmals um 8
hPa auf dann 989 hPa. Der dem Trog vorgelagerte Rücken wölbt sich durch die
ostwärtige Verlagerung des Troges und die damit verbundene WLA weiter auf. Seine
Achse greift schon im Vormittagsverlauf auf das Vorhersagegebiet über, verlagert
sich rasch nach Osten und erstreckt sich zum Abend in einem weiten Bogen von der
Adria über Mecklenburg bis zum Seegebiet nördlich von Schottland. Das von ihm
gestützte Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt etwas nach Osten, so dass auch
niedertroposphärisch mit Winddrehung auf Süd bis Südwest WLA einsetzt. Bis zum
Abend steigt die 850 hPa-Temperatur auf Werte zwischen 9°C im Norden und 19°C in
Südostbayern. Die advehierte Luftmasse ist trocken und vor allem im Westen auch
gedeckelt, dazu macht sich im Westen und Nordwesten vermehrt WLA-Bewölkung
bemerkbar und hemmt die Einstrahlung. Regen sollte es dort noch keinen geben,
eventuell reicht es abends für ein paar Tropfen. Ansonsten steht aber einem vor
allem im Süden und im Osten sonnigen oder nur leicht bewölkten und
wettertechnisch ruhigen Tag nichts entgegen. An den Alpen können die Quellwolken
vielleicht schon etwas höher wachsen, für Schauer oder gar Gewitter reicht es
nicht, auch deshalb, weil durch die südliche Anströmung die Luftmasse
niedertroposphärisch föhnig austrocknet. Der schwache Wind dreht auf Süd bis Ost
und die Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 25 und 30°C, am Oberrhein
bis 32°C, ganz im Nordwesten sowie an den Küsten bleibt es mit 20 bis 24°C
angenehmer.

In der Nacht zum Samstag greift der Höhentrog auf Irland, den Westen Frankreichs
und die Biskaya über und weitet sich bis ins Seegebiet östlich der Iberischen
Halbinsel aus. Der vorgelagerte Höhenrücken verlagert sich nach Polen und die
auf Südwest drehende Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet steilt noch etwas
auf. Damit setzt im Bodenfeld verstärkt Druckfall ein. Die Warmfront des
weiterhin mit dem Trog korrespondierenden fusionierten Tiefdruckgebietes, das
weitgehend ortsfest über dem Norden Irlands liegt, greift auf den Westen und
Norden des Landes mit dichten Wolkenfeldern über, vor allem im Nordseeumfeld
fällt auch gebietsweise etwas Regen. Die Kaltfront kommt nur langsam südostwärts
voran und greift morgens auf Benelux über. Die im Warmsektor ins
Vorhersagegebiet advehierte Luftmasse bleibt noch recht trocken und ist relativ
stabil geschichtet, lediglich im Südwesten werden die Lapse Rates von Frankreich
her allmählich größer. Dabei dürften sich abends bzw. im Laufe der Nacht über
Frankreich erste Gewitter, eventuell auch ein MCS entwickeln, worauf auch eine
der Kaltfront vorlaufende kleine Rinne hindeutet. Ob ausgangs der Nacht Gewitter
oder gebietsweise auftretende, schauerartige, aber ungewittrige Regenfälle
bereits den Südwesten bzw. Westen Deutschlands erfassen, ist noch unklar,
Hinweise darauf ergeben sich modellseitig bisher nur sehr schwach ausgeprägt an
der Saar. Somit bleibt es nachts zumeist ruhig, vor allem im Westen und Norden
bei weiterer niedertroposphärischer WLA (850 hPa-Temperatur steigt auf Werte
zwischen 13°C im Norden und 20°C ganz im Süden) sinken die Temperaturen unter
den Wolkenfeldern nicht mehr unter 21 bis 16°C, während es sonst mit 18 bis 12°C
noch etwas frischer wird.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag … und in der Nacht zum Sonntag verlagert sich das Bodentief vom Norden
Irlands zur nördlichen Nordsee. Die Kaltfront des Tiefs überquert Deutschland
von West nach Ost, am Sonntagmorgen verläuft sie etwa vom Böhmischen Becken bis
ins Schweizer Mittelland, so dass nur noch der Südosten Bayerns präfrontal
geprägt ist. Präfrontal sorgt WLA im Süden und Osten für einen sehr heißen
Sommertag mit Höchstwerten von bis zu 38°C, im Westen und Nordwesten dagegen
liegen die Maxima knapp unter 30°C. Ein Vergleich der Höchstwerte deutet an,
dass die Verlagerung der Kaltfront im Norden von ICON etwas zügiger gerechnet
wird als z.B. von IFS, im Südwesten verhält es dagegen genau andersherum. Beide
Modelle deuten, ebenso wie z.B. GFS, ICON-EU oder UK10 klar erkennbar die der
Kaltfront vorlaufende Tiefdruckrinne/Konvergenzlinie an, die ICON etwas zügiger
verlagert als dies z.B. IFS tut. Wieviel Energie der Atmosphäre durch eventuelle
Umlagerungen in der Rinne entzogen wird, bleibt abzuwarten. Letztendlich wird
davon abhängen, was für die Kaltfront noch „übrig bleibt“. Grob kann man sagen,
dass in der Rinne wohl mehr CAPE generiert wird als an der Kaltfront. Dafür
glänzt die Kaltfront mit den „besseren“ Scherungsbedingungen. Folglich deuten
sich für die „Rinnengewitter“ eher der Starkregen (PPWs bis 45 mm) und größerer
Hagel an, an der Kaltfront dürfte der Organisationsgrad höher sein, mit dem
höheren Potential für Sturmböen. Was nicht heißt, dass an der Kaltfront nicht
auch Hagel und Starkregen ein Thema sind. Und bezüglich der Rinne arbeitet
SuperHD nachlaufend eine Druckanstiegswelle mit Böen bis in den Orkanbereich
heraus. Die Druckanstiegswelle haben andere Modelle (UK10, aber auch ICON,
ICON-EU und IFS) ebenfalls im Programm, allerdings in deutlich abgeschwächter
Form. Da die Rinne im Süden am stärksten ausgeprägt sein soll, könnten dort die
Gewitter vor allem an selbige gekoppelt sein, während sich im Norden ein
Aktivitätsmaximum an der Front herauskristallisiert. Bis diesbezüglich aber
endgültig Klarheit herrscht, müssen noch ein paar Modellläufe abgewartet werden.

Modellvergleich und -einschätzung

Grundsätzlich herrscht auch für den Samstag und bis in den Sonntag hinein bei
den Modellen ein ähnlicher Blick auf die zu erwartenden Abläufe vor. Im Detail
gibt es aber noch Unterschiede, die im Text angesprochen wurden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas