SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 10.07.2023 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Dienstagabend/Nacht zum Mittwoch Schwergewitterlage mit möglicher Squallline
(Sturm/Orkanböen) im Süden Deutschlands.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC

Aktuell … liegt Mitteleuropa vorderseitig eines Cut-Off-Tiefs über dem
Atlantik, wobei sich ein über Mitteleuropa ein flacher Höhenkeil aufgewölbt hat.
Das Bodendruckfeld ist über uns sehr flach und diffus. Die kaum wetterarktive
Kaltfront eines sich abschwächenden Atlantiktiefs erstreckt sich von Nordost
nach Südwest über Deutschland. Diese ist im thermischen Feld ziemlich
aufgefächert. In den Nordwesten fließt mit 850-hPa-Temperaturen von ~9 °C eine
kühlere Atlantrikluftmasse ein, während der Südosten in einer subtropischen
Luftmasse mit 850-hPa-Temperaturen um 19 °C verbleibt. Dort liegen ~ 1500 J/kg
CAPE. In dieser Luftmasse wurden einige Gewitter ausgelöst. Bei mäßiger Scherung
~ 15 km/h zwischen 0 und 6 km. gab es bisher 3 starke Zellen, die kurzzeitig
rotiert haben und Nutzermeldungen größeren Hagel brachten. Allerdings wurden
diese Zellen sehr schnell outflow-dominatnt, was vermutlich an trockenen
Schichten in der mittleren Atmosphäre liegt, die durch Absinken unter dem
Höhenkeil zustande kommen.
ICON-D2 hat die Gewitter im Süden deutlich unterschätzt, SuperHD und AROME waren
besser. So sollte in den nächsten Stunden für die Kurzfrist auf diese Modelle
gesetzt werden. Demnach sind noch einzelne Zellen möglich, werden aber zunehmend
schwächer.
Der zweite Gewitterschwerpunkt ist im Nordosten an der Kaltfront. Dort ist kaum
CAPE vorhanden. Letzte Gewitter sollten dort rasch abziehen.
Auch im Nordosten sorgt ein schwacher Kurzwellentrog für Labilisierung, sodass
bei ein paar 100 J/kg CAPE kurzlebige Gewitter entstehen können, die aber
vergleichsweise harmlos sind und auch immer weniger auftreten.

Die Nacht verläuft unter dem Höhenkeil dann weitestgehend störungsfrei (locker
bewölkt bis klar). Mit abgehobener Auslösung ist auch im Süden nicht mehr zu
rechnen.

Dienstag … bahnt sich für den Süden eine Schwergewitterlage an. Im Grunde
zeigen die Modelle keine größeren Änderungen zu den Frühläufen. Das atlantische
Cut-Off-Tief rückt weiter nach Osten vor, wodurch die Strömung in Mitteleuropa
aufsteilt. Dadurch setzt wieder massive WLA ein, wodurch die 20°C-Isotherme auf
850-hPa bis zum Abend die Mitte Deutschlands erreicht. Im Süden steigt die
850-hPa-Temperatur mit Föhnunterstützung an den Westalpen sogar bis 25 °C.
Dadurch sind Höchstwerte bis 38 °C möglich. Im Süden, nach einigen Modellen auch
in der Mitte Deutschlands, bauen sich in der feuchteren Subtropenluft bis zu
1500 J/kg CAPE auf. Diese sind durch leichtes Absinken im Höhenkeil und durch
bodennahe WLA zunächst stärkerer gedeckelt, sodass die Auslösung erst sehr spät
stattfindet. Bis zum Abend wird dann aber der Höhenkeil sukzessive mit seiner
Achse nach Ostdeutschland verdrängt.
Vorderseitig des näher rückenden Troges setzt Druckfall ein, wodurch in der
feuchtesten Luft eine Tiefdruckrinne auf den Westen und Südwesten übergreift. An
dieser soll es über Ostfrankreich zur Auslösung kommen, wobei kräftige Gewitter
am Abend auf den Südwesten übergreifen. Bei starker Scherung (0-6 km > 25 m/s)
ist dabei mit einer guten Organisation zu rechnen. Im unteren Bereich stark
gekrümmte Hodograpghen (SRH ~ 250m²/s²) können ins Besondere am Oberrhein,
Schwarzwald, später eventuell an der Alb vorlaufende Superzellen entstehen. Die
Prognosesoundings zeigend die Gefahr von großem Hagel.
Die Modelle lassen die Zellen relativ schnell verclsutern und zu einem größeren
MCS mit einem oder mehreren Bogensegmenten zusammenwachsen. Dieses soll dann in
der Nacht zum Mittwoch in den meisten Modellen über die Südhälfte laufen. Alle
hochaufgelösten Modelle sind dahingehend einig, dass daran eine stärkere
Windentwicklung gekoppelt ist. Selbst Globalmodelle wie das GFS simulieren einen
Rear-Inflow-Jet mit > 50 kt auf 850 hPa. Gestützt werden dies Prognosen durch
eine hochreichend gut durchmischte Grenzschicht und einem linienseknrechten,
starken 0-3 km Scherungsvektor. Es werden von den Lokalmodellen teilweise
Windspitzen über 150 km/h simuliert. Die Erfahrung bei den letzten Lagen hat
gezeigt, dass die Windspitzen häufig übertreiben wurden. Dennoch sollte man
aufgrund des Setups schwere Sturmböen bis Orkanböen 95 – 120 km/h (lokal mehr)
innerhalb der Bogensegmente durchaus in Betracht ziehen, zumal die ICON-D2-ENS
recht hohe Wahrscheinlichkeiten dafür bringen.
Unsicher bleibt die weitere Zugbahn der Linie. Während SuperHD die
Hauptaktivität auf die Mitte legt, liegt sie im ICON-D2 ziemlich weit südlich
über BaWü und Bayern. AROME hat eine Zwischenlösung. Es steht und fällt vor
allem mit der Grenzschichtfeuchtigkeit in der Mitte. ICON-D2 simuliert hier kaum
CAPE wegen einer sehr trockenen Grenzschicht. SuperHD zeigt da deutlich mehr.
(Eventuell durch die oft zu hohe Grenzschichtfeuchtigkeit im GFS?).
Was das Tornadopotenzial angeht: Zwar wird bei hohem SRH ein niedriges HKN im
Westen simuliert, dies aber erst nach Durchgang des MCS. Vorderseitig ist die
Grenzschicht zu stark durchmischt, was das Potenzial deutlich mindert.
Allerdings sollte man auf eventuell Book-End-Vorticies achten. Des Weiteren
sollten die sehr hohen PPW-Werte, die im Westen von den Modellen simuliert
werden, bezüglich des Starkregenpotenzials nicht allzu ernst genommen. Diese
werden durch das MCS selbst erzeugt und sind keine vorrangige Eigenschaft der
Luftmasse. Auch wenn ICON-D2 lokal über 100 mm geht, sollten extreme
Entwicklungen bezüglich Starkregens die Ausnahme bleiben.

Limitierende Faktoren sind zum einen die mangelnde Unterstützung durch die Höhe.
Der Trog hat erst weit hinter der Konvergenz einen Einfluss, ansonsten ist die
Höhenströmung nahezu glatt und nur leicht antizyklonal konturiert. Zudem könnte
die nicht sehr starke, aber zunehmende Advektion von Saharastaub ein
limitierender Faktor sein.

Ein weiterer Schwerpunkt bei den Gewittern ist der Nordwesten. Vorderseitig der
Kaltfront ergibt sich dort in der Nacht zum Mittwoch eine Low-CAPE-High-Shear
Situation mit bis zu 30 m/s Deep-Layer-Scherung. Dort muss man auf nur lokale
kräftigere Entwicklungen achten, die sich eventuell im Radarbild nicht unbedingt
klar abzeichnen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC

Mittwoch … gibt es kaum Unterschiede zu den Vorläufen: Das heißt Umstellung
auf Westwetterlage, mit Trogeinfluss im Nordwesten (Schauer und kurze Gewitter).
Ansonsten mit der Kaltfront von Nordwesten her deutliche Abkühlung. Im
Alpenvorland hält sich allerdings noch die feuchtwarme Luft. Dort werden von
SuperHD im Tagesverlauf bei guter Scherung und CAPE-Werten um 1500 J/kg wieder
teils gut organisierte und unwetterartige Gewitter simuliert. Eventuell wird
eine Vorabinfo für dieses Gebiet nötig.

Modellvergleich und -einschätzung

Siehe Text.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold