#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Montag, den 03.07.2023 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.07.2023 um 10.30 UTC
Kurze, aber markante Hitzewelle mit „Ü35ern“ ab Samstag, von Westen alsbald aber
schon wieder ansteigendes Risiko unwetterartiger Gewitter.
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 10.07.2023
Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag findet sich ein Bereich tiefen
Geopotenzials, der vom nahen Nordostatlantik über das Europäische Nordmeer bis
nach Skandinavien reicht. Darin eingebettet sind zwei Höhentiefs über dem
mittleren Skandinavien und über dem Seegebiet nordwestlich der Britischen
Inseln. Letzteres korrespondiert mit einem für die Jahreszeit ungewöhnlich
starken Tiefdruckgebiet, das sich auf einen Kerndruck von unter 990 hPa vertieft
und zunehmend die Funktion eines hochreichenden, steuernden Zentraltiefs
annimmt.
Deutschland liegt an der Südflanke des tiefen Geopotenzials zunächst noch unter
einer westlichen Höhenströmung, in der ein kurzwelliger Anteil ostwärts abläuft.
Vor allem im Süden und Südosten wird auf der Trogvorderseite Hebung generiert,
sodass es in noch ziemlich feuchter und labiler Nordatlantikluft zu
schauerartigen, vereinzelt gewittrigen Niederschlägen kommt. Dabei ist
Starkregen nicht ausgeschlossen. Auch innerhalb des Troges ist die Luft labil
geschichtet, allerdings ist sie subpolaren Ursprungs und weniger feucht, sodass
es allenfalls für einzelne Schauer oder kurze Gewitter reicht, vornehmlich über
der Nordhälfte.
Im Tagesverlauf, insbesondere in der Nacht zum Freitag beruhigt sich das Wetter.
Verantwortlich dafür zeigt sich ein Rücken, der sich – gestützt durch WLA auf
der Vorderseite des nordatlantischen Tiefs – über Westeuropa aufwölbt. Dieser
stützt eine Hochparzelle, die sich über Frankreich ausbildet und nach
Deutschland zieht.
Im 850-hPa-Niveau liegen die Temperaturen zwischen 5 °C im Norden und 12 °C im
Süden. Da es dort aber an Einstrahlung mangelt, wird es über der Mitte am
wärmsten mit Höchsttemperaturen von rund 25 °C.
Am Freitag bleibt das hochreichende Zentraltief nordwestlich von Irland nahezu
ortsfest, dehnt sich allerdings nach Süden aus. Damit steilt die Strömung über
Westeuropa auf und die WLA verstärkt sich. Der sich dadurch intensivierende
Rücken schwenkt mit seiner Achse nach Deutschland und dehnt sich gleichzeitig
weit nach Norden bis zum Europäischen Nordmeer aus. Das Bodenhoch verlagert sich
mit seinem Schwerpunkt zur südlichen Ostsee, gleichzeitig fällt der Luftdruck
über Westeuropa, was dort zur Ausbildung einer Tiefdruckrinne führt. In der auf
Südost drehenden Strömung wird wärmere Luft herangeführt (T850 auf 8 bis 16 °C
ansteigend). An den Alpen und im östlichen Bergland besteht ein geringes
Schauerrisiko, insgesamt dominiert aber Absinken und viel Sonnenschein, sodass
die Temperaturen verbreitet auf sommerliche Werte ansteigen, am Oberrhein
örtlich auf 30 °C.
Am Samstag und Sonntag bleibt das steuernde, hochreichende Tief mit seinem
Zentrum weiterhin knapp westlich der Britischen Inseln. Allerdings sorgen
kurzwelligen Anteile, die das Höhentief umlaufen und dazu neigen, nach Osten aus
dem System herauszulaufen, dafür, dass der Rücken über Mitteleuropa langsam,
aber sicher ostwärts verdrängt wird. Ob die Westhälfte in der Folge bereits von
ersten kurzwelligen Anteilen traktiert wird, bleibt zunächst noch fraglich,
zumal die „eiernde“ Kontur des Höhentiefs äußerst schwer vorherzusagen ist. Mit
Übergreifen der Tiefdruckrinne nebst sehr feuchter und instabiler Luftmasse muss
aber zumindest in der Südwesthälfte und dort vor allem über dem Bergland mit
ersten konvektiven Umlagerungen gerechnet werden. Eventuell wird der Westen und
Nordwesten von ersten größeren Gewitterkomplexen über Benelux gestreift. Bei
hoher Labilität (teils >1500 J/kg), viel niederschlagbarem Wasser (PPWs > 30 mm)
und moderater Scherung sind unwetterartige Entwicklungen möglich. Dieses
räumlich noch eher begrenzte „Störfeuer“ sollte aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass das Wochenende von viel Sonnenschein und weiter
ansteigenden Temperaturen geprägt ist. Aus Südwesten wird eine tropische
Luftmasse herangeführt, in der die Temperaturen im 850-hPa-Niveau verbreitet auf
15 bis 20 °C, nach Süden und Südwesten zu eventuell sogar auf 22-23 °C
ansteigen. Höchsttemperaturen zwischen 30 und 35 °C sind verbreitet
wahrscheinlich, bevorzugt am Oberrhein scheinen auch Werte bis 37 oder 38 °C
denkbar. Ein größeres Saharastaubereignis mit entsprechender Eintrübung bleibt
nach aktuellem Stand eher dem Mittelmeerraum vorbehalten, allerdings müssen
etwaige Staubwolken und Trajektorien dahingehend im Auge behalten werden.
Zu Beginn der nächsten Woche wird der Rücken ins östliche Mitteleuropa
verdrängt, wie schnell, bleibt noch abzuwarten. In jedem Fall nimmt der
zyklonale Einfluss des zu den Britischen Inseln ziehenden, hochreichenden Tiefs
aber von Westen weiter zu und damit auch das Gewitterrisiko. Das Potenzial für
eine dann auch überregionale Schwergewitterlage sind prinzipiell erfüllt. Den
Gewittern folgt in der ersten Wochenhälfte eine gemäßigt temperierte maritime
Luftmasse, allerdings besteht im weiteren Verlauf durch ein neuerliches
Aufsteilen der Strömung besonders im Süden und Südosten die Möglichkeit eines
„Hitzerückfalls“.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Bis einschließlich Sonntag kann dem IFS eine gute Konsistenz bescheinigt werden.
Vorderseitig eines kräftigen, hochreichenden Tiefs nordwestlich der Britischen
Inseln kann sich über Mitteleuropa ein Rücken aufbauen, der vorübergehend für
antizyklonale Verhältnisse sorgt. Zwar steigt das Gewitterrisiko am Samstag und
Sonntag im Westen bereits an, eine überregionale Gewitter-/Unwetterlage ist aber
(noch) unwahrscheinlich.
Ab Montag laufen die Simulationen zunehmend auseinander. Es scheint unklar, wie
zügig sich der westeuropäische Trog nähert bzw. wie resistent sich der
vorgelagerte Rücken ihm gegenüber zeigt. Der heutige ooZ-Lauf ist
vergleichsweise progressiv, ein erster kurzwelliger Troganteil greift bereits am
Montag über und schwenkt zügig ostwärts, womit schon am Dienstag die kurze
Hitzewelle beendet wäre. Die gestrigen Läufe verzögerten diesen Prozess um rund
24 Stunden, wodurch sich die Hitze am Montag nicht nur hielt, sondern auch noch
verschärfen konnte. In jedem Fall nimmt das Gewitterrisiko mit Annäherung des
Troges von Westen her zu, bei günstigem Timing und ausprägten Kurzwellentrögen
besteht die Gefahr einer überregionalen Schwergewitterlage!
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Bis Samstag wird die Prognose des jüngsten IFS-Laufes von ICON, GFS und UK10 im
Wesentlichen gestützt. Der Aufbau eines Rückens nebst nachfolgender, zumindest
kurzzeitiger Hitze über Mitteleuropa scheint somit ziemlich gesichert.
Ab Sonntag zeigt sich auch bei „Multimodell“-Betrachtung, dass die „eiernde“
Kontur des Höhentiefs über Nordwesteuropa, hervorgerufen durch die um das System
herumgeführten und herauslaufenden Kurzwellentröge, die Prognose zunehmend
unscharf machen. ICON fährt die progressivste Variante, wonach sich schon am
Sonntag ein Luftmassenwechsel nebst potenzieller Schwergewitterlage vollzieht.
Bei GFS und UK10 beginnt dieser Prozess erst ab der Nacht zum Montag und am
Montag selbst, wobei sich der Luftmassenwechsel respektive das Ende der
Hitzewelle nach Südosten zu bei GFS bis in den Dienstag hinein zieht. Demnach
kann noch nicht beurteilt werden, wie lange die Hitzewelle andauert bzw. wann
sie ihren Höhepunkt erreicht.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
RAUCHFAHNEN:
Bis Sonntag sind die Rauchfahnen des IFS-EPS eng gebündelt und der
deterministische Lauf gut eingebettet. Sowohl bei der 850-hPa-Temperatur als
auch beim Geopotenzial geht zwischen Donnerstag und Sonntag sukzessive
„bergauf“. Der Median der Temperatur steigt im Süden auf knapp über 20 °C, im
Norden auf rund 15 °C.
Am Montag und Dienstag nimmt der Spread schlagartig und massiv zu. Die Mehrheit
der Ensemble-Member stürzt wie auch der deterministische Lauf schon im Laufe des
Montags ab. Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl allerdings setzen den
Temperaturanstieg fort und erreichen erst am Montagabend, nach Südosten zu teils
sogar erst am Dienstag den „Hitzepeak“ mit Werten von knapp 25 °C! Damit wären
Höchsttemperaturen über 40 °C nicht gänzlich ausgeschlossen.
Zum Mittwoch nimmt die Streuung eher wieder ab, die überwiegende Mehrheit der
Ensemblemitglieder haben das „Temperaturtal“ mit gemäßigter Wärme erreicht, der
rasche Wiederanstieg des deterministischen Laufs schon zur Wochenmitte wird nur
von wenigen Membern gestützt.
CLUSTER:
Zeitraum +72-96 h: 4 Cluster, 4x Negative NAO
Zeitraum +120-168 h: 4 Cluster, 3x Blocking, 1x Negative NAO. Unterschiede
ergeben sich vor allem in der Position und Kontur des Rückens über Mitteleuropa.
Zeitraum +192-240 h: 5 Cluster, 3 x Negative NAO, 1x Positive NAO, 1x Blocking.
FAZIT:
Am Wochenende baut sich eine kurze, aber markante Hitzewelle auf. Zwar steigt
das Gewitterrisiko von Westen bereits an, von einzelnen, aber dann durchaus
heftigen Gewittern abgesehen, dominiert aber zunächst noch antizyklonales
Wettergeschehen.
Das Ende der Hitzewelle zu Beginn der kommenden Woche lässt sich zeitlich noch
nicht exakt festmachen. Eventuell steigert sie sich am Montag, im Südosten
eventuell auch bis Dienstag nochmal, dann wäre auch extreme Hitze bis 40 °C
möglich. Beim Luftmassenwechsel besteht bei günstigem Timing das Potenzial einer
überregionalen Schwergewitterlage.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GEWITTER:
Am Donnerstag sind im Süden anfangs noch schauerartige Regenfälle und einzelne
Gewitter mit Starkregen möglich.
Am Samstag und Sonntag besteht bevorzugt über dem west- und südwestdeutschen
Bergland sowie nahe der Grenze zu Benelux ein erhöhtes Risiko einzelner, aber
kräftiger Gewitter. Dabei sind lokal Unwetter durch heftigen Starkregen,
größeren Hagel und schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Am Montag und Dienstag besteht mit Passage einer Kaltfront von West nach Ost das
Potenzial einer überregionalen Schwergewitterlage.
HITZE:
Am Wochenende sind verbreitet Höchsttemperaturen über 30 °C und eine starke
Wärmebelastung wahrscheinlich. Am Sonntag sind vor allem am Oberrhein gefühlte
Temperaturen über 38 °C und damit eine extreme Wärmebelastung nicht
ausgeschlossen.
Auch am Montag ist eine starke bis extreme Wärmebelastung möglich, im Dienstag
eventuell noch im Süden und Südosten, danach setzt sich von Westen kühlere Luft
durch.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-EZ
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser