#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Mittwoch, den 28.06.2023 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.06.2023 um 10.30 UTC
Leicht wechselhaft, dabei mäßig warm bis warm, aber nicht heiß.
Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 05.07.2023
Schon ein erster flüchtiger Blick am Morgen auf die sogenannten 16er-Blätter –
die Rede ist von einer klassischen Zusammenschau wichtiger meteorologischer
Basisparameter wie Luftdruck, Potenzial 500 hPa, Temperatur 850 hPa, Feuchte 700
hPa, die es trotz Technologiezeitalter noch immer auf Papier gibt und vom
„Old-School-Verfasser“ gerne genutzt werden – zeigt dem geschulten Auge, in
welche Richtung der mittelfristige „Hase“ läuft. „Tiefer Luftdruck über Nord-
und Nordwesteuropa vs. Azorenhochkeil weiter südlich“ lautet die Kurzformel, bei
der westliche bis südwestliche Winde vorherrschen. Entsprechend bestimmen
atlantische Luftmassen das Geschehen, wobei – so viel sei hier schon verraten –
weder die große Hitze noch die großen Regenfälle auf der Karte stehen. Im Grunde
ist damit schon alles gesagt, weil davon auszugehen ist, dass sich Timing und
Phase der bestimmenden Systeme noch ändern werden. Aber gut, ein bisschen Detail
darf sein.
Starten tun wir am kommenden Samstag, der den Beginn des offiziellen
Mittelfristzeitraums markiert. Er zeigt Deutschland unter einem flachen
Höhentrog, der den Fortsatz eines hochreichenden, nahezu stationären Tiefs
unweit von Schottland darstellt. Das zugehörige okkludierende Frontensystem
überquert mit überwiegend leichten Regenfällen gemächlich den Norden und Westen
sowie Teile der Mitte des Landes, während der Südosten noch außen vor bleibt.
Das ändert sich bereits in der Nacht zum Sonntag, wenn die teilokkludierte
Kaltfront Süddeutschland und dort wahrscheinlich zum Morgen hin die Alpen
erreicht. Dahinter fließt mit westlicher Strömung eine gemäßigte Atlantikluft
ein (T850 am Mittag zwischen etwa 5°C im Nordwesten bis zu 11°C im Süden), die
für wechselnde Bewölkungsverhältnisse sorgt. Zeitweiliger Regen respektive
Schauer fallen am ehesten an den Alpen (wo die Front noch längere Zeit
„rumhängt“) sowie im äußerten Norden (wo ein Randtrog mit etwas Höhenkaltluft
durchschwenkt).
Zu Beginn der nächsten Woche verlagert sich das o.e. hochreichende Tief über
Südskandinavien ostwärts. Derweil bringt sich über dem Seegebiet südlich von
Island eine weitere Zyklone in Stellung, die an den Folgetagen in die Rolle
eines steuernden Zentraltiefs schlüpft. Zwischen den beiden Protagonisten wölbt
sich über UK/Irland ein flacher Rücken auf, der bis Dienstag nach Mitteleuropa
wandert. Zuvor, also am Montag, ist die westliche Höhenströmung noch recht
zyklonal konturiert und der Azorenhochkeil im Süden nur rudimentär ausgeprägt.
Der große Regen bleibt trotzdem aus. Im Norden ein paar Schauer, vielleicht
sogar ein kurzes „Kaltluftgewitter“ und auch an den Alpen anfangs noch ein paar
Resttropfen, das warŽs dann aber auch schon. Thermisch stellt sich ein
Südost-Nordwest-Gefälle ein (T850 um 12 UTC zwischen 12°C in Oberbayern und 4°C
in Ostfriesland), was der Südosthälfte trotz zeitweiliger Bewölkung vielerorts
einen Sommertag beschert.
Am Dienstag wandert der flache Rücken durch, wodurch sich auch der
Azorenhochkeil kräftigt bzw. ausweitet. Die Sonnenanteile nehmen zu, die
Temperatur steigt leicht an, die ohnehin nur dürftig ausgeprägte Regenneigung
nimmt weiter ab (anfängliche Schauer an der Küste und eine sehr schmale Schauer-
und Gewitterwahrscheinlichkeit am Alpenrand).
Am Mittwoch hat sich das hochreichende Tief dicht an Schottland und Irland
herangerobbt, von wo aus eine Austrogung nach Süden stattfindet. Stromab führt
das bei uns zum Aufsteilen der südwestlichen Höhenströmung, was mit einer
gesamttroposphärischen Erwärmung einhergeht. Bis zum Abend steigt T850 auf rund
10°C in Küstennähe bis 16°C im Süden. Bei geringen Luftdruckgegensätzen scheint
trotz einiger Wolken häufig die Sonne, insbesondere im Süden und Südosten. Die
latente Gewitterneigung am Alpenrand bleibt bestehen, ansonsten tut sich auf dem
Sektor Niederschlag noch nicht viel.
Das könnte sich mit Übertritt in die erweiterte Mittelfrist ändern, wenn nämlich
besagter Trog vom nahen Atlantik dichter an den Kontinent heranrückt und das
gesamte Setup zyklonaler wird. Dabei deutet sich von Nordwesten her die
Annäherung einer Kaltfront an, die zunehmend ins Schleifen kommt. Präfrontal
werden verstärkt schauerartige Regenfälle und Gewitter simuliert, die sich peu a
peu ostwärts vorarbeiten sollen. Na denn mal Glück auf…
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Wenn man die mittelfristigen Prognosekarten vom IFS (ECMF) nicht unter das
meteorologische Elektronenmikroskop legt, kann die Konsistenz als gut bezeichnet
werden. Unter dem Strich steht uns ein wechselhafter, überwiegend durch
atlantische Luftmassen geprägter Wetterabschnitt bevor, der sich weder durch
große Hitze noch durch größere Regenfälle auszeichnet. Die Unsicherheit der
Vorhersage liegt – typisch für Südwest- oder Westlagen – in den zeitlichen
Abläufen der bestimmenden Systeme, sprich, wann ist Tiefdruckeinfluss wirksam,
wann eher der (Zwischen)Hochdruckeinfluss. An vielen Tagen wird es bezogen auf
den gesamten Vorhersageraum sogar eine Mischung aus beidem sein bzw. zum Ende
der Mittelfrist vorübergehend sogar antizyklonal bestimmt sein.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Der ortsübliche Modellvergleich bringt keine nennenswerten Neuigkeiten zu Tage.
Alle Kandidaten stoßen im Grunde ins selbe Horn wie IFS. Dass dabei mit
zunehmender Prognosedauer die Unschärfen in Bezug auf Timing und Phase zunehmen
- ähnlich wie bei der Konsistenzbetrachtung -, ist vollkommen handelsüblich.
Eine durchgreifend andere Wettervorhersage ergibt sich daraus nicht.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen diverser deutscher Städte verlaufen bis Anfang nächster
Woche relativ eng gebündelt. Allerdings kann es sein, dass das Geopotenzial am
Sonntag und Montag vom Hauptlauf etwas zu niedrig simuliert wird, was aber kaum
Einfluss auf das Wettergeschehen haben dürfte. Im weiteren Verlauf der Woche
nimmt die Streuung zu und es lässt sich kein klarer Median mehr erkennen, was
den Facettenreichtum der Einzellösungen widerspiegelt. Auffällig ist der
markante Temperaturanstieg des Hauptlaufs zum Donnerstag hin, der vom Gros der
Ensemblemitglieder nicht gestützt wird. Dass die Detailvorhersage nach hinten
raus immer unschärfer wird, erkennt man auch am zunehmenden Rauschen bei den
Niederschlagssignalen.
Die Cluster starten ins Wochenende (T+72…96h) mit sechs Startern, die bei uns
aber alle die flache Trogpassage zeigen. Ab Montag (T+120…168h) verringert sich
Anzahl der Cluster auf drei, die alle in das Klimaregime „NAO positiv“ münden.
Unterschiede bezogen auf den Vorhersageraum betreffen im Wesentlichen die Kontur
der südwestlichen Höhenströmung, die in CL 1 (21 Fälle) zyklonaler ausfällt als
in CL 3 (12 Fälle). CL 2 (18 Fälle), in das auch der Hauptlauf fällt, nimmt eine
Zwischenstellung ein. Die drei Cluster der erweiterten Mittelfrist (T+192…240h)
sehen uns alle auf der Vorderseite eines Troges oder Höhentiefs über dem nahen
Atlantik. Auch hier gilt, dass die aufsteilende Strömung mal zyklonaler, mal
antizyklonaler aufgestellt ist. Ein zyklonales Übergreifen mit vorgeschalteter
Kaltfront wie deterministisch gerechnet, ist somit keinesfalls sicher.
FAZIT: Der bevorstehende leicht wechselhafte Witterungsabschnitt wird sowohl von
anderen Globalmodellen als auch von der Statistik trotz zunehmender Unschärfen
bestätigt.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Viel Signifikantes lässt sich aus der bevorstehenden Wetterlage nicht rausholen.
Mal etwas mehr Wind und vielleicht ein kurzes Gewitter an der See, mal eine
Überentwicklung in und an den Alpen, alles nicht dramatisch. So gesehen ist die
vielerorts andauernde Trockenheit trotz potenzieller vorheriger Regenfälle oder
Gewitter (Donnerstag bis Samstag) das eigentliche Thema der Mittelfrist.
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann