SXEU31 DWAV 221800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.06.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Bis in die kommende Nacht Schwergewitterlage (heftiger Starkregen, Großhagel,
Orkanböen, möglicherweise vereinzelte Tornados), vom Niederrhein bis ins
östliche Niedersachsen und ins westliche Mecklenburg dazu unwetterartiger
Starkregen.

Freitag im Osten nochmals gebietsweise Starkregen möglich, ansonsten deutliche
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC

Aktuell … Eine Schwergewitterlage hält Deutschland im Griff. Dabei zeigt sich
im 500-hPa-Geopotentialfeld ein Höhenrücken, der vom westlichen bzw. zentralen
Mittelmeerraum über das östliche Mitteleuropa bis zur Ostsee und zunehmend auch
zum Baltikum reicht. Ihm folgt ein knackiger Kurzwellentrog, der sich von
Frankreich her Deutschland nähert und dessen Achse bis zum Morgen auf den Westen
Deutschlands übergreift. Auf dessen Vorderseite nimmt die südwestliche
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet eine zyklonale, vor allem aber stark
diffluente Kontur an und in erster Linie durch PVA wird markante dynamische
Hebung induziert. Auf der Vorderseite des Kurzwellentroges wird ein kleiräumiges
flaches Tief, dessen Kern aktuell über dem Westen Deutschlands zu finden ist,
weiter nach Osten geschoben, wobei der Schwerpunkt ausgangs der Nacht über der
Mitte unseres Landes (ICON) bzw. über Sachsen-Anhalt und Brandenburg (IFS)
gerechnet wird. Wie das Tief verlagert sich auch der markanteste Hebungsantrieb
in die Osthälfte, das Tief selbst füllt sich zunächst aber nicht oder nur
zögernd auf. Während auf der Nordflanke des Tiefs anfangs eine östliche bis
nordöstliche bodennahe Windkomponente vorherrscht, wird durch den Kurzwellentrog
eine südwestliche Höhenströmung indiziert. Entsprechend stellt sich
vorübergehend eine verschärfte Gegenstromlage ein mit einem Streifen kräftiger
Niederschläge, der von NRW über Niedersachsen bis nach Westmecklenburg reicht
und der auch mit der Warmfront des Tiefs bzw. mit dem Bereich der Maximalen WLA
korrespondiert. Da die Gegenstromlage sich im Laufe der Nacht zunehmend auflöst,
lassen die Niederschläge von Westen her nach, was auch mit den auf der
Nordwestflanke des Tiefs zunehmend auf Nord bis Nordwest drehenden Bodenströmung
zu tun hat. Insbesondere an der Südflanke des Niederschlagsstreifen sind die
Regenfälle auch von Gewittern durchsetzt.

Die Gewitter weiter südlich ziehen mehr oder weniger rasch ostwärts ab, vor
allem in der ersten Nachthälfte muss noch verbreitet mit unwetterartigen
Begleiterscheinungen gerechnet werden, in erster Linie bzgl. eventueller
Orkanböen an Bow-Echos, aber auch bzgl. Starkregen und Hagel. In diese Richtung
deuten nicht nur die weiterhin sehr hohen PPW-Werte von teils über 40 mm,
sondern auch die anfangs noch recht hohen CAPE-Werte (in die Nacht hinein von
Hessen bis nach Sachsen noch um 1500 J/kg) und auch die hohen Scherungswerte
hin, die aber, wie das CAPE, im Laufe der Nacht sinken. Somit nimmt das
Unwetterpotenzial im weiteren Verlauf insgesamt ab. Nach Abzug der Gewitter
setzt dann in der Mitte und im Süden eine rasche Wetterberuhigung ein.
Gebietsweise, vor allem am Schwarzwald und an den Alpen, fällt noch
schauerartiger Regen, vereinzelt auch gewittrig, der aber auch alsbald
nachlässt. An der Südwestflanke des abziehenden Tiefs verschärft sich vor allem
in der Mitte und später auch im Südosten der Gradient vorübergehend deutlich und
es gibt aus dem Gradienten heraus, aber auch an der Kaltfront, steife, in freien
Lagen bzw. im Bergland auch stürmische Böen aus Nordwest bis Nord. Insgesamt
fällt die Nacht vor allem im Westen angenehm frisch aus (dem Tief folgt
subpolare Luft mit 8 bis 10 Grad in 850 hPa) mit Tiefstwerten zwischen 19 Grad
in der Lausitz und 12 Grad im westlichen Mittelgebirgsraum.

Freitag … verlagert sich der Kurzwellentrog aufgrund der Blockadewirkung durch
den vorgelagerten Rücken nur zögernd Richtung östliches Mitteleuropa und
erreicht mit seiner Achse erst gegen Abend bzw. eingangs der Nacht das
deutsch-polnische Grenzgebiet. Dahinter wölbt sich ein flacher, aber recht breit
angelegter Höhenrücken über Westeuropa auf und erreicht zu Tagesende mit seiner
Achse auch die westliche Nordsee.
Das Bodentief kommt allmählich Richtung Zentralpolen voran und beginnt sich
aufzufüllen. An dessen Westflanke bleibt die Gegenstromlage aufgrund der nur
allmählichen Verlagerung des Troges noch länger aufrecht und von der Mitte bis
in die Osthälfte gibt es weitere schauerartige Regenfälle, die sich nur langsam
ostwärts verlagern. Dabei bleibt trogvorderseitig noch permanenter, wenn auch
nur noch schwacher dynamischer Hebungsantrieb aufrecht und aufgrund noch
vorhandener Restlabilität (mehrere 100 J/kg MU-Cape im Bereich der um das Tief
herumgeführten Warmluft) können auch noch einzelne kurze, in die Regenfälle
eingelagerte Gewitter auftreten. Lokal deutet sich ein Überschreiten der
Warnschwellen für mehrstündigen Starkregen an, Unwetter können punktuell nicht
ausgeschlossen werden, allerdings sind die Mengen bei Weitem nicht vergleichbar
mit denen, die wir heute erwarten und sollten auch keine Schäden mehr anrichten.

Vorderseitig des Rückens kann sich im Tagesverlauf ein Bodenhoch mit einer 1025
hPa-Isobare von Frankreich her bis nach Südwest- bzw. Westdeutschland
ausbreiten, so dass es dort sowie in weiten Teilen Süddeutschland allgemein
trocken bleiben sollte und häufig die Sonne scheint. An der Westflanke des Tiefs
bleibt ein scharfer Gradient aufrecht, der vor allem von Brandenburg über die
östliche Mitte bis nach Bayern noch recht verbreitet für steife, in freien Lagen
sowie im Bergland auch für stürmische Böen aus Nordwest, auf exponierten Gipfeln
für Sturmböen.
Erst im Laufe des Nachmittags und Abends nimmt der Wind von Westen her nach und
nach ab.
Die Temperatur in 850 hPa pendelt sich über dem Vorhersagegebiet auf Werte
zwischen 7 und 10, im Westen mit der Einstrahlung vielleicht wieder 11 Grad ein,
das reicht für Höchstwerte zwischen 19 Grad bei längerem Regen im Osten und 26,
vielleicht 27 Grad am Rhein.

In der Nacht zum Samstag kann sich der Rücken aufgrund beständiger WLA an dessen
Westflanke über Frankreich und der Nordsee weiter Richtung Norwegische See
aufwölben und kommt aber nur zögernd nach Osten voran. Der Kurzwellentrog
befindet sich Samstagfrüh in etwa über Zentralpolen. Das Bodentief füllt sich
weiter auf und zieht nach Weißrussland, während sich das Hochdruckgebiet von
Frankreich her weiter ins Vorhersagegebiet ausweitet. Somit ziehen die
Regenfälle in der Osthälfte im Laufe der ersten nachthälfte rasch nach Osten ab
u8nd vielerorts lockern die Wolken auch dort allmählich auf, im Südwesten ist es
dagegen oft wolkenlos. Im Nordwesten macht sich dagegen eine sich annähernde
Warmfront bereits anhand hoher und mittelhoher Bewölkung bemerkbar, es bleibt
aber noch meist trocken. Der Wind schläft auch im Südosten rasch ab und die
Tiefstwerte liegen meist zwischen 16 und 8 Grad, mit den tiefsten Werten im
süddeutschen Mittelgebirgsraum.

Samstag … kommt der Höhenrücken bei weiterer Amplifizierung weiterhin nur
langsam nach Osten voran und bleibt mit seiner Achse noch westlich des
Vorhersagegebietes. Er wird von WLA überlaufen und im Tagesverlauf greift die
Warmfront eines Tiefs südwestlich von Island auf den Nordwesten Deutschlands
über. Im Vorfeld greift mehr oder weniger dichte Bewölkung von Nordwesten her
bis in die mittleren und teilweise auch bis in die östlichen Landesteile aus.
Vor allem im Weser-Emsgebiet fällt gebietsweise auch etwas Regen.
Ansonsten verlagert das Bodenhoch seinen Schwerpunkt allmählich von Frankreich
her in die Mitte bzw. den Süden des Landes. Somit scheint vor allem im Südwesten
und Süden die Sonne von einem oft nur gering bewölkten Himmel, auch im
Ostseeumfeld bleibt es ähnlich sonnig. Die Erwärmung macht auch
niedertroposphärisch wieder Fortschritte, die 850 hPa-Temperatur steigt bis zum
Abend auf Werte zwischen 8 Grad an der Neiße und 14 Grad im Breisgau. Das reicht
für Höchstwerte zwischen 20 Grad im Nordseeumfeld und 30 Grad am Oberrhein.

In der Nacht zum Sonntag zieht die Warmfront über Norddeutschland nordostwärts
ab und auch dort lockern die Wolken allmählich auf. Im Westen und Süden ist es
dagegen meist gering bewölkt oder wolkenlos. Die Tiefstwerte liegen meist
zwischen 15 und 8 Grad.

Sonntag … liegen wir unter einer meridionalen Hochdruckzone, die sich von
ihrem Zentrum über dem Europäischen Nordmeer bis hinunter zum westlichen
Mittelmeer erstreckt. Dabei steigt die Temperatur zumindest in der Südwesthälfte
auf 30°C oder etwas darüber. Gestützt wird das Hoch von einem Höhenrücken, der
allerdings nicht ganz kapitelfest ist. Auf seiner Ostabdachung rutscht ein
flacher Sekundärtrog südostwärts, der im Nordosten leichte Schauer bringen
könnte. Noch härter wird der Rücken auf seiner Westflanke attackiert. Ein
schmalbrüstiger, von Grönland bis UK/Irland reichender Trog versucht im Verbund
mit einem korrespondierenden Tiefdrucksystem, einen Fuß in die mitteleuropäische
Tür zu bekommen, was im Folgenden auch zum Erfolg führt.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle sehen die Sachlage ähnlich, der Fahrplan der zu Ende gehenden
Schwergewitterlage steht weitgehend fest. Für die Folgetage steht nichts
Spektakuläres auf der Agenda und die Modelle fahren einen einheitlichen Kurs.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas / Jens Winninghoff