#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Sonntag den 14.05.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 141800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.05.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
An den Alpen bis Montagmittag Dauerregen. Sonst Schauer und Gewitter mit lokalem
Starkregen. Ab Dienstag im Süden und Südosten erneut Dauerregen wahrscheinlich,
an den Alpen Unwetter möglich. An der See sehr windig, sonst Wetterberuhigung,
aber deutlich kälter mit Bodenfrostgefahr!
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland im Einflussbereich einer komplexen,
ungewöhnlich stark amplifizierten Trogstruktur, die von Grönland und dem
Nordmeer über West- und Mitteleuropa bis weit nach Nordafrika hinein reicht.
Innerhalb dieser lassen sich mehrere Aktionszentren ausmachen. Von wesentlicher
Bedeutung ist dabei das elliptisch geformte Höhentief mit Kern über Venetien. Es
verlagert sich im Laufe der Nacht über die Ostalpen nach Tschechien. Von diesem
Tief ausgehend erstreckt sich eine Geopotenzialrinne über die Osthälfte
Deutschlands bis nach Schweden. Ein weiteres Cut-Off-Tief verlagert sich von
Algerien nach Tunesien und hat folglich (noch!) keine Relevanz für unser Wetter.
Gleiches gilt für einen Trog, der vom Raum Island über die Britischen Inseln zur
westlichen Nordsee schwenkt. Er sorgt allerdings dafür, dass der ihm
vorgelagerte Rücken bis in den Westen und Nordwesten Deutschlands gedrückt wird.
Die komplexe Trogstruktur stützt eine nicht weniger komplexe Tiefdruckzone, die
von Libyen und Algerien über den zentralen Mittelmeerraum bis nach Mitteleuropa
reicht. Auf der diffluenten Vorderseite des südlichen Höhentiefs kommt es zu
einer recht markanten Zyklogenese über dem Seegebiet zwischen Libyen und
Sizilien, die aber erst ab Dienstag für unser Wetter interessant wird.
Verminderten Einfluss hat auch das mit dem nördlichen Höhentief in Verbindung
stehende Bodentief, das sich nämlich auf sehr weit nach Osten verschobener
Vb-Zugbahn von der Adria über den Westbalkan nach Südpolen verlagert. Zwischen
diesem Tief und einem Hoch westlich Irland dreht die Strömung über uns zunehmend
von Nordost über Nord auf Nordwest, allerdings ohne, dass sich dabei ein
nennenswerter Luftmassenwechsel vollzieht. Die mit dem Trog bei den Britischen
Inseln korrespondierende Kaltfront eines Tiefs bei Island bleibt noch westlich
des Vorhersagegebietes. So bleiben wir im Bereich einer niedertroposphärisch
mäßig warmen Luft (T850 zwischen 4 und 6 Grad), die durch mäßig kalte
mitteltroposphärische „Trogluft“ (T500 um -20 Grad) labilisiert wird. Diese ist
- mit Ausnahme von Teilen des Ostens sowie des äußersten Westens und Nordwesten
- auch ausreichend feucht, sodass die Bedingungen für Konvektion generell
gegeben sind.
Nennenswerter synoptisch-skaliger Hebungsantrieb ist nur im Süden und Südosten
in Form aufkommender PVA vorderseitig des nördlichen Höhentiefs gegeben. Hier
werden die Schauer und Gewitter vom Tage noch ein bisschen am Leben gehalten
bzw. verclustern zunehmend. Bei PPW’s um 20 mm, schwacher Scherung und geringer
Verlagerungsgeschwindigkeit ist lokal ein- oder mehrstündiger Starkregen
möglich, der natürlich nur im Nowcast abzuwarnen ist. ICON-D2-EPS ha dabei vor
allem Oberschwaben im Fokus.
Richtung Südostbayern kommt zudem noch leichte WLA auf, sodass die Niederschläge
auch einen zunehmenden skaligen „Touch“ bekommen. Durch die Winddrehung auf
Nordwest kommt es vor allem am östlichen Alpenrand zu einer Staulage. Dort
regnet es in der Folge länger anhaltend, teils aber auch noch schauerartig
durchsetzt. Bis Montagmittag werden modellübergreifend Mengen von 30 bis 40 mm
simuliert, punktuell auch mehr. Dauerregenwarnungen wurden bereits geschaltet.
In den Alpen sinkt die Schneefallgrenze knapp unter 2000 m, in geschützten,
inneralpinen Tälern eventuell auch auf rund 1500 m. Vor allem oberhalb von 2000
m sind 10 bis 20 cm Schnee zu erwarten. Warnungen laufen.
Im großen Rest des Landes klingen die Schauer und Gewitter mangels Antrieb recht
zügig ab, sodass die Nacht zumeist trocken verläuft und die Bewölkung
gebietsweise aufreißt. Stellenweise bildet sich Nebel.
Montag … zieht das nördliche Höhentief von Tschechien über Westpolen zur
Ostsee, der Trog über der Nordsee tropft ab und bildet über dem mittleren Teil
des Seegebietes ein Cut-Off. Der zwischen den Höhentiefs eingeklemmte Rücken
richten seine Achse auf, die abends etwa länger über der Nordwesthälfte zu
finden ist. Das auf Vb-artiger Zugbahn wandelnde Tief gelangt unter das
Drehzentrum des Höhentiefs und erreicht zum Abend mit seinem Kern die Danziger
Bucht. Das Hoch westlich von Irland verlagert seinen Schwerpunkt kaum,
allerdings verstärkt sich der über die Britischen Inseln zur Nordsee gerichtete
Keil. Über Deutschland resultiert daraus eine nordwestliche Strömung, die vor
allem am Rande des Keils über der Nordsee an Fahrt aufnimmt und erste starke
Böen Bft 7 bringt.
Im äußersten Westen und Nordwesten sorgt niedertroposphärische KLA bereits für
eine Stabilisierung, zudem sorgt der Rücken für einen leicht antizyklonalen
Einfluss, sodass kaum mehr Schauer auftreten. Die KLA macht auch der abends
übergreifenden Kaltfront das Leben schwer, allerdings werden die schwachen
frontalen Prozesse von leichter PVA überlagert, sodass zumindest mit
Bewölkungsverdichtung und von Benelux aufkommendem, leichten Regen zu rechnen
ist.
Im übrigen Land bleibt die mäßig-warme Luft weiterhin leicht instabil
geschichtet. Im Vergleich zum Vortag ist sie generell etwas feuchter, sodass mit
Einstrahlung fast überall wenige 100 J/kg ML-CAPE aufgebaut werden können. Die
Energie ist kaum „gedeckelt“ bzw. die Auslösetemperatur fast überall mit
Leichtigkeit erreichbar. Zudem hilft natürlich die Orographie sowie eine sich
über Schleswig-Holstein abzeichnende, schwache Küstenkonvergenz bei der Auslöse.
So dürften sich ab dem späten Vormittag, vor allem aber im Nachmittagsverlauf
recht häufig Schauer und auch einige Gewitter entwickeln. Bei schwacher Scherung
handelt es sich wieder um kurzlebige Einzelzellen, die sich mit nur 5 bis 15
Knoten verlagern und bei PPWs im 20 mm lokalen Starkregen bringen können.
Aufgrund der Anfeuchtung der Grenzschicht ist die Downburstgefahr etwas geringer
als an den Vortagen, steife bis stürmische Böen können aber, genauso wie kleiner
Hagel, aber nicht ausgeschlossen werden. Zwischendurch kann sich auch die Sonne
zeitweise zeigen, am längsten Richtung Ostsee.
Bei 850-hPa-Temperaturen um 5 Grad ist zumindest mit Sonnenunterstützung mit
Höchstwerten von rund 20 Grad zu rechnen.
In der Nacht zum Dienstag kommt die Kaltfront noch etwas landeinwärts voran, du
bringt vor allem dem Westen etwas Regen. Dahinter setzt sich maritime Polarluft
durch (T850 auf -1 Grad sinkend), die unter den Einfluss des von der Nordsee
übergreifenden Hochkeils kommt, sodass die Niederschläge nachlassen und die
Bewölkung wieder auflockert. Zwischen dem Keil und dem zur mittleren Ostsee
abziehenden „Vb-Tief“ bleibt ein veritabler Gradient bestehen. Der mäßige, an
der Nordsee in Böen starke, exponiert stürmische Nordwestwind dämpft die
Abkühlung – Gott sei Dank, denn Bodenfrost ist demnach erst mal noch kein Thema.
Präfrontal über dem Südwesten sowie vorderseitig des zur Deutschen Bucht
ziehenden Höhentiefs über dem Norden bleibt eine gewissen Schauerneigung
erhalten, ansonsten lassen die Schauer und Gewitter aber meist zügig nach
Sonnenuntergang nach. Im windschwachen Süden und Südosten ist bei größeren
Auflockerungen örtlich Nebel möglich.
Dienstag … zieht das Höhentief in den Nordwesten Deutschlands und wird dabei
zunehmend von einem neuen, zum Nordmeer und nach Südnorwegen schwenkenden Trog
einverleibt. Jener sorgt dafür, dass das ehemalige „Vb-Tief“ nochmal einen
Entwicklungsschub bekommt und nach Mittelschweden eindreht. Auch das eingangs
erwähnte „südliche Höhentief“, das nunmehr Italien erreicht, kommt nun ins
Spiel. Es stützt eine ungewöhnlich kräftige Zyklone, die sich aber bereits
senkrecht unter dem Höhentiefzentrum über Mittelitalien befindet und seinen
Zenit überschritten hat. Zwischen diesen zyklonalen Gesellen findet sich eine
Geopotenzialbrücke quer über der Mitte Deutschlands. Diese stützt den Hochkeil,
der sich vom Westen des Landes nach Osten ausweitet und Tuchfühlung mit einem
Hoch über Russland aufnimmt.
Die Kaltfront erreicht den Süden, verliert aber zunächst deutlich an
Wetterwirksamkeit. Präfrontal bleibt über dem Süden und Südosten die
feucht-warme und noch leidlich instabile Luft wirksam, sodass sich erneut
Schauer und Gewitter entwickeln. Den Zellen stehen aber nur wenige 100 J/kg CAPE
und nur wenig Scherung zur Verfügung. Es handelt sich folglich wieder um Einzel-
oder Multizellen, die bei PPWs von gut 20 mm vor allem Starkregem bringen
können.
Im Tagesverlauf kommt vorderseitig des hochreichenden Tiefs über Italien PVA,
später auch zunehmend WLA auf. Dabei wird die in die Regionen südlich der Donau
vorstoßende Kaltfront reaktiviert. Die Schauer und Gewitter verclustern rasch
und gehen folglich in schauerartigen, später zunehmend skaligen und länger
anhaltenden Regen über. Die Modelle sind sich erstaunlich einig darüber, dass
sich vom Alpenrand bis zum Bayerwald und südöstlich davon eine rund 24-stündige
Dauerregenlage einstellt. Ob sich diese im markanten Rahmen abspielt (bis 50
l/qm) oder auch unwetterartige Mengen über 50 l/qm möglich sind, bleibt
abzuwarten. Zumindest an den Alpen scheint eine Unwetterlage durch die markante
Staukomponente (recht kräftige nördliche bis nordöstliche Anströmung bis in die
mittlere Troposphäre). Die Tatsache, dass neben dem generell eher aggressiven
COSMO-LEPS auch das ICON-EU-EPS und das IFS-EPS geringe Signale für ergiebigen
Dauerregen im Programm haben, verdeutlicht, dass man die Sache bezüglich
Unwetter im Auge behalten sollte.
Dem Schauer- und Regengebiet im Süden und Südosten schließt sich ein breiter
Streifen vom Westen über die Mitte bis in den Osten und Nordosten an, wo
großräumiges Absinken dominiert und sich ein recht freundlicher
Sonne-Quellwolken-Mix einstellt (Absinkinversion bei rund 750 hPa).
Im Norden und Nordwesten sorgt das erwähnte Höhentief für leichten zyklonalen
Einfluss, die Quellwolken sind etwas mächtiger (bis rund 650 hPa) und können
auch den ein oder anderen schwachen Schauer produzieren.
Nördlich der Divergenzachse weht ein mäßiger bis frischer, im Küstenumfeld in
Böen starker bis stürmischer Westwind. Auch südlich der Divergenzachse weht ein
mäßiger, nach Süden und Südwesten zu stark böiger Wind, dort aber aus nördlicher
Richtung.
In der maritimen Polarluft wird die 20-Grad-Marke landesweit knapp verfehlt,
auch in der wärmeren Luft im Süden, wobei es dort einfach an Einstrahlung
mangelt.
In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an der Gemengelage nicht viel. Die
Regenfälle im Süden und Südosten ziehen sich nur zögerlich nach Südosten zurück.
In den Alpen sinkt mit Vorstoßen der maritimen Polarluft und negativen
850-hPa-Temperaturen die Schneefallgrenze unter 1500 m, inneralpin eventuell
sogar auf gut 1000 m. Ansonsten verläuft die Nacht trocken, etwaige Schauer im
Norden klingen ab. Vor allem über der breiten Mitte, wo der Wind noch am
schwächsten ist und es länger aufklart, muss gebietsweise mit Bodenfrost
gerechnet werden, sogar Luftfrost ist lokal nicht völlig ausgeschlossen. Nach
Norden zu verhindert der Wind (an der Küste weiterhin in Böen stark bis
stürmisch) und von Nordwesten hereindriftende Wolkenfelder eine stärkere
Abkühlung.
Mittwoch … nistet sich der Trog über Skandinavien ein und neigt dort ebenfalls
abzutropfen. Er sorgt im Norden Deutschland für leicht zyklonale Verhältnisse.
Das korrespondieren Tief zieht zum Nordkap, allerdings erstreckt sich ein
Bodentrog über die Ostsee und Südschweden bis nach Norddeutschland. Die sich
südlich anschließende Potenzialbrücke verschiebt sich etwas nach Süden und
stützt weiterhin den Bodenhochkeil.
Die Regen- und Schneefälle an den Alpen lassen zögerlich nach, zum Abend klingen
sie schließlich ab. Ansonsten kommt im Tagesverlauf wieder flache Konvektion in
Form von Quellbewölkung in Gang. Diese ist vor allem im Norden auch mal stärker,
für Schauer reicht es aber auch dort kaum noch, da auch dort die Inversion auf
unter 800 hPa absinkt. Am meisten Sonne gibt es wieder in einem Streifen vom
Westen bis in den Osten und Nordosten.
Mit Durchschwenken des Bodentroges sind von der Küste bis ins angrenzende
Binnenland ausgreifend steife, exponiert stürmische Böen zu erwarten, im
Tagesverlauf lässt der Wind aber nach.
In der Nordhälfte erfolgt der Vorstoß noch etwas kälterer Luft (T850 bis auf -4
Grad absinken), dort werden keine 15 Grad mehr erreicht. Gleiches gilt für den
anfangs regnerischen Süden, ansonsten liegen die Werte immerhin zwischen 15 und
18 Grad.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle rechnen die Entwicklung der Wetterlage sehr ähnlich. Bezüglich der
Dauerregenlage haben sich die Modelle nun auf den östlichen Alpenrand
eingeschossen, für den westlichen werden kaum mehr warnwürdige Mengen simuliert.
Die Warnungen bleiben aber erst einmal so bestehen, zumal am westlichen
Alpenrand auch noch ein gewisser konvektiver Niederschlagscharakter vorherrscht.
Die neuerliche Dauerregenlage für den Süden und Südosten ab Dienstag wird –
räumlich gesehen – zwar auch recht ähnlich simuliert, bezüglich der Mengen gibt
es aber noch signifikante Unterschiede (ICON, UK10 mit unwetterartigen Mengen am
Alpenrand, GFS und IFS nicht). Die synoptische Grundkonstellation und die nicht
vernachlässigbaren Signale der Probabilistik lassen zumindest den Schluss zu,
dass man eine Unwetterlage nicht ausschließen sollte.
Alles Andere (Schauer/Gewitter/Starkregen) ist natürlich Nowcast.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser