SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.03.2023 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Montag recht verbreitet steife oder stürmische Böen, im Bergland Sturmböen,
auf exponierten Gipfeln schwere Sturmböen oder Orkanböen. Vor allem im Südwesten
am Nachmittag einzelne Gewitter mit Sturmböen. Dabei ungewöhnlich mild.

Am Dienstag recht verbreitet Böen Bft 8 bis 9, im Nordseeumfeld auch Bft 10
möglich. Auf exponierten Berggipfeln Böen Bft 11 bis 12.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland auf der Südostflanke einer leicht gebogenen
Tiefdruckrinne, die sich vom Nordmeer über die nördliche Nordsee und Schottland
sowie das Seegebiet westlich von Irland bis in den zentralen Nordatlantik
erstreckt. Dabei liegt ein Tiefkern (FLURIN) westlich von Irland. Dieser
verlagert sich in der Nacht mit seinem Zentrum bis an die schottische Westküste.
Weitere Kerne sind auf dem offenen Nordatlantik, aber auch vor der Südküste
Norwegens (EWALD III) zu erkennen. An letzteren ist eine Warmfront gekoppelt,
die in der zweiten Nachthälfte auf den Westen übergreift und bis zum Morgen die
Mitte erreicht. Mit ihr wird ein weiterer Schwall Warmluft zu uns geführt,
nachdem schon die aktuell über dem Nordosten Deutschlands zur Ostsee abziehende
Warmfront für einen deutlichen Temperaturanstieg gesorgt hat. An die Warmfront
sind bei dichter Bewölkung auch leichte bis mäßige Regenfälle gekoppelt. Meist
fallen 1 bis 3 l/qm Regen, was etwas auch der Menge entspricht, die die
abziehende Warmfront zu Beginn der Nacht noch im Nordosten ablädt (wobei an
dieser auch noch ein paar Flocken möglich sind, wozu EWALDs Warmfront überhaupt
keinen Bezug mehr herstellen mag). Im erweiterten Nordseeumfeld können auch um 5
l/qm zusammenkommen, während es vom Nordrand des Erzgebirges bis an die Alpen
wohl trocken bleibt, bei allerding dichter, meist mittelhoher oder hoher
Bewölkung. Der Warmsektor des Tiefs EWALD weist zwar grundsätzlich eine stabile
Schichtung auf, allerdings zieht der Gradient postfrontal etwas an, so dass in
der Westhälfte der Wind allmählich auffrischen. Die steife bis stürmischen Böen
(exponierte Gipfel auch Sturmböen) bleiben dabei bis zum Beginn der zweiten
Nachthälfte noch auf die Hochlagen und insbesondere die Nordfriesische Küste
beschränkt, bis zum Morgen greifen die steifen Böen aber mehr und mehr auch auf
die tiefer gelegenen Gebiete über, wohingegen sich in den Hochlagen der
zentralen und östlichen Mittelgebirge die stürmischen Böen und Sturmböen häufen.
Das Thema Frost kann in den kommenden Tagen bzw. Nächten etwas stiefmütterlich
behandelt werden. Zwar sind zu Beginn der Nacht in den Hochlagen hier und da
noch Temperaturen leicht unter 0°C zu erwarten, aber mit der schon in der Nacht
einsetzenden (im Westen mit der neuen Warmfront recht deutlich, im Osten etwas
zögerlicher) Milderung sind diese schon im Laufe der Nacht Geschichte.

Montag … *greift die Warmfront schon im Laufe des Vormittags bis zur Oder bzw.
darüber hinaus aus, so dass Deutschland vorübergehend im weit geöffneten
Warmsektor des bis zum Abend zur Südspitze Norwegens ziehenden Tiefs FLURIN
liegt. Im Schlepptau hat es zum Abend ein Randtief über Schottland. Mit einer
straffen südwestlichen Strömung fließt subtropische Luft mit 850-hPa-tmperaturen
von knapp 12°C am Alpenrand knapp 3°C im Norden ein. Die Nordwesthälfte erwartet
ein klassischer Warmsektorsturm. Die teils über 60 kt auf 850 hPa können durch
die stabile Schichtung nicht ganz nach unten gemischt werden. So treten in
tieferen Lagen lediglich stürmische Böen auf. Im Süden und Osten ist der
Gradient deutlich schwächer, sodass lediglich steife Böen zu erwarten sind (wenn
überhaupt), in Bayern teils sogar nur Böen Bft 6 – und damit unterhalb der
Warnschwellen. Das gilt in abgeschwächter Form auch für das Binnenland des
Nordostens. Auf den Bergen sind teils schwere Sturmböen, auf Brocken und
Feldberg orkanartige Böen und Orkanböen avisiert. Durch die vertikale
Durchmischung wird es für die Jahreszeit ungewöhnlich warm mit Höchstwerten von
11°C an der dänischen Grenze und bis 22 Grad in Südbaden. Schon am Vormittag
greift die der Warmfront folgende, im thermischen Feld wenig ausgeprägte
Kaltfront auf den Nordwesten über. Sie überquert den Norden recht zügig und ist
abends schon in Zentralpolen angelangt. Im Süden ist die
Verlagerungsgeschwindigkeit wesentlich verhaltener, zu Beginn der Nacht
erstreckt sie sich dort etwa vom Erzgebirge bis nach Südbaden. Sie führt etwas
frischere Atlantikluft heran. Trotz des mauen thermischen Gradienten ist die
Dynamik an der Front relativ groß, da im Vorfeld 50 bis 300 J/kg CAPE-ML
aufgebaut werden. Bei einer Deep-Layer-Scherung von rund 25 m/s im Frontbereich
wird eine erhöhte Updraft-Helizität gezeigt. In Verbindung mit den Gewittern
simulieren die ICON-D2-EPSe einzelne orkanartige Böen oder sogar Orkanböen mit
Schwerpunkt im Bereich vom Schwarzwald bis zum Bodensee. SuperHD dagegen lässt
einen Sturmcluster von der Pfalz bis zum Vogtland bzw. zum Erzgebirge ziehen,
womit dort die stärksten Böen deutlich weiter nördlich auftreten als bei ICON-D2
und auch bei ICON-EU, welches die Gewitter zumeist auf einer Linie vom
Schwarzwald bis nach Nordostbayern ansiedelt. An der gesamten Front besteht
erhöhtes Starkregenpotenzial, ICON-EU setzt dabei bis zu 30 l/qm in 6 Stunden
an, was etwas hoch gegriffen scheint. Ein weiterer Gewitterschwerpunkt liegt in
der kälteren Atlantikluft im Nordwesten. Dort sind die Modelle trotz höherem
CAPE mit der Simulation von Gewittern ziemlich verhalten. Auch hier sind dann
Böen Bft 9 zu erwarten.

In der Nacht zum Dienstag zieht die Kaltfront weiter südostwärts. Die
Gewitteraktivität lässt zögerlich nach, allerdings sind weiterhin stürmische
Böen möglich, insbesondere im Alpenvorland, wo der Leitplankeneffekt zum Tragen
kommt. Ansonsten entspannt sich die Windsituation vorübergehend etwas (an der
Nordsee und in den Hochlagen aber weiter Böen Bft 8, eventuell 9, Brocken Bft
11). Dass der Gradient nicht weiter auffächert ist auch einem strammen Bodentrog
geschuldet, der unter Abschwächung von England auf Frankreich übergreift. Ihm
folgt ein Langwellentrog, der sich durch in seine Rückseite hereinlaufende
Kaltluft noch intensiviert. Das steuernde Höhentief bleibt über dem südlichen
Nordmeer, vorderseitig zieht das Haupt-Bodentief nach Finnland und südwestlich
davon erstreckt sich der o.e. Bodentrog nach Südwesten zur südlichen Nordsee mit
integrierter Okklusion mit Kaltfrontcharakter. Vorlaufend ist aber ein sowohl in
der Höhe als auch am Boden ausgeprägter flacher Trog eingebaut, der mit Schauern
in der 2. Nachthälfte auf den Westen übergreift, wobei in 850 hPa die Temperatur
auf 0°C absinkt. Gewitter werden entgegen gestriger Simulation kaum noch
gebracht. Es gibt eine milde Nacht bei Tiefstwerten zwischen 5 und 9°C.

Dienstag … zieht der markante Höhentrog von den Britischen Inseln und
Nordwestfrankreich in den Westen Deutschlands, wobei um 18 UTC im Westen und
Nordwesten die Temperatur in 500 hPa auf -35°C bis -39°C absinkt.
Trogvorderseitig wird die herumgeholte Okklusion mit Kaltfrontcharakter über
Deutschland nach Osten geführt, wobei bis zum Abend die Temperatur in 850 hPa
auf Werte zwischen -2 Grad im Alpenvorland und -7 Grad an der Nordsee sinkt. Die
durch die Front ausgelösten Niederschläge gehen damit zum Abend in Lagen
oberhalb von 200 bis 400 bis 800m, im Alpenraum ab 800 bis 1000m in Schnee über.
Die Niederschlagsmengen liegen aber zumeist zwischen 1 und 5mm, nur in
exponierten Staulagen sind bis 10mm innerhalb von 12 Stunden möglich. Damit sind
tagsüber wohl eher Glättewarnungen nötig, im ungünstigsten Fall eine gelbe
Schneefallwarnung. Am Bodentrog wird allgemein ein scharfer Gradient berechnet.
Dabei treten verbreitet 8er oder 9er Böen auf. An der Nordseeküste und in den
Hochlagen sind es die Bft 10 bis 11, der Brocken bekommt den vollen Orkan. Vor
der Front steigen die Temperaturen nochmal auf milde 8 bis 16 Grad mit den
höchsten Werten im Osten. Nach Frontdurchgang geht die Temperatur grundsätzlich
etwas zurück.

In der Nacht zum Mittwoch treten dann wahrscheinlich rückseitig der Kaltfront im
Trogbereich in höhenkalter Luft noch Schauer auf, die zu der üblichen
Frost/Glätte Problematik führen. Mengenmäßig schlagen die Schauer aber nur mit
0,5 bis 5 mm zu Buche, so dass nur mit geringen Neuschneemengen zu rechnen ist.
Der Wind schwächt sich meist ab und bleibt lediglich im Küstenbereich noch
kräftig mit Böen Bft 8 bis 9.

Mittwoch … überquert uns ein recht spitz nach Süden ausgebuchteter Trog mit
Drehzentrum über dem Bottnischen Meerbusen und achsensenkrecht darunterliegendem
und daher nicht mehr entwicklungsfähigem Bodentief. Mit
nordwestlicher Strömung wird die kältere Luft aus dem Norden angezapft, womit
bei uns die Temperaturen in 850 hPa bei -5°C bis -8°C liegen. Da die Temperatur
in 500 hPa sogar unter -35°C liegt, reicht die Labilität für Konvektion aus,
wobei die feste Phase bis ganz nach unten fallen kann. Im Norden ist es durch
den Gradienten zudem windig. In der Nacht zum Donnerstag gelangen wir dann
allmählich unter den nachstoßenden Rücken, der ein Hoch über dem Alpenraum
induziert. Damit beruhigt sich das Wetter zunehmend.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Entwicklung wird insgesamt recht ähnlich simuliert. Am Dienstag zeigen sich
noch größere Modellunterschiede, sowohl bezüglich des Frontdurchgangs, als auch
bezüglich der Schärfe des Bodentroges (z. B. bei ICON schärfer als bei IFS) oder
des Windes (bei IFS stärker und flächiger als bei ICON, welches den Wind vor
allem an den Trog selbst koppelt).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas