#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag, den 27.01.2023 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 271800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.01.2023 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Relativ ruhiges, weitgehend grenzschichtgeprägtes Wochenende mit nur schwachen
Niederschlägen. Ab Sonntagabend, vor allem aber am Montag dann ordentlich
Schmackes mit dem Kollegen NICOLAS, seines Zeichens Sturmtief über Skandinavien.
Wir freuen uns…
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … dümpelt das Wetter bei uns mehr oder weniger uninspiriert vor sich
hin und es deutet auch wenig bis nichts darauf hin, dass sich dieser Zustand am
Wochenende nennenswert ändert. Erst zum Ende hin, wenn der Beginn der neuen
Woche nicht mehr fern ist und der erste Spieltag der Rückrunde in der
Fußballbundesliga komplett ist, tut sich allmählich was. Dann beginnt sich die
Wetterlage umzustellen in Richtung NWz (Nordwest zyklonal), bei der einige
knackige Atlantiktiefs und deren Ausläufer das Heft des Handelns in die Hand
nehmen. Dabei wird es deutlich abwechslungsreicher mit Wind/Sturm und
Regen/Schneefall und vielleicht sogar der einen oder anderen Überraschung durch
ein „fehlgesteuertes“ Tief oder einen irrlichternden Schnellläufer. Bevor es
aber soweit ist, gilt es erstmal relativ fade Meteorologenkost zu verdauen.
Wetterlagentechnisch befindet sich Deutschland zwischen einer komplexen und
hochreichenden Tiefdruckzone über Süd- und Südosteuropa (in die übrigens auch
JAN (Int. Hannelore) eingebettet ist, der in dieser Woche häufiger in den
Schlagzeilen war) und dem Azorenhoch über dem Ostatlantik mit Zentrum (1040 hPa)
rund 1500 km westlich der Grünen Insel. Davon ausgehend erstreckt sich
keilförmig eine schmale Hochdruckzone (BEATE) über die Nordsee hinweg bis in den
baltischen Raum, die von einem Höhenkeil überlagert wird und somit über eine
überaus stabile Konstitution verfügt. Zunächst mal verbleibt die Divergenzachse
noch knapp nördlich von uns, was landesweit eine schwache bis mäßige, bis in
große Höhen reichende nordöstliche Grundströmung zur Folge hat. Die Luftmasse,
die dabei einfließt, ist kalt (T850 zwischen -3°C im Nordwesten und -9°C), wenn
auch nicht überbordend kalt und vor allem in der Grundschicht feucht. Bedingt
durch die leicht zyklonal konturierte Höhenströmung wird vor allem in der Mitte
und im Süden etwas Hebung generiert, die zu leichten, z.T. kaum merklichen
Niederschlägen führt. Dabei sind nach wie vor alle Phasen vertreten von
Schnee(griesel) über gefrierenden Nieselregen bis hin zu „normalem“ Nieselregen.
Die vertikale Feuchtesättigung ist ziemlich heterogen, was die Phasenbestimmung
schwierig macht. Im Süden sollte die Schneephase überwiegen, allerdings hält
sich Zugewinn sehr in Grenzen. Im Bergland reicht es hier und da mal für 1 bis 3
cm, meist ist es aber weniger, so dass lediglich eine Glättewarnung geschaltet
werden muss. Die wurde ja inzwischen ebenso wie Frost für fast ganz Deutschland
ausgegeben, wobei von Reif über gefrierende Nässe, gefrierender Nieselregen bis
hin zu Schnee(Matsch) alles dabei ist.
Im Norden, wo der antizyklonale Einschlag höher ist als weiter südlich, besteht
die Chance, dass sich die zwischen SH und der Uckermark tagsüber beobachteten
Auflockerungen noch etwas nach Süden ausweiten. Dort, wo es längere Zeit klar
ist, kann sich Nebel bilden.
Samstag … ändert sich nicht viel am Geschehen, wenn man mal davon absieht,
dass sich der Höhenkeil nebst Bodenhochdruckzone Stück für Stück nach Süden
verlagern. Am Abend reicht die Divergenzachse des mit rund 1030 hPa bestückten
Keils etwa vom Niederrhein bis hinüber zum Thüringer Wald. Rund um die Achse
setzt eine absinkbedingte niedertroposphärische Abtrocknung ein, die sich in
Form zunehmender Auflockerungen widerspiegelt. Wo das genau klappen wird und wo
sich die hochnebelartige Bewölkung hartnäckig wehrt, ist schwer zu
prognostizieren. Allein der Blick auf verschiedene Modellszenarien offenbart
ziemlich schnell, dass es diesbezüglich noch Meinungsverschiedenheiten gibt (die
übrigens keine synoptischen Gründe haben, da ist man sich einig, sondern der
unterschiedlichen Modellphysik respektive Parametrisierung der tiefen Bewölkung
geschuldet ist). Je weiter man in die südlichen und südöstlichen Gefilde unseres
Landes vordringt, desto unwahrscheinlicher werden mögliche Auflockerungen.
Stattdessen fällt zunächst noch gebietsweise etwas Schnee, teils auch
gefrierender Nieselregen, bevor dieser mit Annäherung des Höhenkeils immer mehr
nachlässt bzw. ganz aufhört. Im Südwesten kommt eine leichte Bise auf, die auf
dem Feldberg/Schwarzwald vielleicht mal eine stürmischen Böe 8 Bft aus Nordosten
zulässt.
Kurz noch ein Blick in den Norden, wo der schwache, an der Küste später teils
mäßige Wind auf Südwest dreht. Außerdem nähert sich bereits in der Mittagszeit
die Kaltfront des Tiefs MICHAEL, das von der Grönlandsee südlich an Spitzbergen
vorbei in Richtung Barentssee zieht. Aufgrund des vergleichsweise antizyklonalen
Umfelds inkl. des überlagerten Höhenkeils zeigt die teilmaskierte Front kaum
Aktivität. So ziehen zwar dichte Wolken in den äußersten Norden, über weite
Strecken des Tages bleibt es dort aber noch trocken. Erst gegen Abend fällt im
Grenzbereich zu Dänemark etwas Regen oder Nieselregen.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 0 bis 5°C. Im Bergland, stellenweise
aber auch im Süden und in der Mitte bleibt es bei leichtem Dauerfrost.
In der Nacht zum Sonntag passiert weiterhin wenig in der über uns liegenden
Troposphäre. Einzig im Norden gilt es etwas genauer hinzuschauen. Rückseitig der
weiter nach Süden vorstoßenden Hochdruckzone kommt auch die Kaltfront weiter ins
Landesinnere mindestens bis in die Norddeutsche Tiefebene voran. Weiterhin ist
das Umfeld nicht besonders zyklonal aufgestellt (vor allem aus der Höhe kommt
quasi überhaupt keine Unterstützung), trotzdem reicht es von der Deutschen Bucht
bis hinüber in den Norden BBs, evtl. sogar bis Berlin gebietsweise für leichten
Niederschlag. Je weiter von der Küste entfernt, desto höher die
Wahrscheinlichkeit, dass dieser entweder als Schnee oder als gefrierender
Regen/Nieselregen fällt. Hier kommt es auf Details und Feinheiten an, die morgen
noch mal etwas genauer unter die Lupe genommen werden müssen. Der Südwest- bis
Westwind frischt an der Küste mitunter böig auf, bleibt sehr wahrscheinlich aber
unter der unteren Warnschwelle (7 Bft).
Im großen Rest des Landes soll die Bewölkung je nach Modell mal mehr, mal
weniger stark auflockern, was typisch für winterliche Hochdruckgebiete mit der
klassischen Grenzschichtproblematik ist. Mehrheitlich wird aber schon
signalisiert, dass es vielerorts aufreißt, was dann aber auch schnell Bodennebel
entstehen lässt. Niederschläge treten so gut wie gar nicht mehr auf. Frostfrei
bleibt es nur im äußersten Norden. Ansonsten stehen je nach Bewölkung
Tiefstwerte zwischen -1 und -7°C auf der Karte. In der Mitte und im Süden kann
es im Fall längeren Aufklarens noch etwas kälter werden. Punktuell ist
insbesondere im Bergland auch strenger Frost von etwas unter -10°C möglich.
Sonntag … verlagert sich die Keilachse des Höhenrückens allmählich in den
Süden Deutschlands, wohin es auch den Bodenkeil verschlägt. Nach z.T.
schleppender Auflösung von Nebel/Hochnebel stellt sich südlich der zentralen
Mittelgebirge vielerorts ein recht freundlicher Tag mit größeren Auflockerungen
und sonnigen Abschnitten, in Hochlagen sogar ganztägigem Sonnenschein ein. Mit
-1 bis +3°C, im Bergland nach wie vor Dauerfrost, kommt die Temperatur trotz
Sonne nur sehr schwer auf Touren.
Anders die Situation weiter nördlich, wo die zunehmend in die Bredouille
geratende und sich wahrscheinlich auflösende Kaltfront feuchte und wolkenreiche
Subpolarluft (T850 um -3°C) serviert. Der weiterhin nur leichte Niederschlag aus
dem Norden weitet sich noch etwas nach Süden aus, wo anfangs noch stellenweise
die Gefahr gefrierenden (Niesel)Regens besteht oder etwas Schnee fällt. Im
Tagesverlauf lassen der auffrischende Wind und der Tagesgang (Anstieg auf 1 bis
5, ganz im NW bis zu 7°C) die winterlichen Komponenten versiegen, so dass
gebietsweise nur noch etwas Regen oder Nieselregen in rein flüssiger Form und
ohne „Glätte-Schweinereien“ fällt.
Darüber hinaus gilt es noch zu berichten, dass über der Norwegischen See bereits
das nächste Tief (NICOLAS) von Island respektive der Irminger See her
aufschlägt. Ausgestattet mit einem Kerndruck von knapp unter 980 hPa kann dem
guten NICOLAS der Titel eines Sturmtiefs attestiert werden, was auch
Auswirkungen auf die Windentwicklung bei uns hat. So fällt der Luftdruck
kontinuierlich und auch gar nicht mal so wenig. Kleines Beispiel: Sind es am
Sonntagmorgen in Schleswig-Holstein noch rund 1022 hPa, werden es zum Ende des
Tages nur noch rund 1005 hPa sein. Folgerichtig legt der Südwestwind im Norden
stetig zu und erreicht etwa ab Mittag zuerst an der Küste in Böen Stärke 7 bis 8
Bft, auf dem Brocken 9 Bft.
In der Nacht zum Montag zieht das Tief aufs skandinavische Festland, wo es sich
trotz Landgang noch etwas vertieft. Grund ist die fruchtbare Interaktion mit der
Vorderseite eines kurzwelligen Höhentrogs, in den aber mit voller Breitseite
Kaltluft aus polaren Breiten gepumpt wird, so dass er sich sehenden Auges
intensiviert bzw. amplifiziert. Am frühen Montagmorgen erreicht er bereits den
Norden des Vorhersageraums, wo T500 auf etwas unter -30°C zurückgeht.
Dem Trog voraus eilt die teilokkludierte Kaltfront des Sturmtiefs, die ein
bisschen mehr drauf hat als ihre Vorgängerin vom Sonntag. Sie überquert mit dem
frontalen Niederschlag zügig Norddeutschland, bevor sie pünktlich zum Frühstück
in der Mitte aufschlägt. Startet das Ganze im Norden noch mit Regen, steht mit
Erreichen des Mittelgebirgsraums eine Umwandlung in Schnee ins Haus, teils bis
in tiefe Lagen. Anfangs ist in der Frostluft punktuell auch gefrierender Regen
nicht ausgeschlossen, vor allem im Vorfeld etwas abgesetzt von der Front, wo die
Niederschlagsintensität noch gering ist. Mit zunehmender Hebung und erhöhter
Niederschlagsintensität sollte später aber die Schneephase überwiegen.
Insbesondere im Harz könnte es für einige Zentimeter Neuschnee reichen. Dagegen
lockert es in der postfrontal einfließenden maritimen Polarluft (T850 um -5°C)
am frühen Morgen von der Nordsee und Dänemark her auf und die ersten Schauer
ziehen in die Deutsche Bucht.
Der Süden bleibt von den Geschehnissen weiter nördlich noch unbeeindruckt mit
größeren Auflockerungen und leichtem bis mäßigem Frost. Erst zum Morgen hin
nimmt von der Mitte her die Bewölkung allmählich zu.
Kommen wir zum wahrscheinlich wichtigsten Punkt, dem Wind. Der frischt bei
andauerndem Druckfall weiter auf, wobei er postfrontal von Südwest auf westliche
Richtungen dreht. Bis weit ins norddeutsche Binnenland hinein stehen Böen 7 bis
8 Bft, an der Küste 9 Bft, an der Nordsee exponiert 10 Bft auf dem Zettel.
(Schwere) Sturmböen 9-10 Bft, exponiert sogar Orkanböen bis 12 Bft (z.B.
Brocken, Fichtelberg) sind es außer im windschwächeren Süden im höheren
Bergland.
Montag … weitet sich der Höhentrog unter Intensivierung bis zum östlichen
Mitteleuropa aus, was uns auf seine Rückseite unter eine zyklonal konturierte
nordwestliche Höhenströmung bringt. Die höhenkälteste Luft mit -30 bis -35°C auf
500 hPa zieht über den Norden und Osten hinweg, während es in der Südwesthälfte
mit teils über -25°C deutlich wärmer und damit auch stabiler bleibt. Das
Sturmtief NICOLAS zieht weiter nach Finnland, wo es auf prominente 970 hPa im
Kern kommt. Die Kaltfront erreicht mit Schnee oder Schneeregen rasch die Alpen,
wo sich offensichtlich aber nur kurz ein Staulage einstellt. Postfrontal wird
Deutschland von maritimer Polarluft geflutet, in der T850 auf etwa -5°C sinkt.
Dabei kommt es zu Regen-, Schnee- und Graupelschauern, vereinzelt auch kurzen
Graupelgewittern, wobei die Schauerhäufigkeit im Südwesten gegenüber den anderen
Gebieten etwas zurückhaltender ausfällt. Oberhalb 400 bis 600 m wird es
winterlich. Besonders an den West- und Nordwesträndern kommt es durch die
direkte Anströmung zu häufigen Schneeschauern. Stand heute Abend soll der meiste
Schnee im Bayerischen Wald und im Fichtelgebirge fallen, wo punktuell durchaus
um 10 cm drin sind. Allerdings – das muss einschränkend dazu gesagt werden –
könnte es durch den starken bis stürmischen Wind und damit einhergehender
möglicher Verwehungen (zumindest in den höchsten Lagen) an der einen oder
anderen Stelle schwierig werden, eine objektive Neuschneehöhe zu bestimmen.
Der westliche Wind frischt am stärksten zwischen Küste und dem zentralen
Mittelgebirgsraum auf, wo Böen 7 bis 8 Bft obligatorisch sind, in kräftigen
Schauern oder kurzen Gewittern aber auch glatte Sturmböen 9 Bft drin sind
(Oberwinde 925 bis 850 hPa im Norden um 50 Kt). Direkt an der See sind vermehrt
Böen 9 bis 10 Bft zu erwarten, wobei die schweren Sturmböen eher auf der
Nordseeseite auftreten. Gut dabei – natürlich möchte man hinzufügen – auch das
Bergland, wo je nach Höhe und Exposition Böen 9 bis 12 Bft (Orkan vor allem auf
dem Brocken und dem Fichtelberg) auf der Karte stehen. Weiter südlich gibt sich
der Wind tendenziell etwas gemäßigter, aber mitnichten zahm. In tiefen Lagen
überwiegen 7er-Böen, weiter oben meist Böen 8 bis 10 Bft, nur vereinzelt 11 Bft.
Temperaturen gibt es auch noch. Die steigen trotz Polarluft (die ja aber auch
erwärmt ist) aufgrund der hervorragenden Durchmischung auf 5 bis 8°C nördlich
der Mittelgebirge und 1 bis 6°C sonst an. Frost zieht sich in die höheren Lagen
der Mittelgebirge zurück.
Modellvergleich und -einschätzung
Scannt man die verschiedenen Modelle bis Montag durch, lässt sich eine
erfreuliche Übereinstimmung konstatieren. Demnach ist die Umstellung von einem
ruhigen, grenzschichtgeprägten Wochenende hin zu „windig, stürmisch,
unbeständig“ unstrittig. Das trotzdem noch nicht alle Detailfragen abschließend
geklärt werden können, insbesondere zur genauen Windentwicklung am Montag, ist
normal. Bleibt ja noch ein bisschen Zeit.
Was die aktuellen Niederschläge und die der kommenden Nacht angeht, deutet sich
derzeit kein Trend in Richtung „mehr gefrierender Nieselregen“ an, so dass die
aktuelle Warnsituation mit verbreiteter „gelber Glätte“ ausreichen sollte.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann