SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.12.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Wechselhaft, zunächst windig und mild bis sehr mild. Vom Winter vorerst keine
Spur mehr.

DAUERREGEN (teils UNWETTER):
Bis Samstag wiederholt Durchzug von kräftigen Regengebieten. Dabei insgesamt
einschließlich der bereits gefallenen Niederschläge in Staulagen der westlichen
Mittelgebirge bis heute Abend 30 bis 50 l/qm in 36 bis 48 Stunden. Im
Schwarzwald und Allgäu Unwetter: Im Schwarzwald bis Samstagmorgen 40 bis 80
l/qm, im Weststau auch bis 120 l/qm in 48 h. Im Allgäu bis Samstagabend 60 bis
90 l/qm, in Staulagen 90 bis 140 l/qm.

WIND/STURM:
Von Südwesten her auffrischender Südwestwind. In freien Lagen stürmische Böen
(70 km/h, 8 Bft). In höheren Berglagen bis in den Samstag hinein Sturmböen (8
bis 9 Bft). In den Kammlagen des Schwarzwaldes, des Bayerischen Waldes und auf
den Alpengipfeln schwere Sturmböen bis 100 km/h (10 Bft) aus Südwest bis West.
In der Nacht zum Samstag in den Hochlagen der Mittelgebirge weiterhin Sturmböen,
zunehmend auch auf dem Brocken und dem Fichtelberg schwere Sturmböen bis 100
km/h (10 Bft) aus Südwest bis West. Auf Alpengipfeln und auf dem Brocken
einzelne orkanartige Böen um 110 km/h (11 Bft). In tieferen Lagen bis in die
nördliche Mitte einzelne stürmische Böen bis 70 km/h (aus Südwest mit
Schwerpunkt im Bergland und in Leelagen.

Am Samstag anfangs im nördlichen Mittelgebirgsraum vor allem in Leelagen noch
vereinzelt stürmische Böen bis 70 km/h (8 Bft) aus Südwest. Abflauend. Ab dem
Abend und auch am 1. Weihnachtsfeiertag nur noch auf dem Brocken, in den
Kammlagen des Erzgebirges und in den Gipfellagen der Alpen Sturmböen bis 80 km/h
(9 Bft) um West.
Am 2. Weihnachtsfeiertag erneut auffrischender Wind, in den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge erneut Sturm- und schwere Sturmböen. Auch an der
Küste aufkommend Sturmböen Bft 8/9, in freien Lagen Nord- und Mitteldeutschlands
einzelne stürmische Böen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland unter der Frontalzone, die aktuelle nur wenig
mäandriert und zonal ausgerichtet ist. In diese ist die Warmfront eines über dem
mittleren Nordatlantik liegenden Tiefs eingelagert, die sich leicht schleifend
über den Mittelgebirgsraum nordostwärts vorarbeitet. Im Frontbereich erfolgt
eine erneute Verstärkung der Niederschläge; 6-stündig sind dann zum Teil 10 bis
15 mm zu erwarten. Der meiste Niederschlag fällt in den Gebieten, die bereits
bewarnt sind, d.h. in den Mittelgebirgen und im Allgäu.
Im Bereich des Warmsektors, d.h. über West- und Süddeutschland, frischt der Wind
auf. In freien Lagen sind Windböen Bft 7, vereinzelt auch stürmische Böen, im
Bergland Sturmböen Bft 8/9 und in exponierten Kann und Gipfellagen schwere
Sturmböen zu erwarten; auch einzelne orkanartige Böen können nicht ganz
ausgeschlossen werden.
Bis zum Abend erfasst dann auch die Kaltfront dieses Tiefs den Westen
Deutschlands. Wobei rückseitig weiterhin Meeresluft vom mittleren Nordatlantik
einfließt, d.h. eine typische Kaltluft ist das nicht und ein Temperaturrückgang
bleibt demzufolge aus. Das Frontensystem dieses Tiefs ist bereits in einem weit
okkludierten Zustand, der Okklusionspunkt ist vor der Rheinmündung zu finden.
Mit dem Übergreifen der Kaltfront nehmen dann die Niederschläge einen
schauerartigen Charakter an.

In der Nacht zum Samstag schiebt sich, wie die Warmfront zuvor, leicht
schleifend auch die Okklusion des Atlantik-Tiefs von Benelux ausgehend in den
Nordosten Deutschlands. Am Okklusionspunkt erfolgt eine schwache Zyklogenese;
zudem neigt diese Okklusion zur Wellenbildung, so dass sich mit dieser Okklusion
eine flache Tiefdruckrinne in den Nordosten Deutschlands ausweitet. Dabei werden
von jedem der verfügbaren Modelle und auch Modellläufe diese Wellen mit
unterschiedlicher Position und Intensität simuliert. Mangels dynamischer
Unterstützung sind diese flachen Tiefs nicht sonderlich entwicklungsfähig.
Mit dieser Tiefdruckrinne verschiebt sich das Niederschlagsgeschehen in den
Norden und Nordosten, wobei die Niederschlagssummen in diesen Gebieten nicht
mehr warnrelevant sind. Selbst in den Staulagen der nördlichen und östlichen
Mittelgebirge kommen nicht wesentlich mehr als 10 mm zusammen.
Als weiterer Schwerpunkt der Niederschlagstätigkeit lässt sich der Alpenrand
ausmachen, was durch die dort schleifende schwache Kaltfront bedingt ist. Dort
und auch im Schwarzwald ist ja nach wie vor eine Warnung vor ergiebigem
Dauerregen (Unwetter) aktiv.
Der Wind flaut dann etwas ab, so dass warnrelevante Böen bis Bft 7 auf das
Bergland und einige Leelagen beschränkt sind. In Kamm- und Gipfellagen können
dann noch vereinzelt Sturmböen Bft 8/9 auftreten. Allerdings kann mit dem
Übergreifen der schwachen Kaltfront auf Süddeutschland am Alpenrand der
Leitplankeneffekt noch einmal eine Windzunahme bewirken; vor allem im westlichen
Alpenvorland können dann auch stürmische Böen auftreten. Ggf. ist dann die
Windwarnung in diesen Gebieten entsprechend anzupassen.
Wie bereits in der Nacht zuvor bleibt es durchweg frostfrei.

Samstag … Heiligabend – beginnt die Strömung etwas mehr zu mäandrieren als
bisher. Während sich über dem mittleren Nordatlantik ein Trog bildet, der bis in
den Azorenraum hinein reicht, wölbt sich stromab, d.h. über West- und
Mitteleuropa, ein flacher, aber relativ breiter Rücken auf. Durch diesen
gestützt weitet sich ein schwaches Bodenhoch vom Alpenraum etwas nach Norden
aus. Hierdurch weicht der Gradient auf, so dass in der ersten Tageshälfte in
freien Lagen Windböen und im Bergland Wind- und stürmische Böen auftreten.
Sturmböen sind dann auf exponierte Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und
der Alpen beschränkt. Später am Tag sollten derartige Böen selbst auf höheren
Berggipfeln kaum noch auftreten.
Zudem dürfte die Niederschlagstätigkeit im Tagesverlauf weitgehend nachlassen.
Bis dahin können aber im Nordosten, im Mittelgebirgsraum und an den Alpen noch
einmal einige bis etwa 10 mm Niederschlag zusammenkommen. Eine Verlängerung der
aktuell gültigen Warnungen ist somit nicht mehr erforderlich; ggf. bietet sich
sogar eine vorzeitige Aufhebung an.
Vor allem in den Leegebieten der Mittelgebirge können im Tagesverlauf ein paar
Wolkenlücken zustande kommen. Ansonsten hält sich noch meist geschlossene und
mehrschichtige Bewölkung. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 7 bis 13,
entlang vom Oberrhein Werte um 14 und in Ostseenähe sowie in Vorpommern nur 3
bis 7 Grad.

In der Nacht zum Sonntag wölbt sich, gestützt durch sich verstärkende
Warmluftadvektion, der Rücken über Mitteleuropa noch etwas nach Norden auf. Die
bis dahin über dem Alpenraum liegende schwache Kaltfront wird als Warmfront
rückläufig, was im Südwesten und Westen erneut, wenn auch geringe Niederschläge
aufkommen lässt. Der Gradient schwächt sich weiter ab, so dass selbst in
exponierten Kamm- und Gipfellagen dann keine warnrelevanten Böen mehr auftreten
sollten. Eine Abkühlung in den Bereich negativer Temperaturen wird jedoch durch
die meist mehrschichtige, im Norden und Nordosten tiefe, aber relativ kompakte
Bewölkung unterbunden, so dass es wie in den Nächten zuvor frostfrei bleiben
dürfte.

Sonntag … dem ersten Weihnachtsfeiertag – verschiebt sich das gesamte
Zirkulationsmuster ein wenig nach Osten, was über dem gesamten Vorhersagegebiet
die Strömung auf Südwest drehen lässt. In dieser entwickelt sich eine zunächst
flache Welle, die in entwicklungsgünstige Lage zu einem nach Nordosten
ablaufenden Kurzwellentrog gelangt. Allerdings wird dieser Trog nicht konsistent
simuliert; der aktuellste Lauf erwartet diesen Trog schwächer als weiter
zurückliegende Modellläufe des ICON, so dass hiervon nur geringe dynamische
Unterstützung ausgehen dürfte. Diese Welle wird daher unter leichter
Intensivierung von der Biskaya nordostwärts gesteuert. Allerdings ist die genaue
Zugbahn dieser Welle noch unsicher. UK10 sieht diese Welle Sonntagabend am
Ostausgang des Ärmelkanals, GFS bereits unmittelbar nördlich der Emsmündung,
EZMW zeigt dagegen weiter westlich eine relativ flache Struktur, aber
keinesfalls eine gut ausgeprägte Welle wie die anderen Modelle. Ähnlich sieht
ICON aus, nur mit dem Unterschied, dass diese flache Welle dann bereits den
Nordwesten Deutschlands erreichen soll. Hier werden wir bei den kommenden
Modellläufen noch weitere Versionen sehen.
Mit Annäherung dieser Welle kommen im Nordwesten und mit geringerer
Wahrscheinlichkeit auch im Westen und in den mittleren Gebieten erneut kräftige
Niederschläge auf, die wahrscheinlich noch keine entsprechenden Warnungen
erfordern.
Allerdings wird der Wind im Tagesverlauf in exponierten Kamm- und Gipfellagen
der Mittelgebirge wieder warnrelevant. Zunächst sind nur vereinzelt, bis zum
Abend dann häufiger Sturmböen Bft 8/9 zu erwarten, in Leegebieten muss dann
zumindest mit Windböen Bft 7 gerechnet werden.
Mit der Drehung der Strömung auf Südwest und der gleichzeitig erfolgenden
leichten Gradientzunahme ergibt sich ein, wenn auch schwacher, föhniger
Einfluss, der sich vor allem an den Nordrändern der östlichen Mittelgebirge und
in Süddeutschland in Form von größeren Auflockerungen und zum Teil auch sonnigen
Abschnitten bemerkbar macht. Daher bleibt das Temperaturniveau gegenüber den
Vortagen nahezu unverändert.

In der Nacht zum Montag verlagert sich der Nordteil des atlantischen Troges zu
den Britischen Inseln, wogegen dessen südlicher Teil nach Südwesten zurückhängt
und im Seegebiet zwischen den Azoren und Kanaren austropft. Über Mitteleuropa
bleibt somit eine west-südwestliche Strömung bestehen.
Übereinstimmend nach allen Modellen dürft dann eine relativ kräftige Entwicklung
dieser Welle erfolgen, wobei nach wie vor die Zugbahn dieser Welle sehr
unterschiedlich simuliert wird. Nach ICON wird diese Welle vor die polnische
Nordwestküste (Raum Kolberg) verlagert, von UK10 wird diese Welle über
Vorpommern erwartet. GFS verlagert diese Welle über die Südspitze Schwedens
hinweg nach Öland, EZMW dagegen nach Schleswig-Holstein. Das sind durchaus
reichlich 400 km Unterschied hinsichtlich der Position dieser Welle, wobei
übereinstimmend eine Vertiefung bis unter 1005 hPa erwartet wird. Genauso wird
von allen Modellen eine erneute Windzunahme an der Südflanke dieser Welle
gezeigt, wodurch dann wieder Windböen Bft 7, in freien Lagen stürmische Böen und
im Bergland Sturmböen zustande kommen. Auf exponierten Berggipfeln vor allem der
nördlichen Mittelgebirge sind dann schwere Sturmböen nicht ganz auszuschließen.
Das Niederschlagsgeschehen konzentriert sich dann auf den Norden und Teile der
Mitte, wo in der Fläche 5 bis 10 und in Staulagen um 15 mm innerhalb von 12
Stunden zusammenkommen können. Warnrelevante Niederschlagsmengen sind nicht in
Sicht. In der Donauregion und südlich davon dürfte es niederschlagsfrei bleiben.
Dort ist der Gradient am schwächsten, so dass sich streckenweise Nebel bilden
kann.
Wie in den Nächten zuvor bleibt es erneut durchweg frostfrei.

Montag … 2. Weihnachtsfeiertag – verlagert sich der Trog von den Britischen
Inseln kommend über die Nordsee hinweg ostwärts und erreicht bis zum Abend den
Westen Deutschlands. Stromaufwärts zeichnet sich bereits wieder bis nach
Neufundland eine Zonalisierung ab. Diesem Trog ist eine Kaltfront vorgelagert,
die bis zum Abend übereinstimmend nach allen Modellen die Mitte Deutschlands
erreicht und sich nach ICON Montagabend vom Saarland über die Rhön bis zum
Oderbruch erstreckt.
Im Frontbereich wird die Schichtung labil; zusätzlich erfolgt durch Annäherung
des Troges und vorlaufende kurzwellige Anteile Hebung, die aus positiver
Vorticityadvektion resultiert. Diese kann für die Auslösung einzelner Gewitter,
die bevorzugt mit Frontpassage auftreten, hinreichend sein. Zudem ist die
Scherung sowohl niedertroposphärisch mit Werten bis 15 m/s als auch hochreichend
gut ausgeprägt, auch das Kondensationsniveau liegt mit 600 bis 800 m relativ
niedrig, so dass auch organisierte und staffelartige Strukturen von Konvektion
nicht ganz auszuschließen sind. Für rotierende Strukturen ist die
Richtungsscherung zu schwach. Aber auch ohne Konvektion erfolgt mit Frontpassage
eine erneute Windzunahme. Im Norden und in der Mitte sind dann Windböen, an der
See meist und in freien Lagen einzelne stürmische Böen zu erwarten. In den Kam-
und Gipfellagen der meisten Mittelgebirge und auch auf Alpengipfeln kommen
Sturmböen Bft 8/9 auf; exponiert sind schwere Sturmböen nicht auszuschließen.
Aufgrund der kräftigen Strömung liegen beim Oberwind im 850 hPa-Niveau 35 bis 45
kt an. Im Falle organisierterer Konvektion kann dieser Wind heruntergemischt
werden, so dass in Verbindung mit kräftigeren Schauern oder kurzen Gewittern
auch abseits der Küste und der Gebirge Böen bis Sturmstärke auftreten können.
Hinsichtlich der Niederschläge zeichnen sich zwei Schwerpunktregionen ab. Zum
einen die Kaltfront, in deren Bereich die Niederschläge konvektiv durchsetzt bis
hin zu kurzen Gewittern sind. Allerdings sind nur wenige bis etwa 5, in
Staulagen auch nicht mehr als 10 mm Niederschlag zu erwarten. Dann gilt es noch,
die (schwache) Kaltfront der Welle zu beachten, die am Vortag hinreichend
ausführlich beschrieben wurde und die sich bis zum Abend unter Abschwächung zu
den Baltischen Staaten verlagert. Diese Kaltfront, die dann schleifend über
Süddeutschland lieg, wird durch den sich annähernden Trog aktiviert, wodurch
dann in der Fläche 5 bis über 10, in Staulagen (vor allem Schwarzwald und
Allgäu) bis über 20 mm Niederschlag innerhalb von 12 Stunden zusammenkommen,
wobei es sich dort durchweg um skalige Niederschläge handelt.
Auflockerungen sind in der ersten Tageshälfte auf den Alpenrand und das
alpennahe Vorland sowie vorrangig dessen östliche Teile beschränkt. Ansonsten
hält sich mehrschichtige und meist geschlossene Bewölkung. Erst später am Tag
können rückseitig von der Nordsee her ein paar Auflockerungen zustande kommen.
Die Tageshöchsttemperaturen ändern sich gegenüber den Vortagen nur unwesentlich,
wobei sich zum Abend hin von Nordwesten und Westen her eine leichte Abkühlung
bemerkbar machen dürfte.

Modellvergleich und -einschätzung

Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Das betrifft sowohl die Dauerregenlage, für welche sich auch aussagekräftige
Signale von Seiten der Probabilistik finden lassen als auch die weitere
Entwicklung.
Auf die Unsicherheiten hinsichtlich der Welle, die am Sonntag für unser
Wettergeschehen von Bedeutung ist, wurde bereits weiter oben hingewiesen. Daran
hat sich auch nach den neueren Modellläufen nicht viel geändert. Das hat dann
auch Auswirkungen auf die Verteilung der Niederschläge und die Windentwicklung,
was beides noch unsicher ist. Die Unterschiede resultieren aus unterschiedlichen
Ergebnissen von Seiten der vorliegenden Modelle in Bezug auf den nach Nordosten
ablaufenden Kurzwellentrog. Danach gleichen sich die Modelle wieder einigermaßen
an. So wird die Passage der Kaltfront ähnlich simuliert, wobei sich Unterschiede
ergeben, die im Bereich der Vorhersagegenauigkeit liegen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann