S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.12.2022 um 10.30 UTC

Zyklonale Westlage: nass, mild und windig; nur im äußersten Norden noch wenige
Schneeoptionen. Ab den Feiertagen unsichere Entwicklung.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 26.12.2022

In der Mittelfrist setzt sich die zyklonale Westlage nicht nur fort, sie nimmt
sogar nochmal deutlich an Fahrt auf. An der Südflanke zweier hochreichender,
steuernder Tiefs über dem Norden Skandinaviens und über dem Nordatlantik ist die
Strömung über weiten Teilen des Atlantiks und Europas stark zonalisiert worden.
Die durch den Höhenjet gekennzeichnete Frontalzone buchtet entlang eines an
Amplitude gewinnenden Troges über dem Nordatlantik bis zu den Azoren aus, von
dort aus verläuft sie nach Nordosten bis nach Westeuropa und nachfolgend leicht
mäandrierend unweit des 50. Breitengrades bis ins östliche Mitteleuropa, wo sich
das Delta der Frontalzone befindet. Insbesondere auf der Vorderseite des
Nordatlantiktroges verschärfen sich die Temperaturgegensätze und damit der
Höhenjet. Ein Jet-Streak mit Windgeschwindigkeiten bis knapp 150 kt erfasst am
Donnerstag und Freitag Westeuropa, am Wochenende dann auch Mitteleuropa. Damit
stellt sich seit langer Zeit mal wieder ein dynamisches Grundsetup ein, das für
einiges an Ungemach in Form von Sturm und viel Niederschlag und eher weniger für
winterliche Wettererscheinungen gut ist. Oder anders ausgedrückt: Typisches
„Weihnachtstauwetter“.

Typisch auch für diese dynamisches Westlagen: Der genaue zeitliche Ablauf
unterliegt in der Mittelfrist größeren Unschärfen. Damit sind natürlich
insbesondere die in die Westströmung eingebetteten Störungen in Form
kurzwelliger Tröge gemeint, die ihrerseits Randbodentröge und -tiefs induzieren.
Entsprechend wenig Sinn macht eine detaillierte Skizzierung, sodass in der Folge
nur auf den groben Ablauf mit Fokus auf die signifikanten Wettererscheinungen
eingegangen wird.

Am Donnerstag und Freitag, genauso wie am Samstag (Heiligabend), sorgen
wiederholt von Westen übergreifende Randtröge für einen sehr unbeständigen
Wettercharakter. Dabei wird im überwiegenden Teil von Deutschland mit kräftiger
Westströmung milde bis sehr milde Luft herangeführt (T850 meist zwischen +1 und
+7 Grad).
Am meisten Regen fällt wahrscheinlich in der Südhälfte Deutschlands.
Insbesondere ab Freitag ist mit einem von Südwesten übergreifenden
Frontensystem, dessen Kaltfront in der Folge über dem Süden zu schleifen
beginnt, mit länger anhaltenden Regenfällen zu rechnen. Bevorzugt in den
Weststaulagen der Mittelgebirge ist Dauerregen mit Mengen >30 mm/24 h
wahrscheinlich, unwetterartige Mengen >50 mm sind nicht ausgeschlossen. Da die
0-Grad-Grenze über 2000 m, mit einem Warmsektor am Freitag eventuell sogar bis
3000 m ansteigt, ist nicht nur in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen,
wo noch etwas Schnee liegt, sondern auch in den Alpen mit zusätzlichem,
nennenswertem Abfluss durch Schmelzwasser zu rechnen (Tauwetter!).
Über dem äußersten Norden und Nordosten wird das teil-okkludierte Frontensystem
dagegen eingebremst und wandelt ich in eine Luftmassengrenze um, die quasi
stationär in eine zonal orientierte Tiefdruckrinne eingelagert ist. Auch dort
sind länger anhaltende Niederschläge möglich, die auf der kalten Seite bei T850
von 0 bis -5 Grad als Schnee fallen könnten. Es ist allerdings sehr fraglich, ob
die Luftmassengrenze wirklich den Norden und Nordosten des Landes tangiert oder
sich weiter nördlich befinden wird. Die Hoffnung auf weiße Weihnachten muss man
dort demnach aber noch nicht ganz aufgegeben.
Natürlich ist auch der Wind ein Thema. Im Bergland sowie am Donnerstag an der
See sind generell Sturmböen wahrscheinlich, auf Gipfeln orkanartige Böen. Am
Freitag sind in der Mitte und im Süden Sturmböen auch bis in tiefere Lagen
gering wahrscheinlich, dagegen schläft der Wind im Umfeld der o. e. Rinne im
Norden eher ein.

Im weiteren Verlauf am Sonntag (1. Weihnachtsfeiertag) wird die Vorhersage rasch
unsicher. Der Trog über dem Nordatlantik amplifiziert sich weiter und neigt zum
Abtropfen. Vorderseitig wölbt sich dabei ein Rücken auf. Es ist allerdings
völlig unklar, wann und wo sich der Abtropfvorgang vollzieht. Bei IFS ereignet
er sich spät und weit östlich, sodass Deutschland rasch auf die Vorderseite des
Trogresiduums in eine zyklonale Südwest- bis Westströmung kommt und sich das
unbeständige Wetter fortsetzt. In weiterer Folge würde sich sogar erneut ein
Viererdruckfeld einstellen mit möglicher Grenzwetterlage über Deutschland. Bei
GFS würde der Abtropfvorgang deutlich früher und westlicher stattfinden, sodass
wir sogar noch vorderseitig des vorgelagerten Rückens unter einer zyklonale
Nordwestströmung kommen, was nass-kaltes und zumindest im Bergland und nach
Nordosten zu winterliches Wetter mit Schnee bedeuten würde. ICON stellt eine
Zwischenlösung dar mit dem Rücken genau über Mitteleuropa und damit ruhigerem,
milderem Wetter. Kurz gesagt: Keine Aussage möglich ab dem 1. Weieiertag!

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die IFS-Modellläufe rechnen zwar konsistent die Fortdauer der zyklonalen
Westlage bis mindestens einschließlich Samstag, Heiligabend (24.12.). Die
Störungen, die in Form kurzwelliger Tröge über Deutschland gesteuert werden,
werden allerdings schon zu Beginn der Mittelfrist sehr volatil gerechnet. Sowohl
im Hinblick auf die Ausprägung der einzelnen Tröge als auch in Bezug auf die
Phase des Trog-Rücken-Musters ergeben sich zwischen den einzelnen IFS-Läufen und
auch zwischen den anderen Modellen prognoserelevante Unterschiede.
Losgelöst von diesen Detailfragen rechnen aber alle Modelle durch die Bank eine
potenziell stürmische und sehr niederschlagsreiche Wetterphase.

Ab den Feiertagen (25./26.12.) lässt die Konsistenz des IFS auch hinsichtlich
des großräumigen Musters deutlich nach. Die gestrigen beiden IFS-Läufe
simulierten noch den Aufbau eines umfangreichen Rückens über Mitteleuropa und
damit vorübergehend ruhigeres und nach einem kurzen, aber kräftigen
Kaltuftvorstoß am 25.12. im Verlauf wieder mildes Wetter.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch GFS, ICON und UK10 haben die zyklonale Westwetterlage auf dem Schirm, die
sich nur im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf etwas unterscheidet.
Erwähnenswert sind die Unterschiede bei der Positionierung der Luftmassengrenze
über dem Norden. GFS und UK10 unterstreichen das Potenzial für etwaige
Schneefälle Freitag/Samstag. Bei ICON liegt die LMG weiter nördlich knapp
außerhalb von Deutschland.
Über die Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung wurde im obigen Text bereits
eingegangen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

RAUCHFAHNEN:
Bis einschließlich Samstag (Heiligabend) sind die Rauchfahnen des IFS-EPS gut
gebündelt und sowohl der deterministische als auch der Kontrolllauf sind gut in
die Memberschar eingebettet. Der Verlauf der (fast durchweg positiven)
850-hPa-Temperaturen weist kaum Schwankungen auf, nur nach Süden zeigt sich zum
Freitag ein kleiner Peak (Warmsektor). Beim 500-hPa-Geopotenzial zeigt sich das
für eine zyklonale Westlage typische leichte „Auf und Ab“. Eine Ausnahme stellt
der Norden und Nordosten dar, wo der Spread der 850-hPa-Temperatur schon am
Freitag deutlich zunimmt. Die Gesamtschwankungsbreite liegt nahe der dänischen
Grenze zwischen +5 und -7 Grad, wobei sich die Mehrheit der Member im Bereich
zwischen 0 und -3 Grad aufhalten. Der deterministische Lauf befindet sich am
unteren Ende dieses „Hauptclusters“, der Kontrolllauf gehört sogar zu den
kältesten. 50% der Member rechnen Niederschlag, nur 10-20% Schnee oder
Schneeregen.
Der Schwerpunkt der Niederschlagstätigkeit sowie der Höhepunkt der
Windentwicklung zeichnet sich in den Boxplots deutlich für den Freitag ab.
Ab Sonntag (1. Weihnachtsfeiertage) nimmt der Spread schlagartig zu. Das
betrifft besonders die Temperatur, aber auch das Geopotenzial. Anfangs zeigt die
Mehrheit der Member noch einen leichten Anstieg der Temperatur und des
Geopotenzials (Rücken, Südwestströmung), zur Mitte der Woche gibt es dann aber
vor allem nach Nordosten zu einen recht prominenten Cluster von Membern, die bei
Temperatur und Geopotenzial einen Abwärtstrend zeigen, zu dem auch der
deterministische Lauf gehört.

CLUSTER:
+72-96 h: Es werden 4 Cluster gebildet, die alle dem Regime NAO+ zugeordnet
werden und eine zyklonale Westlage zeigen.
+120-168 h: Es werden 5 Cluster angeboten. C1/2 und C4/5 verbleiben im Regime
NAO+, C3 vollzieht der Übergang zu NAO-. Sowohl der über dem Atlantik vor den
Toren Südwesteuropas abtropfende Trog als auch der sich stromab aufwölbende
Rücken werden mitunter deutlich variierend positioniert. C1, C4 und C5 (31/51
Member, inkl. det. Lauf) rechnen eine Südwestlage, teils zyklonal, teils
antizyklonal. C2 und C3 (20/51 Member) dagegen simulieren zwischen einem Rücken
über Süd- und Westeuropa und einem Trog über Nord- und Osteuropa eher eine West-
bis Nordwestlage.

FAZIT:
Bis mindestens Samstag (Heiligabend) zyklonale Westlage: Niederschlagsreich,
mild, windig. Höhepunkt der Wind- und Niederschlagsentwicklung mit Potenzial für
Dauerregen, Tauwetter und Sturm am Freitag. Noch geringe Wahrscheinlichkeit für
Schnee am Samstag im Norden und Nordosten.
Ab Sonntag kaum haltbare Aussagen mehr möglich. Fortdauer des eher unbeständigen
Wetters allerdings wahrscheinlicher geworden, Temperaturentwicklung aber völlig
unklar, im Nordosten deutlicherer Hang zu neuerlichem Kaltluftvorstoß.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

STURM:
Am Donnerstag an der See stürmische Böen 8 Bft aus West gering wahrscheinlich.
Am Freitag bis in tiefe Lagen der Mitte und des Südens stürmische Böen 8 Bft aus
West bis Südwest gering wahrscheinlich, Sturmböen 9 Bft nicht ausgeschlossen.
Im oberen Bergland generell Sturmböen 8-9 Bft wahrscheinlich, auf Gipfeln
orkanartige Böen 11 Bft.

DAUERREGEN/TAUWETTER:
Vor allem ab Freitag gebietsweise länger anhaltende Regenfälle. Bevorzugt in den
Weststaulagen der Mittelgebirge Dauerregen >30 mm/24 h wahrscheinlich,
ergiebiger Dauerregen (UNWETTER) >50 mm/24 h nicht ausgeschlossen. In den
östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie in den Alpen durch Tauwetter
zusätzlicher Abfluss.

SCHNEE:
In der Nacht zum Samstag und am Samstag im äußersten Norden und Nordosten (sehr)
geringe Wahrscheinlichkeit für markante Schneefälle.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det. + EPS, MOS-Mix, ab Sonntag Bauch-Modell.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser