S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 03.12.2022 um 10.30 UTC

Wechselhaft und zunächst nasskalt, zum Wochenende mit Atlantikluft wohl milder,
im Norden windig.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 10.12.2022

Zur Wochenmitte wird der AO-Index voraussichtlich sein Minimum von -3 auf 1000
hPa erreichen, auch der NAO-Index sinkt dann auf Werte von ca. -2 ab. Damit
haben wir das Strömungsmuster NAO negativ, allerdings in der Ausprägung eines
kräftigen Grönlandblockings/Arktisumfeld. Die daraus möglicherweise
resultierenden synoptischen Muster für Mitteleuropa werden weiter unten
beschrieben. Diese Blockierungslage mit hohem Geopotenzial v.a. in den hohen
Breiten lässt sich recht gut auch beim zonal gemittelten zonalen Wind auf 60
Grad Nord und auf 100 hPa (untere Stratosphäre) nachvollziehen, der um den
05./06.Dezember ein Minimum aufweist. Über die dynamische Kopplung von unterer
Stratosphäre mit oberer Troposphäre beschreibt dieser Umstand die derzeit
gestörte Zirkulation in der Troposphäre. Der Stratosphärische Polarwirbel (SPV)
hingegen weist trotz kleinerer Wellenbewegungen annähernd normale zonale
Windverhältnisse in der mittleren und oberen Stratosphäre (Richtwert auf 10 hPa)
auf. Dieses scheinbare Paradoxon sollte sich angesichts insgesamt abnehmender
troposphärischer Wellenflüsse (die teils auch durch diabatische Faktoren wie
z.B. Auskühlung/ Schneebedeckung Nordosteuropa vs. Meereisbedeckung Arktisumfeld
sowie Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik und atlantischen und
pazifischen Arktisumfeld (SST) regional verstärkt wurden) sowie verbessertem
vertikalen Impulstransport aus der mittleren und oberen in die untere
Stratosphäre (downward propagation von zonalem Impuls) im Verlauf (wsl.
erweiterte Mittelfrist) allmählich auflösen bzw. abschwächen.

Diese dynamischen Prozesse könnten v.a. den NAO-Index wieder auf neutral bzw.
leicht positiv gehen lassen. Im Arktisumfeld und wsl. über Nordosteuropa bleibt
die Blockierung wohl nachhaltiger. Südlich davon sind über dem Nordatlantik am
nächsten Wochenende wieder zonale Muster denkbar, folglich tauchen in den
Clustern von IFS und GEFS Lösungen mit NAO positiv auf. Insgesamt soll jedoch
festgehalten werden, dass bei andauerndem AO negativ die Blockierungsneigung
erhalten bleibt und der troposphärische Polarwirbel wohl längere Zeit zur
Erholung benötigt als von den Modellen suggeriert. Das führt zudem zu größerer
Modellunsicherheit, die bereits in der gestrigen Übersicht (02.12.22)
beschrieben wurde.

Es folgt noch eine kurze synoptische Zusammenschau der wichtigsten Ereignisse in
dieser Mittelfrist.

Am Dienstag und Mittwoch macht der LW-Trog über Skandinavien bei seiner
Südverlagerung Fortschritte, durch verstärkte Kaltluftzufuhr an seiner
Westflanke wird die Frontalzone (eingebettete Kaltfront) in diesem Bereich
aktiviert bzw. verschärft. Gleichzeitig positioniert sich der Bereich höchsten
Geopotenzials irgendwo zwischen Island und Grönland, wobei sich dazwischen eine
recht straffe nördliche Strömung einstellt. Ein weiterer Bereich der
aufgeteilten atlantischen Frontalzone verläuft von den Azoren bis zum
Mittelmeer, wo wiederum unter Einmischung von subtropischen Luftmassen barokline
Wellen ost- bis nordostwärts ablaufen und sozusagen eine Gegenbewegung
darstellen. Im Zuge dieser Entwicklung soll sich eine Luftmassengrenze über
Mitteleuropa etablieren, die aber von den Modellen noch recht unterschiedlich
positioniert wird. Demnach werden die 850hPa-Temperaturen am Mittwoch in
Norddeutschland bei ca. -7 bis -8 Grad simuliert, wohingegen im Süden um oder
etwas über 0 Grad am Oberrand der Grenzschicht gerechnet werden.

Am Mittwoch soll sich laut IFS über Dänemark an der Trogspitze ein Randtief
bilden (mit Gradientverschärfung über Norddeutschland), wodurch die Verlagerung
der Kaltfront verzögert und ein Dipol um das Drehzentrum des Tiefdruckkomplexes
über Skandinavien mit dem Antipod etwa über dem Nordmeer entsteht. Durch die
zyklonale Bewegung des Dipols wird in der Folge das Blocking mehr nach Grönland
gedrückt, die Strömung über Mitteleuropa dreht mehr auf Südwest (an der Nordsee
Nordwest) und der Tiefdruckkomplex (nach Norden fast abgeschnürter LW-Trog)
bewegt sich gleichzeitig mit seinem Schwerpunkt bzw. Kaltluftvorstoß) mehr in
Richtung Nordwesteuropa. Andererseits wird durch diese Prozesse auch die südlich
verlaufende Frontalzone zurückgedrängt. Mitteleuropa gelangt bis Freitag nach
IFS-Lesart mit Ausnahme des Nordwestens nahezu vollständig auf die mildere
Trogvorderseite mit 850 hPa-Temperaturen von ca. -5 Grad im Nordwesten und ca.
+3 Grad im Osten und Südosten Deutschlands (Donnerstag auf Vorderseite eines
neuen Nordseetiefs Windrückdrehung auf südliche Richtungen).

Am Wochenende soll dann der deutlich deformierte Trog bzw. dessen Südteil (mit
eingebetteten Randtiefs über Nord- und Ostsee hinweg bei zeitweiliger
Gradientverschärfung) ostwärts ziehen. Das, also die Zonalisierung könnte
möglich werden aufgrund des neuen Drehzentrums des Tiefdruckkomplexes etwa über
dem Nordmeer. Zwar gehen dann die 850 hPa-Temperaturen allgemein auf ca. -3 Grad
im Süden bis -6, -7 Grad im Norden rückseitig zurück, allerdings haben wir es
dann mit erwärmter maritimer Polarluft zu tun, die wohl gut genug durchmischt
sein wird, um die Regenphase im Flachland tagsüber überwiegen zu lassen.

So, und das stellt dann für die erweiterte Mittelfrist eventuell den Fahrplan
auf, d.h. die eingangs beschriebene (vorübergehende?) Zonalisierung der
Strömungsverhältnisse für Mittel- und Westeuropa. Diese Entwicklung spiegelt
sich bei IFS-EPS und auch GEFS teilweise wider. Andererseits bleibt die
Anfälligkeit für neue Blockierungen in zirkumpolar zonal gemittelt weiterhin
meridionalen Mustern mit langen planetaren Wellen und auch wieder verstärkten
meridionalen Wärmeflüssen bestehen, die die beschriebene Zonalisierung schnell
wieder pulverisieren können, auch indem letztere Tuchfühlung aufnehmen mit dem
bislang persistenten Blocking im Arktisumfeld.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des aktuellen IFS-Laufes ist bis Ende der Woche ganz gut, der
Kaltluftvorstoß aus dem LW-Trog über Skandinavien und dem Ostatlantik scheint
relativ sicher zu sein. Gleichzeitig zieht ein Tief in Richtung Biskaya und wsl.
über dem (südlichen) Mitteleuropa kann sich eine Luftmassengrenze etablieren.
Unklar ist, ob der Trogvorstoß durch das Grönland-Blocking ggf. weiter westlich
ansetzt und über Mitteleuropa die Strömung im weiteren Verlauf aufsteilen ließe.
Dann nimmt die Modellunsicherheit zu.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis Donnerstag sind sich die hier betrachteten Globalmodelle ICON, GFS und ICON
recht einig. Das beschriebene Aufsteilen der Strömung und Abdriften des
Tiefdruckkomplexes nach Nordwesteuropa wird von IFS und GFS ähnlich gesehen,
ICON setzt deutlich später an, entsprechend wird bei ICON auch das Blocking
später nach Nordwesten bzw. Grönland simuliert. Am Wochenende dann lässt IFS den
positiv geneigten LW-Trog samt Randtiefs deutlich schneller und progressiver
ostwärts verlagern als die anderen Modelle. Hier stellt sich natürlich die
Frage, wie stark amplifiziert die Strömung. GFS z.B. macht die Amplitude des
positiv geneigten LW-Troges unter Verkürzung der Wellenlänge von der Iberischen
Halbinsel bis nach Nordskandinavien. Dementsprechend erfolgt bei GFS später ein
Abschnürprozess mit der Konsequenz Trog Mitteleuropa (TM)…was eine erneute
Blockierung der Strömungsverhältnisse bedeutete. Auch IFS sieht
Abschnürtendenzen, allerdings wohl mit dem Tiefdruckkomplex mit Drehzentrum über
dem Nordmeer oder Skandinavien.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bezüglich der gruppierten Cluster des IFS lassen sich folgende Schlüsse ziehen.

Zeitschritt t+120 bis t+168 h, hier haben wir drei gruppierte Cluster, die
allesamt das Muster -NAO aufweisen. Allen Mustern gleich ist die Blockierung im
Bereich Grönland/Arktis sowie Nordosteuropa. Die südliche Frontalzone aktiviert
sich unterdessen.

Zeitschritt t+192 bis t+240 h, insgesamt mit vier gruppierten Clustern mit
Übergang von -NAO zu +NAO im Verlauf wieder in der Mehrzahl. Allerdings sind
nicht wenige Member auch erneut auf der Blocking-Schiene (siehe
GFS-Entwicklung). Welche Form die Blockierung für Mitteleuropa annehmen könnte,
ist noch recht unsicher. Nichtsdestotrotz bleiben die Indizien bzw. das
Nachhallen einer gestörten troposphärischen Zirkulation bestehen.

Für die Rauchfahnen könnte man aufgrund der Luftmassengrenze gegen Wochenmitte
verschiedene Orte in Nord- und Süddeutschland wählen. Andererseits sollte die
Grenzwetterlage nicht allzu lange andauern, von daher wählen wir wieder einen
beliebigen Ort im Flachland in Norddeutschland.

Bezüglich 850 hPa-Temperatur startet der Norden bei etwa -6 Grad eng gebündelt
bis Donnerstag, dann erfolgt ein recht konsistenter Anstieg der Memberschar und
des Kontrolllaufs bis ca. 0 Grad, um dann wieder wie der Hauptlauf auf ca. -6
Grad abzusinken. Die Mehrzahl der Member liegt nun allerdings auf der warmen
Seite.

Beim Niederschlag gibt es durch die gesamte Mittelfrist hindurch stabile Signale
für zeitweise Niederschläge, das zumindest deckt sich mit dem erwarteten
wechselhaften Wettercharakter.

Das Geopotenzial bleibt nach dem Abfall zur Wochenmitte recht stabil mit
überschaubarer Streuung, danach fällt es gemäß Haupt- und Kontrolllauf noch
etwas ab, was aber die Mehrzahl der Memberschar gar nicht sehen will. Hier ist
ein stetiger, aber leichter Anstieg zu erkennen.

In Auswertung von Clustern und Rauchfahnen bleiben Fragezeichen für die
erweiterte Mittelfrist, die derzeit nicht abschließend geklärt werden können.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Der EFI zeigt keine warnwürdigen Wetterereignisse, ist aber insgesamt auch zu
grobskalig. Daher sind im Verlauf der Mittelfrist folgende Warnereignisse im
Programm.

Am Dienstag voraussichtlich keine warnwürdigen Ereignisse. In der Nacht zum
Mittwoch im Süden vorübergehend Regen mit Glatteisbildung nicht ausgeschlossen.

Am Mittwoch an der Nordsee stürmische Böen (Bft 8) aus Nord bis Nordwest. Im
Südwesten Dauerregen um 30 l/qm in 12 oder 24 h nicht ganz ausgeschlossen.

Am Donnerstag und Freitag an den Küsten stürmische Böen aus Südwest bis West
(Bft 8) nicht ausgeschlossen. Auf den Alpengipfeln bei Föhn stürmische Böen oder
Sturmböen aus südlicher Richtung (Bft 8 bis 9), exponiert auch schwere Sturmböen
(Bft 10). Auch am Wochenende könnte es im Norden bzw. in Küstennähe weiter
stürmische Böen (Bft 8) aus Südwest bis West geben.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA-NAO, StratObserve

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz