S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 24.11.2022 um 10.30 UTC

Übergang zu einer ruhigen Hochdruckrandlage, kaum noch Niederschlag,
zurückgehende Temperaturen und in den Nächten vielfach mäßiger Frost.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 01.12.2022

In der heutigen Mittelfrist vom Sonntag, den 27.11 bis Donnerstag, den 01.12.
(inklusive der erweiterten Mittelfrist Anfang/Mitte Dezember) gibt es einiges an
Bewegung mit Blick auf die Nordhemisphäre, die jedoch nicht notwendigerweise
(zeitnah) in eine warnintensive Mittelfrist für Deutschland mündet.

In der Folge ein kurze technische Diskussion mit Blick auf die Nordhemisphäre.
Die Entwicklung der Mittelfrist in Deutschland wird im nächsten Abschnitt
beschrieben, sodass dieser Abschnitt hier auch übersprungen werden kann.

Die seit mindesten Mitte November agierende Blockierung im skandinavischen Raum
lief Hand in Hand mit einer teils rekordverdächtigen (Geopotenzial/Schichtdicke)
Blockierung im Bereich Alaska/Kanada in Form einer deutlich negativen
„Pazifik/Nordamerika Oszillation, PNA“ (die allerdings wegen einer zu östlichen
Positionierung im Mittel auf einen berechneten Wert in Nähe der Nulllinie
herauslief). Von dieser skandinavischen Blockierung ausgehend ergaben (und
ergeben sich immer noch) zwei Entwicklungen.

Die erste ist in Richtung Asien gerichtet. Durch die Blockierung in Skandinavien
wurden im asiatischen Sektor vertikale Wärmeflüsse initiiert, die aktuell für
eine Antizyklone in der Stratosphäre (10 hPa) sorgt, die während dieser
Mittelfrist vom asiatischen Sektor zügig weiter in den nordpazifischen Sektor
wandern soll (schwaches „displacement/Versetzung“ des Polarwirbels in der
Stratosphäre in Richtung kanadisch-arktisches Archipel).
Als Folge der Blockierung im Bereich Skandinavien/Karasee setzt nun eine
verstärkte cross-polare Strömung ein mit einer sukzessiven Intensivierung und
Ausdehnung der blockierenden Antizyklone über Skandinavien in Richtung Russland
gerichtet. Man kann es sich so vorstellen: die blockierende Antizyklone sorgt
für eine Schwächung des Polarwirbels, aus dem nun Kaltluft polaren Ursprungs
ausfließen kann.
Somit wird besonders der zentrale und östliche eurasische Bereich zunehmend mit
arktischer Kaltluft geflutet, was während dieser Mittelfrist (zum Monatsende)
erwartet wird. Dies ereignet sich rund 1.5 bis 2 Wochen nach Blockierungsbeginn
und liegt somit voll im Zeitplan.

Die Kaltluftadvektion mit stark negativen Temperaturanomaliewerten u.a. in 850
hPa wird für Ende November im ostasiatischen Sektor recht homogen gezeigt. Mit
Annäherung dieser eisigen Luftmassen an den Nordwestpazifik nimmt die
Baroklinität zu, was letztendlich die Intensität des Nordpazifik- Jets erhöht.
Wer tiefer in die Materie einsteigt muss auch berücksichtigen, dass durch diese
Entwicklung ein positiver ostasiatischer Gebirgsdrehmoment resultiert, was man
sich so vorstellen kann: Durch die Kaltluftadvektion steigt der Bodendruck
signifikant in weiten Bereichen Asiens an, was durch diese geometrische
Ausrichtung zu einer Druckgradientkraft führt, die quer über das Himalaya
gerichtet gegen die Erdrotation gerichtet ist. Die Abbremsung wurde in Messungen
je nach Intensität im Bereich 10 hoch -3 ermittelt, also kaum messbar. Dennoch
resultiert ein Ausgleich in Form einer Zunahme des Impulses in die Atmosphäre,
was neben der Baroklinität in periodischen Abständen auch die zonalen Winde im
Jetniveau erhöht (siehe u.a. Weickmann, 1994)).
Letztendlich sorgen all diese Entwicklungen (+ die nachfolgend kurz beschriebene
Entwicklung der Madden-Julian Oszillation, MJO) rund 1.5 bis 3 Wochen nach
Initiierung im skandinavischen Sektor für die Entwicklung einer negativen
Geopotenzialanomalie entlang der Aleuten. Dies wiederum ermöglicht eine
Erneuerung/Intensivierung der negativen „Pazifik/Nordamerika Oszillation, PNA“,
die laut aktueller Vorhersage Hand in Hand geht mit anhaltender Blockierung im
skandinavischen Sektor. Und schon schließt sich der Kreis, denn dadurch wird der
Polarwirbel auch von diesem Sektor aus gestört.

Aber die Störung im skandinavischen Sektor breitet sich derweilen nicht nur in
Richtung Asien aus. Solche Blockierungslagen im skandinavischen Sektor wandern
nicht selten retrograd nach Westen und leiten dadurch eine negative NAO
Entwicklung ein. Dies deutet vor allem GEFS an, wird jedoch auch vom IFS-ENS
teilweise mitgetragen, das die Blockierung letztendlich nördlicher ansetzt. Die
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wetterregimes im IFS-ENS deutet eher in
Richtung nördlich ansetzender Blockierung mit Weiterentwicklung zu positiver
NAO.

Die zunehmende Wahrscheinlichkeit weit im Norden ansetzender Blockierungen
resultiert auch aus dem tropischen „forcing“ in Form einer mäßig ausgeprägten
MJO Welle, die nun mit variabler Amplitude in Phase 7 wandert. In diesem Bereich
wird statistisch gesehen im europäischen Sektor zunehmend die negative NAO
favorisiert. Je nach finaler Amplitude könnte also hier noch ein zusätzliche
Unterstützung aus dem tropischen Sektor kommen (MJO verstärkt meridionale
Wärmeflüsse mit Wellenzug, der in Aleutentief mündet, was momentan in
Vorhersagen u.a. durch sehr hohe Standardabweichungen der Wärmeflussanomalien
bis 200 hPa hervorgehoben wird). Dieser Input ist zeitlich gesehen begrenzt und
es bleibt nun abzuwarten, inwieweit neue Wärmflüsse den Polarwirbel in der
Stratosphäre angreifen. Aus heutiger Sicht sehen die aktuellen
Ensemblevorhersagen u.a. vom IFS-ENS eine rasche Erholung des Polarwirbels in
Richtung Dezember, allerdings mit hoher Streuung der Member.

Das alles zeigt in beeindruckender Weise, wie komplex aus einer Blockierung
zirkumpolar Reaktionen hervorgerufen werden, die wiederum den Polarwirbel stören
können. Wiederholungen dieser Prozesse sorgen dann manchmal zu erheblichen
Auswirkungen beim Polarwirbel, wovon wir momentan aber noch weit entfernt sind.

Während dieser Mittelfrist verbeiben wir im europäischen Sektor in einer
gradientschwachen Strömung im Übergangsbereich zwischen Troposphäre und
Stratosphäre und von daher verlagern sich die planetaren Wellen kaum. Die PNA
Anomalie initiiert zwar innerhalb der jüngsten ENS Vorhersagen eine weiteren
Rossby-Wellenzug, der von Westen in Richtung Nordatlantik reinläuft und das
Geopotenzial im eurasischen Sektor weiter erhöhten soll, allerdings mit einer
deutlichen Zunahme des Ensemblespread.

Die genannte Entwicklung ist deshalb von Interesse, da mit dem zu erwartenden
Ausfluss arktischer Kaltluft im asiatischen Sektor und entsprechend günstiger
Positionierung einer blockierenden und ggf. retrograd ins NAO- Regime wandernden
Antizyklone von Osten kalte Festlandsluft in Richtung Europa advehiert werden
könnte. Allerdings sind die Ensembleunsicherheiten nicht umsonst sehr hoch für
diesen Zeitraum (Anfang Dezember), da es noch viele Fragezeichen gibt. Die
grundsätzliche Entwicklung eröffnet wenigstens die Möglichkeit, über ein solches
Szenario zu sprechen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Montag ist der aktuelle Lauf im Vergleich mit den gestrigen
Modellrechnungen weitgehend konsistent. Am Dienstag liegt nach der gestrigen 12
UTC- und der aktuellsten Simulation der Trog nicht mehr über Deutschland,
sondern etwa 500 km weiter westlich und tropft aus. Diese Unterschiede
vergrößern sich bis Donnerstag. Nach den beiden neueren Modellläufen setzt sich
das mit Schwerpunkt über Fennoskandien liegende Bodenhoch rascher nach
Südwesten, d.h. in Richtung Mitteleuropa, durch, was in Form einer markanten
Gradientzunahme vonstattengeht. Dies geht offensichtlich rascher vonstatten als
es der gestrige 00 UTC-Lauf im Programm hatte.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Montag wird die oben beschriebene Entwicklung von den
verfügbaren Modellen weitgehend gestützt. Prognoserelevante Unterschiede lassen
sich bis dahin nicht ableiten.
Ab Dienstag ergeben sich größere Unterschiede. Im Gegensatz zu EZMW lassen ICON
und GFS den Trog nach Deutschland hereinschwenken, wogegen UK10 ebenfalls einen
Austropfprozess simuliert, der aber über Benelux zur Schweiz gerichtet ist. Das
Modell des kanadischen Wetterdienstes zeigt diesen Trog (ohne auszutropfen)
weiter westlich.
Zur Wochenmitte hin setzt sich nach ICON über Mitteleuropa wieder eine
südwestliche Strömung durch. Nach allen anderen Modellen übernimmt das Hoch über
Fennoskandien die Regie, wodurch mit einer mehr (nach EZMW) oder weniger kräftig
ausgeprägten östlichen bodennahen Strömung (nach allen anderen Modellen)
bodennah Kaltluft advehiert wird.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum etabliert sich ein kräftiges
Hoch (mit einem Bodendruck, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen hatten)
über Nordost- oder Nordeuropa. Von EZMW wird dieses Hoch über Karelien mit über
1050 hPa simuliert, nach GFS weiter im Nordosten, aber noch westlich des Urals
mit mehr als 1060 hPa, wobei an dessen Südflanke ein Kaltluftkörper auf
Südskandinavien übergreifen kann. Und nach dem kanadischen Modell ist, ausgehend
von einem 1070-er Hoch über Grönland ein kräftiger Keil mit einem
abgeschlossenen Hoch mit mehr als 1040 hPa über Skandinavien zu finden.
Demzufolge ergibt sich durchweg eine Blockierung mit einer östlichen bodennahen
Windkomponente, wenig Niederschlag und zurückgehenden Temperaturen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das EPS des GFS stützt das hauseigene deterministische Modell, zeigt aber den
Schwerpunkt des Bodenhochs weiter östlich und simuliert dieses Hoch auch weniger
kräftig. Bemerkenswert ist die ausgeprägte positive Geopotentialanomalie von
mehr als 30 gpdam über Fennoskandien. Gerade vom aktuellsten Modelllauf wird die
Blockierung am ausgeprägtesten simuliert. Dabei stellt der deterministische Lauf
hinsichtlich des Bodendruckes und Temperaturen (im 850 hPa-Niveau) das extremste
Szenario dar und ist am jeweiligen Rand (oder sogar jenseits) der Verteilung der
EPS-Member zu finden. Insgesamt ist der Spread noch relativ hoch, d.h. die
Mehrzahl der Member zeigen eine abgeschwächtere Version.
Das EPS des EZMW zeigt im Gegensatz zum deterministischen Lauf zur Wochenmitte
den Trog etwas weiter östlich und ähnelt eher der Version vom ICON. Wie beim EPS
des GFS ist auch beim EPS-Mittel des EZMW das Bodenhoch etwas schwächer und
liegt mit seinem Schwerpunkt weiter östlich. Dabei ergibt sich hinsichtlich des
Bodendruckes über Mittel- und Westeuropa nur ein geringer Spread. Die
Einzellösungen des EPS werden bis H+240 in 5 Cluster gruppiert, die durchweg auf
eine Blockierung über Fennoskandien und Nordwestrussland, bei 6 Membern
zusätzlich über dem Nord- und Nordatlantik, setzen. Die Unterschiede ergeben
sich in der Intensität der Kaltlufttropfen, die von Osten her das blockierende
Hoch unterlaufen. Wie beim EPS des GFS zeichnet sich ab Wochenmitte ein relativ
hoher und weiter zunehmender Spread ab, allerdings sind im Gegensatz zum GFS die
beiden ungestörten Läufe eher an der warmen Seite der Verteilung zu finden.
Eindeutig lässt sich dann jedoch eine östliche und sehr ausgeprägte bodennahe
Windkomponente und somit ein allmählicher Rückgang der bodennahen Temperaturen
bei kaum noch vorhandenen Niederschlagssignalen herausarbeiten. Die sich
wahrscheinlich östlich der polnischen Grenze ausbildende Schneedecke begünstigt
diese Entwicklung.
Das Clustering gemäß Großwetterlagen ergibt ein nahezu völliges Verschwinden von
Westlagen. Nur zu Wochenbeginn wird von etwa einem Viertel der EPS-Member
vorübergehend eine Winkel-Westlage „Frontenfriedhof“ gezeigt, alle anderen
EPS-Member sind dann bereits auf der antizyklonalen Schiene.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Bedingt durch die Hochdruckrandlage sind kaum markant zu bewarnende
Wetterereignisse zu erwarten. Mit geringer Wahrscheinlichkeit können am Sonntag
in exponierten bzw. für eine südliche bodennahe Windkomponente anfälligen
Hochlagen der nördlichen und westlichen Mittelgebirge sowie über der freien
Nordsee einzelne stürmische Böen auftreten. Am Montag wäre dies an einigen
Küstenabschnitten der Vorpommerschen Ostseeküste sowie in Ostholstein der Fall.

Basis für Mittelfristvorhersage
EPS, anfangs MOS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy / Thomas Schumann