S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.11.2022 um 10.30 UTC

Zunächst allgemein mild und wechselhaft, zum Ende erneut Signale für kälteres
Blocking.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.11.2022

Die vor uns liegende (erweiterte) Mittelfrist bietet zunächst wenig Raum für
Überraschungen. Erweitert man aber den Blick zum tropischen Pazifik hin, sollten
Signale dort für bevorstehende Änderungen der Großwetterlage von der Quelle her
analysiert werden. Die MJO geht in der Prognose in die Phase 6 (Westpazifik).
Die Amplitude könnte laut einiger Ensemble-Member durchaus hoch ausfallen (mit
Auswirkungen auf die Ausprägung der tropischen Konvektion). Phase 6 der MJO geht
als extratropical response (durch verstärkte meridionale Wellenaktivität mit
anschließendem wave train quer über den Pazifik) i.d.R. einher mit
außergewöhnlich milden Temperaturen über weiten Teilen Nordamerikas, was z.B.
von IFS-EPS in der Mehrzahl der Member durch einen ausgeprägten Höhenrücken über
Nordamerika im weiteren Wochenverlauf indiziert wird. Diese Konstellation ruft
die Nordamerikanische Großwetterlage Pazific Trough (PT) auf den Plan, die durch
ein stärker ausgeprägtes Aleuten-Tief charakterisiert wird. Letzterer Umstand
begünstigt wiederum verstärkte vertikale Wärmeflüsse in Richtung arktische
Stratosphäre bei vorhandener Kopplung über lange planetare troposphärische
Rossby-Wellen, die in Phase laufen dürften mit den klimatologischen
stratosphärischen langen Wellen (siehe auch Vertikalprofile StratObserve). Hier
sieht es nach einer wave-1-Geometrie der Überlagerung in der Stratosphäre aus,
da der Atlantik diesbezüglich relativ ruhig erscheint (obwohl GFS beim
Geopotenzial auf 10 hPa ein leichtes, aber nicht vollständiges Splitting
andeutet). Und siehe da, eine Schwächung des Stratosphärischen Polarwirbels
(SPV) zum Ende der Woche wird sowohl von IFS-EPS als auch von GEFS (Wind in 10
hPa, auf 60 N zonal gemittelt) angezeigt (bei der Stärke des Einbruchs gibt es
allerdings noch einen veritablen Member-Spread, siehe Member-Spread
MJO-Amplitude). Mehr noch, die Kopplung von Stratosphäre und Troposphäre nach
der Schwächung des SPV ist im Vertikalschnitt des NAM-Index zu Beginn der
übernächsten Woche (ab 28./29.11. – siehe StratObserve) deutlich erkennbar, in
dem Sinne, dass NAM bzw. der AO- und auch der NAO-Index deutlicher ins Negative
rutschen könnten. Die daraus resultierende erneut verstärkte Blockierungstendenz
nach einer kurzen Erholung des NAO-Index wird damit insgesamt wahrscheinlicher.
Folglich erscheint in der aktuellen Vorhersage der Großwetterlagen aus dem
Ensemble des IFS (GWL-EPS) nach Süd antizyklonal (Sa) zu Beginn der nächsten
Woche als primäre Sequenz nun zunehmend Hoch Fennoskandien antizyklonal (HFa).

Alles, was davor geschieht in der Mittelfrist, kann relativ kurz zusammengefasst
werden. Zu Beginn herrscht über dem atlantisch-europäischem Raum (bei NAO leicht
positiv) über West- und Mitteleuropa mal eine vorübergehend recht zonal
ausgeprägte Strömung. Dabei etabliert sich im Verlauf allerdings ein
Langwellentrog westlich der Britischen Inseln. Die bodennahe Blockierung
hingegen wird nach Ost- und Nordosteuropa abgedrängt, wobei hohes Geopotenzial
in 500 hPa weiterhin in weiten Teilen des Nordpolarmeers bis nach Grönland
überwiegt und somit einige Member des IFS auch auf NAO negativ springen. Abseits
von formellen Dingen bedeutet letzteres aber vor allem, dass der troposphärische
Polarwirbel nach wie vor stockt und somit nachhaltige Westwetterlagen derzeit
eher unwahrscheinlich sind. Gut, zunächst setzt sich die Milderung erstmal
weiter fort und wechselhaftes, regional auch windiges Wetter gibt die
Marschrichtung vor (siehe auch Synoptische Übersicht Mittelfrist von Samstag,
19.11.2022).

Zum Wochenende hin wird es dann wieder interessanter, synoptisch gesehen. Unser
veritabler Langwellentrog mit der Trogachse westlich der Britischen Inseln
verkürzt seine Wellenlänge und könnte progressiver werden, schwächt sich aber
gen Osten ab. Ein weiterer markanter Langwellentrog stößt von Westen mit seiner
Trogachse in Richtung Seegebiet etwa westlich von Island, über das Seegebiet
westlich der Britischen Inseln bis vor die Iberische Halbinsel nach der Mehrzahl
der IFS-Cluster nahezu senkrecht in der Höhenströmung (Hauptlauf IFS, ICON und
einige Member von IFS-EPS haben eine kleinere Amplitude und leicht positive
Achsneigung)). Somit sollte stromab die Strömung ordentlich aufsteilen (Übergang
GWL von Trog Britische Inseln (TB) zu Südwest zyklonal (SWz). Dadurch verstärkt
sich die Schichtdickenadvektion trogvorderseitig, folgerichtig produzieren
einige Globalmodelle wie IFS, ICON und teils auch GFS einen Höhenrücken, der
sich mehr oder weniger positiv geneigt etwa von Südwest- über Westeuropa bis ins
Nordmeer erstrecken soll.

Nun scheiden sich aber die Geister, da offen ist, wie und wo sich die neu
aufgebaute Blockierung im Verlauf etabliert. Gleichzeitig amplifiziert
vorgenannter Trog laut IFS noch stärker (deutliche Vergrößerung seiner Amplitude
unter leichter Wellenlängenverkürzung) und dämpft demnach die
Gruppengeschwindigkeit der planetaren Welle stromab. Das klingt nach Zutaten für
eine Neuauflage eines Skandi-Blockings, aber soweit ist es noch nicht. Denkbar
sind auch andere Variationen einer Blockierung (z.B. Höhenrücken von Süd- bis
Mitteleuropa oder aber über dem Ostatlantik/Nordmeer, entsprechend Süd- oder
Südwest antizyklonal (Sa, SWa) oder Hoch Britische Inseln (HB) bzw. Hoch
Nordmeer zyklonal (HNz)). Dementsprechend ist auch die Bandbreite der
Temperaturprognose für die erweiterte Mittelfrist recht groß (siehe weiter unten
Rauchfahnen). Wie eingangs erwähnt, eine neuerliche Blockierung wird insgesamt
wahrscheinlicher, für synoptische Details ist es aber noch zu früh.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des neuen IFS-Laufs ist im Vergleich zu den Vorläufen im Prinzip
bis Wochenende recht gut, eischließlich der sich abzeichnenden
Blockierungssituation am Ende. Sicher, Positionierung des Höhenrückens
(Europäisches Blocking eher Nordwesteuropa oder Skandinavien) sowie von
Nordosten/Osten ggf. hereinschwenkende Höhentröge bzw. Kaltlufttropfen können
aufgrund des Vorhersagezeitraums noch nicht abschließend geklärt werden.
Immerhin gibt es auch bei GEFS (wenn auch in der Minderheit) vergleichbare
Lösungen zu Beginn der nächsten Woche.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die beschriebene Entwicklung in der Mittelfrist wird bis zum Wochenende von IFS
und ICON recht ähnlich gesehen. GFS lässt den LW-Trog westlich der Britischen
Inseln ab Donnerstag schwächer entwickeln und simuliert den nachfolgenden
Trogvorstoß über dem Nordatlantik deutlich südlicher. Damit würde GFS die Chance
auf eine gewisse Zonalisierung beibehalten, während IFS und auch ICON die weiter
oben beschriebene Lösung mit stärkeren Blockierungstendenzen favorisieren.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Im Zeitschritt t+120 bis +168 h existieren fünf gruppierte Cluster, die aber fas
alle Blockierungslösungen wie weiter oben beschrieben enthalten. Die wenigsten
Member unterstützen eine mehr zonal ausgerichtete Lösung bis Sonntag, in
ähnlicher Lesart wie GFS (bei weiterhin NAO positiv).

Im Zeitschritt t+192 bis +20 h (erweiterte Mittelfrist) existieren noch drei
gruppierte Clusterlösungen. Zwei davon (Mehrzahl der Member) favorisieren ein
Skandi-Blocking, eins geht zudem von einem Höhenrücken über den Britischen
Inseln aus (GWL HB). In Ansätzen kann man allerdings auch Strukturen eines
Höhenrückens über West- und Mitteleuropa ausmachen.

Im Zeitschritt t+264 bis +360 h) sind wir bereits im
Glaskugelbereich….nichtsdestotrotz modifizieren sich hier die angedeuteten
Blocking-Lösungen und der atlantische Einfluss scheint weiterhin gering zu sein
für Mitteleuropa.

Für die Rauchfahnen schauen wir wieder auf einen beliebigen Ort im Norddeutschen
Flachland, zentral gelegen.

Bezüglich Trend der 850hPa-Temperatur zeigt sich ein recht sicherer Anstieg bis
Freitag/Samstag (bei geringem Spread). Hiernach gehen Haupt- und Kontrolllauf
rasch diametral auseinander (!), entsprechend geht der Hauptlauf deutlich nach
unten (Montag, 28.11. bei -7 Grad), wohingegen Kontrolllauf und nicht wenige
Member bei +2 Grad liegen, wobei der Spread nach oben enorm ist.

Den Niederschlag kann man recht schnell abhandeln – bis zum Wochenende sind
immer mal leichte Niederschläge wahrscheinlich, danach nimmt die
Niederschlagsneigung deutlich ab.

Beim Geopotenzial in 500 hPa ist der Anstieg bis zum Wochenende zunächst gering,
im Verlauf überschreiten wir die 550 dam, am Sonntag sogar die 560 dam, wobei
der Spread nach oben größer als nach unten ist. Dieser Trend wird im
Wesentlichen beibehalten in der erweiterten Mittelfrist.

Zusammenfassend wird durch die Rauchfahnen der heutige Erkenntnisstand nicht
infrage gestellt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Mittwoch im Süden auf den Bergen stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9)
aus Südwest, an der Nordsee stürmische Böen (Bft 8) aus Südost bis Süd möglich.

Am Donnerstag in einigen Hochlagen teils noch Sturmböen (Bft 9), sonst
Beruhigung.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, NOAA-NAO, StratObserve, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz